Gründe:
I
In der Hauptsache ist streitig, ob das Berufungsverfahren L 13 SB 413/12 vor dem LSG Nordrhein-Westfalen durch gerichtlichen Vergleich vom 30.1.2015 erledigt ist.
In dem vorangehenden Klageverfahren hatte das SG die Klage auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 abgewiesen (Urteil vom 29.10.2012). Im anschließenden
Berufungsverfahren schlossen die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.1.2015 im Anschluss an ein von Amts
wegen eingeholtes neurologisch-psychiatrisches Gutachten einen Vergleich dahingehend, dass der Beklagte einen GdB von 40 ab
dem Tag der Untersuchung durch den Sachverständigen anerkannte und die Beteiligten das Verfahren im Übrigen als erledigt betrachteten.
Anschließend focht der Kläger mit Schreiben vom selben Tag den Vergleich wegen Erklärungsirrtums aus gesundheitlichen Gründen
infolge der Einnahme von Schmerzmitteln an. Einer der Beisitzer habe mit ihm russisch gesprochen, ohne dass die Aussage für
seinen nichtanwaltlichen Beistand und die anderen Richter durch die Dolmetscherin übersetzt worden sei. Das LSG hat nach Anhörung
der Beteiligten festgestellt, dass das Berufungsverfahren durch den Vergleich beendet ist. Anhaltspunkte für Prozessunfähigkeit
bestünden nicht. Der Kläger leide nach den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen im Berufungsverfahren an einer
somatoformen Schmerzstörung, die mit einem GdB von 40 zu bewerten sei. Eine Anfechtung komme nicht in Betracht. Insbesondere
werde selbst vom Kläger nicht einmal behauptet, dass mit dem auf russisch gegebenen Hinweis eine widerrechtliche Drohung verbunden
gewesen sei (Beschluss vom 25.8.2015).
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG. Auf die antragsgemäß
bis zum 27.11.2015 verlängerte Begründungsfrist hat der Prozessbevollmächtigte die Beschwerde mit Schreiben vom 26.11.2015
begründet und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Der Kläger hat seinem Prozessbevollmächtigten am 30.11.2015 das Mandat entzogen
und die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts beantragt.
II
1. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
114 ZPO). Weder die Beschwerdebegründung vom 26.11.2015 noch die Aktenlage lassen bei der gebotenen summarischen Prüfung die erforderliche
Erfolgsaussicht erkennen.
Hinreichende Erfolgsaussicht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in §
160 Abs
2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen
werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen ist keiner ersichtlich.
Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund
gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich
sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Der in der Beschwerdebegründung angeführte Umstand, dass auch eine punktuelle Verletzung der Vorschriften
über die Gerichtssprache verfahrensfehlerhaft sein und auf einen verfahrensbeendenden Vergleich durchschlagen könne, zeigt
schon keine hinreichend konkrete Rechtsfrage mit Breitenwirkung auf und ist so allgemein gehalten, dass er nicht zur Grundlage
der weiteren Prüfung taugt, ob weitergehender Klärungsbedarf bestehen könnte (vgl BSG Beschluss vom 5.8.2014 - B 10 ÜG 32/13 B). Dies gilt insbesondere hier auch angesichts der in den §§
184,
185 Gerichtsverfassungsgesetz vorhandenen gesetzlichen Regelung.
Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß §
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler
des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Entscheidungsrelevante Verfahrensmängel sind nicht ersichtlich.
Der Kläger trägt letztlich vor, das LSG sei verfahrensfehlerhaft vorgegangen, indem es von einer Erledigung des Verfahrens
durch Vergleich ausgegangen sei ohne in der Sache zu entscheiden (vgl zum Verfahrensfehler bei Prozessentscheidung anstelle
einer gebotenen Sachentscheidung BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - Juris RdNr 20). Das Gericht habe den Kläger in russischer Sprache - unter Übergehung des dieser Sprache nicht mächtigen
Beistands - heftig und lautstark zu einem Vergleich gedrängt, ohne seine krankheitsbedingten Defizite der Willensbildung zu
berücksichtigen. Mit diesem Vortrag legt der Kläger indes unter keinem Gesichtspunkt einen entscheidungsrelevanten Mangel
des die Verfahrensbeendigung feststellenden LSG-Beschlusses dar. Der Kläger setzt sich nicht mit den näheren Umständen auseinander,
unter denen die Zustimmung zu einem Vergleich beseitigt werden könnte. Selbst wenn danach die Anfechtung wegen einer Drohung
(vgl Müller in Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, §
101 RdNr 32 ff) grundsätzlich zu erwägen ist, fehlt es nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme jedenfalls
an substantiiertem Vortrag zur Widerrechtlichkeit eines angekündigten Übels (BAG NZA 2010, 1250 RdNr 25 ff). Einen Beweisantrag, dem das LSG in diesem Zusammenhang ohne hinreichende Gründe nicht gefolgt sein könnte und
der zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels des angefochtenen LSG-Beschlusses führen könnte, bezeichnet die
Beschwerdebegründung nicht.
