Eingruppierung einer autistische Behinderte in einem Behindertenheim betreuenden staatlich anerkannten Erzieherin
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung im Zeitraum November 2000 bis Juli 2003. Die Klägerin erstrebt eine
Vergütung nach Vergütungsgruppe V c gemäß § 22 BMT-AW II in Verbindung mit dem Tarifvertrag über Tätigkeitsmerkmale Teil I
Abschn. B: Sozial- und Erziehungsdienst (fortan: SED AW).
Die Klägerin ist am 29.12.1954 geboren. Sie ist seit dem 01.08.1999 bei dem beklagten Verein beschäftigt. Seit dem 31.07.2000
ist die Klägerin staatlich anerkannte Erzieherin. Am 14.11.2000 unterzeichneten die Parteien einen Arbeitsvertrag über eine
Tätigkeit der Klägerin als "pädagogisch-pflegerische Mitarbeiterin" im Wohnheim S7xxxxxxxxx in L1xxx ab dem 01.08.2000 mit
einer Arbeitszeit von 25 / 38,5 der regelmäßigen Arbeitszeit. Vorgesehen ist dort eine Eingruppierung in der Vergütungsgruppe
VI und eine Höhergruppierung nach dreijähriger Bewährung in die Vergütungsgruppe V c. In § 4 des Arbeitsvertrages ist die
Geltung des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT-AW II) und der diesen ergänzenden, ändernden
oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vertragskopie
(Bl. 6, 7 d.A.) Bezug genommen. Bis zum 31.07.2003 erhielt die Klägerin die Vergütung nach Vergütungsgruppe VI, seit dem 01.08.2003
wird sie nach der Gruppe V c bezahlt. Bei dem Wohnheim S7xxxxxxxxx handelt es sich um ein Wohnheim für erwachsene autistische
Personen mit zusätzlichen geistigen Behinderungen. Autistische junge Menschen über 18 Jahren werden in 3 Wohngruppen mit jeweils
bis zu 7 Personen rund um die Uhr betreut. Das Wohnheim S7xxxxxxxxx ist eine Einrichtung für Behinderte im Sinne des § 39 BSHG (=Personen mit wesentlichen Behinderungen und Anspruch auf Eingliederungshilfe). Heimleiterin des Wohnheims S7xxxxxxxxx ist
Frau E2x L5xxxxxxx. Der Beklagte beschäftigt in der Einrichtung ca. 40 Mitarbeiter. Die Klägerin ist pädagogisch-pflegerische
Mitarbeiterin in der Gruppe C. Gruppenleiter der Gruppe C ist R2xxx K7xxxxx. Dieser ist Mitglied des Betriebsrates und zu
etwa 25 % seiner Arbeitszeit für Betriebsratsarbeit freigestellt. Zusammenleben der Bewohner und Gruppenstruktur sind familienähnlich.
Die Bewohner sind nicht werkstattfähig. Die Gruppe C ist räumlich von den anderen Gruppen getrennt im Obergeschoss des Gebäudes
untergebracht. Die Räumlichkeiten bestehen aus einem großen gemeinsamen Flur, sieben davon ausgehenden Bewohnerzimmern, drei
Bädern, einem Wohnraum mit integrierter Küche und einem Dienstzimmer. Für die Kontaktaufnahme zwischen den Gruppen wurden
2001 sog. "Pieper" angeschafft, die sich jedoch als unpraktikabel erwiesen. Die Mitarbeiter verfügen über dienstliche Handys.
Für die Betreuung einer Gruppe setzt der Beklagte folgendes Personal ein:
Gruppenleiter/-in,
Stellvertretende(r) Gruppenleiter/-in,
4 qualifizierte pädagogisch-pflegerische Fachkräfte,
1 Ergänzungskraft zur Assistenz (Hilfskraft),
1 Nachtwache.
Für die Gruppenleitung setzt der beklagte Verein eine Qualifikation als Heilpädagogin/Heilpädagoge oder eine vergleichbare
Qualifikation z. B. als Erzieherin/Erzieher voraus, für die stellvertretende Gruppenleitung eine abgeschlossene Ausbildung
als Erzieherin/Erzieher oder eine vergleichbare Ausbildung. Eingangsvoraussetzung für die Tätigkeit als pädagogisch-pflegerische(r)
Mitarbeiter/in ist eine qualifizierte Ausbildung, z.B. eine Ausbildung als Erzieher(in) oder eine vergleichbare Ausbildung.
Für die Hilfskräfte wird eine abgeschlossene Ausbildung nicht vorausgesetzt, es genügt pädagogische Eignung. Die tarifliche
Eingruppierung praktiziert der Beklagte wie folgt (Vergütungsgruppen jeweils nach BMT-AW II / SED AW):
Gruppenleitung V b, nach 4 Jahren Vergütungsgruppenzulage
stellvertretende Gruppenleitung V c, nach 4 Jahren Bewährungsaufstieg nach V b
pädagogisch/pflegerische Fachkraft VI, nach 3 Jahren Bewährungsaufstieg nach V c, nach 4 Jahren Vergütungsgruppenzulage
Hilfskraft IX a bis VIII je nach Qualifikation und Vorerfahrung.
