Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des klagenden Landwirts gegen die beklagte landwirtschaftliche Krankenkasse (§ 146 Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch <SGB V>) auf Erstattung der Kosten einer selbstbeschafften Betriebshilfe nach den Vorschriften des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) im Zeitraum vom 19.10.2020 bis 02.11.2020 in Höhe von insgesamt 3.195,51 €.
Der 1967 geborene Kläger betreibt als Einzelunternehmer ein landwirtschaftliches Anwesen, zu dem 14 ha Ackerland, 7 ha Grünland
und 1 ha Forst gehören. Vom 04.02.2019 bis zum 08.02.2019 befand sich der Kläger im Klinikum W in stationärer Behandlung,
anschließend war er noch bis zum 12.02.2019 arbeitsunfähig. Vom 09.02.2019 bis zum 12.02.2019 erhielt er von der Beklagten
eine Betriebshilfe. Damals bestand die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Diagnose M35.3 (Polymyalgia rheumatica). Am 11.03.2020
stellten die behandelnden Ärztinnen des Klägers fest, dass dieser aufgrund der Diagnosen M25.51 G R (Gelenkschmerz Schulterregion,
gesichert, rechts) und M75.5 V R (Bursitis im Schulterbereich, Verdacht, rechts) arbeitsunfähig ist. Als weitere, die Arbeitsunfähigkeit
begründende Diagnose kam später noch M75.1 G R (Läsionen der Rotatorenmanschette, gesichert, rechts) hinzu. Die Arbeitsunfähigkeit
bestand durchgehend bis zum 26.07.2020.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger auf dessen Antrag Betriebshilfe ab 11.03.2020, zunächst für längstens 4 Wochen. Aufgrund
mehrerer Verlängerungsanträge wurde die Betriebshilfe mehrere Male verlängert, letztmals mit Bescheid vom 25.05.2020. Darin
bewilligte die Beklagte eine Betriebshilfe bis zum 26.06.2020, sofern bis dahin Arbeitsunfähigkeit vorliege und ärztlich bescheinigt
werde. Die satzungsmäßige Höchstdauer sei damit ausgeschöpft. Eine Verlängerung der Leistungsgewährung über den 26.06.2020
hinaus sei daher nicht mehr möglich.
In der Zeit vom 27.06.2020 bis zum 12.07.2020 beschäftigte der Kläger zwar weiterhin eine Ersatzkraft, die er aber selbst
finanzierte. Die Beklagte gewährte dem Kläger während eines stationären Krankenhausaufenthaltes aufgrund einer Operation an
der Schulter vom 13.07.2020 bis 16.07.2020 eine Betriebshilfe.
Gegen den Bescheid vom 25.05.2020 legte der Kläger am 22.06.2020 Widerspruch ein und führte aus, er sei alleinstehend und
bewirtschafte den Betrieb alleine. Die Versorgung der Tiere, die Futterbergung und die Feldarbeit seien wegen seiner Krankheit
ohne Betriebshilfe gefährdet. Er bitte daher um Verlängerung für den Einsatz der Betriebshilfe. Mit Widerspruchsbescheid vom
15.07.2020 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25.05.2020 als
unbegründet zurück. Dem Kläger sei wegen rheumatischer Beschwerden/Gelenkschmerzen seit dem 09.02.2019 Betriebshilfe wie folgt
bewilligt worden:
09.02. -12.02.2019
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4 Tage
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11.03.- 07.04.2020
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28 Tage
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08.04. - 05.05.2020
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28 Tage
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06.05. - 02.06.2020
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28 Tage
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insgesamt
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88 Tage
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Bei der letztmaligen Beantragung der weiteren Verlängerung am 20.05.2020 hätten die restlichen 24 Tage bis zum Höchstanspruch
genehmigt werden können. Es habe sich damit eine Betriebshilfe bis zum 26.06.2020 ergeben, da die 112 Tage dann ausgeschöpft
gewesen seien. Die Zeiten der stationären Krankenhausbehandlung fänden hierbei keine Berücksichtigung. Eine weitere Leistungsgewährung
über den 26.06.2020 hinaus sei nicht mehr möglich.
