Tatbestand
Im Streit ist die sachlich-rechnerische Richtigstellung des Honorars des Klägers für das Quartal 2/2014 aufgrund einer zeitbezogenen
Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger war im streitigen Quartal als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz
in K zugelassen.
Mit Schreiben vom 31.07.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass im Rahmen einer Überprüfung von Abrechnungen auf zeitliche
Plausibilität seine Abrechnung auffällig gewesen sei. Es sei in den Quartalen 1/2009 bis 4/2009 und 2/2010 bis 4/2010 sowohl
die Quartalzeit als auch die tägliche Arbeitszeit überschritten worden. Des Weiteren sei festgestellt worden, dass die Kombination
der Gebührenordnungsposition (GOP) 21231 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM; Kontinuierliche Mitbetreuung in beschützenden Einrichtungen oder Heimen)
in Verbindung mit der GOP 21216 EBM (Fremderhebung der Krankheitsvorgeschichte, Anleitung von Bezugspersonen) nahezu routinemäßig beim ersten Besuch/Mitbesuch
abgerechnet worden sei. Hierzu nahm der Kläger mit Schreiben vom 10.10.2013 dahingehend Stellung, dass er, weil er eine hohe
Zahl an psychiatrischen, gerontopsychiatrischen sowie auch - anders als die Fachgruppe - forensisch-psychiatrische Patienten
versorge, gegenüber der Fachgruppe eine höhere Fallzahl habe. Der stetige Fallzahlanstieg beruhe auf einer stärkeren Nachfrage
psychiatrischer Versorgung, insbesondere auch in Heimen. Die hohe Zahl von Heimpatienten sei auch ursächlich für die Überschreitungen
der Tagesarbeitszeit, sodass die GOPen 21231 und 21216 EBM häufiger als bei der Fachgruppe zur Abrechnung kämen. Auf dieses
Vorbringen entgegnete die Beklagte, dass ein routinemäßiger Ansatz der GOP 21231 EBM in Verbindung mit der GOP 21216 EBM nicht nachvollzogen werden könne. Sie bat unter Beifügung einer Patientenliste um Angabe der Bezugsperson, mit
der jeweils gesprochen worden sei. Der Kläger erläuterte hierauf mit Schreiben vom 03.03.2014 das Krankheitsbild zweier Patienten
und teilte unter Benennung von Pflegern und Pflegedienstleitern mit, dass er bei den Visiten die Patienten teils in Begleitung
des Pflegepersonals aufsuche, wobei er sich vor der Visite von Seiten des Pflegepersonals zur Anamnese informiert habe. Im
Allgemeinen seien die Schwestern oder Pfleger auf der Station seine Gesprächspartner, in einigen Heimen werde die Visite auch
von der Pflegedienstleitung begleitet. Die Beklagte beendete den Vorgang mit Schreiben vom 23.04.2014, in dem sie den Kläger
abschließend darauf hinwies, es sei festgestellt worden, dass die GOP 21231 EBM in Verbindung mit der GOP 21216 EBM nahezu routinemäßig beim ersten Besuch abgerechnet worden sei und dies mit einer Überschreitung bis über 477 %
über der Prüfgruppe. Die angesprochenen zeitlichen und statistischen Auffälligkeiten seien unter Berücksichtigung der Stellungnahmen
des Klägers durch den Plausibilitätsausschuss erörtert und beurteilt worden. Dieser weise nachdrücklich darauf hin, dass die
Abrechnung der GOP 21216 EBM voraussetze, dass der Patient wegen schwerer psychischer Erkrankung in seiner Kommunikationsfähigkeit gestört sei.
Unter dem zweiten Leistungsteil "Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen" seien nicht die normalen und sich ggf. regelmäßig
wiederholenden Gespräche mit Pflegepersonen gemeint. Es müsse sich insoweit immer um eine ausführliche Anleitung einer Bezugsperson
im Zusammenhang mit der Behandlung eines schwer psychisch erkrankten Patienten handeln. Derzeit werde hinsichtlich der GOP 21216 EBM keine Berichtigung durchgeführt. Bei den zukünftigen Abrechnungen werde aber darauf geachtet, ob die Einhaltung
der betreffenden Richtlinien vom Kläger streng berücksichtigt werde.
In dem für das Quartal 2/2014 ergangenen Honorarbescheid vom 15.10.2014 wurden dem Kläger u.a. die GOP 21231 EBM, die GOP 21216 EBM (in 592 Fällen) und die GOP 21220 EBM (Psychiatrisches Gespräch, Psychiatrische Behandlung, Beratung, Erörterung und/oder Abklärung; in 48 Fällen neben
der GOP 21216 EBM) vergütet.
Mit Bescheid vom 21.04.2016 berichtigte die Beklagte den gegenüber dem Kläger für das Quartal 2/2014 erlassenen Honorarbescheid
vom 15.10.2014. Zur Begründung führte sie aus, in der Abrechnung sei die Quartalszeit von 780 Stunden überschritten worden
und habe bei 820 Stunden gelegen. Die GOP 21216 EBM sei mit 331 %, die GOP 21231 EBM mit 994 % Überschreitung gegenüber der Prüfgruppe statistisch auffällig gewesen. Besonders auffällig sei in diesem
Zusammenhang die häufige, nahezu routinemäßige Kombination der Fremdanamnese mit der Zusatzpauschale kontinuierliche Mitbetreuung
eines Patienten im Pflege- oder Altersheim, die fast ausschließlich am ersten Behandlungstag neben der Versichertenpauschale
und dem Besuch bei insgesamt 457 Patienten abgerechnet worden sei. Auch wenn der Schwerpunkt der Praxis bei der Heimbetreuung
liege, sei der Leistungsinhalt der Fremdanamnese dahingehend zu sehen, dass der Patient wegen schwerer psychischer Erkrankung
in seiner Kommunikationsfähigkeit gestört sei. Anamnesen, Anleitungen o.ä., die durch Verständigungsschwierigkeiten mit Ausländern
gestört seien oder deshalb mit Bezugspersonen erfolgten, weil der Patient noch nicht, noch nicht ausreichend oder nicht bzw.
nicht mehr ausreichend sprechen könne, rechtfertigten nicht den Ansatz der GOP 21216 EBM. Mit der Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen seien nicht die normalen und sich ggf. regelmäßig wiederholenden
Gespräche mit Pflegepersonen gemeint. Es müsse sich immer um eine ausführliche Anleitung einer Bezugsperson im Zusammenhang
mit der Behandlung eines schwer psychisch erkrankten Patienten handeln. Unter Berücksichtigung dessen sei der Plausibilitätsausschuss
zu der Überzeugung gelangt, dass der Leistungsinhalt der GOP 21216 EBM nicht immer erfüllt und daher nicht gerechtfertigt sein könne. Dadurch entfalle die Garantiefunktion der Sammelerklärung.
Der Honorarbescheid für das Quartal 2/2014 sei aufzuheben. Die Honoraransprüche seien neu festzusetzen. Im Rahmen des Schätzungsermessens
habe der Plausibilitätsausschuss die Berichtigung der GOP 21216 EBM auf den Prüfgruppendurchschnitt beschlossen, sodass sich eine Berichtigungssumme von 6.809,60 € (Kürzung von 448
Fällen à 15,20 €) ergebe, die dem Honorarkonto des Klägers im Quartal 1/2016 belastet werde.
Hiergegen legte der Kläger am 17.05.2016 Widerspruch ein.
Auf Nachfrage des Klägerbevollmächtigten teilte die Beklagte mit Schreiben vom 26.10.2016 mit, dass der Kläger der Prüfgruppe
3810 (Nervenärzte, neurol./psychiatr.) zugeordnet sei, in der es 248 Praxen gebe.