Für die pädagogisch-pflegerischen Mitarbeiter/-innen besteht eine von dem Beklagten verfasste vierseitige Stellenbeschreibung,
deren inhaltliche Richtigkeit hinsichtlich der Tätigkeitsbeschreibung auch von der Klägerin anerkannt wird. Strittig ist,
ob diese Stellenbeschreibung mit dem Betriebsrat und den Arbeitnehmern abgestimmt ist. Wegen des Inhaltes der Stellenbeschreibung
wird auf die Kopie, Bl. 19 - 22 d.A., Bezug genommen. Als anzustrebende Ziele und bewohnerbezogene Aufgaben des Stelleninhabers
sind dort aufgeführt:
".....3.anzustrebende Ziele
Aufgrund ihrer Funktion und Qualifikation übernimmt die/der pädagogisch-pflegerische/r Mitarbeiterin eine bedeutende Rolle
bei der Arbeit in der Gruppe. Es soll ein Klima herrschen, in dem die BewohnerInnen sich wohlfühlen, sie in ihren Wünschen
und Bedürfnissen zur Geltung kommen und ihrer individuellen Behinderung gemäß gefördert und versorgt werden. Diesem Ziel folgt
jegliche betreuende Arbeit im Wohnheim. Neben der Versorgung, Förderung, Betreuung und Pflege der BewohnerInnen ist ihre Eingliederung
in die Gesellschaft und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung des Normalisierungsprinzips
die wichtigste Aufgabe.
................................................
4.1. Bewohnerbezogene Aufgaben
..........4.1.6. Aufgaben der pädagogischen Betreuung (Assistenz)
- Aufbau einer partnerschaftlichen Beziehung unter dem Aspekt der Dialogischen, d.h. etwas gemeinsam mit einem Anderen tun
- Beratung des Bewohners/der Bewohnerin in persönlichen Angelegenheiten, Erledigung von Telefonaten oder der Korrespondenz
für den Bewohner unter Berücksichtigung der rechtlichen Gegebenheiten
- Begleitung des Bewohners/ der Bewohnerin zum Arzt
- Begleitung des Bewohners/ der Bewohnerin bei größeren Einkäufen bzw. Erledigung von Einkäufen für die Bewohnerinnen
- Motivation und Hilfestellung beim selbständigen Durchführen von Handlungen des täglichen Lebens
- Motivation von Bewohnern zur Teilnahme an tagesstrukturierenden Maßnahmen etc.
- Initiierung und Durchführung von sinnstiftenden Freizeitmaßnahmen
- Angemessene und umfassende Information des Bewohners/ der Bewohnerin in allen ihn/sie unmittelbar betreffenden Angelegenheiten
- Betreuung und Hilfe im lebenspraktischen Bereich, sowie bei der Bewältigung möglicher Probleme
- Erbringung der grundpflegerischen Leistungen bzw. Hilfestellung bei der Körperhygiene
- Sorge tragen für eine angemessene Ernährung und Beteiligung an den notwendigen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten
- Förderung von Kontakten in der Gemeinschaft.
................................................................."
Mit den Behinderten werden regelmäßig Ausflüge und Einkäufe unternommen. Zusätzlich zur allgemeinen Betreuung der Gruppe wird
ein Bezugsbetreuungssystem praktiziert. Einzelne Teammitglieder sind einzelnen Bewohnern als besondere Bezugspersonen zugeordnet.
Zu der damit verbundenen Aufgabenstellung wie etwa Sorge für die Kleidung und Kontakt zu den Angehörigen wird auf das Schreiben
des Beklagten vom 21.03.2003 verwiesen (Bl. 178, 179 d.A). Die Entscheidungsbefugnis über freiheitsentziehende Maßnahmen steht
den Bezugsbetreuern nur in Notsituationen oder bei Gefahr im Verzug zu, wenn eine kurzfristige Reaktion zwingend erforderlich
ist (vgl. Bl. 178, 179 d.A. und Protokoll vom 04.04.2003, Bl. 180 d.A.) Die Klägerin ist dem Bewohner Denis K. als Bezugsperson
zugeteilt. Der Dienstplan unterscheidet zwischen Frühdienst von 6.45 Uhr bis 14.00 Uhr und Spätdienst von 13.30 Uhr bis 20.15
Uhr. Die Klägerin ist nach dem Dienstplan in der Mehrzahl der Fälle so eingesetzt, dass eine übergeordnete Fachkraft der Gruppenleitung
/ stellvertretenden Gruppenleitung nicht zugleich anwesend ist. So wurde die Klägerin nach ihrer unbestritten gebliebenen
Aufstellung im Zeitraum Januar 2002 bis Mai 2003 zu 57 Schichten mit gleichzeitiger Anwesenheit von Gruppenleitung / stellvertretender
Gruppenleitung und zu 201 Schichten ohne deren Anwesenheit eingeteilt (Auflistung Bl. 113 d.A.). Nach der unbestritten gebliebenen
Angabe des Beklagten betrug die Relation von Januar 2002 bis Februar 2003 66 Schichten mit und 91 Schichten ohne gleichzeitigen
Einsatz von Gruppenleitung / stellvertretender Gruppenleitung. Zumindest seit Oktober 2002 ist ein Hintergrunddienst organisiert.