Vom 17.07.2020 bis 16.10.2020 war eine aus Landesmitteln finanzierte Betriebshilfe für den Kläger tätig, der in dieser Zeit
weiterhin arbeitsunfähig war.
Am 19.10.2020 stellten die behandelnden Ärztinnen erneut Arbeitsunfähigkeit beim Kläger fest. Als die Arbeitsunfähigkeit begründende
Diagnosen gaben sie M54.5 G R (Kreuzschmerz, gesichert, rechts), M47.25 G (Sonstige Spondylose mit Radikulopathie Thorakolumbalbereich,
gesichert), M21.07 G B (Valgusdeformität, anderenorts nicht klassifiziert Knöchel und Fuß, gesichert, beidseitig) und M35.3
G (Polymyalgia rheumatica) an. Der Kläger beantragte noch am selben Tag die erneute Gewährung einer Betriebshilfe. Diesen
Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.10.2020 ab. Zur Begründung führte sie aus, sie habe dem Kläger bereits vom
11.03.2020 bis 16.07.2020 eine Betriebshilfe aufgrund von Arbeitsunfähigkeit gewährt. Zudem sei direkt im Anschluss bis 16.10.2020
eine aus Landesmitteln finanzierte Ersatzkraft für den Kläger im Betrieb tätig gewesen. Der Kläger sei bereits seit 11.03.2020
durchgehend arbeitsunfähig. Daher liege kein vorübergehender Ausfall im Betrieb des Klägers mehr vor. Die Betriebshilfe sei
keine auf Dauer angelegte Leistung.
Gegen den Bescheid vom 29.10.2020 legte der Kläger am 30.11.2020 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen
vortrug, er sei ab dem 17.10.2020 wieder arbeitsfähig gewesen. Während seiner Tätigkeiten im Betrieb am 19.10.2020 habe er
starke Rückenschmerzen gehabt, weswegen er die Arbeiten habe beenden müssen und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden
sei. Er sei alleinstehender Landwirt und könne seinen Betrieb ohne Betriebshilfe nicht bewirtschaften. Auf Nachfrage der Beklagte
teilte der Kläger am 18.01.2021 mit, während der Arbeitsunfähigkeit vom 19.10. bis 02.11.2020 sei eine Ersatzkraft im Einsatz
gewesen, für die ihm Kosten entstanden seien. Er fügte eine Rechnung des M eV über den Einsatz eines Betriebshelfers für die
Zeit vom 19.10. bis 02.11.2020 über 3.195,51 € bei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2021
als unbegründet zurück. Sie führte aus, der Kläger sei seit 11.03.2020 durchgehend arbeitsunfähig, so dass kein neuer Ausfall
im Betrieb des Klägers vorliege. Die Höchstanspruchsdauer für die Gewährung von Betriebshilfe sei erschöpft. Schließlich diene
die Betriebshilfe lediglich dazu, zeitlich begrenzt eine Notlage zu überbrücken. Betriebshilfe sei keine Dauerleistung.
Am 23.02.2021 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, zwar habe beim ihm seit 11.03.2020 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen, dennoch sei sein Ausfall
als nur vorübergehend zu bewerten. Die Gewährung der Betriebshilfe sei erforderlich. Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen vernommen. Die Hausärztin des Klägers und G hat unter dem
06.09.2021 mitgeteilt, beim Kläger hätten seit März 2020 unter anderem eine unvollständige Ruptur der Supraspinatussehne rechts,
ein Impingementsyndrom der Schulter rechts, ein Knick-Senk-Spreizfuß beidseits, eine Polymyalgia rheumatica, ein degeneratives
BWS-LWS-Syndrom, ein Zustand nach Bandscheibenvorfall L5/S1 mit Operation im Juli 2017 sowie eine Osteoporose L5/S1 vorgelegen.
