Anspruch auf Elterngeld; Berücksichtigung von sonstigen Bezügen bei späteren Gehaltsnachzahlung
Tatbestand
Im Streit steht die Höhe des Elterngeldes für das Kind F. C. B. (im Folgenden: F).
Die im Jahr 1969 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter des am 05.01.2011 geborenen F. Sie lebt mit F und dem am 28.04.2007
geborenen Kind E. H. in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland und betreut und erzieht F selbst. Sie ist seit Juni 1998
bei der T. S. S. G. GmbH abhängig beschäftigt.
Vor der Geburt von F bezog die Klägerin vom 01.12.2009 bis 25.04.2010 Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit. Anschließend
bezog sie bis 25.10.2010 aufgrund einer nicht schwangerschaftsbedingten Erkrankung Krankengeld und einen Krankengeldzuschuss
von ihrem Arbeitgeber. Insgesamt bezog sie von ihrem Arbeitgeber in diesem Zeitraum laufende Einkünfte (ohne Einmalzahlungen
in Form von Urlaubsgeld, geldwertem Vorteil und Tantiemen) in Höhe von 15.796,09 EUR brutto, auf die Steuern in Höhe von 3.222,25
EUR und Sozialabgaben in Höhe von 1.565,16 EUR entfielen (= 11.008,68 EUR netto). Ab dem 26.10.2010 zahlte der Arbeitgeber
zunächst kein Arbeitsentgelt mehr. Bereits ab dem 13.09.2010 unterlag die Klägerin einem individuellen Beschäftigungsverbot
nach §
3 Abs.
1 Mutterschutzgesetz (
MuSchG), dem keine schwangerschaftsbedingte Erkrankung zugrundelag. Ab dem 09.12.2010 bezog sie Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00
EUR kalendertäglich.
Nach der Geburt von F war die Klägerin nicht erwerbstätig. Sie bezog noch bis 17.03.2011 Mutterschaftsgeld. Im Abrechnungsmonat
April 2011 erhielt die Klägerin nach einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung von ihrem Arbeitgeber Gehalt nachgezahlt
für die Monate September 2010 bis einschließlich März 2011. Im Lohnsteuerabzugsverfahren wurden die Nachzahlungen als sonstige
Bezüge behandelt. Die Nachzahlungen wurden dem Gesamtbrutto des Monats April 2011 zugeordnet. Folgende Nachberechnungen ergaben
sich:
Monat
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Bezeichnung
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Brutto
|
Steuern
|
Sozialversicherung
|
September 2010
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Gehalt
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1.943,78 EUR
|
0,00 EUR
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512,74 EUR
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Oktober 2010
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Gehalt
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3.523,17 EUR
|
0,00 EUR
|
854,57 EUR
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November 2010
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Gehalt
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4.597,00 EUR
|
0,00 EUR
|
854,57 EUR
|
Dezember 2010
|
Gehalt/Mutterschaftsgeld
|
2.332,41 EUR
|
0,00 EUR
|
223,40 EUR
|
Januar 2011
|
Mutterschaftsgeld
|
1.544,73 EUR
|
0,00 EUR
|
0,00 EUR
|
Februar 2011
|
Mutterschaftsgeld
|
1.395,24 EUR
|
0,00 EUR
|
0,00 EUR
|
März 2011
|
Mutterschaftsgeld
|
847,11 EUR
|
0,00 EUR
|
0,00 EUR
|
Am 11.03.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate von F. Dabei gab sie
an, dass ihr Arbeitgeber seit dem 13.09.2010 kein Arbeitsentgelt mehr bezahlt habe, obwohl sie Anspruch darauf habe. Sie habe
deshalb Klage gegen ihren Arbeitgeber erhoben. Auch der Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld sei Teil des Rechtsstreits.
