I. Der 1986 geborene Kläger erhielt seit Januar 1991 von dem Beklagten Pflegegeld nach § 69 Abs. 4 Satz 2 BSHG. Nachdem das für den Beklagten handelnde Sozialamt der Gemeinde A. von der AOK erfahren hatte, daß dem Kläger seit dem 1.
Januar 1991 monatlich 400 DM als Geldleistung nach §
57 SGB V zustanden, rechnete es mit Bescheid vom 14. März 1991 diesen Betrag in voller Höhe ab dem 1. April 1991 auf das Pflegegeld
an.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 1991) hat der Kläger Klage erhoben mit dem Ziel,
den Beklagten zu verpflichten, entsprechend den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge die
Anrechnung der Krankenkassengeldleistung auf 50 v.H. zu beschränken und folglich die monatlichen Pflegegeldleistungen um 200
DM zu erhöhen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage lediglich in Höhe von 40 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Die Geldleistung nach §
57 SGB V sei dem Pflegegeld nach § 69 Abs. 4 BSHG zu 9/10 gleichartig, so daß ein Pflegegeldanspruch in dieser Höhe gemäß § 69 Abs. 3 Satz 3 BSHG entfalle. Die Leistungen stünden dem gleichen Personenkreis zu und verfolgten die gleiche Zielsetzung, lediglich hinsichtlich
des Leistungsinhalts liege keine völlige Gleichartigkeit vor. Denn die häusliche Pflege nach §
55 SGB V, an deren Stelle die Geldleistung nach §
57 SGB V gewährt werden könne, umfasse im Unterschied zur Wartung und Pflege i.S. des § 69 BSHG neben der notwendigen Grundpflege auch den Leistungsinhalt »hauswirtschaftliche Versorgung«. Die vom Deutschen Verein für
öffentliche und private Fürsorge empfohlene hälftige Anrechnung des Pflegegeldes finde in den §§
57,
55 SGB V keinen Anknüpfungspunkt. Eine notwendig pauschalierende Betrachtungsweise habe zu berücksichtigen, daß zum einen der Leistungsanteil
der »hauswirtschaftlichen Versorgung« weit weniger als die Hälfte der von der Krankenkasse zu erbringenden Gesamtleistung
ausmache und daß zum anderen auch die »Wartung und Pflege« gemäß § 69 BSHG eine begrenzte, personenbezogene hauswirtschaftliche Versorgung mitumfasse. Dies rechtfertige es, 1/10 der Geldleistung nach
§
57 SGB V als nicht gleichartig von der Anrechnung auszuklammern.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien mit wechselseitiger Zustimmung die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision
eingelegt.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, soweit er obsiegt hat, und verfolgt im übrigen sein erstinstanzliches Klagebegehren
weiter. Er rügt Verletzung des §
57 SGB V und des § 69 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 BSHG. §
55 SGB V stelle die »Grundpflege« und die »hauswirtschaftliche Versorgung« nebeneinander. Eine andere Auslegung als diejenige, daß
die beiden Bereiche vom Gesetzgeber gleichgewichtig normiert seien, lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen. Der Beklagte verteidigt,
soweit er obsiegt hat, das angefochtene Urteil; im übrigen verfolgt er sein Klagabweisungsbegehren weiter und rügt Verletzung
des § 69 Abs. 3 Satz BSHG.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich mit dem Hinweis am Verfahren, daß die hier zu entscheidende
Rechtsfrage für die Zukunft vom Gesetzgeber entschieden sei.
II. Die unter Übergehung der Berufungsinstanz mit wechselseitiger Zustimmung eingelegten Revisionen des Klägers und des Beklagten
sind vom Verwaltungsgericht zugelassen worden und deshalb gemäß §
134 Abs.
1 Satz 1
VwGO zulässig. Die Zustimmung des jeweiligen Rechtsmittelgegners kann - wie hier - bereits in der mündlichen Verhandlung zur Niederschrift
des Verwaltungsgerichts erklärt werden (vgl. BVerwGE 14, 259 f., 39, 314 [315]; 69, 295 [296], 81, 81 [82]). Unschädlich ist auch, daß das Verwaltungsgericht nicht die Berufung zugelassen
hat. Zwar hätte die Berufung nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
VwGO der Zulassung bedurft, die Zulassung der Berufung ist jedoch nach Inkrafttreten des 4.