Der Kläger sei durchgehend seit 11.03.2020 arbeitsunfähig gewesen. Der K hat am 28.09.2021 mitgeteilt, der Kläger leide unter
einem Defekt der Supraspinatussehne an der rechten Schulter und habe sich zuletzt am 03.04.2020 vorgestellt. Das SG hat mit den Beteiligten am 04.02.2022 einen Erörterungstermin durchgeführt; auf das hierüber gefertigte Protokoll wird verwiesen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, seit 11.03.2020 habe der Kläger lediglich an dem Wochenende
17.10./18.10.2020 versucht, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe den Regelfall dargestellt.
Es bestünden gewichtige Indizien dafür, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 19.10.2020 auf Krankheiten beruhe,
welche bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestanden hätten. Der Kläger sei seit Frühjahr 2020 durchgehend
arbeitsunfähig gewesen, weswegen keine Überbrückung einer ersten Notsituation mehr erforderlich sei.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.02.2022 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29.10.2020 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 27.01.2021 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen
Anspruch auf Kostenerstattung für den Einsatz des Betriebshelfers in Höhe von insgesamt 3.195,51 € im Zeitraum vom 19.10.2020
bis 02.11.2020. Vorliegend komme nur ein Kostenerstattungsanspruch nach §
13 Abs
3 Satz 1 Fall 1 und 2
SGB V in Betracht. Das in §
122 der Satzung der Beklagten vorgesehene Kostenerstattungsverfahren habe der Kläger nicht gewählt. Es sei daher auf die allgemeine
Vorschrift des §
13 Abs
3 SGB V zurückzugreifen. Nach dieser Vorschrift hätten Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte
Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können (Fall 1) oder sie eine
Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden seien
(Fall 2). Ein Anspruch nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V setze in beiden Regelungsvarianten einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch
des Versicherten gegen seine Krankenkasse und gehe in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch. Der Kostenerstattungsanspruch
setze daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehöre, welche die Krankenkassen allgemein in
Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hätten (Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG> 24.09.1996, 1 RK 33/95, BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Der Anspruch sei demgemäß nur gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs
rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft habe, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang
zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung bestehe, die selbst beschaffte Leistung notwendig sei und die Selbstbeschaffung
eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst habe (Hinweis auf BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, Breithaupt 2010, 914 mwN). Dies sei hier nicht der Fall, denn der Kläger habe gegen die Beklagte in dem hier streitigen
Zeitraum zwischen dem 19.10.2020 und 02.11.2020 keinen Anspruch auf Gewährung von Betriebshilfe gehabt. Nach § 9 Abs 1 KVLG 1989 (idF des Gesetzes vom 20.11.2019) erhielten versicherungspflichtige landwirtschaftliche Unternehmer - wie der Kläger - anstelle
von Krankengeld Betriebshilfe nach Maßgabe der folgenden Absätze. Betriebshilfe werde nach § 9 Abs 2 KVLG während der Krankenhausbehandlung des landwirtschaftlichen Unternehmers oder während einer medizinischen Vorsorge- oder Rehabilitationsleistung
nach §
23 Abs 2 oder 4, §
24, §
40 Abs
1 oder 2 oder §
41 SGB V gewährt, wenn in dem Unternehmen keine Arbeitnehmer und keine versicherungspflichtigen mitarbeitenden Familienangehörigen
ständig beschäftigt würden. Betriebshilfe werde für längstens drei Monate gewährt, soweit die Satzung nicht längere Zeiten
vorsehe. Die Satzung könne bestimmen, dass Betriebshilfe während einer Krankheit auch gewährt werde, wenn die Bewirtschaftung
des Unternehmens gefährdet sei (§ 9 Abs 3 KVLG). Nach § 9 Abs 4 KVLG könne die Satzung die Betriebshilfe erstrecken auf den Ehegatten oder den Lebenspartner des versicherten landwirtschaftlichen