Mit Bescheid vom 19.04.2011 bewilligte die Beklagte Elterngeld für den vierten bis zwölften Lebensmonat in Höhe von monatlich
631,94 EUR. Nach Vorlage der Arbeitgeberbescheinigung über den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, werde der Elterngeldanspruch
für die Lebensmonate 1 bis 3 überprüft. Hiergegen legte die Klägerin am 17.05.2011 "vorsorglich" Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid
vom 01.06.2011 bewilligte die Beklagte Elterngeld für den dritten Lebensmonat in Höhe von 366,93 EUR. Am 18.08.2011 gingen
bei der Beklagten die nachträglich geänderten Gehaltsabrechnungen für die Monate September 2010 bis einschließlich März 2011
ein. Mit "Änderungsbescheid" vom 09.09.2011 stellte die Beklagte fest, dass sich unter Berücksichtigung der geänderten Gehaltsabrechnungen
keine Änderung des Bescheides vom 01.06.2011 ergebe. Im Lohnsteuerabzugsverfahren steuerrechtlich als sonstige Bezüge behandelte
Einnahmen könnten bei der Berechnung des Elterngeldanspruches nicht berücksichtigt werden. Hiergegen legte die Klägerin am
23.09.2011 mit der Begründung Widerspruch ein, das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass für den Bemessungszeitraum nachgezahltes Arbeitsentgelt bei der Berechnung Berücksichtigung finden
müsse. Daran habe sich durch die Neufassung des Gesetzes nichts geändert. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2011 (zugestellt
am 10.10.2011) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde angegeben, die angeführte Rechtsprechung sei
nach Änderung des Gesetzes nicht mehr maßgebend. Nach der Neufassung des § 2 Abs. 7 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sei allein die Behandlung der Einnahmen im Lohnsteuerabzugsverfahren als "sonstige Bezüge" ausschlaggebend. Ob es sich um
Nachzahlungen von eigentlich laufenden Bezügen für das vergangene Jahr handele, sei irrelevant.
Am 10.11.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vortragen lassen, die Beklagte müsse das verspätet bezahlte Arbeitsentgelt bei der Berechnung
des Elterngeldes berücksichtigen. Die Klägerin habe den Anspruch auf das nachgezahlte Entgelt während des Bemessungszeitraums
erworben. Die verspätete Zahlung sei allein vom Arbeitgeber zu vertreten. Dass die Klägerin gezwungen gewesen sei, ihr Arbeitsentgelt
gerichtlich geltend zu machen, dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Das BSG habe bereits entschieden, dass für den Bemessungszeitraum nachgezahltes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen sei. Der Gesetzgeber
habe dies nicht ändern wollen. Die geänderte Norm in § 2 Abs. 7 BEEG beziehe sich allein auf Bezüge, die sich aus der Perspektive des Bemessungszeitraums als periodenfremde Einnahmen darstellten.
Solche Einkünfte stünden vorliegend nicht in Rede. Die Beklagte berücksichtige nicht den Sinn und Zweck der Regelung sowie
die Systematik des Gesetzes. Danach sei § 2 Abs. 7 BEEG teleologisch zu reduzieren. Ein erhöhter Verwaltungsaufwand sei damit nicht verbunden, da auch für die verspäteten Zahlungen
Lohn- und Gehaltsabrechnungen vorlägen. Eine Nichtberücksichtigung sei aus Gleichheitsgründen nicht zulässig.