VwGO-Änderungsgesetzes nicht mehr Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Sprungrevision.
Das Verwaltungsgericht, das zu Recht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bejaht hat, hätte nicht nur die Revision
nach §
134 Abs.
2 Satz 1 in Verbindung mit §
132 Abs.
2 Nr.
1 VwGO zulassen müssen, sondern auch nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Nr. 1
VwGO die Berufung. Dies gilt zwar nach § 131 Abs. 2 Satz 2
VwGO nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leitungen für mehr als ein Jahr betrifft. Diese Voraussetzung war im
vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Ebensowenig bemaß der Wert des Beschwerdegegenstandes sich hier nach dem Jahresbetrag
des eingeklagten monatlichen Differenzbetrages. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann
der Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand
der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden, in dem der Träger der Sozialhilfe den Hilfefall geregelt hat, d.h.
bis zur letzten behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Januar 1986 - BVerwG 5 C 36.84 - [Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 5 = NVwZ 1987, 412] sowie vom 30. April 1992 - BVerwG 5 C 1.88 - [Buchholz 436.0 § 40 BSHG Nr. 12 = DVBl 1992, 1482]). Der vorliegende Fall macht von dieser Regel keine Ausnahme, so daß der Streitgegenstand in zeitlicher
Hinsicht begrenzt wird durch den Widerspruchsbescheid und demgemäß Sozialhilfe lediglich für die Monate April bis einschließlich
Juli 1991 in Streit ist. Damit lag der Wert des sich aus dem Urteilsausspruch des Verwaltungsgerichts ergebenden Beschwerdegegenstandes
für den Kläger innerhalb der in § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
VwGO bezeichneten Grenze. Auch die Festsetzung des »Streitwerts« durch Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 22. Oktober 1991 auf
2 400 DM vermag nichts daran zu ändern, daß der den Beschwerdegegenstand bestimmende Urteilsausspruch sich auf eine Entscheidung
über den Pflegeanspruch des Klägers bis einschließlich Juli 1991 beschränkt (vgl. BVerwGE 71, 73 [75]).
Daß das Verwaltungsgericht die Berufung nicht zugelassen hat, obwohl es dieses Rechtsmittel wegen Vorliegens der Zulassungsvoraussetzungen
ebenfalls hätte zulassen müssen, steht der Statthaftigkeit der unter Übergehung der Berufungsinstanz eingelegten Revisionen
nicht entgegen. Denn die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der in Fällen dieser Art die Revision
nur zulässig war, wenn auch die Berufung zugelassen worden war (vgl. Beschluß vom 21. November 1961 - BVerwG 1 B 144.61 - [Buchholz 310 §
135 VwGO Nr. 1]; Urteil vom 12. Oktober 1967 - BVerwG 8 C 85.66 - [BVerwGE 28, 88/89] sowie Beschlüsse vom 22. Juni 1984 - BVerwG 5 C 12.83 - [Beschlußabdruck S. 3] und vom 18. Oktober 1988 - BVerwG 5 C 46.88 - [Buchholz 310 §
134 VwGO Nr. 35]), kann nach Inkrafttreten des 4.
VwGO-Änderungsgesetzes vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) nicht fortgeführt werden.
Dafür spricht zum einen §
134 Abs.
3 Satz 1
VwGO. Nach dieser Vorschrift beginnt, wenn das Verwaltungsgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluß abgelehnt
hat, mit der Zustellung dieser Entscheidung die Frist für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung von neuem zu
laufen. Damit gibt das Gesetz zu erkennen, daß die erfolgreiche Durchführung des Beschwerdeverfahrens wegen Nichtzulassung
der Berufung keine Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Sprungrevision ist. »Übergangen« werden im Sinne des §
134 Abs.
1 Satz 1
VwGO kann die Berufungsinstanz auch dann, wenn die Berufung - wie im vorliegenden Fall - zwar zu Unrecht nicht zugelassen worden
ist, nach dem Gesetz jedoch - wie die Revision - hätte zugelassen werden müssen. §
134 Abs.
1 Satz 1
VwGO in der Fassung des 4.