Die Einrichtungsleiterin L5xxxxxxx, deren Stellvertreterin B7xxxx und der Koordinator Tagesstruktur T1xxx werden abwechselnd
tage-, wochen- oder monatsweise zur Hintergrundbereitschaft eingeteilt (Aufstellung Bl. 150 d.A.). Mit Schreiben vom 09.05.2001
(Bl. 8 d.A.) forderte die Klägerin ihre Höhergruppierung von der Vergütungsgruppe VI in die Vergütungsgruppe V c. Der Beklagte
lehnte dies mit Schreiben vom 15.05.2001 ab (Bl. 9 d.A.) und führte aus, die Eingruppierung der Klägerin orientiere sich an
der Fallgruppe 5 der Vergütungsgruppe VI, die Höhergruppierung der Klägerin in die Vergütungsgruppe V c zum 01.08.2003 sei
vorgemerkt. Der Unterschiedsbetrag zwischen der begehrten und bezahlten Vergütung betrug im August 2001 monatlich 238,86 DM.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie erfülle die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 5 SED AW. Für die Monate
vom November 2000 bis zum Juli 2001 einschließlich schulde der Beklagte eine Nachzahlung von 1099,15 Euro (9 x 238,86 DM).
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Klägerin gemäß § 22 des Bundesmanteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT
AW II) in Verbindung mit dem Tarifvertrag über Tätigkeitsmerkmale zum BMT AW II in die Vergütungsgruppe V c einzugruppieren
und zu vergüten ist,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1099,15 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB ab Klagezustellung
zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Klägerin sei nicht zu niedrig eingestuft worden. Sie erfülle nicht die Voraussetzungen der
Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 5. Die Klägerin übe trotz entsprechender Qualifikation keine Tätigkeit aus, die der Tätigkeit
einer Erzieherin entspreche. Kennzeichnend für das Berufsbild der Erzieherin seien insbesondere das Beobachten und Analysieren
von Bedingungen des sozialpädagogischen Handelns, die Planung der Erziehungsarbeit und deren Gestaltung im einzelnen. Bei
der Tätigkeit als pädagogisch-pflegerische Mitarbeiterin fehle die erforderliche Eigenständigkeit und Gesamtverantwortung.
Die Klägerin verrichte nur eine mitwirkende Tätigkeit vergleichbar einer Zweitkraft in einer Kindergartengruppe. Ihre Tätigkeit
sei im Rang unterhalb der Tätigkeit einer Erzieherin angesiedelt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 01.02.2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die
Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen nach Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 5 SED AW. Die Klägerin sei zwar staatlich
anerkannte Erzieherin, sie übe aber eine entsprechende Tätigkeit nicht aus. Auch aus der Protokollnotiz Nr. 3 SED AW könne
die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen. Die Betreuung von Erwachsenen i.S.d. Protokollnotiz stelle nicht zwangsläufig die
Tätigkeit einer Erzieherin dar. Das sei jeweils im Einzelfall gesondert zu prüfen.
Gegen dieses am 26.03.2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Berufung ist am 22.04.2002 bei dem
Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufung ist nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27.06.2002 am 27.06.2002
begründet worden.
Die Klägerin wendet ein, entgegen den Feststellungen des Arbeitsgerichts erfülle sie die Voraussetzungen des Tätigkeitsmerkmals
5 der Vergütungsgruppe V c SED AW. Denn sie leiste in hohem Maße Dienste, bei denen sie als einzige Fachkraft anwesend sei.