Unternehmers (1.), die versicherten mitarbeitenden Familienangehörigen (2.), Unternehmen, in denen Arbeitnehmer oder versicherungspflichtige
mitarbeitende Familienangehörige ständig beschäftigt würden (3.). Nach § 111 der Satzung der Beklagten gewähre diese während
der Krankenhausbehandlung oder der stationären Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung dem versicherten landwirtschaftlichen
Unternehmer als Mehrleistung Betriebshilfe über die Dauer von 13 Wochen hinaus, wenn besondere Verhältnisse im Unternehmen
dies erforderten. Nach § 112 der Satzung gewähre die Krankenkasse dem versicherten landwirtschaftlichen Unternehmer Betriebshilfe
längstens für die Dauer von vier Wochen, sofern (1.) die Krankheit ärztlich bescheinigt, (2.) durch die Krankheit die Bewirtschaftung
des Unternehmens gefährdet und (3.) keine stationäre Behandlung durchgeführt werde. Dauere die ärztlich bescheinigte Krankheit
länger an, so sei Betriebshilfe bis zu weiteren vier Wochen zu erbringen, solange besondere Verhältnisse im Unternehmen dies
erforderten. Darüber hinaus könne eine Verlängerung nur erfolgen, wenn und solange außergewöhnliche Erschwernisse vorlägen
(§ 112 Abs 2 der Satzung). Liege bei wiederholter Erkrankung dieselbe Krankheitsursache zugrunde, werde Betriebshilfe für
längstens 16 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tage des ersten Einsatzes an, bewilligt. Von dieser Beschränkung
könne nur bei Vorliegen besonderer Härten abgewichen werden. Der Anspruch erneuere sich jeweils mit Beginn eines neuen Drei-Jahres-Zeitraums
(§ 112 Abs 3 der Satzung).
Vorliegend bestehe für die hier streitige Zeit vom 19.10.2020 bis 02.11.2020 kein Anspruch des Klägers auf Betriebshilfe mehr.
Maßgebend sei § 112 Abs 3 der Satzung der Beklagten. Die Höchstanspruchsdauer für die Gewährung von Betriebshilfe sei erschöpft.
Entgegen der klägerischen Auffassung liege ab 19.10.2020 kein neuer Versicherungsfall zugrunde. Vielmehr liege der Arbeitsunfähigkeit
des Klägers ab 19.10.2020 dieselbe Krankheitsursache zugrunde. Dies entnehme das SG der Aussage der sachverständigen Zeugin G. Diese habe zum einen bestätigt, dass der Kläger durchgehend seit 11.03.2020 arbeitsunfähig
gewesen sei. Zum anderen habe die Zeugin G für das Gericht nachvollziehbar ausgesagt, beim Kläger hätten schon seit März 2020
unter anderem eine unvollständige Ruptur der Supraspinatussehne rechts, ein Impingementsyndrom der Schulter rechts, ein Knick-Senk-Spreizfuß
beidseits, eine Polymyalgia rheumatica, ein degeneratives BWS-LWS-Syndrom, ein Zustand nach Bandscheibenvorfall L5/S1 mit
Operation im Juli 2017 sowie eine Osteoporose L5/S1 vorgelegen. Dies ergebe sich auch aus dem von G beigefügten Karteikartenauszug.
Damit wären maßgeblich für die Arbeitsunfähigkeit des Klägers durchgehend seine orthopädischen Beeinträchtigungen. Folglich
sei nach § 112 Abs 3 der Satzung der Beklagten die Höchstanspruchsdauer für die Gewährung von Betriebshilfe erschöpft, so
dass im streitgegenständlichen Zeitraum kein weiterer Anspruch mehr bestanden habe. Das so gefundene Ergebnis stehe im Einklang
mit dem Sinn und Zweck der besonderen Leistung der Betriebshilfe, nämlich dem arbeitsunfähig gewordenen Unternehmer nur in
der ersten Not bei der Aufrechterhaltung des Betriebes zu helfen (Hinweis auf BSG 26.06.2001, B 2 U 23/00R).
Am 07.03.2022 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er lässt vortragen, das
SG sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass ab 19.10.2020 kein neuer Versicherungsfall vorliege, sondern der Arbeitsunfähigkeit
ab diesem Zeitpunkt die vorhergehende Krankheitsursache zugrunde liege. Dies sei unzutreffend. Nach Arbeitsunfähigkeit aufgrund
der von G festgestellten Beschwerden habe der Kläger am 19.10.2020 einen Hexenschuss erlitten, der von der G, auch diagnostiziert
worden sei und aufgrund dessen der Kläger am 19.10.2020 krankgeschrieben worden sei. Zur Problematik Hexenschuss als neue
Erkrankung, die von den vorangegangenen unabhängig sei, sei die Zeugin nicht angehört worden, könne dies jedoch bestätigen.