VwGO-Änderungsgesetzes ist deshalb so zu verstehen, daß er die Statthaftigkeit der Sprungrevision gegen Urteile, gegen die eine
Berufung der Zulassung bedürfte, nicht von der Zulassung der Berufung selbst, sondern vom Vorliegen der Voraussetzungen für
die Zulassung der Berufung abhängig macht.
Auch die Regelung des § 131 Abs. 8 Satz 1
VwGO spricht dafür, daß nach neuem Recht die Statthaftigkeit der Sprungrevision nicht die Zulassung der Berufung selbst voraussetzt.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - zwar die Sprungrevision, nicht aber die Berufung zugelassen, könnte
letzteres nur durch Nichtzulassungsbeschwerde herbeigeführt werden. Deren Erfolg aber hätte nach § 131 Abs. 8 Satz 1
VwGO unmittelbar die Rechtshängigkeit der Berufung zur Folge. Dies stünde in einem schwer verständlichen Widerspruch zu §
134 Abs.
5 VwGO, nach dem die Einlegung der Revision und die Zustimmung hierzu als Verzicht auf die Berufung gelten, wenn das Verwaltungsgericht
die Revision zugelassen hat. Da man dem Gesetzgeber nicht unterstellen kann, er habe den Rechtsmittelführer in Fällen der
vorliegenden Art zur Einlegung eines wegen der Verzichtswirkung unzulässigen Rechtsmittels zwingen wollen, zeigen auch diese
Vorschriften, daß nach der neuen Rechtslage die Statthaftigkeit der Sprungrevision lediglich vom Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen
für die Berufung, nicht aber von der Zulassung der Berufung selbst abhängig ist.
Bestätigt wird dies schließlich durch §
134 Abs.
2 Satz 2
VwGO, der das Revisionsgericht »im Interesse des Vertrauensschutzes und der Rechtsmittelklarheit« (vgl. Begründung des Entwurfs
eines 4.
VwGO-Änderungsgesetzes, BT-Drucks. 11/7030 S. 34) an die Zulassungsentscheidung des Verwaltungsgerichtes bindet. Das Postulat
der Rechtsmittelklarheit gebietet Grundsätze über die Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln, die sich durch ein besonderes
Maß an Gleichheit, Klarheit und innerer Logik auszeichnen (vgl. BVerfGE 49, 148 [164]; 74, 228 [234]). Auch §
134 Abs.
2 Satz 2
VwGO ist die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, daß der Rechtsmittelführer auf die Verläßlichkeit der ausgesprochenen Rechtsmittelzulassung
vertrauen darf und nicht damit rechnen muß, da das vom Instanzgericht zugelassene Rechtsmittel gleichwohl nicht zulässig sein
könnte, weil eine andere - weitere - Rechtsmittelzulassung nicht zusätzlich ausgesprochen worden ist. Damit wäre eine Fortführung
der bisherigen Rechtsprechung wegen der ansonsten durch die neuen Regelungen auftretenden Schwierigkeiten und Widersprüche
nicht zu vereinbaren.
Soweit der Senat mit dieser Auffassung von der - in den Begründungsansätzen sehr unterschiedlichen - Rechtsprechung einzelner
Senate des Bundessozialgerichts abweicht (vgl. Urteile vom 23. November 1976 - 5 RKn 34/75 - und vom 29. Juni 1977 - 11 RA 52/76 - [SozR 1500 §
161 SGG Nrn. 11 und 15]; vom 28. Juli 1977 - 2 RU 5/77 - und vom 30. November 1977 - 4 RJ 23/77 - [BSGE 44, 203/204, 45, 183/184]; vom 10. Oktober 1978 - 3 RK 23/78 - und vom 6. Dezember 1978 - 9 RV 16/78 - [SozR 1500 § 150
SGG Nrn. 13 und 14]), bedarf es einer Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nicht. Denn die Abweichung
bezieht sich nur auf die Begründung, nicht aber auf das Ergebnis jener Rechtsprechung. Zudem ist zwar §
134 Abs.
2 Satz 2
VwGO n.F. dem §
161 Abs.
2 Satz 2
SGG nachgebildet. Die auf das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Berufung bezogenen Vorschriften des §
134 Abs.
3 Satz 1 und des § 131 Abs. 8
VwGO n.F. finden jedoch im
Sozialgerichtsgesetz keine inhaltsgleiche Entsprechung.