Sie habe dann ganze Dienste ohne entsprechende Anleitung und Vorgaben durch Mitglieder der Gruppenleitung abzudecken und zu
verantworten. In solchen Schichten sei sie die berufene Mitarbeiterin für die Anordnung freiheitsentziehender Maßnahmen und
die Verabreichung von Bedarfsmedikation. Die Dienste ließen sich im Ablauf und in den Aktivitäten nicht im Einzelnen planen,
zu treffende Entscheidungen erfolgten kurzfristig und ähnelten eher denen im familiären Alltag. Es seien sofortiges Handeln
in Gefährdungssituationen erforderlich sowie spontanes Eingehen auf Wünsche und Bedürfnisse im täglichen Alltag und bei der
Freizeitgestaltung. So sei am 17.01.2003 eine Bewohnerin mit blutender Kopfwunde vorgefunden worden, als die Klägerin allein
mit einer Praktikantin Dienst geleistet habe. Die Klägerin habe die Fahrtbegleitung zum Krankenhaus organisieren müssen und
diese selbst übernommen, zugleich habe sie die Beaufsichtigung in der Gruppe durch vorübergehende Hinzuziehung einer weiteren
Betreuungsperson sicherzustellen gehabt. Bei Fremd- oder Selbstgefährdung eines Bewohners bleibe keine Zeit, von außerhalb
Anweisungen einzuholen. Auch seien nur die Mitarbeiter im Team zureichend über die jeweiligen typischen Verhaltens- und Reaktionsmuster
der einzelnen Bewohner/innen informiert. Auch während der Schichten, die sie gemeinsam mit einem Mitglied der Gruppenleitung
absolviere, sei sie zeitweilig auf sich gestellt, wenn sich das Mitglied der Gruppenleitung in Besprechungen befinde, wenn
sich das Mitglied der Gruppenleitung mit einem Teil der Bewohner außer Haus aufhalte oder wenn sie selbst mit Behinderten
außer Hauses sei. Ihre Tätigkeit sei insgesamt als ein einheitlicher Arbeitsvorgang zu bewerten. Sie erfülle das Regelbeispiel
der Erzieherin mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten i.S.d. Protokollnotiz Nr. 6 b SED AW, nämlich "Tätigkeiten
in Gruppen von Behinderten im Sinne des § 39 BSHG......auch in Wohngruppen.........". Es könne deshalb nicht die Rede davon sein, dass die Tätigkeit der Klägerin unter der
Tätigkeit einer Erzieherin einzuordnen sei. Zum Bezugsbetreuungssystem gehöre die bewohnerbezogene Dokumentation und auch
die Ansprache der Angehörigen der Bewohner bei bestimmten Vorkommnissen oder Entwicklungen. Dies habe neben den Vorgesetzten
die Klägerin als Bezugsbetreuungsperson zu erledigen. Bei der Dokumentation habe sie durch ihr Handzeichen ihre Verantwortlichkeit
kenntlich zu machen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Herford vom 01.02.2002 für den Zeitraum November 2000 bis Juli 2003 festzustellen,
dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.11.2000 nach Vergütungsgruppe V c BMT-AW II zu vergüten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Ausweislich der Stellenbeschreibung beschränke sich die Tätigkeit
der Klägerin auf mitwirkende Tätigkeiten, auf die Unterstützung der Gruppenleitung und der stellvertretender Gruppenleitung.
Der Klägerin seien keine Verantwortlichkeiten übertragen, weder therapeutisch / betreuender Art noch organisatorischer / verwaltungstechnischer
Art. Die Tätigkeit der Klägerin umfasse nicht: Beobachtung und Analyse von Bedingungen sozialpädagogischen Handelns; eigenverantwortliche
Erstellung eines Hilfeplans; Planung pädagogisch therapeutisch und pflegerischer Maßnahmen; eigenständige Erstellung von Dokumentationen,
Sozial- und Verlaufsberichten; gezielte Elternarbeit unter Einbeziehung der Eltern und anderer Bezugspersonen in die pädagogische
Arbeit und ihre Planung. Damit entsprächen die Tätigkeiten der Klägerin nicht denen einer staatlich anerkannten Erzieherin.
Auch handele es sich nicht um besonders schwierige fachliche Tätigkeiten. Wenn die Klägerin in Einzelfällen auf sich gestellt
habe handeln müssen, so sei dies nicht typisch für die maßgebliche gesamte von der Klägerin auszuübende Tätigkeit. Das Bild
der gesamten auszuübenden Tätigkeit sei durch solche Einzelfälle nicht geprägt. Die von der Klägerin wahrgenommenen Aufgaben
seien allenfalls denen einer sog. Zweitkraft in einem Kindergarten vergleichbar, welche nach einschlägiger Rechtsprechung
nicht die Aufgaben einer staatlich anerkannten Erzieherin wahrnehme und dementsprechend auch keine entsprechende Vergütung
beanspruchen könne. Ein Hintergrunddienst bestehe seit Gründung des Wohnheims, er sei zunächst ausschließlich durch Frau L5xxxxxxx
wahrgenommen worden (Beweis: L5xxxxxxx). Die Gruppenleiter der anderen Gruppen seien jederzeit in der Lage, nötige Entscheidungen
auch für die Bewohner der Gruppe C zu treffen. An diese habe die Klägerin sich zu wenden. Das Einkaufen finde immer mit mehreren
Bewohnern und Betreuern gleichzeitig statt. Die Verantwortung der Bezugsbetreuer gehe nicht über die Aufgaben laut Stellenbeschreibung
für die pädagogisch- pflegerischen Mitarbeiter hinaus. An den für jeden Bewohner erstellten Förderprogrammen sei die Klägerin
lediglich mitwirkend beteiligt. Planungsentscheidungen treffe die Klägerin nicht, sie setze nur die Vorgaben ihrer Vorgesetzten
um. Möglicher Weise habe sich die Klägerin in der Vergangenheit Entscheidungsbefugnisse angemaßt, die ihr nicht zukämen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und zulässige Berufung hat Erfolg. Entgegen dem Erkenntnis des Arbeitsgerichts hat die Klägerin Anspruch auf
die erstrebte Vergütung der Vergütungsgruppe V c BMT AW II.
