Darlegung einer Rechtsprechungsdivergenz
Fehlerhafte Rechtsanwendung
Substantiierung eines Verfahrensfehlers
Gründe:
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines GdB von 50 durch Höherbewertung einer posttraumatischen Belastungsstörung
(PTBS). Er vertrat zuletzt im Berufungsverfahren unter Hinweis auf den Beschluss des Sachverständigenbeirats beim BMAS vom
6./.7.11.2008 zu "Posttraumatische Belastungsstörung - Klinik und Begutachtung" die Ansicht, eine Gutgestellte PTBS sei stets
mit einem Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 30 zu bewerten.
Bei dem Kläger waren zuletzt ein GdB von 40 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festgestellt. Die Neufeststellung
lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 4.10.2006; Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006). Klage und Berufung waren erfolglos,
nachdem der Kläger wegen eines weiteren Neufeststellungsantrags vom 7.11.2008 seinen Anspruch im Berufungsverfahren zeitlich
bis zum 6.11.2008 beschränkt hatte und insbesondere der neurologisch-psychiatrische Sachverständige im Berufungsverfahren
zu dem Ergebnis gekommen war, bei dem Kläger habe nach einem Überfall im 2003 zwar eine PTBS bestanden, die jedoch langsam
wieder abgeklungen sei. Jetzt fänden sich noch Reste dieser Störung. Das LSG hat hieran anschließend ua ausgeführt, nach dem
Ergebnis der durchgeführten neurologisch-psychiatrischen Begutachtung seien ua die Bewertung der PTBS mit einem Einzel-GdB
von 20 und der Gesamt-GdB von 40 weiterhin angemessen. Wesentliche Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit
hätten sich nach der Untersuchung nicht ergeben. Soweit der Kläger allein aus der bisherigen Diagnose einer PTBS nunmehr unter
Bezugnahme auf den Beschluss des Sachverständigenbeirats beim BMAS vom 6./7.11.2008 zu "Posttraumatische Belastungsstörung
- Klinik und Begutachtung" auf einen Einzel-GdB von 30 schließe, sei fraglich, ob diesem Beschluss mit Blick auf die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) überhaupt noch Bedeutung zukomme. Auch übersehe der Kläger, dass nach der genannten Beschlusslage von einer PBTS nur noch
unter besonders strengen Voraussetzungen ausgegangen werden könne (Urteil vom 11.6.2014).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG iVm §
169 S 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 S 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der Divergenz und des Verfahrensfehlers
(§
160 Abs
2 Nr
2 und
3 SGG).
1. Der Kläger legt die für eine Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend
den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts
einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar seien
sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa
lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).
Der Kläger behauptet, das LSG sei von der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R - RdNr 34, 43) abgewichen, nach der der Schweregrad einer Traumafolgestörung auch danach zu bemessen sei, ob und inwieweit
mittelgradige oder schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten nach den von dem ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin
am Beispiel eines "schizophrenen Residualzustandes" im Sinne der ab 1.1.2009 geltenden VersmedV, Teil B 3.7 entwickelten Abgrenzungskriterien
vorliegen. Dabei seien die Beschlüsse des Sachverständigenbeirats stets zu beachten, solange sie dem neuesten Stand der medizinischen
Wissenschaft entsprächen. Die Beschwerdebegründung versäumt angesichts der Deckungsgleichheit der VersmedV, Teil B 3.7 mit
den vom LSG zugrunde gelegten Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) 2005 und 2008 Ziff 26.3, einen entscheidungstragenden
Rechtssatz des LSG gegenüberzustellen, der einen Widerspruch im Grundsätzlichen erkennen ließe. Jedenfalls zeigt der Kläger
angesichts der vom Sachverständigen erhobenen und vom LSG festgestellten geringen Funktionsbeeinträchtigungen seiner psychischen
Erkrankung auch die Entscheidungserheblichkeit mit Blick auf den gewünschten Gesamt-GdB nicht auf. Hieran ändert auch der
Hinweis des Klägers auf das Vollbild einer PTBS nach ICD-10 und die damit einhergehende Höherbewertung gemäß dem Beiratsbeschluss
vom 6./7.11.2008 nichts. Denn der Kläger trägt gerade nicht vor, dass in seinem Fall über die bisherige Diagnose einer PTBS
hinaus bereits eine exakte Orientierung an den Voraussetzungen für die genannte internationale Klassifikation der PTBS erfolgt
wäre, die mit Blick auf vorhandene Funktionsbeeinträchtigungen eine solche Höherbewertung zwangsläufig nach sich ziehen könnte.
Soweit er stattdessen rügt, das LSG habe sich in seinem Fall nicht (ausreichend) mit dem Grad der sozialen Anpassungsschwierigkeiten
innerhalb von Ehe, Familie und Beruf im Einzelnen auseinandergesetzt, wendet er sich gegen die Rechtsanwendung im Einzelfall,
die nicht Gegenstand der Divergenzrüge ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
2. Auch ein Verfahrensmangel ist nicht ausreichend bezeichnet. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund
des Verfahrensfehlers stützt (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), muss zu seiner Bezeichnung (§
160a Abs
2 S 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen,
die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr, vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36; BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 13 RdNr 4 mwN). Geltend gemacht werden kann nur ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann;
der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §
109 und §
128 Abs
1 S 1
SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende
Begründung nicht gefolgt ist.
Soweit Verstöße gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG iVm §
106 Abs
3 Nr
4 und
5 SGG) gerügt werden, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht
ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund
derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag
berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses
der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft
unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme
von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Der Kläger bezieht sich auf einen in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellten Antrag auf Einholung eines
weiteren neurologisch-psychiatrisch/psychotherapeutischen Sachverständigengutachtens ggf auch Ergänzungsgutachtens zur Frage,
dass bei ihm das Vollbild einer PTBS mit mindestens "mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten" vorliegt. Er zeigt
jedoch nicht die Tatumstände auf, die das LSG ausgehend von seiner Rechtsauffassung hätten veranlassen müssen, in erneute
Ermittlungen einzutreten. Insoweit hätte es des klägerseitigen Vortrag bedurft, weshalb nach den dem LSG vorliegenden Beweisergebnissen
Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offen geblieben sind und
damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hätte (vgl Becker, Die Nichtzulassungsbeschwerde
zum BSG [Teil II], SGb 2007, 328, 332 zu RdNr 188 unter Hinweis auf BSG Beschluss vom 14.12.1999 - B 2 U 311/99 B - mwN). Dies hat der Kläger versäumt. Zwar behauptet der Kläger entgegen den Ergebnissen des Sachverständigengutachtens pauschal
das Vollbild einer PTBS und "mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten", beschränkt sich insoweit aber darauf, die hierzu
ergangenen Erläuterungen der Beiratsbeschlüsse vom 18./19.3.1998 und 8./9.11.2000 (vgl BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R - RdNr 43) zu zitieren, ohne die aufklärungsbedürftigen konkreten Umstände seines Einzelfalls zu benennen.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang gleichzeitig die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art
103 Abs
1 GG; §
62 SGG) darin sieht, dass das LSG seiner Bitte um Verlängerung der Einlassungsfrist zum neurologisch-psychiatrischen Gutachten nicht
entsprochen habe, äußerst er sich ebenfalls nicht konkret dazu, welcher weitere Vortrag des in der mündlichen Verhandlung
anwesenden Klägers durch das Gericht verhindert worden sein könnte (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36).
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.