Unter Bezugnahme hierauf trug der Kläger zur Begründung seines Widerspruchs vor, die Auffälligkeiten hinsichtlich der Quartalszeit
und der Abrechnungsziffern gründeten in den Besonderheiten seiner Praxis. Er habe eine vergleichsweise sehr hohe Zahl an psychiatrischen,
gerontopsychiatrischen sowie forensisch-psychiatrischen Patienten zu versorgen. Der hohe Anfall der sog. Heimbetreuungsziffer
(GOP 21231 EBM) beweise dies. Die vergleichsweise sehr hohe Zahl von Patienten in stationären Einrichtungen, dazu noch mit geschlossenen
Abteilungen, gehe einher mit einem gesteigerten zeitlichen Betreuungsaufwand. Dies schlage sich auch in einem vergleichsweise
hohen Anfall der GOP 21216 EBM nieder. Bei den von ihm in 14 Heimen betreuten schwer psychisch erkrankten Patienten sei die Erhebung der Fremdanamnese
der Regelfall. Es handele sich um Alzheimer-Patienten und eine hohe Zahl von psychisch erkrankten Bewohnern mit nicht selten
schwierigem, teilweise aggressivem Verhalten. Die betreuten Patienten seien regelmäßig in ihrer Kommunikationsfähigkeit gestört.
Die Gespräche mit dem Pflegepersonal stellten in aller Regel nicht ein routinemäßiges Abfragen des aktuellen Zustands dar,
sondern erforderten im Regelfall Anweisungen und Unterweisungen des Pflegepersonals. Häufig seien auch Anweisungen in Bezug
auf die Änderung oder Anpassung der Medikation erforderlich. Dies gelte auch für das forensische Klientel. Aufgrund der Praxisbesonderheit
scheide die Indizwirkung der Überschreitung des Prüfgruppendurchschnittes aus. Zur Erläuterung legte der Kläger beispielhaft
acht Falldarstellungen vor (Bl. 138 bis 146 der Verwaltungsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die vorgelegten Falldarstellungen erklärten
die routinemäßige Abrechnung der GOPen 21216 und 21231 EBM nicht. Im Gegenteil, sie verdeutlichten noch einmal die routinemäßige
Kombination der GOPen ohne andere Leistungen. Die Patienten würden in vielen Fällen einmal im Quartal besucht. Hierfür würden
beide GOPen abgerechnet. In vielen Fällen sei aber nur eine Folgeverordnung der Medikamente festzustellen gewesen. Dass eine
ausführliche Anleitung einer Bezugsperson teilweise jedes Quartal erfolge, sei nicht nachvollziehbar.
Hiergegen hat der Kläger am 07.12.2017 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Die Abrechnung der GOP 21231 EBM spiegele die hohe Anzahl von Heimpatienten wider, die von seiner Praxis nervenärztlich betreut werde. Wenn er bei
der Abrechnung dieser GOP die Prüfgruppe um 944 % übersteige, belege dies letztlich nur den hohen Spezialisierungsgrad seiner Praxis. Sein Heimpatienten-Anteil
sei über 9-fach höher als der der Prüfgruppe. In einer psychiatrischen "Standardpraxis" komme die kontinuierliche Betreuung
von Heimpatienten üblicherweise selten oder gar nicht vor. Angesichts dessen könne der Vergleich mit dem Prüfgruppendurchschnitt,
d.h. typischen psychiatrischen Praxen, keinerlei Indiz dafür bieten, dass diese Abweichung vom Durchschnitt irgendeinen Hinweis
auf ein nicht ordnungsgemäßes Abrechnen der Heimpauschale biete. Bereits vor den jeweiligen Heimbesuchen schicke er eine Medikamentenliste
an das Heim zum Abgleich der bestehenden Medikation. Bei den Gesprächen mit der Stationsleitung bzw. der Pflegedienstleitung
gehe er individuell auf jeden einzelnen Patienten ein und verschaffe sich dabei einen Überblick über besondere Ereignisse
auf der Verhaltensebene seit der letzten Visite. Des Weiteren überprüfe er die gesundheitlichen Veränderungen unter Zuhilfenahme
der vorliegenden Dokumentation. In diesem Zusammenhang, aber auch während des Patientenkontakts finde eine Besprechung mit
den zuständigen Bezugspersonen statt und er gebe eine ausführliche Anleitung an das Pflegepersonal für die weitere Behandlung
der Patienten. Bei den Bezugspersonen im Sinne der GOP 21216 EBM könne es sich in Heimen nur um das zuständige Fachpflegepersonal handeln, Angehörige könnten insoweit keine Auskunft
geben. Die Gespräche müssten nicht nur mit dem gerade anwesenden Pflegepersonal erfolgen. Die Stations- und Pflegedienstleitungen
seien über Auffälligkeiten im Verhalten und Entwicklungen der psychischen Situation der Patienten am besten informiert und
qualifiziert. Er spreche jedoch zugleich auch mit den Schwestern bzw. Pflegern auf der Station. Dieses Vorgehen erfülle den
Leistungsteil "Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen" und stelle zugleich eine Fremdanamnese dar. Es handele sich nicht
um die Befragung einer akuten Situation, sondern vor dem lebensgeschichtlichen und sozialen Hintergrund werde eine Anamnese,
also Krankheitsvorgeschichte erhoben, die einen definierten Zeitraum, nämlich in der Regel ca. zwei bis drei Monate seit der
letzten Visite umfasse. Eine Fremdanamnese müsse deshalb erhoben werden, weil der wegen seiner psychischen Erkrankung kommunikationsgestörte
Patient hierzu selbst nicht in der Lage sei, bzw. in aller Regel nicht selbst befragt werden könne. Hierauf sei die GOP 21216 EBM anwendbar. Im Übrigen genüge für den Ansatz der GOP 21216 EBM, wenn eine der beiden Leistungsteile der GOP, d.h. Fremdanamnese oder Anleitung/Betreuung der Bezugsperson erbracht sei, dies ergebe sich aus dem GOP-Text. Seine Behandlungen dokumentiere er quartalsweise durch einen Befundbericht an die hausärztlichen Kollegen. In Relation
zur Anzahl der in der Prüfgruppe behandelten Heimpatienten werde dort die GOP 21216 EBM deutlich häufiger abgerechnet (142-facher Ansatz der GOP 21216 EBM bei ca. 50 Patienten im Vergleich zu 773 Ansätzen bei 474 Heimpatienten im Quartal bei ihm mit 1,5-fachem Ansatz).
Als neurologischer Facharzt und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, der in annähernd 50 % seiner Behandlungsfälle
Heimpatienten betreue, sei er nicht mit ausschließlich psychiatrisch tätigen Fachärzten vergleichbar. Anders als sämtliche
andere nervenärztliche Praxen im Prüfgebiet sei seine Praxis überwiegend auf schwer psychisch erkrankte Heimpatienten spezialisiert.