I.
Der in der Berufungsinstanz auf einen einheitlichen Eingruppierungsfeststellungsantrag für den streitgegenständlichen Zeitraum
reduzierte Klageantrag ist zulässig. Es handelt sich um die übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, die eine prozessökonomische
Klärung der strittigen Vergütungsansprüche ermöglicht und gegen deren Zulässigkeit im öffentlichen Dienst und auch in der
Privatwirtschaft keine Bedenken bestehen (BAG 05.11.1997 AP Nr. 236 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG 22.03.1995 AP Nr. 195 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG AP Nr. 93 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht nicht entgegen, dass sie sich nach Überschreiten des 01.08.2003
zwischen der ersten und zweiten mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer nunmehr auf einen insgesamt vergangenen Zeitraum
bezieht. Dies ändert nichts daran, dass der Streit der Parteien über die Höhe der geschuldeten Vergütung nach wie vor durch
die beantragte gerichtliche Feststellung prozessökonomisch beseitigt wird (vgl. BAG 13.12.2001 6 AZR 128/00).
II.
Die Feststellungsklage ist auch begründet. Entgegen der Entscheidung des Arbeitsgerichts sind die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe
V c Tätigkeitsmerkmal Nr. 5 SED AW in der Person der Klägerin im strittigen Zeitraum erfüllt.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund der Vereinbarung in § 5 des Arbeitsvertrages und auch Kraft beidseitiger
Tarifbindung die Tarifverträge der Arbeiterwohlfahrt Anwendung.
2. Für die Eingruppierung bestimmt § 22 Abs. 1 BMT AW II, dass der Arbeitnehmer nach dem Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale
in die Vergütungs- bzw. Lohngruppe eingruppiert ist, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend
auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungs- bzw.
Lohngruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals
oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe bzw. Lohngruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in
der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z.B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese
Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Arbeitsvorgänge sind
nach der Protokollnotiz Nr.1 zu § 22 Abs. 2 BMT AW II Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen
auf den Aufgabenkreis des Arbeitsnehmers, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbarem Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife
Bearbeitung eines Aktenvorgangs, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Bearbeitung eines Antrags auf Wohngeld).
Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten
werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist unter einem Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten
und bei Berücksichtigung einer vernünftigen, sinnvollen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und
rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten
zu verstehen (BAG 18.10.1997 AP 232 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG 18.06.1997 AP Nr. 228 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG 17.01.1996 AP Nr. 4 zu §§ 22, 23 BAT Sparkassenangestellte; BAG 20.03.1991 AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975 je m.w.N.). Dabei ist es rechtlich möglich, dass die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet,
wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer rechtlichen Bewertung zugänglich ist. Tatsächlich trennbare Tätigkeiten
mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst werden. Eine einheitlich zu bewertende
Gesamttätigkeit kommt aus Rechtsgründen immer dann nicht in Betracht, wenn von einem Angestellten nebeneinander Tätigkeiten
auszuüben sind, für die jeweils besondere tarifliche Tätigkeitsmerkmale bestehen (BAG 18.10.1997 AP Nr. 232 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urt. vom 20.03.1991 AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT; BAG Urt. v. 12.11.1986 AP Nr. 129 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Als Zusammenhangstätigkeiten sind solche Tätigkeiten zu bezeichnen, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten,
insbesondere höherwertigen Aufgaben eines Angestellten, bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger Atomisierung
der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind (BAG Urt. v. 21.02.1990 AP Nr. 7 zu §§
22, 23 BAT Krankenkassen). Bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge ist nach der Rechtsprechung des BAG der Inhalt der Tätigkeitsmerkmale
zu beachten. Erheben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Aufgabe zum Tatbestandsmerkmal, bringen sie damit zum Ausdruck,
dass sie alle Tätigkeiten eines Angestellten, die zu der bezeichneten Aufgabe gehören, einheitlich tariflich bewertet wissen
wollen. Das gilt dabei auch für Tätigkeitsbeschreibungen in Form eines Beispiels. Die Tarifvertragsparteien legen mit der
Fassung des Beispiels fest, dass die ihm entsprechenden Tätigkeiten nicht in getrennte Arbeitsvorgänge aufzuspalten sind (BAG
Urt. v. 15.06.1994 AP 9 zu §§ 22, 23 BAT Krankenkassen; BAG Urt. v. 15.02.1984 AP Nr. 86 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Daraus folgt, dass die Klage nur dann Erfolg hat, wenn die die Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllenden Arbeitsvorgänge
im tariflich geforderten Umfang die Anforderungen des von ihr in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals erfüllen. Die Entscheidung
des Rechtsstreits hängt damit davon ab, ob die Klägerin zumindest während der Hälfte ihrer Arbeitszeit Arbeitsvorgänge erledigt,
die den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr reklamierten Vergütungsgruppe V c BMT AW II / SED AW entsprechen.