Die Revisionen sind auch sonst zulässig. Sie sind innerhalb der Jahresfrist des §
58 Abs.
2 Satz 1
VwGO eingelegt und begründet worden. Die Fristen des §
139 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
3 Satz 1
VwGO sind nicht in Lauf gesetzt worden. Denn die Rechtsmittelbelehrung des verwaltungsgerichtlichen Urteils entsprach jedenfalls
nicht §
139 VwGO. Dahinstehen kann, ob die Zustellung des die Rechtsmittelbelehrung berichtigenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts am
13. Mai 1992 eine Verkürzung der Jahresfrist auf den 13. Juni 1992 bewirkt hat; denn die Revisionsbegründungen der Rechtsmittelführer
wären auch dann noch rechtzeitig.
Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt, soweit es eine Anrechnung von mehr als der Hälfte
der Geldleistung nach §
57 SGB V auf das Pflegegeld nach § 69 Abs. 3 und 4 BSHG zuläßt, Bundesrecht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO). Es ist deshalb, soweit es die Klage abgewiesen hat, aufzuheben; zugleich ist der Beklagte unter entsprechender Aufhebung
der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, dem Kläger für April bis einschließlich Juli 1991 Pflegegeld ohne Anrechnung
von mehr als der Hälfte der Geldleistung nach §
57 SGB V zu gewähren (vgl. §
144 Abs.
3 Satz 1 Nr.
1 VwGO). Die Revision des Beklagten dagegen ist unbegründet, so daß sie zurückzuweisen ist (§
144 Abs.
2 VwGO).
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß das Verhältnis der beiden als Hilfe zur häuslichen Pflege gewährten
Geldleistungen zueinander nach § 69 Abs. 3 Satz 3 BSHG zu beurteilen ist. Diese Vorschrift enthält einen zwingenden Leistungsausschluß. Sie versagt u. a. die Leistung von Pflegegeld,
soweit der Pflegebedürftige gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhält.
§ 69 Abs. 3 Satz 3 BSHG ist eine Ausprägung des Nachranggrundsatzes. Sozialhilfe erhält u. a. nicht, wer die erforderliche Hilfe von Trägern anderer
Sozialleistungen erhält (§ 2 Abs. 1 BSHG). Gleichartig mit den Pflegehilfen der Sozialhilfe nach § 69 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BSHG sind Leistungen anderer Sozialleistungsträger nur dann, wenn sie nicht nur den gleichen Zweck verfolgen, sondern über die
Zweckidentität (vgl. § 77 BSHG) hinaus auch gleicher Art wie die Pflegehilfen der Sozialhilfe sind (vgl. BVerwGE 29, 108 [111], vgl. auch BVerwGE 82, 323 [329]). Dies erfordert über die Prüfung der allgemeinen Zweckrichtung hinaus eine Kontrolle der konkreten Zweckidentität.
Sie hat anzusetzen an der jeweiligen Bedarfslage, auf deren Beseitigung die einzelne Hilfeleistung zielt. Einzubeziehen sind
darüber hinaus ebenso wie die Regelungen auf der Rechtsfolgenseite der anderen Leistungsnorm die tatbestandlichen Voraussetzungen,
an die die »anderen Rechtsvorschriften« die Hilfegewährung knüpfen, da sie die Art, die rechtliche Gestalt der Sozialleistung
prägen.
Eine so verstandene gleiche Art weisen das Pflegegeld der Sozialhilfe und die Geldleistung der gesetzlichen Krankenversicherung
insoweit auf, als sie der Pflege der Person Schwerpflegebedürftiger dienen. Die Leistungen kommen teilweise demselben Personenkreis
- den Schwerpflegebedürftigen - zugute und gleichen sich im rechtlichen Erscheinungsbild. Denn sie stellen pauschalierte Sozialleistungen
dar, werden also ohne Einzelnachweis tatsächlicher Aufwendungen gezahlt. Auch der Gegenstand der Pauschalierung, der Inhalt
der Sozialleistung ist jedenfalls teilweise von gleicher Art.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wurde das Pflegegeld in den Leistungskatalog der Hilfe zur Pflege aufgenommen,
um »den dauernd und in besonderem Maße pflegebedürftigen Menschen eine wirksame Hilfe auch in ihrer häuslichen Umgebung zu
sichern« (vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge über den von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurf eines Bundessozialhilfegesetzes, BT-Drucks. III/2673 S. 2 zu e). Mit dem Pflegegeld gibt das Bundessozialhilfegesetz dem Träger der Sozialhilfe ein Mittel an die Hand, mit dem er seiner Verpflichtung, auf häusliche Pflege durch nahestehende
Personen oder im Wege der Nachbarschaftshilfe hinzuwirken (§ 69 Abs. 2 Satz 1 BSHG) und dadurch stationäre Pflege zu vermeiden, gerecht werden kann.
