Ende der Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner bei einer Wohnsitzverlegung nach Kroatien
Keine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs
Kein Eintritt der sog. Wohnsitzfiktion des Art. 24 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bei gleichzeitigem Bezug einer Rente
nach kroatischem Recht
Gründe
I.
Die Antragsgegnerinnen wenden sich gegen die Feststellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage der Klägerin im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes.
Die 1935 geborene Antragstellerin bezieht seit 1974 eine Rente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung (zunächst Erwerbsminderungsrente,
seit 01.10.2000 Altersrente). Zusätzlich bezieht sie eine Witwenrente der kroatischen Rentenversicherung. Zumindest seit 2015
hält sich die Antragstellerin dauerhaft in Kroatien auf. Es besteht Pflegegrad 3.
Nach Anhörung (Schreiben vom 09.04.2018) teilte die Antragsgegnerin zu 1) der Antragstellerin mit Bescheid vom 09.07.2018
mit, dass die Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner (KVdR und PVdR) zum 31.08.2018 beendet werde.
Die Antragstellerin beziehe eine deutsche und eine kroatische Rente und habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt seit 2015 ausschließlich
in Kroatien. Aus ihrer Stellungnahme gehe hervor, dass sie aus gesundheitlichen Gründen auf absehbare Zeit auch nicht nach
Deutschland kommen könne. Allein der Wunsch, ins Inland einzureisen, reiche nicht aus.
Am 16.07.2018 legte die Antragstellerin Widerspruch ein.
Am 31.08.2018 hat sie beim Sozialgericht Mannheim einstweiligen Rechtsschutz beantragt "zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung
zum Fortbestand der Versicherungsmitgliedschaft in der Kranken- und Pflegekasse". Die Antragstellerin habe sich bei einem
Besuch ihres Sohnes in Kroatien im Dezember 2015 den Oberschenkelhals gebrochen und daher nicht nach Deutschland zurückkehren
können. Im Mai 2017 habe sie sich erneut den Oberschenkelhals gebrochen. Ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert,
so dass sie weiterhin nicht transport- und reisefähig sei, obwohl sie lieber in Deutschland leben würde. Die Antragstellerin
halte sich gewissermaßen zwangsmäßig in Kroatien auf, ein Domizilwille bestehe nicht. Allein aufgrund ihrer geringen Witwenrente
in Kroatien (ca 30 Euro) wäre zwar eine Versicherung bei der kroatischen Krankenkasse möglich, die Antragstellerin verlöre
jedoch ihre Ansprüche aus der Pflegekasse. Dies bedeute gravierende Einschnitte in ihrer medizinischen Versorgung und Betreuung.
Das SG Mannheim hat das Verfahren mit Beschluss vom 17.09.2018 an das örtlich zuständige Sozialgericht Stuttgart (SG) verwiesen.
Die Antragsgegnerin zu 1) ist dem Antrag entgegengetreten. Aufschiebende Wirkung bestehe nach §
86a Abs
2 Nr
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) nicht. Versehentlich seien der Antragstellerin noch bis Oktober 2018 Pflegegeldzahlungen geleistet worden (monatlich 545
Euro). Von einer Rückforderung der versehentlichen Überzahlung für September und Oktober 2018 werde abgesehen. Anordnungsanspruch
und Anordnungsgrund lägen nicht vor. Die Antragstellerin könne in Kroatien Mitglied in einer Krankenversicherung werden und
sich entsprechend behandeln lassen. Zwar möge es zutreffend sein, dass es in Kroatien eine Pflegeversicherung nicht gebe,
hier gelte jedoch das Recht des Wohnmitgliedstaates der EU. Aus Sicht der Antragsgegnerin zu 1) hätten die Voraussetzungen
einer Mitgliedschaft schon weit vor dem 31.08.2018 nicht mehr vorgelegen. Nach der Leistungsübersicht sei davon auszugehen,
dass sich die Antragstellerin bereits seit 2008 ständig in Kroatien aufgehalten habe. Sie habe selbst unstreitig gestellt,
sich seit 2015 ständig in Kroatien aufgehalten zu haben. Damit könne nicht mehr von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland
ausgegangen werden.