Ein Verfahrensmangel kommt allerdings in Betracht, wenn ein in Wahrheit prozessunfähiger Beteiligter vom Gericht für prozessfähig
gehalten wird. Auch in diesem Fall ist jedoch die Darlegung der diesen Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen
erforderlich, dh, es muss in der Beschwerdeschrift substantiiert und schlüssig dargetan werden, aufgrund welcher Anzeichen
das LSG ernsthafte und begründete Zweifel am Vorliegen der Prozessfähigkeit des Klägers hätte haben können (BSG Beschluss vom 5.11.2000 - B 13 RJ 53/00 B - Juris RdNr 11). Der Kläger behauptet keine allgemeine Prozessunfähigkeit, sondern bezieht eine Störung seines freien
Willens mehr oder weniger auf die Situation des Vergleichs am 30.1.2015. Die von ihm behauptete medikamentöse Beeinträchtigung
vermag indes in dieser unspezifischen Form nicht zu belegen, dass der Kläger sich durch einen vom Gericht ausgeübten Druck
in dem von ihm geltend gemachten Sonderfall einer "Extremsituation" befunden habe, in der er zu einer freien Willensbetätigung
nicht mehr in der Lage gewesen wäre (vgl BSG Beschluss vom 5.11.2000 - B 13 RJ 53/00 B - Juris RdNr 13). Einen Beweisantrag, dem das LSG in diesem Zusammenhang ohne hinreichende Gründe nicht gefolgt sein könnte
und der zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels des angefochtenen LSG-Beschlusses führen könnte, bezeichnet
die Beschwerdebegründung auch hier nicht.
Der ausdrücklich behauptete Verfahrensmangel in Gestalt einer Gehörsverletzung (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG; Art 47 Abs 2 S 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention) ist erst recht nicht erkennbar. Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß
gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und
inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan
zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Die Beschwerdebegründung setzt sich schon nicht damit auseinander, ob und welche Anstrengungen
der Kläger unternommen hat, um sicherzustellen, dass sein Beistand rechtzeitig Kenntnis vom Inhalt des auf russisch geführten
Gesprächs bekommen konnte, ferner, ob und inwieweit der in deutscher Sprache protokollierte Vergleich trotz ohnehin fehlender
Mitwirkung des Beistands - nicht des Prozessbevollmächtigten (vgl §
73 Abs
7 SGG) - keinen Bestand haben könnte.
Der Antrag auf PKH ist daher abzulehnen. Damit entfällt zugleich auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
121 ZPO) unbeschadet der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die gewünschte Beiordnung eines anderen anstelle des zunächst
tätigen Prozessbevollmächtigten nach Entzug des Mandats überhaupt noch in Betracht kommen könnte.
2. Die Beschwerde ist aus den unter II.1. genannten Gründen ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG). Eine nochmalige Verlängerung dieser Frist wäre nicht statthaft, da §
160a Abs
2 S 2
SGG ausdrücklich nur eine Verlängerung "einmal bis zu einem Monat" erlaubt (stRspr, BSG Beschluss vom 5.8.2010 - B 13 R 117/10 B - Juris RdNr 4).
Eine Ausnahme hiervon kann auch in Härtefällen nicht gemacht werden; hierfür steht das Institut der Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand (§
67 SGG) zur Verfügung. Wiedereinsetzungsgründe sind jedoch nicht ersichtlich. Denn der Kläger war nicht ohne Verschulden an ausreichendem
Vortrag innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist verhindert (§
67 Abs
1 SGG). Vielmehr hat er sich in vollem Umfang das Verhalten seiner bisherigen Prozessbevollmächtigten auch dann zurechnen zu lassen
(§
73 Abs
6 S 6
SGG iVm §
85 Abs
2 ZPO), wenn er von diesen - wie der Kläger meint - nicht richtig betreut worden sein sollte (vgl BSG Beschluss vom 5.8.2010 - B 13 R 117/10 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 15.12.2015 - B 9 V 59/15 B).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.