Das gleiche Ziel verfolgt die durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) als häusliche Pflegehilfe bei Schwerpflegebedürftigkeit (vgl. §
21 Abs.
1 Nr.
3 SGB I in der Fassung des Art. 2 Nr. 1 a GRG) - eingeführte Geldleistung der gesetzlichen Krankenversicherung nach §
57 SGB V. Der Gesetzgeber hat die Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit »gezielt auf den häuslichen Bereich konzentriert, weil
Pflegebedürftige möglichst in der ihnen vertrauten Umgebung versorgt werden sollen« (vgl. Begründung zum GRG-Entwurf, BT-Drucks. 11/2237 S. 182, Vorbemerkung zum 6. Abschnitt). Die häusliche Pflegehilfe soll die Pflege und Versorgung
schwerpflegebedürftiger Versicherter in ihrem Haushalt oder dem ihrer Familie ergänzen (§
55 Abs.
1 Satz 1
SGB V). Sie ist deshalb darauf auszurichten, daß Pflegebedürftige möglichst dort verbleiben können und stationäre Pflege vermieden
wird (§
55 Abs.
1 Satz 2
SGB V).
Über diese abstrakte Zweckidentität hinaus zielen beide Geldleistungen auch - teilweise - auf die Abdeckung des gleichen Bedarfs.
Sowohl das Pflegegeld nach § 69 BSHG als auch die Geldleistung nach §
57 SGB V werden den Pflegebedürftigen gezahlt, nicht den sie pflegenden Personen. Beide Geldleistungen sollen in pauschalierter Form
den Bedarf abdecken, der dem Pflegebedürftigen dadurch entsteht, daß er die benötigte häusliche Pflege selbst sicherstellt.
Das Pflegegeld nach § 69 BSHG wird - wie der Senat wiederholt dargelegt hat - gewährt, um den Pflegebedürftigen von vornherein in den Stand zu versetzen,
vielfältige Aufwendungen der durch § 69 Abs. 2 Satz 2 BSHG erfaßten Art ohne Einzelnachweis aufzufangen, weil davon ausgegangen werden kann, daß ein Pflegebedürftiger, der Wartung
und Pflege dauernd und in erheblichem Umfang benötigt, derartige Aufwendungen regelmäßig haben wird (vgl. Urteil vom 22. August
1974 - BVerwG 5 C 52.73 - [FEVS 23, 45/47] sowie BVerwGE 58, 68 [72], 70, 278 [284]; 88, 86 [90]; 90, 217 [219]). Der Zweck des pauschalierten Pflegegeldes besteht dagegen nicht darin, es als Ganzes
(in einem Betrag oder in Raten) der Pflegeperson zuzuwenden (vgl. Urteil vom 22. August 1974, aaO. sowie BVerwGE 70, 278 [284]). Das Pflegegeld stellt demnach kein Entgelt für die Pflegeperson dar, sondern es soll dem Pflegebedürftigen ermöglichen,
sich die - grundsätzlich - unentgeltliche Pflegebereitschaft einer nahestehenden Person oder eines Nachbarn (etwa durch Übernahme
von deren Aufwendungen oder auch durch kleinere Zuwendungen) zu erhalten (vgl. BVerwGE 29, 108 [110]; 88, 86 [90 f.]; 90, 217 [219 f.]).
Ebensowenig wie das Pflegegeld der Sozialhilfe (vgl. BVerwGE 29, 108 [110]; 88, 86 [91], 90, 217 [219]) zielt die Geldleistung der gesetzlichen Krankenversicherung unmittelbar auf die Deckung des Pflegebedarfs.