3. Für die Eingruppierung der Klägerin ist der in § 22 Abs. 1 BMT-AW II in Bezug genommene Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale
maßgeblich. Für die von der Klägerin verrichtete Tätigkeit sind die Vergütungsgruppen des Teiles I Abschn. B. Sozial- und
Erziehungsdienst 1. Sozial- und Erziehungsdienst des Tarifvertrages über Tätigkeitsmerkmale einschlägig (SED AW). Von Bedeutung
sind die nachstehenden Vergütungsgruppen und Tätigkeitsmerkmale:
"......
Vergütungsgruppe V b
...
4. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger
Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit fachlichen, koordinierenden Aufgaben für mindestens
3 Angestellte, mindestens der Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 5 (Fußnote 1)
(Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 3 und 5)
5. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger
Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten nach
vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 5 (Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 3, 5 und 6)
...
Vergütungsgruppe V c
...
5. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger
Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten
(Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 3, 5 und 6)
...
7. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger
Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, nach dreijähriger Bewährung in Vergütungsgruppe VI, Fallgruppe
5
(Fußnote 2)
(Hierzu Protokollnotizen Nr. 1, 3 und 5)
...
Vergütungsgruppe VI
...
5. Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger
Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben
(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1, 3 und 5)
...
Vergütungsgruppe VII
...
3. Angestellte in der Tätigkeit von Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung
(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1 und 3)
...
5. Angestellte als Helfer im Sozial- und Erziehungsdienst mit einer für ihre Tätigkeit förderlichen Ausbildung oder die aufgrund
gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben nach zweijähriger Tätigkeit in Vergütungsgruppe
VIII, Fallgruppe 2
(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1 und 3)
...
Vergütungsgruppe VIII
...
2. Angestellte als Helfer im Sozial- und Erziehungsdienst mit einer für ihre Tätigkeit förderlichen Ausbildung oder die aufgrund
gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben
(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1 und 3)
3. Angestellte der Vergütungsgruppe Ix a, Fallgruppen 1 und 2 nach zweijähriger Tätigkeit in diesen Fallgruppen
(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1 und 3)
...
Vergütungsgruppe IX a
...
2. Angestellte als Helfer ohne Ausbildung im Sozial- und Erziehungsdienst
(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1 und 3)
Protokollnotizen:
1. Der Angestellte - ... - erhält für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder Jugendwohnheim oder
einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) eine Zulage in Höhe von 120,00 DM monatlich, wenn in dem Heim überwiegend Behinderte
i. S. des § 39 BSHG oder ... untergebracht sind...
...
3. Als entsprechende Tätigkeit im Sozial- und Erziehungsdienst gilt auch die Betreuung von über 18-jährigen Personen (z.B.
in Einrichtungen für Behinderte i. S. des § 39 BSHG oder für Obdachlose).
...
6. Besonders schwierige fachliche Tätigkeiten sind z.B. die
....
b) Tätigkeiten in Gruppen von Behinderten i.S. des § 39 BSHG oder von Kindern oder Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten. Diese Arbeit kann sich auch in Wohngruppen
vollziehen,
...
e) Fachlichen Koordinierungstätigkeiten für mindestens 4 Angestellte, mindestens der Vergütungsgruppe VI,
......................................"
4. Vieles spricht dafür, dass die gesamte Tätigkeit der Klägerin einen Arbeitsvorgang darstellt, wie die Klägerin dies annimmt.
In Eingruppierungsstreitigkeiten aus dem Sozial- und Erziehungsdienst hat das BAG regelmäßig angenommen, dass die gesamte
Tätigkeit als ein Arbeitsvorgang anzusehen ist, da die Tätigkeit auf ein Arbeitsergebnis, nämlich die Betreuung des zugewiesenen
Personenkreises, gerichtet ist, sei es in Form der Beratung, der begleitenden oder nachgehenden Fürsorge oder in einer sonstigen
Erscheinungsform (BAG 22.03.1995 AP Nr. 195 zu §§ 22, 23 BAT 1975). So hat es das Bundesarbeitsgericht in der vergleichbar gelagerten Fallgestaltung seines Urteils vom 25.03.1998 für
den dortigen Kläger gesehen, der als Erzieher mit einer zusätzlichen Qualifikation zum Heilpädagogen in einer Autistengruppe
arbeitete (BAG 25.03.1998 4 AZR 682/96). In ähnlicher Weise hat das Bundesarbeitsgericht in einem weiteren Urteil vom 05.03.1997 ( 4 AZR 373/95 ZTR 1997, 358) einen einheitlichen großen Arbeitsvorgang bei der Betreuung/Erziehung von bis zu 10 Jugendlichen in einer Wohngruppe verhaltensauffälliger/milieugeschädigter
Jugendlicher angenommen. Im Fall einer Angestellten, die gemeinsam mit anderen eine Gruppe von Mehrfachbehinderten in einem
Internat betreute und der zusätzlich ein Bewohner zur eingehenden Betreuung besonders zugewiesen war, ist ein einheitlicher
Arbeitsvorgang mit der Begründung bejaht worden, dass im dort anzuwendenden Tarifvertrag in einer Protokollnotiz u.a. "Tätigkeit
in Internatsgruppen" und "Tätigkeit in Gruppen von Behinderten i.S.d. § 39 BSHG" genannt waren. Dadurch, so das BAG, haben die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck gebracht, dass sie alle Einzeltätigkeiten
eines Angestellten, die zu der bezeichneten Aufgabe gehören, tariflich einheitlich bewerten wollen (BAG 08.10.1997 AP Nr.
