Vergütung von Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren
Keine Antragsbefugnis des Leiters einer Gutachtensstelle
Gründe
I.
Auf Veranlassung des Berichterstatters hat Prof. Dr. S. von der Neurologischen Klinik und Polyklinik der L.-M.-Universität
M.im Verfahren L 8 SB 1577/17, in dem die Schwerbehinderteneigenschaft der dortigen Klägerin streitig ist, sein neurologisch-schmerztherapeutisches Gutachten
vom 08.10.2018 erstattet. Mit dem Briefkopf von Prof. Dr. D., der Direktorin dieser Klinik, und unter Angabe deren Kontoverbindung
ist im November 2018 eine nicht unterschriebene Rechnung für dieses Gutachten in Höhe von 1.373,50 EUR gestellt worden. Nachdem
die Kostenbeamtin eine geringere Vergütung in Aussicht gestellt und darauf hingewiesen hatte, dass für eine Abrechnung durch
Prof. Dr. D. eine Abtretungserklärung von Prof. Dr. S. benötigt werde, hat der Antragsteller, Oberarzt der Klinik und Leiter
der Gutachtensstelle, eine Abtretungserklärung von Prof. Dr. S. übersandt und zugleich richterliche Festsetzung beantragt.
Sein Schreiben weist als Briefkopf neben dem Logo der Klinik einschließlich Name der Direktorin seinen Namen als Absender
aus und ist von ihm unterschrieben. Daraufhin hat die Kostenbeamtin gegenüber Prof. Dr. D. die Vergütung für das Gutachten
des Prof. Dr. S. - in gekürzter Höhe - festgestellt und den Antrag des Antragstellers dem Senat vorgelegt.
II.
Über den Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die
Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) entscheidet der nach dem Geschäftsverteilungsplan für Kostensachen zuständige 10. Senat nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG durch den Einzelrichter. Gründe für eine Übertragung des Verfahrens auf den Senat liegen nicht vor.
Der Antrag ist abzulehnen. Er ist unzulässig. Denn der Antragsteller ist nicht antragsbefugt.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG erfolgt die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse dies beantragt
oder - wofür hier kein Anlass besteht - das Gericht sie für angemessen hält. Berechtigter ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz i.V.m. Satz 1 Nr. 1 JVEG, wer als Sachverständiger beauftragt worden ist.
Der Antragsteller ist nicht als Sachverständiger beauftragt worden. Der Gutachtensauftrag hat sich an Prof. Dr. S. gerichtet
und er hat auch das Gutachten erstattet. Damit ist - jedenfalls bis zur Abtretung (hierzu sogleich) - Prof. Dr. S. Berechtigter
gewesen, nicht der Antragsteller.
Der Antragsteller ist auch nicht durch eine Abtretung des Vergütungsanspruchs Berechtigter geworden. Zwar wird durch eine
grundsätzlich zulässige (Bayerisches LSG, Beschluss vom 23.12.2009, L 15 SF 352/09, Thüringer LSG, Beschluss vom 12.10.2011, L 6 SF 212/11 B, KG Berlin, Beschluss vom 04.05.2017, u.a. 1 Ws 3/17, alle in juris; Schneider, JVEG, 3. Auflage, § 2 Rdnr. 15, Meyer/Höver/Bach/Overlack/Jahnke, JVEG, 27. Auflage, § 2 Rdnr. 6) Abtretung des Vergütungsanspruches der Abtretungsempfänger Inhaber der Forderung (vgl. §
398 Satz 2 des
Bürgerlichen Gesetzbuches -
BGB -) und damit Berechtigter im o.g. Sinn. Er kann dann auch einen Antrag auf richterliche Festsetzung stellen (Bayerisches
LSG, a.a.O.; Schneider, a.a.O.; Meyer u.a., a.a.O., § 4 Rdnr. 6). Indessen ist der Vergütungsanspruch von Prof. Dr. S. nicht
an den Antragsteller abgetreten worden. Als Abtretungsempfängerin ist von Prof. Dr. S. in seiner an das Landessozialgericht
adressierten Abtretungserklärung vielmehr Prof. Dr. D. bezeichnet worden.
Der Umstand, dass der Antragsteller als Leiter der Gutachtensstelle tätig wird, macht ihn nicht zum Berechtigten i.S. des
§ 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG. Denn Sachverständige werden in der Regel - und so liegt der Fall auch hier - persönlich vom Gericht ernannt (vgl. §
404 der
Zivilprozessordnung -
ZPO -) und die aus dieser Bestellung resultierenden Rechte und Pflichten (vgl. §§
402 ff.
ZPO; Vergütungsanspruch nach JVEG) sind dann ebenfalls personenbezogen. Durch die Einrichtung einer Gutachtensstelle an der Klinik, in der der Sachverständige
tätig ist, wird diese Stellung nicht beeinflusst und die gesetzliche Regelung nicht geändert.
Es ist auch nicht erkennbar, dass der Antragsteller in fremdem Namen, etwa für Prof. Dr. D., diesen Antrag stellt. Er hat
dies nicht behauptet und die Gestaltung seines Schreibens mit seinem Namen im Briefkopf lässt auf Handeln im eigenem Namen
schließen. Dass Prof. Dr. D.im Briefkopf ebenfalls genannt ist, resultiert aus der Verwendung des Logos der Einrichtung, das
als Bestandteil den Namen der Direktorin enthält, wie auch aus den in der Berufungsakte enthaltenen Schreiben des Klinikums
ersichtlich ist. Schließlich liegt auch keine Vollmacht vor und eine Stellvertretung wäre auch nicht zulässig (§ 4 Abs. 6 Satz 2 JVEG i.V.m. §
73 des
Sozialgerichtsgesetzes).
Das zuletzt eingegangene, von Prof. Dr. S. unterschriebene Schreiben, das wiederum den Briefkopf des Antragstellers trägt
und auf das an den Antragsteller gerichtete Hinweisschreiben des Senats Bezug nimmt, enthält keinen für die Entscheidung des
Senats relevanten Inhalt. Es geht auf die Ausführungen im Hinweisschreiben des Senats nicht ein und beinhaltet insbesondere
keine, im Hinweisschreiben angeregte Rücknahme des Antrages. Es bedarf daher keiner Erörterung, dass - hier gelten die obigen
Ausführungen zur Frage einer Vertretung entsprechend - etwaige Erklärungen von Prof. Dr. S. dem Antragsteller nicht zugerechnet
werden könnten. Am Rande weist der Senat darauf hin, dass dem Schreiben - schon deshalb, weil mit dem Briefkopf des Antragstellers
versehen - keine eigene Antragstellung des Prof. Dr. S. entnommen werden kann.
Mit dieser Entscheidung des Senats ist keine Entscheidung über den Vergütungsanspruch für das Gutachten des Prof. Dr. S. verbunden
und die Kostenfestsetzung der Kostenbeamtin gegenüber Prof. Dr. D. bleibt hiervon unberührt. Insoweit wird - ebenfalls am
Rande - darauf hingewiesen, dass der Senat die Frage einer rechtswirksamen Abtretung des Vergütungsanspruches (vgl. insbesondere
§
398 Satz 1
BGB: durch Vertrag, also durch Angebot und Annahme, §§
145 ff.
BGB) - da nicht entscheidungsrelevant - nicht geprüft hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).