Gem. § 12 Abs. 3 der Abrechnungsprüfungs-Richtlinie (ArbrPr-RL) hätte die Beklagte ein erhöhtes Stundenaufkommen berücksichtigen
müssen und ihr Ermessen dahingehend ausüben müssen, dass bei ihm keine Unplausibilität der Abrechnung vorliege.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Gespräche mit der Stations- oder Pflegedienstleitung könnten den Leistungsinhalt
der GOP 21216 EBM nicht erfüllen. Als Bezugsperson der Patienten komme lediglich das Pflegepersonal, das die tatsächliche Pflege
übernehme, in Betracht. Abgesehen davon handele es sich bei den Gesprächen des Klägers mit dem Pflegepersonal lediglich um
das Einholen von Information zum aktuellen Gesundheitszustand und um die Exploration aktueller Beschwerden des jeweiligen
Patienten. Dies stelle weder die Erhebung einer Fremdanamnese noch die Anleitung/Betreuung von Bezugspersonen nach der GOP 21216 EBM dar. Eine Fremdanamnese erfordere über die Exploration aktueller Beschwerden hinaus eine umfassende Erhebung der
lebensgeschichtlichen und sozialen Daten des Kranken. Im Rahmen einer fachgerechten Behandlung erforderliche punktuelle Befragungen
von Pflegepersonal oder Angehörigen zur Abklärung der aktuellen Krankheitssituation eines kommunikationsgestörten Patienten
genügten insoweit nicht. Dies gelte erst Recht im Fall des Klägers, wenn dieser Patienten in der Regel einmal im Quartal im
Rahmen einer kontinuierlichen Mitbetreuung aufsuche. Würden sämtliche Patienten einmal im Quartal an einem ausgewählten Tag
aufgesucht, handele es sich um Routinekontrollen über den aktuellen Gesundheitszustand des Patienten. Somit könne es sich
auch bei den Gesprächen mit dem Pflegepersonal lediglich um normale, sich regelmäßig wiederholende Gespräche handeln. Diese
fielen auch nicht unter den zweiten Leistungsteil der Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen nach der GOP 21216 EBM. Insoweit müsse es sich immer um eine ausführliche Anleitung einer Bezugsperson handeln. Dass dies jedes Quartal
erneut erfolge, sei insbesondere auch anhand der abgerechneten Leistungen nicht nachvollziehbar. Für die vom Kläger vorgenommene
zu weit gehende Interpretation der GOP 21216 EBM spreche nicht zuletzt auch die Ansatzhäufigkeit der GOP 21216 EBM: bei 457-maliger Abrechnung der GOP 21231 EBM werde die GOP 21216 EBM 592 Mal, d.h. zu einem prozentualen Anteil von 129,54 % im Quartal abgerechnet. Im Übrigen gingen die vom Kläger
benannten Diagnosen wie schizophrene Psychosen, Demenz, Alzheimer, Schlaganfall, Parkinson, Intelligenzdefizite, Korsakow-Syndrom,
Alkohol- und Suchtprobleme nicht zwingend mit einer gestörten Kommunikationsfähigkeit einher. Patienten, die lediglich Schwierigkeiten
hätten, sich zu artikulieren, fielen nicht unter die GOP 21216 EBM. Dokumentierte Hinweise auf kommunikationsgestörte Patienten ergäben sich auch nicht aus den vorgelegten Einzelfallnachweisen.
Bei der Neufestsetzung des Honorars stehe ihr ein weites Schätzungsermessen zu. Kürzungen auf den Fachgruppendurchschnitt
einer GOP habe die Rechtsprechung (unter Hinweis auf das Urteil des SG, S 24 KA 2913/15 n.v.) stets gebilligt.
Das SG hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Zeugin B und den Zeugen R, Pflegedienstleiterin bzw. Altenpfleger in vom Kläger
betreuten Häusern gehört. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 21.10.2021 hat das SG den Bescheid vom 21.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2017 aufgehoben. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die als reine Anfechtungsklage zulässige Klage sei begründet. Der Bescheid vom 21.04.2016 in der Gestalt des
Widerspruchbescheids vom 07.11.2017 sei rechtswidrig. Die Beklagte sei nicht berechtigt, die GOP 21216 EBM in der Honorarabrechnung des Quartals 2/2014 auf den Prüfgruppendurchschnitt zu berichtigen. Zur Überzeugung der
Kammer habe der Kläger die mit der GOP 21216 EBM bezeichnete Leistung vollumfänglich erbracht. Die Beklagte sei zwar zutreffend zunächst vom Vorliegen einer Abrechnungsauffälligkeit
durch Überschreitung der Quartalsprofilzeit von 780 Stunden ausgegangen. In Übereinstimmung mit den Vorgaben aus §
106a Abs.
2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) a.F. und §
8 ArbrPr-RL habe die Beklagte für die Ermittlung der Quartalsarbeitszeiten des Klägers den auf der Grundlage von § 87 Abs.
2 Satz 1 2. Halbssatz i.V.m. §
106a Abs.
2 Satz 4
SGB V a.F. in Anhang 3 des EBM festgelegten Zeitaufwand zugrunde gelegt. Für die GOP 21216 EBM habe sie im Quartalsprofil 11 Minuten angesetzt. Dies habe eine Quartalszeit von 820 Stunden ergeben. Aus dieser
Überschreitung könne im Wege des Indizienbeweises grundsätzlich auf die Unrichtigkeit der Abrechnung geschlossen werden. Zur
Überzeugung der Kammer habe der Kläger den Indizienbeweis jedoch entkräftet und eine ordnungsgemäße Leistungserbringung der
GOP 21216 EBM nachgewiesen. Dies ergebe sich für die Kammer insbesondere aus dem besonderen Patientenzuschnitt des Klägers, aus
den im Widerspruchsverfahren vorgelegten Falldarstellungen sowie den Aussagen der Zeugin B und des Zeugen R. Die Leistungsbeschreibung
der GOP 21216 EBM laute: Fremdanamnese und/oder Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen schwer psychisch erkrankter Personen
mit dadurch gestörter Kommunikationsfähigkeit, je 10 Minuten, höchstens fünfmal im Behandlungsfall. Die GOP 21216 EBM sei mit 15,20 € und 150 Punkten bewertet. Der im Vergleich zur Prüfgruppe erhöhte Ansatz der GOP 21216 EBM sei hier schon dadurch relativiert, dass der Kläger eine im Vergleich zur Prüfgruppe erhöhte Anzahl an Heimpatienten
betreue. Auch die Beklagte sei davon ausgegangen, dass ein Schwerpunkt der Praxis des Klägers die Heimbetreuung sei und sei
im Bescheid vom 21.04.2016 davon ausgegangen, dass sich 46 % aller Patienten des Klägers in beschützenden Einrichtungen befänden.
Aus der Anzahl der Abrechnung der GOP 21231 EBM, die nur einmal im Behandlungsfall abrechenbar sei, ergebe sich, dass der Kläger im Quartal 2/2014 457 Heimpatienten
(bei 993 Patienten insgesamt) betreut habe. Die GOP 21216 EBM sei vom Kläger 592 Mal abgerechnet worden, also in Relation zur GOP 21231 EBM 1,3 Mal. Demgegenüber werde in der Prüfgruppe ausgehend von einer Überschreitung des Klägers um 330,74 % die GOP 21216 EBM lediglich 176 Mal abgerechnet, wobei in der Prüfgruppe ausgehend von einer Überschreitung des Klägers um 994 %
bei der GOP 21231 EBM lediglich ca. 46 Heimpatienten betreut worden seien. In der Prüfgruppe werde die GOP 21216 EBM mithin in Relation zur GOP 21231 EBM 3,9 Mal so häufig abgerechnet. Die hohe Zahl der vom Kläger betreuten Heimpatienten sei ein Indiz für eine Erklärung
der Abrechnungshäufigkeit der GOP 21216 EBM, denn zur Überzeugung der fachkundig besetzten Kammer bestehe vor allem bei Heimpatienten eine Kommunikationsstörung,
die eine Leistungserbringung nach der GOP 21216 EBM erforderlich werden lasse. Dass die GOP 21216 EBM häufiger als die GOP 21231 EBM angesetzt worden sei, sei kein Indiz für eine fehlerhafte Abrechnung; sie dürfe anders als die GOP 21231 EBM nicht nur einmal im Behandlungsfall, sondern bis zu fünfmal im Behandlungsfall abgerechnet werden. Der Begriff
der Fremdanamnese bringe zunächst zum Ausdruck, dass die Anamnese mit einem Dritten erfolge, der Auskunft über den Kranken
geben könne. Nicht eindeutig sei der Begriff der Anamnese. Ausgehend vom uneindeutigen Wortlaut sei zu Nr. 19 des EBM (in
der bis zum 31.03.2005 geltenden Fassung; im Folgenden <a.F.>) auf eine systematische Interpretation zurückgegriffen worden.
Als Fremdanamnese sei nicht nur die Exploration aktueller Beschwerden, sondern darüber hinaus eine umfassende Erhebung der
lebensgeschichtlichen und sozialen Daten des Kranken angesehen worden. Dies sei dem Umstand entnommen worden, dass die damalige
Leistungsbewertung mit 500 Punkten den Mehraufwand habe abgelten sollen, der dem Arzt entstehe, wenn er einen regelmäßig dauerhaft
kommunikationsgestörten Patienten kontinuierlich begleite und betreue. Diese Systematik enthalte die im Quartal 2/2014 geltende
Fassung des EBM nicht mehr. Die GOP 21216 EBM sei mit 150 Punkten bewertet, während die Zusatzpauschale zur kontinuierlichen Mitbetreuung eines Patienten mit
einer psychiatrischen Erkrankung in beschützenden Einrichtungen oder Pflege- und Altenheimen mit 209 Punkten und die Grundpauschale
für Fachärzte für Nervenheilkunde bzw. Neurologie und Psychiatrie je nach Lebensalter mit 281 bis 269 Punkten bewertet sei.