Am 25.09.2018 wies die Antragsgegnerin zu 1) den Widerspruch - auch im Namen der Pflegekasse - zurück. Das Territorialitätsprinzip
nach §
30 Abs
1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) gelte für alle versicherungspflichtigen Rentenbezieher. Dies gelte nach der Rechtsprechung für die Personen, die nicht nur
eine Rente nach deutschem Recht, sondern nach dem Recht des regelmäßigen Wohnsitzes haben (unter Hinweis auf Bundessozialgericht
<BSG> 05.07.2005, B 1 KR 4/04 R). Ein in der KVdR Versicherter behalte dann seinen Versicherungsschutz nach deutschem Recht, wenn er ausschließlich eine
Rente von einem deutschen Rentenversicherungsträger erhalte. Durch den hier vorliegenden Bezug von Rente aus Kroatien werde
dort eine Versicherung begründet (unter Hinweis auf BSG 26.01.2005, B 12 P 4/02 R). Unerheblich sei, ob eine Person gewollt oder ungewollt nicht nach Deutschland zurückkönne.
Hiergegen richtet sich die am 31.10.2018 zum SG erhobene Klage (S 11 KR 5442/18).
Mit Beschluss vom 07.11.2018 hat das SG festgestellt, dass die Klage gegen den Bescheid vom 09.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2018 aufschiebende
Wirkung hat. Der Antrag sei sachdienlich als Antrag auf Feststellung des Eintritts der aufschiebenden Wirkung der Klage (S 11 KR 5442/18) auszulegen. Widerspruch und Anfechtungsklage hätten bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung (§
86a Abs
1 Satz 1
SGG). Der Bescheid habe nicht nur deklaratorische Wirkung. Zwar ergebe sich der Fortbestand des Versicherungsverhältnisses unabhängig
von verfahrensrechtlichen Vorschriften aus dem materiellen Recht. Bei der Feststellung des Wegfallens der Voraussetzungen
von §
3 Nr 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) handele es sich jedoch um eine Statusentscheidung im Sozialversicherungsrecht. Die Vorschrift enthalte keine des Selbstvollzugs
fähige Regelung, sondern bedürfe der Umsetzung durch Verwaltungsakt unter Anwendung des Rechts auf den Einzelfall. Der Wegfall
der Voraussetzungen des §
3 Nr 2
SGB IV sei auch nicht ohne Weiteres ersichtlich. So könne ein Pflichtversicherter in der KVdR, der ausschließlich eine Rente aus
der deutschen Rentenversicherung beziehe, aufgrund der Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts seinen Status entgegen
§
3 Nr 2
SGB IV beibehalten, auch wenn er seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat der EU verlege (BSG 05.07.2005, B 1 KR 4/04 R). Die aufschiebende Wirkung entfalle auch nicht nach §
86a Abs
2 Nr
1 SGG. Danach hätten Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie über die Anforderung
von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten keine aufschiebende
Wirkung. Zweck der Regelung sei die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Leistungsträger durch Sicherung des Finanzierungsbedarfs.
Die Vorschrift sei eng auszulegen. Eine Feststellung über die Versicherungspflicht habe die Antragsgegnerin gerade nicht getroffen,
sondern entschieden, dass die Versicherungspflicht ende und damit die Beitragspflicht der Antragstellerin entfalle. Die aufschiebende
Wirkung der Klage habe somit keinen Einfluss auf die Pflicht zur Beitragszahlung und könne die Funktionsfähigkeit der Krankenkasse
nicht gefährden.
Gegen den ihr am 08.11.2018 zugestellten Beschluss richtet sich die am 12.11.2018 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin.