Aufgrund der Neuerkrankung sei deshalb erneut Betriebshilfe in der beantragten Höhe zu bewilligen. Der Kläger beruft sich
als Beleg für seine Angaben auf die beigefügte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der G vom 19.10.2020.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 08.02.2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.10.2020 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 3.195,51 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 08.02.2022 zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend und verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid sowie im Klageverfahren.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster
und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß §
124 Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ohne mündliche Verhandlung. Die Beteiligten haben sich mit dieser Verfahrensweise eiverstanden erklärt.
Die Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist gemäß den §§
143,
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG statthaft und wurde vom Kläger form- und fristgerecht eingelegt. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist ein Anspruch
des Klägers auf Erstattung von Kosten in Höhe von 3.195,51 € für eine von ihm selbst beschaffte Betriebshilfe. Diesen Anspruch
hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 29.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2021 (§
95 SGG) abgelehnt. Der Kläger hatte die Betriebshilfe zunächst als Sachleistung beantragt, aber während des Widerspruchsverfahrens
eine Kostenerstattung geltend gemacht, da er sich die benötigte Betriebshilfe auf eigene Kosten beschafft hatte. Deshalb geht
es für die Zeit vom 19.10.2020 bis zum Zugang des Ablehnungsbescheids vom 29.10.2020 um Kostenerstattung nach § 8 Abs 1 KVLG 1989 iVm §
13 Abs
3 SGB V wegen Selbstbeschaffung der beantragten Betriebshilfe als unaufschiebbare Leistung und für die gesamte Folgezeit um Kostenerstattung
wegen Selbstbeschaffung nach rechtswidriger Ablehnung der Betriebshilfe als Sachleistung der Krankenversicherung der Landwirte
(§§ 9 und 11 Satz 1 KVLG 1989 iVm §
2 Abs
2 Satz 1
SGB V; vgl BSG 18.02.2016, B 3 KR 15/15 R, SozR 4-5420 § 9 Nr 3 = SozR 4-5420 § 2 Nr 4, Rn 10). Zulässige Klageart ist die mit der Anfechtungsklage verbundene Leistungsklage (§
54 Abs
1 und Abs
4 SGG).
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 29.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2021 ist rechtmäßig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine selbstbeschaffte Betriebshilfe
in Höhe von 3.195,51 € für die Zeit vom 19.10. bis zum 02.11.2020. Dies hat das SG mit zutreffender Begründung entschieden.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist im vorliegenden Fall § 8 Abs 1 KVLG 1989 iVm §
13 Abs
3 SGB V. § 8 Abs 1 KVLG 1989 ordnet an, dass für Leistungen der landwirtschaftlichen Krankenkasse nach dem KVLG 1989 das 3. Kapitel des
SGB V, dh die §§
11 bis
68 SGB V, gilt, soweit im KVLG 1989 nichts Abweichendes bestimmt ist. Damit ist die allgemeine krankenversicherungsrechtliche Kostenerstattungsregelung nach
§
13 Abs
3 SGB V auch in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung anwendbar. Diese allgemeine Regelung steht neben der speziellen Kostenerstattung
nach § 11 Satz 2 KVLG 1989 (BSG 18.02.2016, B 3 KR 15/15 R, SozR 4-5420 § 9 Nr 3 = SozR 4-5420 §
2 Nr
4, Rn 15). Ein Anspruch nach §
13 Abs
3 Satz 1
SGB V setzt in beiden Regelungsalternativen (Betriebshilfe als unaufschiebbare Leistung und Kostenerstattung wegen Selbstbeschaffung
nach rechtswidriger Ablehnung der Betriebshilfe) einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder
Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse.