Denn auch §
57 Abs.
1 SGB V setzt voraus, daß der unmittelbare Pflegebedarf aufgrund eigener Bemühungen des Schwerpflegebedürftigen um eine Pflegeperson
gedeckt wird. Mit der Geldleistung sollen vielmehr dem Schwerpflegebedürftigen Geldmittel an die Hand gegeben werden, um Fähigkeit
und Bereitschaft (vor allem) der Angehörigen, die die Hauptlast der häuslichen Pflege tragen, zur häuslichen Pflege zu stärken
(vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 148, 182).
Darum handelt es sich auch bei der Geldleistung nach §
57 SGB V nicht um einen pauschalierten Erstattungsanspruch für die Kosten einer selbstbeschafften Pflegekraft. Nach Wortlaut und Systematik
des 5. Buches Sozialgesetzbuch, das vom sog. Sachleistungsprinzip ausgeht (§
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V), werden Kosten für die selbstbeschaffte Leistung »anstelle der Sach- oder Dienstleistung« nur erstattet, soweit es dieses
Buch vorsieht (§
13 Abs.
1 SGB V). Derartige Kostenerstattungsansprüche finden sich in den §
13 Abs.
2, §
37 Abs.
4 und §
38 Abs.
4 SGB V. Anders als diese Vorschriften verwendet §
57 SGB V den Begriff der Kostenerstattung nicht; er orientiert sich auch der Sache nach nicht an entstandenen Kosten. Denn der von
§
57 Abs.
1 SGB V vorgesehene pauschale Geldbetrag liegt knapp oberhalb der Hälfte des Wertes der von der Krankenkasse primär geschuldeten
Dienstleistung (vgl. §
55 Abs.
1 Sätze 3 und 5
SGB V) und kann deshalb schon von der Höhe her nicht die Funktion haben, die Kosten für eine selbstbeschaffte Pflegekraft in angemessener
Höhe zu erstatten. Der Gesetzgeber hat sich hier vielmehr typisierend an der Besonderheit der häuslichen Hilfe orientiert,
daß sie häufig von Angehörigen oder nahestehenden Personen geleistet wird, deren Pflegebereitschaft nicht von arbeitsmarktgerechter
Entlohnung abhängig ist, sondern allenfalls von Kostenersatz und kleineren Zuwendungen als Ausdruck der Dankbarkeit für geleistete
Hilfe. Er hat deshalb der anstelle der naturalen Pflegeleistung zahlbaren Geldleistung lediglich Anreiz- und Motivationsfunktion
beigemessen und hierfür einen Betrag von 400 DM monatlich als angemessen und ausreichend angesehen, »um sozialpolitisch unerwünschte
Mitnahmeeffekte zu vermeiden« (vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 185 zu § 56 Abs. 1).
Schließlich lassen sich Einwände gegen die Gleichartigkeit der krankenversicherungsrechtlichen Geldleistung mit dem Pflegegeld
der Sozialhilfe auch nicht daraus herleiten, daß der Geldbetrag nach §
57 Abs.
1 SGB V »anstelle« der Naturalleistung der häuslichen Pflegehilfe gezahlt wird (so aber OVG Lüneburg, Beschluß vom 7. Oktober 1991
- 4 M 2160/91 - [FEVS 42, 76/78]). Zwar weist diese Wortwahl des Gesetzes die Geldleistung als Sach-, genauer: Dienstleistungssurrogat
aus (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 1992 - 1 RK 46/91 - [SozR 3 - 2500 §
53 SGB V Nr. 1]). Daraus folgt aber keineswegs, daß die Geldleistung den Rechtscharakter der Dienstleistung teilt und folglich wie
diese auf unmittelbare Deckung des Pflegebedarfs zielt. Einen allgemeinen Grundsatz des Inhalts, das Surrogat teile die Rechtsnatur
des Gegenstandes oder der Leistung, an deren Stelle es tritt, gibt es nicht. Er liegt auch nicht den §§
55,
57 SGB V zugrunde. Dienst- wie Geldleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind zwar - wie sich aus dem durch Art. 2 Nr. 1 a GRG eingefügten §
21 Abs. 1 Nr.
3 SGB I ergibt - Leistungen der häuslichen Pflegehilfe bei Schwerpflegebedürftigkeit, für die die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen
der §§
53, 54
SGB V gleichermaßen gelten. Auch die allgemeine Zweckbeschreibung des Leistungsprogramms »häusliche Pflegehilfe«, die sich in §