Mit Urteil vom 23.05.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, aus der aktuellen Rechtsprechung des BSG ergebe sich, dass mit der Neuregelung des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG eine inhaltliche Änderung erfolgt sei, so dass die bisherige Rechtsprechung zur alten Fassung für die Neureglung keine Anwendung
finden könne. Aus der Gesetzesbegründung gehe eindeutig hervor, dass der Gesetzgeber § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zum modifizierten Zuflussprinzip neu gefasst habe. Angesichts des eindeutigen Wortlauts und der Gesetzesbegründung könne
eine Berücksichtigung des nachgezahlten Arbeitsentgelts nicht erfolgen. Der Klägerin sei zwar zuzugestehen, dass dies eine
Härte darstelle. Der Gesetzgeber habe jedoch diese Fallkonstellation im Blick gehabt und zuungunsten der Elterngeldberechtigten
entschieden. Da es sich beim Elterngeld um eine steuerfinanzierte und nicht beitragsfinanzierte Leistung handele, besitze
der Gesetzgeber einen großen Gestaltungsspielraum.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25.05.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.06.2012 Berufung
beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung ihre Argumentation wiederholt. Ergänzend hat sie vorgetragen,
in der Gesetzesbegründung werde die vorliegende Konstellation nicht erwähnt. Es sei dem Gesetzgeber darum gegangen, nur Einkünfte,
die dem Bemessungszeitraum zuzuordnen sind, zu berücksichtigen und solche, die zwar in diesem gezahlt würden, sich aber nicht
auf ihn bezögen, auszunehmen. Nach Sinn und Zweck der Reglungen sei das Einkommen zugrundezulegen, das die Mutter typischerweise
verdiene. Es sei kein Grund ersichtlich, rechtswidrig verspätete Zahlungen hiervon auszunehmen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.05.2012 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 19.04.2011 in der Gestalt
des Änderungsbescheides vom 01.06.2011 und den Bescheid vom 09.09.2011, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
06.10.2011, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin höheres Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate
des am 05.01.2011 geborenen Kindes F. C. B. unter Berücksichtigung des für den Bemessungszeitraum nachgezahlten Arbeitsentgelts
zu gewähren,
hilfsweise die Beklagte zur Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten
vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach den §§
143,
144 Abs.
1 Nr.
1,
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß §
124 Abs.
2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der
Bescheid der Beklagten vom 19.04.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 01.06.2011 und der Bescheid vom 09.09.2011,
beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2011, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren
Rechten.
Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (< BEEG >; Gesetz vom 05.12.2006, BGBl. I 2748).
Nach § 1 Abs. 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr. 1), mit seinem
Kind in einem Haushalt lebt (Nr. 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr. 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit
ausübt (Nr. 4). Die Klägerin hatte im Bezugszeitraum vom 05.01.2011 bis 04.01.2012 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland,
lebte mit dem am 05.01.2011 geborenen F in einem Haushalt, betreute und erzog ihn und übte während des streitigen Zeitraums
keine Erwerbstätigkeit aus. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren.
Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach § 2 BEEG (hier in der Fassung vom 09.12.2010, gültig ab 01.01.2011, BGBl. I 1885). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG in Höhe von 67% des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen
Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die
berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. § 2 Abs. 5 BEEG sieht ein Mindestelterngeld in Höhe von monatlich 300,00 EUR vor. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit die Summe der positiven
im Inland zu versteuernden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger
Arbeit nach §
2 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 bis 4
Einkommensteuergesetz (
EStG) nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen. In den Fällen, in denen das durchschnittlich erzielte monatliche Einkommen
aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1.000,00 EUR war, erhöht sich der Prozentsatz von 67% um 0,1 Prozentpunkte
für je 2,00 EUR, um die das maßgebliche Einkommen den Betrag von 1.000,00 EUR unterschreitet, auf bis zu 100% (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BEEG). Für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, das
durchschnittlich geringer ist als das nach § 2 Abs. 1 BEEG berücksichtigte durchschnittlich erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des maßgeblichen
Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt
(§ 2 Abs. 3 Satz 1 BEEG). Als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist dabei nach § 2 Abs. 3 Satz 2 BEEG höchstens der Betrag von 2.700,00 EUR anzusetzen.