Nach § 9 Abs 1 KVLG 1989 erhalten landwirtschaftliche Unternehmer, sofern sie nach § 2 KVLG 1989 versicherungspflichtig sind, an Stelle von Krankengeld oder Mutterschaftsgeld Betriebshilfe, und zwar unter den in Absatz
2 bis 4 normierten weiteren Voraussetzungen; dabei wird die Betriebshilfe gemäß § 11 Satz 1 KVLG 1989 in der Regel als Sachleistung in Form der Gestellung einer Ersatzkraft erbracht. Betriebshilfe wird während der Krankenhausbehandlung
des landwirtschaftlichen Unternehmers oder während einer medizinischen Vorsorge- oder Rehabilitationsleistung (§
23 Abs
2 oder 4, §
24, §
40 Abs
1 oder 2, §
41 SGB V) gewährt, wenn in dem Unternehmen keine Arbeitnehmer und keine versicherungspflichtigen mitarbeitenden Familienangehörigen
ständig beschäftigt werden (§ 9 Abs 2 Satz 1 KVLG 1989). Die Beklagte kann in ihrer Satzung bestimmen, dass die Betriebshilfe über die gesetzliche Höchstdauer von drei Monaten
hinaus gewährt werden wird (§ 9 Abs 2 Satz 2 KVLG 1989). Außerdem kann durch Satzungsregelung der Anspruch auf Betriebshilfe generell auf Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit
ausgeweitet werden, wenn die Bewirtschaftung des Unternehmens gefährdet ist (§ 9 Abs 3 KVLG 1989).
Nach § 112 Abs 1 ihrer Satzung in der hier maßgeblichen Fassung des 27. Nachtrages vom 15.11.2019 erbringt die Beklagte als
landwirtschaftliche Krankenkasse während der Krankheit dem versicherten landwirtschaftlichen Unternehmer Betriebshilfe längstens
bis zu vier Wochen, sofern
1. die Krankheit ärztlich bescheinigt,
2. durch die Krankheit die Bewirtschaftung des Unternehmens gefährdet und
3. keine stationäre Behandlung durchgeführt wird.
Dauert die Krankheit länger an, so ist Betriebshilfe bis zu weiteren vier Wochen zu erbringen, solange besondere Verhältnisse
im Unternehmen dies erfordern. Darüber hinaus kann eine Verlängerung nur erfolgen, wenn und solange außergewöhnliche Erschwernisse
vorliegen (§ 112 Abs 2 der Satzung). Liegt bei wiederholter Erkrankung dieselbe Krankheitsursache zugrunde, wird Betriebshilfe
für längstens 16 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des ersten Einsatzes an, bewilligt. Der Anspruch
erneuert sich jeweils mit Beginn eines neuen Drei-Jahres-Zeitraumes (§ 112 Abs 3 der Satzung).
Nach Maßgabe dieser Bestimmungen und Vorgaben hatte der Kläger für die Zeit vom 19.10. bis 02.11.2020 keinen Anspruch mehr
auf eine Betriebshilfe. Der Kläger hatte zuvor bereits innerhalb von drei Jahren, beginnend mit dem 09.02.2019 für 16 Wochen
wegen einer Erkrankung, der dieselbe Krankheitsursache zugrunde lag, Betriebshilfe erhalten, so dass der Anspruch auf Betriebshilfe
ab dem 19.10.2020 erschöpft war.
Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "dieselbe Krankheitsursache" in der Satzung der Beklagten kann die Rechtsprechung
des BSG zum Begriff "dieselbe Krankheit" in §
48 SGB V herangezogen werden. In beiden Fällen wird damit eine Begrenzung der Leistungsdauer (des Krankengeldes im
SGB V und der Betriebshilfe im KVLG 1989 bzw der Satzung der Beklagten) bezweckt. Bei im Zeitablauf nacheinander auftretenden Erkrankungen liegt einer Erkrankung
dieselbe Krankheitsursache zugrunde, wenn der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bildet,
auf ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden zurückzuführen ist (vgl dazu und zum Folgenden zB BSG 21.06.2011, B 1 KR 15/10 R, SozR 4-2500 § 48 Nr 4; BSGE 83, 7). Dies kann zB bei wiederholt in unterschiedlicher Ausprägung auftretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Fall sein.