55 Abs.
1 Sätze 1 und 2
SGB V findet, ist ersichtlich »vor die Klammer gezogen« und erfaßt die Sachleistung ebenso wie die Geldleistung. Die Mittel, mit
denen der Zweck der häuslichen Pflegehilfe angestrebt wird, und deren konkrete Zielsetzungen sind jedoch unterschiedlicher
Art. Während die naturalen Pflegedienstleistungen der §§
55,
56 SGB V darauf zielen, die häusliche Pflege in begrenztem Umfang durch Krankenkassenkräfte zu übernehmen und dadurch die Pflegeperson
teilweise zu entlasten oder bei Urlaub und anderweitiger Verhinderung zu vertreten, ergänzt die Geldleistung die Eigenverantwortung
schwerpflegebedürftiger Versicherter für ihre Pflege und Versorgung (vgl. §
2 Abs.
1 SGB V) dadurch, daß sie ihnen einen pauschalierten Verfügungsfonds stellt, mit dessen Hilfe sie sich die Pflegebereitschaft der
von ihnen gewonnenen Pflegekräfte sichern und erhalten können.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht weiterhin in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche
und private Fürsorge (vgl. Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Anrechnung der Leistungen der Krankenkassen nach §§
55,
56 und
57 SGB V auf das Pflegegeld nach § 69 BSHG, NDV 1991, 4 ff.) aber auch angenommen, daß hinsichtlich des Gegenstandes der Pauschalierung, des Inhalts der beiden Sozialleistungen,
keine volle Gleichartigkeit gegeben ist. Denn während sich die Hilfe zur häuslichen Pflege nach § 69 Abs. 3 Satz 1 BSHG auf die Wartung und Pflege des Pflegebedürftigen für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf
des täglichen Lebens, zu denen ausschließlich personenbezogene Verrichtungen zählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1977
- BVerwG 5 C 23.76 - [Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 3 = FEVS 26, 1/5] und vom 11. April 1983 - BVerwG 5 C 60.82 - [Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 9]), beschränkt, erfaßt das Leistungsspektrum der häuslichen Pflegehilfe der Krankenkassen neben der gleichartigen Grundpflege
auch die »hauswirtschaftliche Versorgung« (§
55 Abs.
1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 3
SGB V). Im Umfang dieser Komponente der häuslichen Pflegehilfe greift der Leistungsausschluß des § 69 Abs. 3 Satz 3 BSHG nicht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal »soweit« das, auf Fallgestaltungen der hier vorliegenden Art zugeschnitten
ist, in denen die Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften nur teilweise gleicher Art wie das Pflegegeld der Sozialhilfe
sind.
Die Pauschalierung der Geldleistung nach §
57 SGB V schließt es aus, in jedem Einzelfall oder für Fallgruppen den Anteil der anrechnungsfreien hauswirtschaftlichen Versorgung
jeweils zu ermitteln. Dies sieht das Verwaltungsgericht ebenso. Gegen Bundesrecht verstößt es jedoch, den Anteil der Leistungskomponente
»hauswirtschaftliche Versorgung« mit einem Zehntel zu veranschlagen. Hierfür fehlen hinreichende Anhaltspunkte im Gesetz.
Die häusliche Pflegehilfe der gesetzlichen Krankenversicherung ist lediglich ergänzende Hilfe (§
55 Abs.
1 Satz 1
SGB V), die die persönliche Betreuung und Versorgung des Schwerpflegebedürftigen weder ersetzen kann noch soll; sie stellt vielmehr
lediglich einen zeitlich und finanziell begrenzten Beitrag zur Sicherung des Pflegebedarfs dar (vgl. BT-Drucks. 11/2237 S.
184). Deshalb spiegelt auch der Betrag von 400 DM weder den Wert der personenbezogenen Pflege noch den der hauswirtschaftlichen
Versorgung exakt wieder (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Oktober 1992 - L 16 Kr 171/91 - [Urteilsabdruck S. 17]).