Die Leistungsbewertung der GOP 21216 EBM falle damit niedriger als die der Grundpauschale aus. Im Gegensatz zu Nr. 19 EBM a.F. sei sie auch nicht nur einmal
im Behandlungsfall, sondern bis zu fünfmal im Behandlungsfall und je 10 Minuten abrechenbar. Die Systematik des heutigen EBM
spreche damit nicht mehr dafür, dass eine umfassende Erhebung der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten des Kranken erforderlich
sei. Denn dies sei gerade aus der hohen Bewertung der Nr. 19 EBM a.F. gefolgert worden, die im heutigen EBM nicht mehr vorhanden
sei. Zwar bestehe noch eine hohe Bewertung im Vergleich zur Notfallkonsultationspauschale nach GOP 01214 EBM, die mit 39 Punkten bewertet sei. Vorliegend sei jedoch keine Konsultation des Klägers im Rahmen eines Notfalls
gegenständlich, sodass dem Vergleich kein ausschlaggebendes Gewicht zukomme. Die Kammer sei deshalb der Auffassung, dass auch
Gespräche über die Vorkommnisse und Entwicklungen des Patienten während des letzten Quartals oder seit der letzten Visite
die Leistungslegende "Fremdanamnese" erfüllten. Des Weiteren sei der Leistungsinhalt der GOP 21216 EBM auch durch die Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen schwer psychisch erkrankter Patienten mit dadurch gestörter
Kommunikationsfähigkeit erfüllbar. Diesen Anforderungen sei der Kläger durch Gespräche bei der Visite jeweils gerecht geworden.
Die vom Kläger und den Zeugen beschriebenen Gespräche mit den Pflegekräften und/oder der Pflegedienstleitung im Stationszimmer
und mit den Patienten in Begleitung der Pflegekräfte und/oder der Pflegedienstleistung hätten sich nacheinander und individuell
auf die jeweiligen Patienten bezogen. Es seien besondere Ereignisse seit der letzten Visite beschrieben worden. Dies ergebe
sich aus den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen und der Darlegung des Klägers. Die vorgelegten Fallbeispiele zeigten den
bestehenden erhöhten Anleitungsbedarf auf, sodass auch die Dokumentationspflicht des Vertragsarztes erfüllt sei. Auch daran,
dass es sich bei der Abrechnung der Fremdanamnese um schwer psychisch erkrankte Patienten gehandelt habe, bei denen die Kommunikationsfähigkeit
gerade wegen der schweren psychischen Erkrankung gestört gewesen sei, habe die Kammer keine Zweifel. Es sei ersichtlich, dass
der Kläger sich insbesondere nicht darauf habe verlassen können, dass die eigene Auskunft dieser Patienten über ihren Gesundheitszustand
den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche, weil die festgestellten psychiatrischen Diagnosen gerade mit einer mangelnden
Fähigkeit zur Selbsteinschätzung und einem mangelnden Erinnerungsvermögen einhergingen. Eine fachgerechte Betreuung der Patienten
erfordere die Validierung der ggf. noch vom Patienten geschilderten oder behaupteten Vorkommnisse. Der Kläger habe die Voraussetzungen
der GOP 21216 EBM auch durch Gespräche mit Pflegedienstleitung und den Pflegekräften erfüllen können. Der Kreis der Personen, bei
denen die Fremdanamnese erhoben werden könne, oder die von dem Vertragsarzt angeleitet bzw. betreut würden, sei auf solche
aus dem Interaktionsfeld des Patienten begrenzt. Bei Patienten, die in beschützenden Einrichtungen, Pflege- und Altenheimen
untergebracht seien, seien es gerade die dort tätigen Pflegekräfte, die im ständigen Kontakt mit den Patienten stünden. Dazu
gehöre auch die Pflegedienstleitung wie die Zeugin B überzeugend dargestellt habe. Letztlich führe auch das Argument der Beklagten,
dass der Kläger die GOP 21216 EBM routinemäßig gemeinsam mit der GOP 21231 EBM abgerechnet habe, nicht zur Annahme einer fehlerhaften Abrechnung. Nach den von den Zeugen dargestellten Abläufen
habe der Kläger jeweils einen Termin mit der von ihm betreuten Einrichtung vereinbart und den Zustand der Patienten in einem
Gespräch mit dem Pflegepersonal besprochen. Eine weitere Visite derselben Patienten sei bei Bedarf erfolgt. Da die GOP 21231 EBM nur einmal im Behandlungsfall abrechenbar sei, sei es nachvollziehbar, dass die GOP 21216 EBM dann an demselben Tag, an dem auch die GOP 21231 EBM abgerechnet worden sei, in Ansatz gebracht werde.
Gegen das ihr am 09.11.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.12.2021 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg
eingelegt. Sie ist weiter der Auffassung, dass sie im Quartal 2/2014 die GOP 21216 EBM zutreffend auf den Fachgruppendurchschnitt berichtigt hat. Zunächst habe eine Fremdanamnese nicht stattgefunden.
Die Fremdanamnese solle bei kommunikationsgestörten Patienten dem Arzt die Information verschaffen, die er für die sachgerechte
Beurteilung und Behandlung der Erkrankung benötige, von dem betroffenen Patienten wegen dessen Kommunikationsstörung aber
nicht erhalten könne. Dies erfordere eine umfassende Erhebung lebensgeschichtlicher und sozialer Daten der Kranken; eine solche
sei nicht erfolgt. Im Rahmen einer fachgerechten Behandlung erforderliche punktuelle Befragungen von Pflegepersonal oder Angehörigen
zur Abklärung der aktuellen Krankheitssituation eines kommunikationsgestörten Patienten würden von der Leistungsbeschreibung
der Fremdanamnese und/oder Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen nicht erfasst. Die Ausführungen des SG, dass eine umfassende Erhebung lebensgeschichtlicher und sozialer Daten nicht erforderlich sei, überzeugten nicht. Der Wortlaut
der Leistungslegende spreche noch genauso von der Erhebung der Fremdanamnese wie im alten EBM. Die GOP sei zwar früher mit 500 Punkten bewertet gewesen, habe aber nur einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden dürfen. Heute
sei die GOP mit 150 Punkten bewertet, dürfe aber bis zu fünfmal im Behandlungsfall abgerechnet werden. Die maximale Bewertung liege somit
bei 750 Punkten im Quartal und sei damit im Ergebnis höher als im alten EBM. Deshalb spreche die Systematik des heutigen EBM
nicht dafür, dass eine umfassende Erhebung der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten des Kranken nicht mehr erforderlich
sei. Auch unter den zweiten Leistungsteil der Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen fielen die normalen und sich ggf.