Hier sei nur für zukünftige Zeiträume eine Mitgliedschaft für beendet erklärt worden. Die Antragsgegnerin habe zum einen aufgrund
ausdrücklicher Ermächtigung in §
28h SGB IV über die Frage der Versicherungspflicht entschieden. Zum anderen ergebe sich dies auch aus der Regelung des §
5 Abs
1 Nr
11 SGB V, dass ein Anspruch auf eine KVdR beginne oder ende, wenn die Voraussetzungen vorlägen oder wegfielen. Zu den Grundvoraussetzungen
gehöre auch die Prüfung des persönlichen und räumlichen Geltungsbereichs nach §
3 SGB IV. Die Krankenkasse habe die Befugnis, eine Mitgliedschaft in der KVdR auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Ein Bescheid
über die positive Feststellung einer KVdR sei gegenüber der Antragstellerin nie erlassen worden. Soweit die materiell-rechtlichen
Voraussetzungen für eine KVdR nicht (mehr) bestünden, sei eine Krankenkasse nicht gehindert, dies auch rückwirkend auszusprechen.
Vertrauensschutz gebe es mangels Vorliegen eines Bescheids dann grundsätzlich nicht. Vorliegend sei jedoch nur für künftige
Zeiträume eine Regelung getroffen worden. Aus den Entscheidungen des BSG vom 16.06.1999 (B 1 KR 5/98 R) und 05.07.2005 (B 1 KR 4/04 R) ergebe sich nur, dass bei Wegzug in ein anderes Land der EU die Mitgliedschaft in der KVdR nur bestehen bleibe, wenn ausschließlich
eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung bezogen werde. Dies sei bei der Antragstellerin jedoch nicht der Fall.
Die Antragstellerin verweist darauf, dass sie sich 2015 in Kroatien den Oberschenkelhals gebrochen habe. Wegen der Vorerkrankung
(Aneurysma im Gehirn) sei von einer Operation und einem Rücktransport nach Deutschland abgeraten worden. Falschangaben seien
damals nicht gemacht worden, es sei davon ausgegangen worden, dass die Antragstellerin nach ihrer Genesung wieder nach M.
(zu ihrem anderen Sohn) zurückkehren werde. Eine Aufhebung der Mitgliedschaft bedürfe einer konkreten Entscheidung im Einzelfall.
Die Voraussetzungen hierfür seien aus Sicht der Antragstellerin nicht gegeben. Die Antragsgegnerin habe auch die Pflegegeldzahlungen
an die Antragstellerin eingestellt. Für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens sei die Weiterversorgung der Antragstellerin
vorrangig. Zudem zahle die Antragstellerin weiterhin Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, wie sich aus dem Rentenbescheid
vom 12.12.2018 ergebe. Bereits daraus folge eine Leistungspflicht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin zu 1) Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen hat Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§
173 SGG) und auch ansonsten nach §
172 SGG statthafte Beschwerde ist zulässig, in der Sache auch begründet. Das SG hat zu Unrecht den Eintritt der aufschiebenden Wirkung der Klage festgestellt.
Das Passivrubrum war dahin zu berichtigen, dass nicht nur die Antragsgegnerin zu 1), sondern auch die Antragsgegnerin zu 2)
Beteiligte des Rechtsstreits ist (§
69 Nr 2
SGG). Denn die Antragstellerin hat sich von Anfang an gegen die Beendigung der Mitgliedschaft in der Kranken- sowie in der Pflegeversicherung
gewandt. Die Antragsgegnerin zu 1) hat zum Ausdruck gebracht, auch im Namen der Pflegekasse zu handeln (zur Zulässigkeit vgl
§ 46 Abs 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch <SGB XI>).