Hinzu kommt, daß die Geldleistung nach §
57 SGB V - ebenso wie das Pflegegeld nach § 69 BSHG (vgl. hierzu BVerwGE 58, 68 [71 f.]) - zur Disposition des Pflegebedürftigen steht, ohne daß er die Verwendung im einzelnen nachweisen müßte; dies schließt
ein, daß er die ihm zur Verfügung gestellten Mittel in demjenigen Bereich der häuslichen Pflege und Versorgung einsetzen kann,
in dem er den größten Motivationsbedarf sieht.
Dies kann andererseits nicht dazu führen, die Geldleistung nach §
57 SGB V wegen dieser Schwierigkeiten, den Überschneidungsbereich mit dem Pflegegeld der Sozialhilfe festzustellen, insgesamt als
nicht gleichartig anrechnungsfrei zu lassen (anders wohl Krahmer, ZFSH/SGB 1991, 572 [584]). Denn aus dem Gesetz ergibt sich,
daß eine Anrechnung der krankenversicherungsrechtlichen Geldleistung gewollt war, soweit sie dem Pflegegeld der Sozialhilfe
gleichartig ist. Daß die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwerpflegebedürftigkeit nicht ohne Berücksichtigung
des Nachranggrundsatzes zu gleichartigen Leistungen der Sozialhilfe hinzutreten sollten, läßt sich Art. 42 Nr. 4 GRG entnehmen. Durch diese Vorschrift wurden in § 69 Abs. 5 Satz 2 BSHG nach den Worten »Abs. 2 Satz 2 und 3« die Worte »oder gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften« eingefügt, um eine - in das pflichtgemäße
Ermessen des Trägers der Sozialhilfe gestellte - Kürzungsmöglichkeit für den Fall der Gewährung von Sachleistungen nach den
§§
53 bis
56 SGB V zu eröffnen (vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 267). Da nicht ersichtlich ist, weshalb es nur bei den Sachleistungen, nicht aber
bei der Geldleistung der häuslichen Pflegehilfe gerechtfertigt sein sollte, den Nachrang des sozialhilferechtlichen Pflegegeldes
zur Geltung zu bringen, ergibt sich aus § 69 Abs. 5 Satz 2 BSHG in der Fassung des Art. 40 Nr. 4 GRG im Gegenschluß, daß der Nachrang des Pflegegeldes gegenüber der Geldleistung nach §
57 SGB V aufgrund der bereits vorhandenen Anrechnungsvorschrift des § 69 Abs. 3 Satz 3 BSHG zu realisieren ist. Das war auch ausweislich der Gesetzesbegründung, die ausführte, daß bei Zahlung einer Geldleistung §
69 Abs. 3 Satz 3 BSHG gelte (vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 267), die Ansicht des historischen Gesetzgebers. Bestätigt wird dies dadurch, daß der Gesetzgeber
durch entsprechende Ergänzung des § 69 Abs. 3 Satz 4 BSHG für die Zeit ab Juli 1992 ausdrücklich die Anrechnung der Geldleistung nach §
57 SGB V mit 200 DM angeordnet hat (Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes und anderer Gesetze vom 7. Juli 1992 [BGBl. I S. 1225]). Die Bundesregierung
hielt diese Regelung für erforderlich, weil die bundesweit uneinheitliche Verwaltungspraxis bei der Anrechnung der Krankenkassenleistung
auf das Pflegegeld der Sozialhilfe den Rechtsfrieden belastete (vgl. BT-Drucks. 12/2219 S. 4). Dem Umstand, daß sich das Änderungsgesetz
vom 7. Juli 1992 keine Rückwirkung beigemessen hat, läßt sich entnehmen, daß der Gesetzgeber davon ausging, bereits mit dem
Gesundheits-Reformgesetz eine Anrechnungsregelung geschaffen zu haben. Da das 5. Buch Sozialgesetzbuch beide Komponenten der
häuslichen Pflegehilfe gleichwertig nebeneinander stellt (vgl. §
55 Sätze 1 und 3
SGB V »und«) und andere Abgrenzungskriterien nicht ersichtlich sind, ist davon auszugehen, daß eine hälftige Anrechnung der Geldleistung
dem Willen des Gesetzes bereits in seiner früheren Fassung entsprochen hat (vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 27. März 1992 - 5 K 2959/91 - sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Oktober 1992 [aaO.]). Von dieser Vorstellung hat sich auch schon bisher die
überwiegende Praxis der Sozialhilfeträger leiten lassen.