regelmäßig wiederholenden Gespräche mit Pflegepersonen gerade nicht. Es müsse sich immer um eine ausführliche Anleitung einer
Bezugsperson im Zusammenhang mit der Behandlung eines schwer psychisch erkrankten Patienten handeln (unter Verweis auf Wezel/Liebold,
EBM-Kommentar, Nr. 21216 EBM). Dass dies jedes Quartal erneut erfolge, sei insbesondere anhand der abgerechneten Leistungen
nicht nachvollziehbar. Die Gespräche und Anweisungen mit dem Pflegepersonal seien mit der höher bewerteten und dem Kläger
nicht gestrichenen Zusatzpauschale nach der GOP 21231 EBM abgegolten. Die GOP 21216 EBM könne im selben Behandlungsfall allenfalls für die Erhebung der - hier nicht erfüllten - Fremdanamnese abgerechnet
werden. Die fünfmalige Abrechnungsmöglichkeit der GOP erkläre sich dadurch, dass die GOP 21216 EBM nicht nur für die Erhebung der Fremdanamnese berechnungsfähig sei, sondern auch für die Anleitung/Betreuung von
Bezugspersonen. Letzteres erfordere keine Erhebung der Fremdanamnese. Es könnten auch unterschiedliche Bezugspersonen zu verschiedenen
Zeiten angeleitet werden. Damit sei ein Mehrfachansatz im Behandlungsfall möglich. Auch die Worte "je 10 Minuten" verdeutlichten,
dass längere Gespräche in einer Sitzung möglich und mehrfach abrechenbar seien. Abgesehen davon sei aber nach den Ausführungen
der gehörten Zeugen auch die nach der Leistungslegende für die Erhebung der Fremdanamnese erforderliche Gesprächsdauer von
10 Minuten nicht eingehalten worden. Ein Gespräch mit dem Patienten könne der Gesprächszeit hinsichtlich der Erhebung der
Fremdanamnese nicht zugerechnet werden. Lediglich hilfsweise werde noch ausgeführt, dass ein Gespräch zur Erhebung der Fremdanamnese
nicht unterbrochen werden dürfe. Die Gespräche im Stationszimmer und anschließend bei der Visite könnten nicht als ein Gespräch
gewertet werden. Bei einer Unterbrechung sei auch nicht mehr nachvollziehbar, wie lange das einzelne Gespräch gedauert habe.
Aus den vorgelegten Karteikartenauszügen und den Arztbriefen ergebe sich auch nichts Anderes. Schließlich sei auch die Kürzung
auf den Prüfgruppendurchschnitt nicht zu beanstanden. Auch wenn die Prüfgruppe einen anderen Patientenzuschnitt als der Kläger
habe, gereiche ihm diese Kürzung nicht zum Nachteil. Nachdem er die Zeitvorgabe von 10 Minuten für die Erbringung der Fremdanamnese
nicht beachtet habe, wäre der Kern der Unrichtigkeit der Abrechnungen durch eine komplette Streichung der GOP 21216 EBM erfasst worden. Ergänzend hat die Beklagte ausgeführt, nach Erstellung der Tagesprofile würden für den Kläger sehr
hohe Zeiten für Gesprächsleistungen ermittelt. Unter Berücksichtigung der GOP 21216 EBM und der GOP 21220 EBM ergäben sich an einzelnen Tagen im Quartal 2/2014 Arbeitszeiten von bis zu 8:48 Stunden allein für Gesprächsleistungen.
Dabei sei noch gar nicht berücksichtigt, dass nach der Anmerkung zur Leistungslegende der GOP 21220 EBM bei einer Nebeneinanderabrechnung der GOP 21216 und der GOP 21220 EBM eine mindestens 10 Minuten längere Arzt-Patienten-Kontaktzeit als in den entsprechenden GOPen angegeben Voraussetzung
für die Berechnung der GOP 21220 EBM sei. Damit erhöhe sich die Arbeitszeit für Gesprächsleistungen auf bis zu 9:08 Stunden. Insoweit sei immer noch
nicht berücksichtigt, dass nach der Anmerkung zur Leistungslegende der GOP 21220 EBM bei einer Nebeneinanderabrechnung der GOP 21214/21215 EBM und der GOP 21220 EBM eine Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der GOP 21220 EBM sei, was zu Arbeitszeiten von bis zu 9:35 Stunden führe. Dies stelle in Anbetracht der Tatsache, dass in diesen
Zeiten unvermeidbare Handlungen, wie die tägliche Organisation des Praxisablaufs, das Anleiten und Überwachen des Praxispersonals
bei delegationsfähigen Leistungen, die Auswertung von Befundunterlagen, Dokumentation, Arztbriefen usw., Visiten und weitere
Behandlungen, persönliche Bedürfnisse und privatärztliche Behandlungen in die Berechnung in keinster Weise eingeflossen seien,
zu unplausiblen Arbeitszeiten. Bereits dadurch sei nachgewiesen, dass die in Ansatz gebrachten Leistungen nicht vollständig
erbracht sein könnten. Das gelte erst recht, als bei der Ermittlung der Tagesprofile aus Gründen der Rechtssicherheit ausschließlich
von Minimalwerten ausgegangen werde. Es erscheine nicht möglich, dass der Kläger in diesem Umfang Gespräche betreffend zahlreicher
verschiedener Patienten an einem Tag geleistet habe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Leistungen, insbesondere
nach der GOP 21216 EBM und der GOP 21220 EBM nicht ordnungsgemäß erbracht haben könne. Nach den Allgemeinen Bestimmungen zum EBM (I Allgemeine Bestimmungen
Ziffer 2.1) sei eine Leistung oder ein Leistungskomplex nur dann berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht
worden sei. Die Abrechnungssammelerklärung des Klägers, mit der dieser die Richtigkeit der in Ansatz gebrachten Leistungen
bestätige, sei damit unrichtig. Für sie, die Beklagte, entfalle damit die Verpflichtung, als Voraussetzung der Rechtswidrigkeit
des Honorarbescheides, dem Kläger mehr als eine unrichtige Abrechnung pro Quartal nachzuweisen. Das Honorarrisiko liege auf
Seiten des Vertragsarztes, der in seiner Abrechnung unrichtige Angaben gemacht habe. Dabei habe der Kläger auch zumindest
grob fahrlässig gehandelt. Im Hinblick auf die zeitliche Größenordnung hätte sich dem Kläger die Unrichtigkeit seiner Abrechnungen
aufdrängen müssen. Die Ergebnisse der Tagesprofile bestätigten insbesondere auch ihre bisherigen Ausführungen, dass die Gespräche
betreffend die GOP 21216 EBM nicht die erforderlichen 10 Minuten gedauert haben könnten. Schließlich könne das Urteil des SG auch deshalb keinen Bestand habe, weil der Kläger im streitgegenständlichen Quartal die GOP 21216 EBM insgesamt 48-mal neben der GOP 21220 EBM abgerechnet habe. Insoweit führe Wezel/Liebold in seiner Kommentierung aus, dass die Erhebung der Fremdanamnese
sowie ggf. die Anleitung und Führung der entsprechenden Bezugspersonen (GOP 21216 EBM) neben der GOP 21220 EBM nicht zusätzlich berechnungsfähig sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.10.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend und weist unter Wiederholung seines bisherigen Vortrags noch einmal darauf hin, dass bei ihm der Bereich der
kontinuierlichen neurologischen und psychiatrischen Mitbetreuung (GOPen 16230 bis 16233, 21230 bis 21233 EBM) als Praxisbesonderheit
anerkannt sei (Bescheid vom 08.03.2017). Die Überschreitung der Quartalsarbeitszeit erschließe sich zwanglos durch diese Praxisbesonderheit,
die unstreitig auch schon im Quartal 2/2014 bestanden habe. Im konkreten Fall stelle sie keinen Hinweis auf nicht ordnungsgemäßes
oder unwirtschaftliches Abrechnen dar. Dass bei ihm in 583 von 993 Fällen eine Kürzung auf 135 Fälle durchgeführt worden sei,
erscheine unverhältnismäßig. Dies liege ganz offensichtlich daran, dass in den Praxen der Prüfgruppe nur in sehr geringem
Umfang Heimversorgung durchgeführt werde. Zu Unrecht stelle die Beklagte bei ihm auch die Erhebung einer Fremdanamnese in
Frage. Die Erhebung einer Anamnese möge bei einem Erstkontakt mit einem Patienten sehr wohl die Erhebung der gesamtmedizinischen
Vorgeschichte des Patienten einschließlich der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten aus dem Interaktionsfeld des Patienten
beinhalten. Dies schließe es aber nicht aus, dass eine Anamnese auch bei weiteren Patientenkontakten erhoben werde und zwar
in Form der Erfassung der Krankengeschichte hinsichtlich Art, Beginn und Verlauf der Beschwerden des Patienten seit der letzten
Anamnese. Das SG habe zu Recht die Bewertung und Abrechnungsmöglichkeit der GOP 21216 EBM in die Auslegung einfließen lassen, die von der Beklagten zugrunde gelegte Auslegung des Anamnesebegriffs schließe
es aber geradezu aus, dass fünfmal im Quartal die gesamte medizinische Vorgeschichte des Patienten einschließlich der lebensgeschichtlichen
und sozialen Daten aus dem Interaktionsfeld des Patienten erhoben werde. Genauso wenig sei es vorstellbar, eine derart verstandene
Anamnese innerhalb von 10 Minuten zu erheben. Unrichtig sei auch der Einwand der Beklagten, dass eine Abrechenbarkeit der
GOP 21216 EBM erfordere, dass allein schon die Besprechung bzw. Erhebung der Fremdanamnese 10 Minuten in Anspruch nehmen müsse.