Der Bemessungszeitraum von zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG) unterliegt den Einschränkungen des § 2 Abs. 7 Sätze 5 bis 7 BEEG. Danach bleiben u.a. Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach der
Reichsversicherungsordnung bezogen hat oder in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung
Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise weggefallen ist. Unter Anwendung dieser Regelungen fällt der Monat Dezember
2010 nicht mit in den Bemessungszeitraum, da die Klägerin ab dem 09.12.2010 Mutterschaftsgeld bezogen hat. Das ab dem 13.09.2010
bestehende Beschäftigungsverbot nach §
3 Abs.
1 MuSchG führt dagegen nicht zu einer Verschiebung des Zeitraums für die Ermittlung des vorgeburtlichen Einkommens. Denn das Gesetz
verlangt nicht lediglich ein Beschäftigungsverbot, sondern eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung und einen darauf zurückzuführenden
Einkommensverlust. Nach ihren eigenen Angaben war die Klägerin ab dem 13.09.2010 nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt. Darüber
hinaus fehlt es an einem kausalen Wegfall des Einkommens. Sie hat für diese Monate Gehalt von ihrem Arbeitgeber erhalten.
Eine zeitlich verzögerte Auszahlung genügt für die Annahme eines "Wegfalls" nicht. Damit reicht der Bemessungszeitraum vom
01.12.2009 bis 30.11.2010.
Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 BEEG ist als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf die Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit entfallenden
Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen
Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in
Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach §
9a Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Buchstabe a
EStG anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden
nicht berücksichtigt (§ 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG). Als auf die Einnahmen entfallende Steuern gelten die abgeführte Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer,
im Falle einer Steuervorauszahlung der auf die Einnahmen entfallende monatliche Anteil (§ 2 Abs. 7 Satz 3 BEEG). Grundlage der Einkommensermittlung sind nach § 2 Abs. 7 Satz 4 BEEG u.a. die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers.
Unter Anwendung dieser Regelungen ist im Bemessungszeitraum lediglich das laufende Bruttoeinkommen der Klägerin in Höhe von
15.796,09 EUR anzusetzen. Die im Bemessungszeitraum zugeflossenen einmaligen Einnahmen (Urlaubsgeld, geldwerter Vorteil und
Tantieme) und das im April 2011 nachgezahlte Arbeitsentgelt für die Monate September bis November 2010 können nicht berücksichtigt
werden. Denn insoweit handelt es sich um "im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen" im Sinne
des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG.
In Bezug auf die im Bemessungszeitraum einmaligen, anlassbezogenen Zahlungen (Urlaubsgeld, geldwerter Vorteil und Tantiemen)
ergibt sich bereits aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung des BEEG, dass der Gesetzgeber solche Einnahmen in das Bemessungseinkommen nicht mit einfließen lassen wollte. Die Bemessung des Elterngeldes
sollte sich an dem zuletzt tatsächlich monatlich zur Verfügung stehenden Einkommen ausrichten (BT-Drs 16/1889 S 21), um insbesondere
auch Reduzierungen des Elterngeldanspruchs durch den Zufluss einmaliger Bezüge in der Zeit nach der Geburt des Kindes zu vermeiden
(BT-Drs 16/2785 S 37). Dieser Wille des Gesetzgebers hat in der zum 01.01.2011 erfolgten Änderung des § 2 Abs. 7 S 2 BEEG seinen Niederschlag gefunden. Denn der bis dahin geltende Verweis auf §
38a Abs.
1 S 3
EStG wurde durch folgenden Wortlaut ersetzt: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht
berücksichtigt." Damit sollten die Auswirkungen der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 03.12.2009 (B 10 EG 3/09 R) korrigiert werden (BSG 29.08.2012, B 10 EG 20/11 R, [...]). Wörtlich wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drs 17/3030 S 48 zu Art 13 der Entwurfsfassung) ausgeführt:
"Die Neufassung des Satzes 2 dient zum einen der Sicherstellung einer verwaltungspraktikablen Feststellbarkeit von sonstigen
Bezügen im Sinne des
Einkommensteuergesetzes. Im Lohnsteuerabzugsverfahren nach §
38a Absatz
1 Satz 3 und §
39b des
Einkommensteuergesetzes als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen sind bei der Elterngeldberechnung nicht zu berücksichtigen (anders zur bisherigen
Rechtslage: BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, B 10 EG 3/09 R, betreffend Voraus- und Nachzahlungen im Sinne von R § 39b.2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 LStR 2008, die für Zeitabschnitte in einem anderen Veranlagungszeitraum erfolgen und deswegen als sonstige Bezüge versteuert werden).