232 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Entsprechendes gilt hier. Auch der hiesige Tarifvertrag weist in seiner Protokollnotiz Nr.6b "Tätigkeiten in Gruppen
von Behinderten im Sinne des § 39 BSHG .... auch in Wohngruppen...." aus. Arbeitsergebnis ist die der Klägerin zugewiesene Betreuung und Förderung der in der Autisten-Wohngruppe
C untergebrachten bis zu 7 Behinderten. Dies ist der von der Klägerin wahrzunehmende Arbeitsvorgang. Ob hier wegen etwaiger
unterschiedlicher tariflicher Wertigkeit zwei Arbeitsvorgänge zu unterscheiden sind, je nachdem ob die Klägerin die Schicht
ohne Vorgesetzten oder mit gleichzeitiger Anwesenheit eines Mitglieds der Gruppenleitung absolviert, kann dahinstehen. Denn
auch wenn man dies etwa in Hinblick auf das Tätigkeitsmerkmal Nr. 5 der Vergütungsgruppe VII SED AW bejaht, verbleibt es dabei,
dass die ohne Gruppenleitung abzuleistenden Schichten zeitlich überwiegen und ein solcher Arbeitsvorgang deshalb der nach
§ 22 Abs. 2 S.1 BMT AW II eingruppierungsrelevante Arbeitsvorgang ist.
5. Die Klägerin erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des Tätigkeitsmerkmals 5 der Vergütungsgruppe V c SED AW. Sie ist Erzieherin
mit staatlicher Anerkennung (a) und verrichtet eine entsprechende Tätigkeit (b), wobei es sich um besonders schwierige fachliche
Tätigkeiten handelt (c).
a) Die Klägerin ist staatlich anerkannte Erzieherin. Sie hat diese Qualifikation am 31.07.2000 und damit vor Beginn des streitgegenständlichen
Zeitraums ab November 2000 erworben.
b) Die Klägerin verrichtet eine dieser Qualifikation entsprechende Tätigkeit. Dies ergibt sich ausgehend vom Berufsbild der
Erzieherin unter Berücksichtigung der von den Tarifvertragsparteien in den Tätigkeitsmerkmalen und Protokollnotizen des SED
AW getroffenen Festlegungen. Die Erzieherin übt ihren Beruf zwar häufig in einer Gruppe von Kindern und / oder Jugendlichen
aus. Das schließt jedoch nicht aus, dass die Erzieherin auch die gezielte Förderung einzelner oder nur weniger Personen übernehmen
kann. Nach der Zusammenfassung verschiedener früherer Berufe wie Krippenerzieherin, Kindergärtnerin, Heimerzieherin u. a.
zum einheitlichen Berufsbild der staatlich anerkannten Erzieherin nehmen Erzieherinnen zunehmend auch sozialpädagogische Aufgaben
in Bereichen wahr, die sich nicht oder nicht ausschließlich an Kinder oder Jugendliche wenden, z.B. in Einrichtungen, die
mit jungen und älteren Erwachsenen arbeiten (BAG 08.10.1997 AP Nr. 232 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Eine Ausübungsform des Berufes der Erzieherin ist auch die betreuende Tätigkeit in Heimen des Behindertenbereiches
und in betreuten Wohngruppen, häufig mit familienersetzender Funktion, wobei die Erzieherin elterliche Aufgaben übernimmt,
welche die tägliche Sorge für Körperpflege, Essen und Bekleidung bis hin zur Entfaltung von körperlichen, geistigen, sozialen,
gefühlsmäßigen und schöpferischen Kräften in allen Lebensbereichen umfassen (BAG 05.03.1997 4 AZR 373/95 ZTR 1997, 368; Blätter zur Berufskunde, Erzieher/Erzieherin, 8.Aufl. 2000, S. 4 - 8 - insb.7- ,23 - 26). In Übereinstimmung mit diesem
Berufsbild haben die Tarifvertragsparteien des SED AW durch die Protokollnotiz Nr. 3 u.a. zum Tätigkeitsmerkmal Nr. 5 der
Vergütungsgruppe V c festegelegt, dass als entsprechende Tätigkeit im Sozial- und Erziehungsdienst u.a. die "Betreuung von
über 18jährigen Personen (z.B. in Einrichtungen für Behinderte im Sinne des § 39 BSHG ....)" gilt. Nimmt man die Vergütungsgruppen und Tätigkeitsmerkmale des SED AW in den Blick, in denen die Tarifvertragsparteien
diese Protokollnotiz Nr. 3 in Bezug nehmen, so handelt es sich entweder um Erzieherinnentätigkeit (V b Nr.4, Nr.5; V c Nr.5,
Nr.7; VI Nr.5; VII Nr.3) oder um geringer qualifizierte Tätigkeiten der unteren Vergütungsgruppen (VII Nr. 5; VIII Nr.2, Nr.3;
IX a Nr. 2). Die letztgenannten weniger qualifizierten Tätigkeiten sind in den jeweiligen Tätigkeitsmerkmalen jeweils durch
den Zusatz "als Helfer im Sozial- und Erziehungsdienst" gekennzeichnet. Damit ergibt sich als tarifvertraglich festgelegtes
Differenzierungsschema im hier interessierenden Bereich die Tätigkeit der Betreuung von über 18jährigen Personen z.B. in Heimen
für Behinderte i.S.d. § 39 BSHG als Erzieherinnentätigkeit einerseits und die Hilfe bei der nämlichen Betreuung als Tätigkeit unterhalb der Qualifikationsstufe
der Erzieherinnentätigkeit andererseits. Unter Betreuung wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Tätigkeit verstanden,
die Pflege, das Kümmern, sich sorgen um jemanden, jemand hilfreich beschäftigen, jemandem helfen oder jemanden beaufsichtigen
beinhaltet (Ihlenfeld, Eingruppierungsrecht Arbeiterwohlfahrt, 1995, Rz.375; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1991, S. 264).
