Arbeit, inhaltliche Bestimmtheit des Angebots gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit im Sozialhilferecht, Angebot gemeinnütziger
und zusätzlicher Arbeit an Hilfesuchende, die keine Arbeit finden können, Hilfe zum Lebensunterhalt, Kürzung ergänzender Hilfe
bei Verweigerung gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit
Gründe:
I. Der 1948 geborene Kläger ist Diplomsoziologe. Im April 1982 beantragte er bei der Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt und
unterzeichnete eine von der Beklagten vorbereitete Erklärung vom 15. April 1982, mit der er u.a. bestätigte, ihm sei bekannt,
daß die ihm zu gewährende Hilfe auf der Grundlage von § 25 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) gekürzt und schließlich ganz eingestellt werden könne, wenn er sich weigere, gemäß § 19 BSHG gemeinnützige Arbeit auf dem städtischen Waldfriedhof für vier Stunden täglich zu leisten. Die Beklagte bewilligte dem Kläger
ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt (245,48 DM). Dabei rechnete sie auf den Bedarf des Klägers eine Unterhaltsleistung des
Vaters sowie Wohngeld an.
Auf Einwände des Klägers hin übersandte die Beklagte ihm ein als "Änderungsbescheid" bezeichnetes Schreiben mit Rechtsmittelbelehrung
vom 17. Mai 1982, in dem es u.a. heißt, in Abänderung des Bescheides vom 15. April 1982 werde er gebeten, sich stundenweise
im Rahmen einer Hausaufgabenhilfe durch das Jugendamt der Stadt D. zur Verfügung zu stellen. Die tägliche Arbeitszeit und
Arbeitsleistung sei mit der Personalstelle des Jugendamtes - Herrn Amtmann B. - abzusprechen. Komme der Kläger dem nicht nach,
werde im Rahmen des § 25 BSHG die Weiterleistung der Sozialhilfe überprüft. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. In der Folgezeit erhielt der Kläger,
der die angebotene Arbeit nicht aufnahm, zunächst ungekürzte Hilfe. Mit Bescheid vom 8. Oktober 1982 verfügte die Beklagte
dann (u.a.), daß die Hilfe für den Kläger um 20 v.H. und - falls er sich weiterhin weigere, die Hausaufgabenhilfe aufzunehmen
- um 50 v.H. gekürzt und sodann eingestellt werde. Der Kläger legte auch dagegen Widerspruch ein.
Seine nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die
Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat er im wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe nach Maßgabe der §§ 11, 12 BSHG Anspruch auf die begehrte Hilfe. Der Bescheid vom 17. Mai 1982 sei rechtswidrig. Da die ergänzende Hilfe für den Kläger geringer
gewesen sei als die Hälfte des vollen Regelsatzes zuzüglich Miete, sei es unverhältnismäßig, dem Kläger eine monatliche Arbeitsleistung
von ca. 88 Stunden ohne Arbeitsentgelt abzuverlangen und für den Fall der Weigerung die Anwendung der Sanktionsnorm des §
25 Abs. 1 BSHG anzudrohen. Da der Kläger die angesonnene Arbeit berechtigterweise verweigert habe, sei der Bescheid vom 8. Oktober 1982,
soweit er die Kürzung und den späteren Entzug der Hilfe regele, ebenfalls rechtswidrig.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt die Verletzung von
§ 19 Abs. 2, § 25 Abs. 1 BSHG.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht hält den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 1982 für rechtmäßig, den Bescheid
vom 8. Oktober 1982, soweit er die Leistungskürzung regelt, hingegen für rechtswidrig.
II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, dem Kläger ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt ungekürzt zu
gewähren. Zwischen den Beteiligten umstritten und entscheidungserheblich ist allein die Frage, ob der Kläger seinen Rechtsanspruch
auf die Hilfeleistung nach § 25 Abs. 1 des hier in der Fassung vom 13. Februar 1976 (BGBl. I S. 289) anzuwendenden Bundessozialhilfegesetzes verloren hat, weil er sich weigerte, die ihm mit Bescheid vom 17. Mai 1982 in Anwendung
des § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 2 BSHG angebotene Hausaufgabenhilfe zu leisten. Das Berufungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger seinen
Rechtsanspruch auf ungekürzte Hilfe im streitbefangenen Zeitraum nicht verloren hat.