Einzubeziehen sei auch das persönliche Gespräch mit dem Patienten im Beisein der Bezugsperson und die aus der Zusammenschau
resultierenden Anleitungen an die Bezugsperson. Die Leistungsziffer GOP 21216 EBM umfasse einen einheitlichen Verhandlungsvorgang. Damit würden die zeitlichen Anforderungen an die Abrechnung der
GOP erfüllt. Die Gespräche und Anweisungen des Betreuungspersonals seien auch nicht mit der GOP 21231 EBM abgegolten. Diese GOP habe als obligaten Leistungsinhalt die kontinuierliche Mitbetreuung. Es gehe hier um die Betreuung und nicht um die Erhebung
der Fremdanamnese.
Die Vorsitzende hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 06.04.2022 erörtert.
Auf Anforderung des Senats hat der Kläger Arztberichte bzw. Behandlungsdokumentationen zu den im Verwaltungsverfahren übermittelten
acht Falldarstellungen vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, die Akten
der Beklagten, des SG und des Senats und auf die Akte S 4 KA 2610/19 des SG verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Der Senat entscheidet über die Berufung in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte
und Psychotherapeuten, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§
12 Abs.
3 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
2. Die gemäß §
143 SGG statthafte und gemäß §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung gemäß §
144 Abs.
1 SGG, weil der Beschwerdewert von 750,00 € überschritten ist.
3. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat auf die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.11.2017
den Bescheid zu Recht in vollem Umfang aufgehoben. Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen
nach der GOP 21216 EBM in allen von ihm abgerechneten Fällen ohne Kürzung auf den Prüfgruppendurchschnitt. Die vom Kläger insoweit erbrachten
Leistungen entsprechen den Vorgaben des EBM (hierzu a). Auch dass der Kläger in 48 Fällen die GOP 21216 EBM neben der GOP 21220 EBM abgerechnet hat, berechtigte die Beklagte nicht zur Kürzung (hierzu b).
a) Das SG hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, welche Rechtsvorschriften für die sachlich-rechnerische Richtigstellung des Honorars
des Klägers maßgeblich sind und weshalb die Beklagte zu Unrecht eine Berichtigung der GOP 21216 EBM auf den Prüfgruppendurchschnitt vorgenommen hat. Der Senat nimmt auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen
Bezug und sieht von einer weiteren eingehenden Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen
der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§
153 Abs.
2 SGG). Nur ergänzend wird im Hinblick auf die Berufungsbegründung auf Folgendes hingewiesen:
Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Senats in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich (so BSG, Urteil vom 26.01.2022 - B 6 KA 8/21 R -, in juris, Rn. 20 und Urteil vom 25.11.2020 - B 6 KA 14/19 R -, in juris, Rn. 18; Urteil des Senats vom 23.11.2021 - L 5 KA 2988/19 -, in juris). Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen
von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM - des Bewertungsausschusses gemäß §
87 Abs.
1 SGB V - ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM als
einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw.
Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau
der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist nur dann, wenn der Wortlaut eines
Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei
unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen
die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder
ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden. Diese Grundsätze gelten auch für die den Vergütungsbestimmungen vorangestellten
allgemeinen Bestimmungen des EBM (BSG, Urteil vom 11.09.2019 - B 6 KA 22/18 R -, in juris, Rn. 13, mwN). Soweit der Wortlaut einer Leistungslegende des EBM für die ärztlichen Leistungen nicht eindeutig
ist, können auch die der Leistung zugeordneten Kalkulations- und Prüfzeiten zur Auslegung herangezogen werden (BSG, Urteil vom 15.07.2020 - B 6 KA 15/19 R -, in juris).
Die streitige GOP 21216 EBM hatte im streitbefangenen Zeitraum folgenden Wortlaut:
21216 Fremdanamnese und/oder Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen schwer psychisch erkrankter Patienten mit dadurch
gestörter Kommunikationsfähigkeit,
je 10 Minuten, höchstens fünfmal im Behandlungsfall.
15,20 €; 150 Punkte.
Hiervon ausgehend durfte die Beklagte die GOP 21216 EBM nicht auf den Prüfgruppendurchschnitt kürzen. Die Beklagte geht fehl in der Annahme, dass hier keine Fremdanamnese
und auch keine Betreuung bzw. Anleitung von Bezugspersonen erfolgte und die Zeitvorgabe von 10 Minuten nicht beachtet worden
sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger den Leistungsinhalt der GOP 21216 EBM im Quartal 2/2014 in allen Fällen erfüllt.
Es handelte sich bei den vom Kläger behandelten Patienten um schwer psychisch erkrankte Personen mit dadurch gestörter Kommunikationsfähigkeit.
Sie litten unter den psychischen Diagnosen Schizophrenie, Demenz, Alzheimer, Folgen von Schlaganfällen, Parkinson, Intelligenzdefiziten,
dem Korsakow-Syndrom sowie unter Alkohol- und Suchtproblemen. Die Erkrankungen waren so gravierend, dass ein Heimaufenthalt
erforderlich war und sie im Heim betreut wurden. Der Heimaufenthalt ergibt sich aus der hier angesetzten Heimbetreuungsziffer
GOP 21231 EBM und wird auch von der Beklagten nicht bestritten. Schon die Notwendigkeit eines Heimaufenthalts bei den Erkrankungen
der vom Kläger behandelten Patienten belegt die gestörte Kommunikationsfähigkeit der Patienten. Eine Bestätigung findet dies
auch in den vom Kläger vorgelegten Fallberichten und in den Aussagen der Zeugen R und B.
Die vom Kläger mit dem Pflegepersonal und den Pflegedienstleitungen geführten Gespräche vor, während und nach dem Gespräch
mit den Patienten, in denen nach dem den Senat überzeugenden Vorbringen des Klägers und der vom SG gehörten Zeugen R und B der Zustand des Patienten, seine Gewohnheiten oder Vorfälle sowie das Absetzen von Medikamenten seit
der letzten Visite bzw. dem letzten Quartal besprochen wurden, erfüllten auch die Anforderungen, die an eine nach der GOP 21216 EBM durchzuführende Fremdanamnese zu stellen sind. Dies ergibt sich zum einen aus der vom SG zutreffend dargelegten systematischen Interpretation der GOP und der Zusatzpauschalen anhand der Punktbewertung. Diese hat zum Ergebnis, dass für die Anamnese in diesem Zusammenhang
entgegen den Ausführungen des BSG in den am 05.02.2003 (B 6 KA 11/02 R, in juris) und am 17.09.2008 (B 6 KA 51/07 R, in juris) entschiedenen Fällen, in denen die der GOP 21216 EBM wortgleiche Nr. 19 EBM a.F. noch mit 500 Punkten bewertet war, worin das BSG den Grund für die Notwendigkeit einer umfassenden Erhebung der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten des Kranken sah,
nicht mehr die umfassende Erhebung der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten des Kranken erforderlich ist. Die vom Kläger
geführten Gespräche über die Vorkommnisse und Entwicklungen des Patienten während des letzten Quartals oder seit der letzten
Visite sind ausreichend und genügend. Dies verschafft dem Arzt die Information, die er für die sachgerechte Beurteilung und
Behandlung der Erkrankung benötigt. Etwas Anderes ist innerhalb von 10 Minuten, die nach dem in der GOP angegebenen Zeitaufwand anzusetzen sind, auch gar nicht möglich. Der Einwand der Beklagten, dass die maximale Bewertung bei
750 Punkten liege, führt zu keinem anderen Ergebnis. 750 Punkte können nur dann angesetzt werden, wenn die GOP fünfmal im Behandlungsfall abgerechnet wird. Um dies zu erreichen, wäre - die Auffassung der Beklagten als richtig zugrundegelegt
- fünfmal im Quartal im Rahmen der Erhebung der Fremdanamnese die umfassende Erhebung der lebensgeschichtlichen und sozialen
Daten des Kranken erforderlich. Dies kann nicht richtig sein. Für die Richtigkeit der Annahme der Beklagten streitet auch
nicht, dass die fünfmalige Abrechnungsmöglichkeit nicht nur für die Erhebung der Fremdanamnese, sondern auch für die Anleitung
unterschiedlicher Bezugspersonen angesetzt werden kann. Dies ist zwar zutreffend. Die GOP 21216 EBM kann nach ihrem Wortlaut aber auch fünfmal im Behandlungsfall allein für die Erhebung der Fremdanamnese angesetzt
werden und unter Berücksichtigung dessen überzeugt der Einwand der Beklagten nicht. Für das vom SG gefundene Ergebnis spricht im Grunde auch das Wort "Anamnese". Zwar weist das SG insoweit zu Recht darauf hin, dass der Begriff der Anamnese nicht ganz eindeutig ist und verschiedene Deutungen zulässt.