Eine Mitarbeiterin, die wie die Klägerin in einer Behindertenwohngruppe über eine gesamte Arbeitsschicht hin ohne fachlich
übergeordnete Kraft tätig ist und dabei das tägliche Zusammenleben der Behinderten begleitet, beobachtet und überwacht, gestaltet,
steuert und verantwortet, nimmt die Aufgabe der Betreuung dieser Personen wahr. Als bloße Helfertätigkeit im Sinne einer Mitwirkung
an einer von einer anderen Person geleisteten Betreuung kann dies nicht qualifiziert werden. Der während der Dienstschicht
abwesende Gruppenleiter und die abwesende stellvertretende Gruppenleiterin leisten während ihrer Abwesenheit keine Betreuung,
selbst wenn sie durch grundlegende Weisungen das Verhalten der diensthabenden Betreuungsperson auch während ihrer Abwesenheit
beeinflussen können. Gleiches gilt für den von dem Beklagten angeführten Hintergrunddienst. Dessen Tätigwerden ist beschränkt
auf Sondersituationen; Betreuung im Sinne des Pflegens, Kümmerns, Sorgens leistet der Hintergrunddienst allenfalls in den
kurzen Momenten seiner Aktivierung und auch dann nur, wenn sein Tätigwerden über eine Beratung oder Anweisung des ihn anrufenden
Betreuungspersonals hinausgeht. Das tägliche durchgängige Pflegen, Kümmern und Sorgen obliegt hingegen der Klägerin - zumindest
dann, wenn sie ohne Gruppenleiter / stellvertretenden Gruppenleiter Dienst tut. Die Klägerin verrichtet zumindest in diesen
- zeitlich überwiegenden - Schichten die Tätigkeit der staatlich anerkannten Erzieherin im tariflichen Sinn.
c) Die von der Klägerin verrichtete Tätigkeit einer staatlich anerkannten Erzieherin ist eine solche mit besonders schwierigen
fachlichen Tätigkeiten. Dies folgt daraus, dass die Klägerin die in der Protokollnot Nr. 6 ausdrücklich als Beispiel für besonders
schwierige fachliche Tätigkeiten genannte Tätigkeit verrichtet, sie arbeitet in einer "Gruppe von Behinderten im Sinne des
§ 39 BSHG ...in Wohngruppen...". Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist dann, wenn ein im Tarifvertrag genanntes Tätigkeitsbeispiel
zutrifft, auch das Merkmal des Oberbegriffs erfüllt. Auf die unbestimmten Rechtsbegriffe des allgemeinen Oberbegriffs ist
nur zurückzugreifen, wenn kein Tätigkeitsbeispiel erfüllt ist (BAG 22.03.1995 AP Nr. 195 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mwN). Nach diesem Grundsatz erübrigt sich hier eine gesonderte Prüfung des Oberbegriffs der besonders schwierigen fachlichen
Tätigkeiten (vgl. Böhm-Spiertz, BAT Anlage 1 a - B/L Teil II Abschn. G Rz. 156).
6. Der Anspruch ist nicht verfallen. Die Klägerin hat die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 54 BMT-AW II beachtet, indem
sie die Geltendmachung vom 09.05.2001 und die später erhobene Klage auf Entgeltansprüche ab November 2000 beschränkt hat.
7. Die Klage ist damit insgesamt begründet. Die Klägerin kann für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum die Vergütung
nach Vergütungsgruppe V c BMT-AW II beanspruchen. Das anderslautende Urteil des Arbeitsgerichts war entsprechend abzuändern.
III.
Der unterlegene Beklagte hat nach §
91 Abs.1
ZPO die kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr.1 ArbGG zugelassen worden.