Nach § 25 Abs. 1 BSHG hat keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt, wer sich weigert, zumutbare Arbeit zu leisten. In der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß "Arbeit" im Sinne von § 25 Abs. 1 BSHG auch die gemeinnützige und zusätzliche Arbeit nach § 19 Abs. 2 BSHG ist, und zwar auch dann, wenn dem Hilfesuchenden (Hilfeempfänger) nicht das übliche Arbeitsentgelt, sondern Hilfe zum Lebensunterhalt
zuzüglich einer angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen gewährt wird (BVerwGE 67, 1 [4 ff.], 68, 91 [93 ff.] und 68, 97 [99]).
Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß der Kläger im streitbefangenen Zeitraum zu dem Personenkreis gehörte, für
den die Schaffung einer Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit in Betracht kam. Wie sich aus dem systematischen
Zusammenhang zwischen § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Halbsatz 1 BSHG ergibt, umfaßt dieser Personenkreis Hilfesuchende, die keine Arbeit finden können. Darunter fallen nicht nur Hilfesuchende,
die aus in ihrer Person liegenden (subjektiven) Gründen den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht oder nur eingeschränkt
gewachsen sind, sondern auch Hilfesuchende, die durch außerhalb ihrer Person liegende (objektive) Gründe, insbesondere infolge
der vorherrschenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und eines allgemeinen Arbeitsplatzmangels, keine Beschäftigung finden
oder diese ersatzlos verlieren. Mit Sinn und Zweck der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten nach § 19 Abs. 2 BSHG wäre es nicht vereinbar, die zuletzt genannte Gruppe der Hilfesuchenden, zu denen sich auch der Kläger gerechnet hat, generell
aus dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift auszuklammern. Wie der Senat (BVerwGE 67, 1 [6]) ausgeführt hat, sind die §§ 18 ff. BSHG Hilfenormen. Das Angebot gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit kann daher (im Rahmen des Zumutbaren) je nach den Umständen
des Einzelfalls sinnvoll und geboten sein, um der Arbeitsentwöhnung vorzubeugen, der sozialen Ausgliederung entgegenzuwirken,
Gelegenheit zur Selbstbestätigung zu geben und den Hilfebedürftigen auf die Übernahme einer Erwerbstätigkeit vorzubereiten,
die ihn befähigt, unabhängig von Sozialhilfe zu leben (BVerwGE aaO., S. 5). Für eine Unterscheidung nach subjektiven und objektiven
Gründen der Arbeitslosigkeit ist im Rahmen dieser Zielsetzung kein Raum.
Auch der Umstand, daß der Kläger unter Anrechnung seines Einkommens (Unterhaltsleistung des Vaters, Wohngeld) lediglich ergänzende
Hilfe zum Lebensunterhalt beanspruchen konnte, hat ihn nicht von vornherein aus dem Kreis der Hilfeempfänger ausgeschlossen,
für die der Sozialhilfeträger Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit schaffen soll. § 19 Abs. 2 BSHG begrenzt diesen Personenkreis nicht nach dem Umfang, in dem der Hilfeempfänger auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen ist.
Eine derartige Beschränkung wäre mit dem dargelegten Zweck der Vorschrift unvereinbar (im Ergebnis ebenso Gottschick/Giese,
BSHG, 9. Aufl. 1985, Rdnr. 2 zu § 19).
Gleichwohl ist der Kläger nicht in rechtmäßiger Weise zur Leistung von Hausaufgabenhilfe aufgefordert worden. Das Schreiben
der Beklagten vom 17. Mai 1982 ist ein Verwaltungsakt. Das ergibt sich hier schon daraus, daß es als Änderungsbescheid bezeichnet
und auch so formuliert ("... in Abänderung unseres Bescheides vom 15. April 1982 werden Sie ... gebeten, ... ") sowie mit
einer Rechtsmittelbelehrung versehen worden ist. Dieser Verwaltungsakt ist rechtswidrig, weil er inhaltlich nicht hinreichend
bestimmt ist (§ 33 Abs. 1 SGB X).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 67, 1 [6 f.] und 68, 97 [99 f.]) muß das Angebot zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit die Arbeitsgelegenheit genau bezeichnen.