Der Sache nach hat die Antragstellerin die Feststellung des Fortbestands der Pflichtmitgliedschaft in der KVdR und PVdR im
Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt. Da die Mitgliedschaft in der KVdR (und PVdR) durch die Antragsgegnerinnen zu
keinem Zeitpunkt mittels Verwaltungsakt festgestellt worden war, hat die Antragstellerin keinen gesicherten Rechtsstatus,
der in der Hauptsache allein mit einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 09.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 25.09.2018 hätte gesichert werden können. Denn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der KVdR (und dem folgend der
PVdR - §
20 Abs
1 Satz 2 Nr
11 SGB XI) waren nach wie vor streitig. Der Antrag wäre daher richtigerweise als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach
§
86b Abs
2 SGG auszulegen gewesen (kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage). Da jedoch allein die Antragsgegnerin zu 1) Beschwerde
eingelegt hat, ist im Beschwerdeverfahren zunächst Streitgegenstand, ob die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage
zu Recht erfolgt ist, diese also kraft Gesetzes besteht. Darüber hinaus ist jedoch auch eine inhaltliche Entscheidung über
das hier eigentlich streitige Bestehen der Versicherungspflicht in der KVdR und PVdR zu treffen, damit nicht ein unerledigter
Prozessrest verbleibt. Im einstweiligen Rechtsschutz ist insoweit auch eine Zurückverweisung an das SG untunlich.
Nach §
86a Abs
1 Satz 1
SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten
sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung (Satz 2). Beachtet ein Sozialversicherungsträger die aufschiebende Wirkung von
Widerspruch und Anfechtungsklage nicht oder bestreitet er die aufschiebende Wirkung, hat das Gericht die aufschiebende Wirkung
durch Beschluss festzustellen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl, §
86b, Rn 15). Das Gericht prüft nur, ob aufschiebende Wirkung eingetreten ist; eine Interessenabwägung erfolgt nicht. Die aufschiebende
Wirkung entfällt nach §
86a Abs
2 Nr
1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und
sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.
Insoweit ist dem SG zunächst zuzustimmen, dass der Bescheid vom 09.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2018 nicht nur
deklaratorischen Charakter hat, sondern eine Regelung gegenüber der Antragstellerin darüber trifft, dass die Mitgliedschaft
in der KVdR und PVdR zum 31.08.2018 endet. Insoweit wird auf die überzeugenden Ausführungen des SG (Seite 4 und 5 oben des angefochtenen Beschlusses) Bezug genommen. Entgegen der Auffassung des SG greift jedoch die Ausnahmevorschrift des §
86a Abs
2 Nr
1 SGG. Zwar ist die Vorschrift wegen des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von aufschiebender Wirkung und sofortiger Vollziehung (dazu
BVerfG 10.10.2003, 1 BvR 2025/03, NVwZ 2004, 93) im Zweifel eng auszulegen (so Keller, aaO, §
86a Rn 12). Hier sind jedoch die Voraussetzungen von §
86a Abs
2 Nr
1 SGG schon nach dem Wortlaut eindeutig erfüllt. Die Antragsgegnerin zu 1) hat mit der Beendigung der Versicherungspflicht in der
KVdR und PVdR zum 31.08.2018 eine Entscheidung über die Versicherungspflicht getroffen. Dass mit der Beendigung der Mitgliedschaft
konsequenterweise keine Beiträge mehr gefordert werden können (auch wenn dies vorliegend vom Rentenversicherungsträger als
Zahlstelle wohl noch nicht umgesetzt worden ist), steht dem nicht entgegen. Auch im Hinblick auf Sinn und Zweck der Vorschrift
ist eine den Wortlaut einschränkende Auslegung nicht geboten, denn die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger wird
nicht nur durch die fehlende Zahlung geschuldeter Beiträge, sondern in gleicher Weise durch die Gewährung unberechtigter Leistungsansprüche
beeinträchtigt.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass nach allgemeiner Auffassung die Feststellung der Beendigung einer Familienversicherung
nicht von §
86a Abs
2 Nr
1 SGG erfasst ist, denn diese begründet zwar ein Versicherungsverhältnis mit eigenen Leistungsansprüchen des Versicherten, die
Feststellung von Versicherungs- oder Beitragspflichten ist hiermit jedoch weder im Hinblick auf den Stammversicherten noch
hinsichtlich des Familienversicherten verbunden (LSG Hessen 21.08.2008, L 1 KR 145/08 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen 07.04.2011, L 5 KR 107/11 B ER). § 86a Abs 2 Nr 1 greift auch nicht bei der Feststellung, dass die freiwillige Mitgliedschaft in der Krankenversicherung
beendet ist (§
191 SGB V), denn der Anwendungsbereich der Vorschrift bezieht sich nur auf die Feststellung der Versicherungspflicht, nicht aber auf
die Feststellung der freiwilligen Versicherung (LSG Rheinland-Pfalz 17.06.2005, L 5 ER 37/05 KR, Breith 2005, 893 zu § 191 Nr 3 aF; Krodel, NZS 2015, 244, 246).