Zum anderen werden durch die Regelung des neuen Satzes 2 pauschal besteuerte Einnahmen nicht berücksichtigt. Dies bewirkt,
dass nur Einnahmen, die von der Antrag stellenden Person zu versteuern sind, bei der Elterngeldberechnung berücksichtigt werden".
Der Wortlaut des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG ("...als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen ...) macht im Zusammenhang mit der Regelung in § 2 Abs. 7 Satz 4 BEEG ("Grundlage der Einkommensermittlung sind die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers.")
deutlich, dass es für die Zeit ab 01.01.2011 entscheidend darauf ankommt, wie der Arbeitgeber die Bezüge steuerrechtlich "behandelt"
hat. Ob die Beklagte (und im Klageverfahren das Gericht) dennoch auch weiterhin verpflichtet ist, genau zu prüfen, ob es sich
bei den Zahlungen des Arbeitgebers um sonstige Bezüge oder um laufenden Arbeitslohn handelt, ist fraglich, weil dies eine
Abkehr von der vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten und auch vorgeschriebenen verwaltungspraktikablen Feststellung wäre,
kann aber im vorliegenden Fall offen bleiben. Denn diese Prüfung besteht nach der Rechtsprechung des BSG nur in den Fällen, in denen bestimmte Zahlungen mindestens zweimal im Bemessungszeitraum erfolgten (Urteil vom 29.08.2012,
B 10 EG 20/11 R, [...]). Das Urlaubsgeld, der geldwerte Vorteil und die im März 2010 einmalig gewährten Tantiemen, die jeweils in den Gehaltsabrechnungen
als sonstiger Bezug behandelt werden (getrennte Lohnsteuerberechnung für Einmalbezüge), wurden im Bemessungszeitraum nur einmal
gezahlt.
Nichts anderes gilt für das im April 2011 nachgezahlte Arbeitsentgelt für die Monate September bis November 2010. Das BSG hatte zur alten Fassung des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG entschieden (Urteil vom 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R, [...]RdNr. 36f), dass die Besonderheiten nicht zu berücksichtigen seien, die sich aus dem Umstand ergeben, dass die Lohnsteuer
Jahreslohnsteuer ist und sich nach dem Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer im Kalenderjahr bezieht, bemisst, da § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG allein auf den Begriff der "sonstigen Bezüge" verweise und nicht auf die Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahrens. Die
Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahren ergeben sich aus §
39b EStG. Er bestimmt in Abs.
5 Satz 1, dass unter den dort genannten Voraussetzungen ein länger als der Zahlungszeitraum laufender Abrechnungszeitraum als
Zahlungszeitraum behandelt und die Lohnsteuer bei der Lohnabrechnung einbehalten werden kann. Nach §
39b Abs.
5 Satz 2
EStG gilt dies allerdings nicht, wenn der Lohnabrechnungszeitraum fünf Wochen übersteigt oder die Lohnabrechnung nicht innerhalb
von drei Wochen nach dessen Ablauf erfolgt. Da die Lohnsteuer gemäß §
38a Abs.
1 Satz 1
EStG Jahreslohnsteuer ist, die sich nach dem im Kalenderjahr bezogenen Jahresarbeitslohn bemisst, bedeutet dies für Abrechnungen,
die sich auf den Lohnzahlungszeitraum Dezember beziehen und erst im Januar des Folgejahres vorgenommen werden, dass diese
steuerrechtlich nur dann noch dem Dezember (Lohnzahlungszeitraum) zuzuordnen sind, wenn sie innerhalb der ersten 3 Wochen
des Januars erfolgen. Dieser gesetzlichen Regelung folgt R 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 LStR (= R 39b.2 Absatz 2 Satz 2 Nr. 8 LStH), worin Nachzahlungen als sonstiger Bezug bezeichnet werden, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume
des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt. Dies führt dazu, dass zu spät ausgezahlte
Nachzahlungen von Arbeitslohn gemäß §
38a Abs.