Der Sozialhilfeträger hat die Art der Arbeit, ihren zeitlichen Umfang und ihre zeitliche Verteilung sowie - wird die 2. Alternative
des § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 BSHG gewählt - die Höhe der angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen im einzelnen zu bestimmen. Das Erfordernis der Bestimmtheit
rechtfertigt sich aus der Überlegung, daß der Hilfesuchende (Hilfeempfänger) aus Gründen des Rechtsschutzes erkennen muß,
ob die für ihn als Maßnahme der Hilfe geschaffene Arbeitsgelegenheit angemessen (zumutbar) sowie erforderlich und geeignet
ist, um den mit ihr verfolgten Zweck erfüllen zu können. Insoweit gilt für die Schaffung gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit
nach § 19 Abs. 2 BSHG nichts anderes als für die übrigen Arten und Formen der Hilfemaßnahmen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Die Bestimmtheit der Hilfemaßnahme ist außerdem erforderlich, um diejenigen, unter deren Leitung und Obhut die Arbeit verrichtet
werden soll, in den Stand zu versetzen, ihre ordnungsgemäße Ausführung zu gewährleisten.
Diesen inhaltlichen Anforderungen wird der Bescheid vom 17. Mai 1982 nicht gerecht. Bei objektiver Betrachtung war für den
Kläger allerdings erkennbar, daß die Beklagte ihm - ebenso wie bereits im April 1982 hinsichtlich der Arbeit auf dem Waldfriedhof
- gemeinnützige und zusätzliche Arbeit im Sinne von § 19 Abs. 2 BSHG anbieten wollte. Denn der Bescheid vom 17. Mai 1982 wird als "Änderungsbescheid" bezeichnet und damit begründet, daß die
Beklagte lediglich den Einwänden des Klägers gegen die Art der Beschäftigung auf dem Waldfriedhof durch eine Veränderung der
Aufgabenstellung mit Rücksicht auf seinen Ausbildungsstand Rechnung tragen wollte. Überdies ergibt sich aus ihrem Hinweis,
bei fortgesetzter Weigerung des Klägers, die Arbeit aufzunehmen, im Rahmen von § 25 BSHG die Weiterleistung der Sozialhilfe zu überprüfen, daß dem Kläger nicht das übliche Arbeitsentgelt, sondern Hilfe zum Lebensunterhalt
gewährt werden sollte. Angaben zur Höhe der hiermit verbundenen angemessenen Entschädigung für Mehraufwendungen (vgl. § 19 Abs. 2 Halbsatz 1 Alternative 2 BSHG) fehlen allerdings.
Entscheidend ins Gewicht fällt jedoch, daß die Beklagte den zeitlichen Umfang der Hausaufgabenhilfe im Bescheid vom 17. Mai
1982 nicht hinreichend bestimmt hat. In ihm heißt es nur, der Kläger werde gebeten, sich "stundenweise im Rahmen einer Hausaufgabenhilfe
durch das Jugendamt der Stadt D. zur Verfügung zu stellen". Die Anzahl der Arbeitsstunden und der Arbeitstage in der Woche
werden nicht festgelegt. Der Begriff "stundenweise" deutet zwar darauf hin, daß die Beklagte für den Kläger keine vollschichtige
Arbeit, sondern eine Art Teilzeitarbeit vorgesehen hatte. Der Begriff ist jedoch so unbestimmt, daß er eine wöchentliche Arbeitsleistung
von "einigen wenigen Stunden" ebenso umfaßt wie die in einem Vermerk des Sozialamts der beklagten Stadt vom 18. Juni 1982
genannte wöchentliche Arbeitszeit "von nicht mehr als 16 Stunden". Bei großzügiger Auslegung erfaßt der Begriff einer stundenweisen
Arbeitsleistung auch noch eine Arbeitszeit von 4 Stunden täglich an fünf Werktagen in der Woche, wie sie dem Kläger - seinen
Angaben zufolge - vom Jugendamt der Beklagten angetragen worden ist und wie sie der ursprünglichen Aufforderung zur Arbeit
auf dem Waldfriedhof entsprach.