Ausgehend vom Begriff Anamnese, der vom Altgriechischen stammt und mit Gedächtnis, Erinnerung zu übersetzen ist (vgl. Wikipedia,
unter http://de.wikipedia.org/wiki/Anamnese, Stand am 26.10.2022), ist unter Anamnese aber keinesfalls zwingend eine wie von
der Beklagten verlangte umfassende Erhebung der Krankengeschichte zu verstehen. Die Anamnese ist die professionelle Erfragung
von potenziell medizinisch relevanten Informationen durch Fachpersonal. Dabei antwortet entweder der Patient selbst (Eigenanamnese)
der eine dritte Person (Fremdanamnese). Ziel ist dabei meist die Erfassung der Krankengeschichte bzw. Vorgeschichte eines
Patienten im Rahmen einer aktuellen Erkrankung; neben der aktuellen Anamnese lassen sich u.a. die frühere, allgemeine, soziale,
biographische, sexuelle und familiäre Anamnese und auch die Medikamenten- und Suchtanamnese erheben (vgl. Wikipedia, unter
http://de.wikipedia.org/wiki/Anamnese, Stand am 26.10.2022). Eine Anamnese umfasst danach nicht stets eine umfassende Erhebung
der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten. Es ist insoweit, worauf das SG zu Recht hinweist, auf den Kontext, in dem die Erhebung der Anamnese zu erfolgen hat, abzustellen. Im Zusammenhang mit der
hier im Rahmen der GOP 21216 EBM vorzunehmenden Fremdanamnese bedeutet dies, dass der Zustand und die Entwicklung des Patienten während des letzten
Quartals bzw. seit der letzten Visite zu erfragen ist. Für diese Auslegung des Begriffs der Anamnese im Zusammenhang mit der
GOP 21216 EBM streitet auch, dass der EBM in der GOP 35140 EBM mit der "biographischen Anamnese", die im Jahr 2014 mit 493 Punkten bewertet war, eine GOP vorsieht, die die umfassende Erhebung der Lebensgeschichte abbildet. Die Erstellung einer solchen biographischen Anamnese,
die mindestens 50 Minuten zu dauern hat, ist nur einmal im Krankheitsfall berechnungsfähig. Dieser zeitliche Ansatz in der
GOP 35140 EBM ist im Zusammenhang mit der hier strittigen GOP, hinsichtlich derer ein deutlich niedrigerer Zeitaufwand anzusetzen ist, nicht außeracht zu lassen. Der Kläger weist in diesem
Zusammenhang auch zu Recht darauf hin, dass eine umfassende Erhebung der lebensgeschichtlichen und sozialen Daten des Kranken
in den für die GOP angesetzten 10 Minuten regelmäßig nicht möglich ist. Die Auslegung, dass die Erhebung der seit der letzten Visite bzw. im
letzten Quartal neu aufgetretenen Daten genügt, steht auch nicht im Widerspruch zu den im Kölner Kommentar zum EBM (15. Ergänzungslieferung,
Stand Januar 2019) enthaltenen Ausführungen zur Fremdanamnese im Zusammenhang mit der GOP 21216 EBM. Danach umfasst die Fremdanamnese die "Erhebung lebensgeschichtlicher und aktueller Daten" durch Befragung anderer
Personen aus dem Interaktionsfeld des Patienten. Damit wird nicht die "umfassende" Erhebung der lebensgeschichtlichen Daten
verlangt. Neu zu erfragende und zu berichtende lebensgeschichtliche Daten fallen auch seit der letzten Visite bzw. dem letzten
Quartal an. Die Erhebung dieser neuen Daten genügt.
Der Kläger hat darüber hinaus auch eine Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen erbracht. Es handelte sich bei den Gesprächen
mit dem Pflegepersonal nicht nur um "normale" und sich ggf. regelmäßig wiederholende Gespräche mit Pflegepersonen, die - worauf
die Beklagte hinweist - nach der Kommentierung in Wezel/Liebold (EBM-Kommentar, Stand Januar 2011 zu Nr. 21216 EBM) hiermit
nicht gemeint sind. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass es sich bei den Gesprächen mit dem Pflegepersonal und den
Pflegedienstleitungen über die betreuten Heimpatienten zum einen um ausführliche Anleitungen, zum anderen aber auch um eine
Betreuung und Unterstützung der Bezugspersonen handelte. Auch dies ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen R und B und dem
Vorbringen des Klägers. Die konkreten Angaben des Klägers bezogen sich auf die Medikation, die nach jeder Krisenintervention
neu zu dosieren war, und therapeutische Hinweise. Außerdem fanden Gespräche im Zusammenhang mit unbegleiteten Ausgängen der
Patienten, über den Umgang mit dem Patienten und den anzuwendenden "Skills" sowie über die Aussichten statt.
Soweit die Beklagte vorbringt, die Gespräche und Anweisungen mit dem Pflegepersonal seien mit der höher bewerteten und dem
Kläger nicht gestrichenen Zusatzpauschale nach der GOP 21231 EBM abgegolten, verfängt auch dieser Einwand nicht. Einen entsprechenden Abrechnungsausschluss sieht GOP 21231 EBM nicht vor. Abgesehen davon ist die kontinuierliche Mitbetreuung der Patienten, die obligater Leistungsinhalt der
GOP 21231 EBM ist, von der hier erfolgenden und durchgeführten Anleitung bzw. Betreuung von Bezugspersonen, zu unterscheiden.
GOP 21231 EBM bezieht sich auf die Betreuung des Patienten; GOP 21216 EBM auf die Betreuung bzw. Anleitung der Bezugsperson.