1 Satz 3
EStG als sonstige Bezüge dem folgenden Kalenderjahr zuzuordnen und entsprechend lohnsteuermäßig zu behandeln sind. Diese Besonderheit
des Lohnsteuerabzugsverfahrens war für die Berechnung des Elterngeldes nach der alten Fassung des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG nicht relevant, da das Gesetz allein auf den Begriff der "sonstigen Bezüge" verwies (BSG 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R, [...]RdNr. 36f).
Anders als die alte Fassung des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG nimmt die Neureglung nunmehr das Lohnsteuerabzugsverfahren in Bezug. Dies hat zur Folge, dass erst später als drei Wochen
nach Ablauf des Kalenderjahres im Folgejahr erfolgten Gehaltszahlungen für die Bemessung des Elterngeldes unberücksichtigt
zu bleiben haben (so ausdrücklich BSG 18.08.2011, B 10 EG 5/11 R, [...]RdNr. 32 und BSG 29.08.2012, B 10 EG 20/11 R, [...]RdNr. 62; LSG Niedersachsen-Bremen 18.07.2012, L 2 EG 21/11, [...]). Aus den Gesetzesmaterialen ergibt sich, dass gerade die zitierte Rechtsprechung des BSG zur alten Fassung mit der Neuregelung korrigiert werden sollte. In der Gesetzesbegründung wird nicht nur die Entscheidung
des BSG vom 03.12.2009 (B 10 EG 2/09 R) aufgeführt, sondern auch ausdrücklich die Voraus- und Nachzahlungen im Sinne von R § 39b.2 Absatz 2 Satz 2 Nr. 8 LStR 2008, die für Zeitabschnitte in einem anderen Veranlagungszeitraum erfolgen und deswegen als sonstige Bezüge versteuert werden,
genannt (vgl BT-Drucks a.a.O.). Die Änderung soll eine verwaltungspraktikable Feststellbarkeit der maßgeblichen Bezüge sicherstellen
und damit eine Vereinfachung der Elterngeldberechnung bewirken (vgl BT-Drucks a.a.O.).
Der Wortlaut der Neuregelung ist eindeutig und einer Auslegung dahingehend, dass nachträglich für den Bemessungszeitraum ausbezahlte
Gehaltsnachzahlungen mit einzubeziehen sind, obwohl sie im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden,
nicht zugänglich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des dokumentierten gesetzgeberischen Willens, der sich auch im
Wortlaut der geänderten Norm niedergeschlagen hat. Ein Verstoß gegen das
Grundgesetz ergibt sich daraus nicht. Mangels vorgegebener Referenzgröße aufgrund eines versicherungstypischen Gegenseitigkeitsverhältnisses
von Beiträgen und Leistungen (vgl BVerfG 7.12.2010, 1 BvR 2628/07, [...]RdNr. 36) steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei, bei der gesetzlichen Ausgestaltung steuerfinanzierter Sozialleistungen,
die nicht auf eigenen Beiträgen des Anspruchsberechtigten beruhen, eigenständige Regelungen zu treffen und zur Verwirklichung
der Gesetzesziele den als Referenzgröße maßgeblichen Begriff frei zu wählen (BSG 17.02.2011, B 10 EG 17/09 R, [...]RdNr. 68 m.w.N., zur Verfassungsmäßigkeit des Anknüpfens an das im Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes bezogene
Einkommen aus Erwerbstätigkeit). Die Unterscheidung nach der steuerlichen Behandlung lässt sich mit der angeführten Verwaltungspraktikabilität