In der Sache besteht nach vorläufiger Prüfung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes seit 01.09.2018 keine Versicherungspflicht
der Antragstellerin in der KVdR und PVdR. Der Bescheid vom 09.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2018
ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
Nach §
86b Abs
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des
Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen
Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
nötig erscheint (Satz 2). Soweit die Antragstellerin die Feststellung des Fortbestands der Mitgliedschaft in der KVdR und
PVdR begehrt, richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach §
86b Abs
2 Satz 2
SGG.
Dies verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen
gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit
der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs
2 Satz 4
SGG iVm §
920 Abs
2 der
Zivilprozessordnung). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der
Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242).
Die Antragstellerin gehört bei Anwendung allein der nationalen Regelungen nicht zum Kreis der Versicherten nach §
5 Abs
1 Nr
11 SGB V, §
20 Abs
1 Satz 1, Satz 2 Nr
11 SGB XI. Aufgrund des Wohnsitzes der Antragstellerin in Kroatien findet das deutsche Sozialversicherungsrecht nach §
3 Nr 2
SGB IV keine Anwendung. Denn nach dieser Vorschrift gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung,
soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben. Es steht schon nach den eigenen Angaben der Antragstellerin
fest, dass diese sich jedenfalls seit Dezember 2015 ununterbrochen in Kroatien aufhält. Damit hatte sie jedenfalls spätestens
im August 2018 sowohl Wohnsitz als auch gewöhnlichen Aufenthalt in Kroatien. Nach §
30 Abs
3 Satz 1
SGB I hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung
beibehalten und benutzen wird. Dabei sind die objektiven Verhältnisse entscheidend, die den Schluss auf den Willen zur Wohnsitzbegründung
zulassen müssen. Die polizeiliche Meldung allein reicht nicht aus (BSG 10.12.1985, 10 RKg 14/85, SozR 5870 § 2 Nr 44). Insoweit ist es ohne Bedeutung, ob die Antragstellerin noch in B. im O. gemeldet ist. Ob die Voraussetzungen des
§
30 Abs
3 Satz 1
SGB I vorliegen, ist im Wege der vorausschauenden Betrachtungsweise zu beurteilen. Denn die Rechtsprechung des BSG bezieht in die Beantwortung der Frage, wann diese Voraussetzungen vorliegen, auch ein prognostisches Element mit ein. Dies
gilt auch für die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthaltes, den jemand dort hat, wo er sich unter Umständen aufhält, die
erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§
30 Abs
3 Satz 2
SGB I). Die Bejahung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in Kroatien nach §
30 Abs
3 SGB I hängt daher auch von einer Prognose über die Dauer des Aufenthalts einer Person dort ab (vgl BSG 03.12.2009, B 10 EG 6/08 R, SozR 4-7833 §
1 Nr
10). Zwar enthält §
30 Abs
3 SGB I keine klare Grenzziehung, wann ein längerer Aufenthalt allein aufgrund seiner Dauer in einen gewöhnlichen Aufenthalt oder
Wohnsitz umschlägt. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin bis zur Beendigung der Mitgliedschaft durch
die Antragsgegnerinnen seit beinahe drei Jahren bei ihrem Sohn in Kroatien gelebt hatte. Aus gesundheitlichen Gründen ist
eine Rückkehr nach Deutschland für die Antragstellerin nicht möglich, wie sie selbst vorträgt. Dabei ist mit dem zweiten Oberschenkelhalsbruch
im Mai 2017 sogar noch eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands eingetreten. Aufgrund des Alters und der Krankheit
ist eine Rückkehr der Antragstellerin nach Deutschland schon seit längerem unwahrscheinlich. Selbst wenn weiterhin ein Rückkehrwille
bestehen sollte, wäre dieser, da nicht realisierbar, unbeachtlich (vgl LSG Schleswig-Holstein 08.11.2006, L 5 KR 142/04, juris Rn 27).