Schließlich dauerte die Fremdanamnese und die Betreuung bzw. Anleitung der Bezugspersonen in den vom Kläger abgerechneten
Fällen auch jeweils über 10 Minuten. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass der Kläger damit an einzelnen Tagen, allein Gesprächsleistungen
in einem Umfang von fast 9 Stunden erbracht hat. U.a. diese Auffälligkeit führte dazu, dass der Honorarbescheid des Klägers
überprüft wurde. Der Senat übersieht in diesem Zusammenhang auch nicht, dass (ununterbrochene) Gesprächsleistungen von sieben
bis acht Stunden am Tag in der Regel nicht leistbar sind (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2000 - L 5 KA 745/99 -, in juris). Zu beachten ist in diesem Fall jedoch, dass es sich hier um nur an einzelnen Tagen im Quartal in den vom Kläger
betreuten Heimen stattfindende Gesprächsleistungen handelt. Die Gespräche erfolgten nicht im normalen Praxisalltag. Auch wurde
die Quartalsarbeitszeit nur um 40 Stunden überschritten. Wie für das SG ergibt sich unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten die für die Abrechnung der GOP 21216 EBM erforderliche tatsächliche Dauer der Gespräche von mindestens 10 Minuten zur Überzeugung des Senats aus den Darlegungen
des Klägers und den Aussagen der Zeugen R und B. Gestützt wird diese Überzeugung des Senats auch durch die vorliegenden schweren
Krankheitsbilder, wie sie sich aus den vorgelegten Falldokumentationen und den Arztbriefen ergeben, und die nachvollziehbar
einen Zeitaufwand für Anamnese und Betreuung bzw. Anleitung von mindestens 10 Minuten erfordern. Es fanden jeweils Gespräche
mit den Pflegekräften und/oder der Pflegedienstleitung im Stationszimmer, die sich nacheinander und individuell auf die jeweiligen
Patienten bezogen, statt. Sodann gab es Gespräche mit den Pflegekräften bzw. der Pflegedienstleitung während der eigentlichen
Visite des Patienten, die zur Überprüfung der Validität der Angaben des Patienten oder weil der Patient nicht sprach, zur
Erläuterung dienten, und zum Abschluss fand noch die Anleitung bzw. Betreuung der Bezugspersonen statt. Diese Gespräche dauerten
nach der Aussage der Zeugin B auf jeden Fall länger als zehn Minuten. Der Zeuge R gab insoweit an, dass die Gespräche im Stationszimmer
so sieben bis acht Minuten gedauert hätten, anschließend sei man immer zum Patienten selbst gegangen, wo der Kläger mit den
Bewohnern, so es möglich war, gesprochen habe. Dieser Besuch hat nach der Aussage des Zeugen R mindestens fünf Minuten gedauert.
Damit steht für den Senat fest, dass die Zeitgrenze von 10 Minuten jeweils überschritten wurde.
Die Beklagte vermag insoweit auch nicht damit durchzudringen, dass die Konsultation des Klägers in ihre Einzelteile aufzuspalten
sei. Die Gespräche im Stationszimmer, beim Patienten und danach stellen eine Einheit dar. Im Fall der schwer psychisch erkrankten
Personen bedarf es zum einen vorab der Fremdanamnese, die hier im Stationszimmer stattfindet, und sodann des eigentlichen
Gesprächs mit dem Patienten, bei dem die Betreuungsperson in der Regel mitanwesend sein muss, um - wie erwähnt - zu erläutern
bzw. zu bestätigen oder zu berichtigen. Die beiden Gespräche sind zwingend in einem zeitlichen Abstand durchzuführen. Dies
führt aber nicht dazu, dass insoweit eine Aufspaltung vorzunehmen wäre. Es handelt sich um ein einheitliches Gespräch über
und mit einem Patienten. Dazuzurechnen ist auch noch die Anleitung bzw. Betreuung. Der Wortlaut der GOP 21216 EBM ist insoweit nicht zweifelhaft. Raum für eine systematische Interpretation besteht nicht. Es heißt in der GOP 21216 EBM "Fremdanamnese und/oder Anleitung...". Durch die Verknüpfung der beiden Alternativen kann die GOP entweder allein als Fremdanamnese, allein als Anleitung oder in Kombination erbracht werden. Etwas Anderes ergibt sich auch
nicht aus der Angabe in GOP 21216 EBM "je 10 Minuten, höchstens fünfmal im Behandlungsfall". Die Angabe "10 Minuten" bezieht sich eindeutig auf den Behandlungsfall
und normiert, dass der einzelne Behandlungsfall mindestens einen Zeitraum von 10 Minuten zu umfassen hat. Die Zeitangabe bezieht
sich aber nicht darauf, dass die Fremdanamnese und Anleitung bzw. Betreuung jeweils mindestens 10 Minuten dauern muss.
b) Etwas Anderes ergibt sich auch nicht in den 48 Fällen, in denen der Kläger die GOP 21216 EBM neben der GOP 21220 EBM abgerechnet hat.
Die unter dem Gliederungspunkt 21.3 Diagnostische und therapeutische GOPen angeführte GOP 21220 EBM hatte im streitgegenständlichen Quartal folgenden Wortlaut:
Psychiatrisches Gespräch, Psychiatrische Behandlung, Beratung, Erörterung und/oder Abklärung
Obligater Leistungsinhalt
-Dauer mindestens 10 Minuten
-Als Einzelbehandlung
Fakultativer Leistungsinhalt
-Erhebung der biographischen Anamnese zur Psychopathologie unter Berücksichtigung der entwicklungspsychologischen Gesichtspunkte
-Vertiefte Exploration mit differentialdiagnostischer Einordnung eines psychiatrischen Krankheitsbildes
-Syndrombezogene therapeutische Intervention,
- Anleitung der Bezugsperson(en).
Je vollendete 10 Minuten
Bei der Nebeneinanderberechnung der Gebührenordnungspositionen 21210 bis 21212 und 21220 und der Gebührenordnungsposition
21213 bis 21215 und 21220 ist eine Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der
Gebührenordnungsposition 21220.
Bei einer Nebeneinanderberechnung diagnostischer bzw. therapeutischer Gebührenordnungspositionen und der Gebührenordnungsposition
21220 ist eine mindestens 10 Minuten längere Arzt-Patienten-Kontaktzeit als in den entsprechenden Gebührenordnungspositionen
angegeben Voraussetzung für die Berechnung der Gebührenordnungsposition 21220.
Die Gebührenordnungsposition 21220 ist nicht neben den Gebührenordnungspositionen 01210, 01214, 01216, 01218, 16220, 21221
und 30930 bis 30933 und nicht neben den Gebührenordnungspositionen der Abschnitte 30.3, 35.1 und 35.2 berechnungsfähig.
13,78 € 136 Punkte.
Die GOP 21216 EBM ist, wovon auch die Beklagte mit Blick auf die Ausführungen zur notwendigen Dauer der Gespräche in ihrem Schriftsatz
vom 23.08.2022 ausgeht, neben der GOP 21220 EBM abrechenbar. Ausgeschlossen ist nach dem Wortlaut der GOP 21220 EBM die GOP 21220 EBM - nicht die GOP 21216 EBM - bei gleichzeitiger Abrechnung der GOPen 01210, 01214, 01216, 01218, 16220, 21221 und 30930 bis 30933 EBM und
der GOPen der Abschnitte 30.3, 35.1 und 35.2 EBM. Bezüglich einer Nebeneinanderberechnung diagnostischer bzw. therapeutischer
GOPen, wozu die GOP 21216 EBM gehört, normiert die GOP 21220 EBM, dass eine mindestens 10 Minuten längere Arzt-Patienten-Kontaktzeit als in den entsprechenden GOPen angegeben Voraussetzung
für die Berechnung der GOP 21220 EBM ist. Dies bedeutet, dass es mit Blick auf die gleichzeitig abgerechnete diagnostische bzw. therapeutische GOP - hier die GOP 21216 EBM - bei der Möglichkeit der Abrechnung und der dort angegebenen notwendigen Gesprächsdauer verbleibt. Angesichts
dieser klaren Regelung überzeugt den Senat die Kommentierung von Wezel/Liebold, wonach die Erhebung der Fremdanamnese sowie
ggf. die Anleitung und Führung der entsprechenden Bezugspersonen (GOP 21216 EBM) neben der GOP 21220 EBM nicht zusätzlich berechnungsfähig sei, nicht. Die Nebeneinanderabrechnung führt zur Erhöhung der Kontaktzeit, einen
Ausschluss sieht die GOP 21220 EBM und auch die GOP 21216 EBM nicht vor. Erhöht wird die Kontaktzeit aber nur hinsichtlich der Abrechnung der GOP 21220 EBM. Ob der Kläger in den 48 Fällen, in denen er die GOP 21216 EBM neben der GOP 21220 EBM abgerechnet hat, die für die Abrechnung der GOP 21220 EBM dann notwendigen mindestens 20 Minuten Arzt-Patienten-Kontaktzeit erfüllt hat, kann der Senat offenlassen. Denn
gestrichen werden könnte in diesem Fall die GOP 21220 EBM, nicht jedoch die hier streitige GOP 21216 EBM.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beRt auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
5. Die Revision wird zugelassen (§
160 Abs.
2 SGG).