Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII
Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung einer Berufung
Erkrankung eines Verfahrensbeteiligten
Gründe:
I
Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherung) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1.8.2011 fortlaufend Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung des vollen Regelsatzes,
Bedarfen für Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung; sie berücksichtigte
dabei die (geringfügige) Erwerbsminderungsrente des Klägers als Einkommen. Der Kläger begehrt in der Sache höhere Grundsicherungsleistungen,
weil der Regelsatz verfassungswidrig zu niedrig sei und insbesondere nicht zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums
genüge. Die Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts [SG] Frankfurt vom 10.4.2017;
Urteil des Hessischen Landessozialgerichts [LSG] vom 10.10.2018). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt,
die Berufung sei unzulässig. Der Gerichtsbescheid des SG sei dem Kläger am 12.4.2017 zugestellt worden, die am 16.5.2017 eingelegte Berufung daher verfristet. Der Antrag auf Wiedereinsetzung
sei abzulehnen, weil der Kläger nicht unverschuldet gehindert gewesen sei, die Berufungsfrist einzuhalten. Der Kläger habe
sich wegen einer Herzerkrankung vom 28.3. bis 7.4.2017 in stationärer Krankenhaus- und danach bis 25.4.2017 in Anschlussheilbehandlung
befunden, sei also noch vor Fristablauf wieder zu Hause gewesen. Soweit der Kläger vortrage, wegen einer psychischen Erkrankung
in Kombination mit einer Herzerkrankung körperlich und psychisch eingeschränkt gewesen zu sein, ergäben sich zwar gewisse
Beeinträchtigungen aus der vorgelegten Verordnung von Krankenhausbehandlung des Neurologen und Psychiaters R.. Allerdings
bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger deshalb schlechthin nicht in der Lage gewesen sei, fristgerecht die Berufung
einzulegen. Dies umso mehr, als er am 15.5.2017 eine 18-seitige Berufungsschrift nebst Anlagen habe fertigen können.
Zur Durchführung eines Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil beantragt der Kläger
die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH). Die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags sei "verwerflich"; dass er kurz nach
Fristablauf einen ausführlichen Schriftsatz vorgelegt habe, trage den Schluss des LSG nicht. Denn er habe trotz rechtzeitigen
Beginns des Schriftsatzes einige Tage vor Fristablauf nicht absehen können, wie umfangreich und anstrengend das Ganze für
ihn werde. Gerade der psychische Stress durch jahrelange Gerichtsverfahren habe ihn kurz nach seinem Herzinfarkt schwer belastet.
In der Sache stehe ihm ein höherer Regelbedarf, mindestens 571 Euro monatlich, zu.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz [SGG] iVm §
114 Zivilprozessordnung [ZPO]). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde
nur, wenn einer der drei in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§
73 Abs
4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Die Revision darf
danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht
und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen kann nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers keiner mit Erfolg im Beschwerdeverfahren,
verbunden auch mit einem möglichen Erfolg in der Hauptsache (vgl dazu nur BSG SozR 4-1500 § 73a Nr 2 mwN) geltend gemacht werden.
Ein Rechtsanwalt wird schon nicht mit Erfolg einen Verfahrensmangel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) rügen können, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher liegt insbesondere nicht darin, dass das LSG unter Ablehnung
des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Berufungsfrist durch Prozessurteil und nicht durch
Sachurteil entschieden hat (zu diesem Verfahrensmangel vgl nur Senatsbeschluss vom 5.7.2018 - B 8 SO 50/17 B - mwN). Denn
das LSG hat zutreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung (§
67 SGG) wegen der vom Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen abgelehnt. Nicht jede Erkrankung eines Verfahrensbeteiligten
entschuldigt eine Fristversäumung. Die Erkrankung muss vielmehr so schwer sein, dass der Betroffene außerstande ist, seine
Angelegenheiten selbst wahrzunehmen oder einen Dritten hiermit zu beauftragen (stRspr; vgl nur BVerfG Beschluss vom 17.7.2007
- 2 BvR 1164/07; BSG Beschluss vom 25.2.1992 - 9a BVg 10/91; vom 17.5.2016 - B 13 R 67/16 B; vom 27.3.2017 - B 9 SB 16/17 B - juris RdNr 3). Dass die Krankheit in verfahrensrelevanter Form Einfluss auf die Entschluss-, Urteils- und Handlungsfähigkeit
des Klägers genommen hätte, ist vorliegend nicht erkennbar. Solche Einschränkungen ergeben sich weder nach den vorgelegten
Unterlagen noch behauptet der Kläger solche. Vielmehr trägt er vor, er habe rechtzeitig vor Ablauf der Frist mit dem Schreiben
der Berufungsbegründung begonnen, sei aber aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, diese fertigzustellen.
Damit macht der Kläger selbst deutlich, dass er grundsätzlich in der Lage war, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen und
alles nötige zu unternehmen, um rechtzeitig vor Fristablauf Berufung einlegen zu können. Dass der Kläger möglicherweise den
erforderlichen Zeitaufwand dafür geringer eingeschätzt hat, als er - nach seinem Vorbringen - krankheitsbedingt tatsächlich
gewesen ist, ändert an der Beurteilung nichts. Denn zur Fristwahrung hätte eine - vorläufige - kürzere Begründung, die anzufertigen
der Kläger in der Lage gewesen wäre, genügt.
Für die vom Kläger mit seinem PKH-Antrag im Übrigen geltend gemachten Verfahrensmängel - etwa die Verletzung seines Anspruchs
auf rechtliches Gehör oder das Vorliegen einer Überraschungsentscheidung - sind nach dem Akteninhalt, insbesondere der Niederschrift
der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2018 keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Hat aber das LSG zutreffend die Berufung als unzulässig verworfen, wird ein Rechtsanwalt erfolgreich weder die grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache noch eine Divergenz geltend machen können, weil ein Erfolg in der Hauptsache damit ausgeschlossen
ist.
Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).