hinreichend sachlich begründen. Zutreffend ist zwar, dass nachträglich erstellte bzw. korrigierte Gehaltsabrechnungen eine
Zuordnung des Arbeitsentgelts zum Bemessungszeitraum ohne größeren Aufwand ermöglichen. Aufgrund der Versteuerung als sonstige
Bezüge außerhalb des Bemessungszeitraums ist die Höhe der Steuern für die einzelnen Monatsentgelte dagegen nicht ohne Weiteres
erkennbar. Im Fall einer Berücksichtigung wären die Steuern von der Beklagten selbst zu berechnen. Zudem ermöglicht die Nichtberücksichtigung
solcher Zahlungen eine beschleunigte Bewilligung von Elterngeld in endgültiger Höhe. Schließlich widerspricht die gesetzliche
Neuregelung auch nicht Sinn und Zweck des Elterngeldes, das sich an dem vorgeburtlichen Einkommen orientieren soll, das dem
Elternteil zur Verfügung stand. Arbeitsentgelt, das im Bemessungszeitraum - wenn auch zu.U.nrecht - nicht zugeflossen ist,
hat die individuelle vorgeburtliche Lebenssituation gerade nicht geprägt (allg zu Sinn und Zweck des Elterngeldes vgl. BSG 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R, [...]RdNr. 32f).
Damit hat die Beklagte der Elterngeldberechnung zutreffend ein vorgeburtliches Einkommen von 15.796,09 EUR abzüglich Steuern
in Höhe von 3.222,25 EUR, Sozialabgaben in Höhe von 1.565,16 EUR und Werbungskostenpauschale zugrundegelegt. Ob - wie die
Beklagte annimmt - nur anteilig elf Zwölftel der Werbungskostenpauschale nach §
9a Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Buchstabe a
EStG (in der für die Jahr 2009 und 2010 gültigen Fassung) in Höhe von 843,37 EUR (920,00 EUR : 12 x 11) abzusetzen ist, da die
Klägerin die Einkünfte nicht in einem Jahr, sondern in elf Monaten erwirtschaftet hat, kann offen bleiben. Denn die Rechenweise
der Beklagten gereicht der Klägerin vorliegend nur zum Vorteil. Unter Ansatz des von der Beklagten angesetzten Betrages errechnen
sich höhere vorgeburtliche Einkünfte, nämlich insgesamt in Höhe von 10.165,31 EUR, d.h. monatlich durchschnittlich 847,11
EUR.
Da nachgeburtlich keine Einkünfte erzielt wurden, ist eine Differenzberechnung nicht vorzunehmen (§ 2 Abs. 3 BEEG). Aufgrund der Unterschreitung von 1.000,00 EUR ist der Prozentsatz von 67% gemäß § 2 Abs. 2 BEEG um je 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 EUR, d.h. für je 2,00 EUR des Differenzbetrages von 152,89 EUR (1.000,00 EUR - 847,11
EUR) um 0,1 Prozentpunkte, also um 7,6 Prozentpunkte zu erhöhen (76 x 0,1 = 7,6). Dies ergibt einen Anspruchsfaktor von 74,6%.
Hieraus errechnet sich ein monatlicher Zahlbetrag von 631,94 EUR (74,6% aus 847,11 EUR). Hiervon sind das bis 17.03.2011 zustehende
Mutterschaftsgeld sowie der Arbeitgeberzuschuss nach §
14 MuSchG in Abzug zu bringen, wobei in diesem Zusammenhang unerheblich ist, dass der Arbeitgeberzuschuss erst im April 2011 an die
Klägerin ausbezahlt wurde. Allein entscheidend für die Anrechnung ist, dass entsprechende Leistungen der Mutter "zustehen"
(vgl § 3 Abs. 1 BEEG). Insgesamt errechnen sich somit keine höheren Zahlbeträge als die in den angefochtenen Bescheiden ausgewiesenen Zahlungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.