Dem Bestimmtheitserfordernis wurde die Beklagte nicht dadurch gerecht, daß sie es "der Personalstelle des Jugendamtes - Herrn
Amtmann B. -" überließ, die tägliche Arbeitszeit und Arbeitsleistung mit dem Kläger abzusprechen. Wie das Bundesverwaltungsgericht
(BVerwGE 68, 97 [99]) ausgeführt hat, genügt es nicht, daß der Träger der Sozialhilfe den Hilfesuchenden lediglich einer Einrichtung zuweist
(in jenem Fall: einem Übergangswohnheim) und die Auswahl der konkret zu leistenden Arbeit etwa der Leitung dieser Einrichtung
überläßt. In BVerwGE 67, 1 (6 f.) hat der Senat die inhaltliche Unbestimmtheit einer Aufforderung beanstandet, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in
der Stadtbücherei zu melden, um eine sitzende Tätigkeit in der Jugendbücherei aufzunehmen. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung
durfte die Beklagte es nicht der Personalstelle des Jugendamts überlassen, die Arbeitszeit im Fall des Klägers festzulegen.
Selbst wenn man unterstellt, daß dem Kläger - wie es im Vermerk des Sozialamts der Beklagten vom 18. Juni 1982 heißt - in
Ergänzung des Bescheids vom 17. Mai 1992 (vom Sozialamt) mitgeteilt worden ist, daß für ihn eine wöchentliche Arbeitszeit
"von nicht mehr als 16 Stunden" vorgesehen sei, könnte dies den Mangel der inhaltlichen Bestimmtheit der Arbeitsaufforderung
nicht beheben, da auch hier die konkrete Zahl der Arbeitsstunden offenbleibt.
Die hieraus folgende Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 17. Mai 1982 läßt sich nicht in der Weise beheben, daß die Beklagte
den Kläger für den streitbefangenen Zeitraum unter Beachtung des Bestimmtheitserfordernisses neu bescheidet. Denn eine erneute
Aufforderung zur Leistung von gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit kann für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum
nicht mehr ergehen (BVerwGE 29, 99 [107]; 67, 1 [8]; 68, 91 [97]).
Die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 17. Mai 1982 hat zur Folge, daß auch der Bescheid vom 8. Oktober 1982, soweit er die
stufenweise Kürzung und Einstellung der Hilfe zum Lebensunterhalt für den Kläger verfügt, rechtswidrig ist. Auch der angefochtene
Widerspruchsbescheid kann keinen Bestand haben. Denn die Kürzung oder Versagung der Hilfe zum Lebensunterhalt ist auf der
Grundlage des § 25 Abs. 1 BSHG nur zulässig, wenn der Träger der Sozialhilfe zuvor dem Hilfesuchenden (Hilfeempfänger) rechtmäßig die für ihn im Rahmen
von § 19 Abs. 2 BSHG geschaffene Arbeit angeboten hat.
Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob die dem Kläger angebotene Arbeit gemeinnützig und zusätzlich im Sinne von §
19 Abs. 2 BSHG war und ob die angefochtenen Bescheide den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen. Dahinstehen kann auch, ob die Beklagte
sich bei Anordnung der Kürzungen und der Einstellung der laufenden Hilfe für den Kläger des dargelegten Charakters der gemeinnützigen
und zusätzlichen Arbeit als einer "Hilfe zur Arbeit" im Sinne einer "Art der Hilfe in besonderer Lebenslage" (vgl. BVerwGE
67, 1 [5]) bewußt gewesen ist und hinsichtlich des Ausmaßes der getroffenen Anordnungen die rechtlichen Grenzen eingehalten hat,
die § 25 Abs. 1 BSHG, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts selbst Hilfenorm ist, dem Ermessen des Sozialhilfeträgers zieht.