Hierbei ist eine stark verfeinernde, eng fachmedizinisch-diagnostische Sichtweise zu vermeiden, die die Gefahr begründet,
dass dem Merkmal "dieselbe Krankheitsursache" letztlich gar keine eigenständige rechtliche Bedeutung mehr zukommt, obwohl
die Satzung damit gerade eine Einengung des zeitlichen Umfangs der Betriebshilfe bezweckt. Gleiches gilt bei Landwirten, bei
denen wegen des Nebeneinanders verschiedener gravierender akuter oder chronischer Leiden von Anfang an eine Multi- oder Polymorbidität
bzw Polypathie besteht. In Bezug auf die Anspruchsdauer der Betriebshilfe ist ein Landwirt, der von vornherein an mehreren
Krankheiten leidet und der deshalb arbeitsunfähig ist, nicht anders zu behandeln als derjenige, bei dem "nur" ein einziges
Leiden die Arbeitsunfähigkeit auslöst.
Der Kläger litt ab dem 09.02.2019 nacheinander an folgenden Krankheiten:
Zeitraum
|
Diagnosen
|
Anzahl der Tage
|
09.02. - 12.02.2019
|
M35.3
|
4
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11.03. - 03.04.2020
|
M25.51 G R, M75.5 V R
|
24
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04.04. - 26.06.2020
|
M25.51 G R, M75.5 V R, M75.1 G R
|
84
|
Gesamt
|
|
112
|
Für diese 112 Tage (= 16 Wochen) erhielt er von der Beklagten Betriebshilfe. Damit war die nach der Satzung maßgebende Höchstbezugsdauer
von 16 Wochen gemäß § 112 Abs 3 der Satzung der Beklagten erreicht. Am 19.10.2020 stellten die behandelnden Ärztinnen erneut
Arbeitsunfähigkeit beim Kläger fest. Als die Arbeitsunfähigkeit begründenden Diagnosen gaben sie M54.5 G R (Kreuzschmerz,
gesichert, rechts), M47.25 G (Sonstige Spondylose mit Radikulopathie Thorakolumbalbereich, gesichert), M21.07 G B (Valgusdeformität,
anderenorts nicht klassifiziert Knöchel und Fuß, gesichert, beidseitig) und M35.3 G (Polymyalgia rheumatica) an. Die ab dem
19.10.2020 bestehende Arbeitsunfähigkeit geht somit auf eine Erkrankung zurück, die auf derselben Krankheitsursache beruht.
Dies zeigt anschaulich die Diagnose M35.3 G (Polymyalgia rheumatica), die ua sowohl zur Begründung der Arbeitsunfähigkeit
im Februar 2019 als auch im Oktober 2020 angegeben wurde. Typische Symptome dieser Krankheit sind Schmerzen vor allem im Schulter-
und/oder Beckengürtelbereich. Die Hausärztin des Klägers G hat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG zudem ausgeführt, dass beim Kläger seit dem 11.03.2020 durchgehend eine (leichte) Bewegungseinschränkung der Schulter vorgelegen
habe. Dass im Oktober 2020 noch Rückenbeschwerden hinzugekommen sind, ändert nichts daran, dass Grund für die Gewährung der
Betriebshilfe für die Dauer von 112 Tagen (auch) die Schulterbeschwerden des Klägers waren. Ob der "Hexenschuss" als neue
Erkrankung zu werten ist, die von den vorangegangenen unabhängig ist, wie der Kläger mit der Berufung vorgetragen hat, ist
unerheblich. Der Senat ist angesichts der langen Dauer der seit März 2020 bestehenden Arbeitsunfähigkeit wegen der Schulterbeschwerden
und der Tatsache, dass die Diagnose M35.3 bereits im Februar 2019 eine Arbeitsunfähigkeit verursacht hat, davon überzeugt,
dass schon die Schulterbeschwerden allein ab dem 19.10.2020 Arbeitsunfähigkeit begründet haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Grund hierfür (§
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG) nicht vorliegt.