Zumutbarer Einsatz von 10% der Kündigungs- oder Sozialplanabfindung
Gründe:
I. Das Arbeitsgericht hat zur Kündigungsschutzverfahrens im Gütetermin mit Beschluß vom 08.07.2002 mit Wirkung vom 07.05.2002
in vollem Umfang Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt und B1xxxxxxx aus D1xxxxxx beigeordnet.
Im vom 08.07.2002 (4 Ca 2894/02) haben die Parteien sodann nach der PKH-Bewilligung einen Vergleich geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger
Kündigung mit dem 31.05.2002 beendet worden ist und an wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 4.100,00 EURO zahlt.
Mit Beschluß vom 30.10.2002 (4 Ca 2894/02) hat das Arbeitsgericht den PKH-Bewilligungsbeschluß vom 08.07.2002 abgeändert und angeordnet, daß auf die Kosten des Verfahrens
einen Teilbetrag in Höhe von 410,00 EURO aus Vermögen zu zahlen hat.
Gegen den am 29.08.2002 zugestellten Beschluß hat mit vom 30.08.2002, bei dem Arbeitsgericht am 02.09.2002 eingegangen, sofortige
Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung trägt , habe den Abfindungsbetrag zu einem erheblichen Teil zum Kontoausgleich eingesetzt, indem den per Scheck
ausgezahlten Vergleichsbetrag auf sein Konto eingezahlt habe. Danach habe sich auf Konto nach dem Saldoausgleich nur ein Guthaben
von 1.946,21 EURO befunden. Allenfalls ein Zehntel hiervon sei für die Prozeßkosten einzusetzen. Eine 10%-ige Anrechnung der
Abfindungssumme dürfte sich - wenn überhaupt - nur innerhalb der Differenz von Schonvermögen und Abfindungsbetrag bewegen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG,
127 Abs.
2 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet. Mit Recht hat das Arbeitsgericht gegenüber
die Zahlung eines Kostenbeitrags in Höhe von 10% der erhaltenen Abfindung gemäß §
115 Abs.
2 ZPO angeordnet.
1. Ein solcher Beitrag entspricht der ständigen Rechtsprechung der bisherigen beiden Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts
Hamm (vgl. LAG Hamm v. 21.02.1989 - 7 Ta 502/88, n.v.; LAG Hamm v. 21.01.1998 - 14 Ta 158/98, n.v.), der sich die beiden neuen Kammern angeschlossen haben (vgl. LAG Hamm v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, n.v.; LAG Hamm v. 19.02.2003 - 18 Ta 40/03, n.v.). Nach dieser Rechtsprechung stellt eine vom Arbeitnehmer im Vergleichswege erzielte Abfindung grundsätzlich einen
nach §
115 Abs.
2 ZPO berücksichtigungsfähigen Vermögenswert dar. Zwar wird vereinzelt die Auffassung vertreten, daß eine Kündigungsschutzabfindung
als zweckgebundenes Vermögen nicht für die Kostenerstattung zur Verfügung steht (vgl. LAG Bremen v. 20.07.1998 - 1 Ta 38/98, LAGE §
115 ZPO Nr. 29; LAG Niedersachsen v. 26.07.1998 - 16 Ta 143/98, LAGE §
115 ZPO Nr. 56). Diese Auffassung wird jedoch von der weit überwiegenden Mehrheit der übrigen Landesarbeitsgerichte nicht geteilt
(vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 24.06.1987 - 5 Ta 91/87, LAGE §
115 ZPO Nr. 25; LAG Frankfurt/Main v. 07.04.1988 - 13 Ta 28/88, LAGE §
115 ZPO Nr. 28; LAG Berlin v. 05.04.1989 - 9 Ta 6/89, LAGE §
115 ZPO Nr. 34; LAG Nürnberg v. 24.08.1989 - 4 Ta 39/89, LAGE §
115 ZPO Nr. 40; LAG Rheinland-Pfalz v. 06.03.1995 - 4 Ta 14/95, LAGE §
115 ZPO Nr. 51; LAG Köln v. 07.03.1995 - 7 Ta 22/95, LAGE §
115 ZPO Nr. 49; LAG Hamburg v. 13.08.1997 - 1 Ta 3/97, LAGE §
115 ZPO Nr. 52; LAG Schleswig-Holstein v. 24.09.1997 - 5 Ta 153/97, LAGE §
115 ZPO Nr. 53).
1.1. Die Anrechnung von 10% des Nennwertes einer Abfindung hat ihren Grund darin, daß es sich bei der Kündigungsabfindung
nach §§ 9, 10 KSchG in vielen Fällen um einen schlichten Risikoausgleich handelt, bei dem sich der Arbeitgeber von der Last der Darlegungsverteilung
und der Beweislast gewissermaßen freikauft (LAG Hamm v. 01.02.1999 - 14 Ta 10/99, n.v.; LAG Hamm v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, n.v.). Der betroffene Arbeitnehmer kann die ihm gezahlte Abfindung beliebig verwenden, so daß von einer Zweckbindung keine
Rede sein kann. Damit stellt die Zahlung einer Kündigungsabfindung für den Betroffenen einen Vermögenszuwachs dar, der je
nach seiner individuellen persönlichen und wirtschaftlichen Situation mal stärker, mal schwächer zu Buche schlägt (siehe zum
Meinungsstand Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl. 2003, S. 81 Rz. 216). Aus alledem
folgt, daß eine Kündigungsschutzabfindung keineswegs grundsätzlich der Kostenpflicht entzogen werden kann, allerdings muß
die Abfindung dem Arbeitnehmer auch tatsächlich zufließen (LAG Hamm v. 03.04.2002 - 4 Ta 636/01, LAGReport 2002, 154, 156), was vorliegend der Fall ist.