Auch aus den Regelungen des europäischen Gemeinschaftsrechts folgt kein Fortbestehen der Mitgliedschaft in der KVdR/PVdR bei
Wohnsitz bzw gewöhnlichem Aufenthalt in Kroatien. Würde die Antragstellerin allein eine Rente aus der deutschen gesetzlichen
Rentenversicherung beziehen, stünde dies dem Fortbestand der Versicherungspflicht in der KVdR und dem folgend der PVdR nicht
entgegen (dazu BSG 16.06.1999, B 1 KR 5/98 R und 05.07.2005, B 1 KR 4/04 R). Denn dann könnte sie nach Art 24 VO (EG) Nr 883/04 Sachleistungen beanspruchen nach dem Recht des Wohnortstaates für Rechnung
des deutschen Sozialleistungsträgers. Diese Vorschrift bestimmt, dass eine Person, die eine Rente oder Renten nach den Rechtsvorschriften
eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erhält und die keinen Anspruch auf Sachleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates
hat, dennoch Sachleistungen für sich selbst und ihre Familienangehörigen erhält, sofern nach den Rechtsvorschriften des für
die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaates oder zumindest eines der für die Zahlung ihrer Rente zuständigen Mitgliedstaaten
Anspruch auf Sachleistungen bestünde, wenn sie in diesem Mitgliedstaat wohnte. Die in Art 24 Abs 1 VO (EG) Nr 883/04 normierte
Wohnsitzfiktion gilt auch für das Beitragsrecht, denn weil der deutsche Sozialleistungsträger in diesem Fall für die Ausgaben
für Sachleistungen bei Krankheit aufkommen muss, dürfen ihm auch die Krankenversicherungsbeiträge zugewiesen werden (vgl BSG 05.07.2005, B 1 KR 4/04 R zur Vorgängervorschrift in VO <EG> Nr 1408/71). Leistungen bei Pflegebedürftigkeit gehören zu den Leistungen bei Krankheit
iSv Art 3 Abs 1 Buchst a VO (EG) Nr 883/04. Durch den Bezug der kroatischen Rente ist die Antragstellerin jedoch berechtigt
zur Inanspruchnahme von Sachleistungen durch den kroatischen Sozialleistungsträger (Art 23 VO <EG> Nr 883/04), so dass die
Voraussetzungen des Art 24 nicht vorliegen. Dies wird von der Antragstellerin auch nicht in Frage gestellt. Damit endet zwingend
die Mitgliedschaft in der KVdR und ihr folgend auch die Mitgliedschaft in der PVdR. Aus der Entscheidung des EuGH vom 30.06.2011
(C-388/09, SozR 4-6050 Art 15 Nr 2 - da Silva Martins) ergibt sich nichts anderes, denn diese betraf nur Ansprüche aus einer freiwilligen
Mitgliedschaft des dortigen Klägers in der Pflegeversicherung nach Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen EU-Mitgliedstaat.
Das Bestehen einer freiwilligen Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung nach §
26 Abs
2 SGB XI ist jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens (vgl dazu auch LSG Baden-Württemberg 23.03.2018, L 4 P 4340/16).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).