1.2. Im übrigen beantwortet sich die Frage nach einem zumutbaren Eigenbeitrag des Prozeßkostenhilfeantragstellers nach § 88 BSHG und den dazu ergangenen Durchführungsverordnungen. Hier ist auch geregelt, in welcher Höhe das sogenannte Schonvermögen zu
berücksichtigen ist. Wenn die Schongrenze des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG, die sich auf 2.301,00 EURO für den Antragsteller beläuft und für den Ehepartner um 614,00 EURO sowie für jedes unterhaltsberechtigtes
Kind um 256,00 EURO erhöht, überschritten wird (siehe dazu LAG Hamm v. 01.02.2002 - 4 Ta 769/01, n.v.; LAG Hamm v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, n.v.), hat der PKH-Empfänger in Höhe von 10% des Nennwertes der Abfindung (die Steuern ermäßigen den einzusetzenden Betrag
nicht) für die entstandenen Kosten der Prozeßführung einzustehen. Weder Gegenforderungen des Arbeitgebers noch die bei höheren
Abfindungen abzuführenden Steuern, die den Auszahlungsbetrag tatsächlich verringern, ermäßigen den für die Prozeßkostenhilfe
einzusetzenden Betrag von 10% des Nennwertes der Abfindung (LAG Hamm v. 29.11.2000 - 4 Ta 429/00, n.v.; LAG Hamm v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, n.v.). Dies macht bei - wie das Arbeitsgericht zutreffend festgesetzt hat - den Betrag von 410,00 EURO aus. Die im arbeitsgerichtlichen
Gütetermin vom 08.07.2002 ausgehandelte Abfindungssumme von 4.100,00 EURO übersteigt das Schonvermögen, das sich bei , der
seiner Ehefrau und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, auf 3.427,00 EURO beläuft, erheblich. Daß sich eine
10%-ige Anrechnung der Abfindungssumme - wie meint - nur innerhalb der Differenz von Schonvermögen und Abfindungsbetrag bewegen
dürfte, würde den gesetzlichen Zielvorstellungen, wonach bei der bedürftigen Partei "kleinere Barbeträge" verbleiben sollen,
der "Notgroschen" also nicht eingesetzt werden muß, nicht entsprechen. Es wäre allenfalls denkbar, an Stelle des 10%-igen
Kostenbeitrags generell die Differenz zwischen Schonvermögen und Abfindungsbetrag als "freies" Vermögen anzusetzen. Dann stünde
sich aber schlechter als nach der bisherigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts.
2. Nach § 88 Abs. 2 Ziff. 8 Hs. 2 BSHG kann von dem Betroffenen geltend gemacht werden, daß bei ihm eine besondere Notlage zu berücksichtigen sei. Wenn also die
erhaltene Abfindung zur Behebung einer akuten Notlage gebraucht wird, kann der Kostenbeitrag von 10% der Abfindungssumme reduziert
oder gänzlich fallengelassen werden. Hierzu bedarf es aber entsprechender Angaben und Glaubhaftmachung des Antragstellers
(LAG Hamm v. 01.02.1999 - 14 Ta 10/99, n.v.; LAG Hamm v. 29.05.2002 - 4 Ta 320/02, n.v.). Daß zur Behebung einer Notlage in vollem Umfang auf die Abfindung angewiesen ist, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Daß mit der erhaltenen Abfindungssumme sein Girokonto ausgeglichen hat, rechtfertigt noch keine Notlage. Soweit es sich um
Kreditverpflichtungen handelt, führt deren Tilgung dazu, daß keine Ratenzahlungen aus Einkommen, nämlich dem Arbeitslosengeld,
zu erbringen braucht. Dies kann aber nicht zusätzlich noch dazu führen, daß die Landeskasse auf die Einmalzahlung verzichten
muß, denn sie würde ggf. angesichts der Laufzeit des Kredits vollständig mit ihrer Forderung ausfallen (was vorliegend aber
nicht aufgeklärt zu werden braucht). Eine Ausnahme wäre nur für lebensnotwendige Schulden zu machen, etwa Verpflichtungen
infolge von Todes- und Unglücksfällen oder Krankheit (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., S. 108 Rz. 294). Nimmt der
PKH-Empfänger dafür einen Kredit auf, sind diese Kosten auch dann abzugsfähig, wenn die Kreditaufnahme nach der PKH-Antragstellung
oder in der Rückzahlungsphase erfolgt. Sie gehen dann den Ansprüchen der Landeskasse vor. Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend
jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der "normale" Überziehungskredit rechtfertigt keine Ausnahme von der Teilanrechnung
der Abfindung. Nach alledem hat die sofortige Beschwerde ohne Erfolg bleiben müssen. Die Rechtsbeschwerde war nach § 78 Satz 2 ArbGG n.F. i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.