Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Keine Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt
aufgrund fehlender Eilbedürftigkeit
Gründe
I.
Streitig ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers und Beschwerdeführers gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt
gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Der 1964 geborene Antragsteller bezieht vom Antrags- und Beschwerdegegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Nachdem der Antragsteller den Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung vom 22.07.2014 nicht unterzeichnet hatte, erließ der
Antragsgegner den Eingliederungsverwaltungsakt vom 21.08.2014 mit einer Gültigkeitsdauer vom 21.08.2014 bis 20.02.2015. In
diesem Bescheid ist als Ziel die Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Beseitigung bzw. Reduzierung der Hilfebedürftigkeit
formuliert. Als Unterstützung durch den Antragsgegner ist u.a. festgehalten die "Aufnahme in das Arbeitsmarktprojekt 50 plus",
"Hilfestellung bei der Erstellung von Bewerbungsschreiben, Beratungsangebot, Angebot von Vermittlungsvorschlägen, Trainingsmaßnahmen
und/ oder Arbeitsgelegenheiten je nachdem, ob diese/s Angebot/e für den Leistungsempfänger geeignet ist," wobei die Eignung
von dem persönlichen Ansprechpartner des Jobcenters beurteilt werde. Kosten für Bewerbungen und zu Vorstellungsgesprächen
bei Arbeitgebern könnten grundsätzlich durch das Jobcenter übernommen werden, ebenso wie die Kosten für die Durchführung von
Maßnahmen bei einem Arbeitgeber. Das Jobcenter übernehme Kosten für schriftliche Bewerbungen in Höhe von 5 € und zu Vorstellungsgesprächen
bei Arbeitgebern in angemessener Höhe nach den gesetzlichen Vorgaben. Dies sei jedoch nicht möglich, wenn der Antragsteller
ein anerkannter Rehabilitationsfall sei; in diesem Fall möge er sich zur Beantragung solcher Kosten an seinen zuständigen
Träger der Rehabilitation wenden. Ausgehändigte VLC-Gutscheine (bzw. Fahrkarten) dürften nur für genannte und vereinbarte
Zwecke benutzt werden, jede andere Verwendung sei rechtswidrig und werde zur Anzeige gebracht. Der Antragsteller ist nach
dem Eingliederungsverwaltungsakt verpflichtet, als Eigenbemühungen vier Bewerbungen pro Monat zu veranlassen und auf Verlangen
dem Arbeitsvermittler vorzulegen, an allen Maßnahmen zur Eingliederung, insbesondere dem Arbeitsmarktprojekt 50 plus, mitzuwirken,
sich auf Vermittlungsvorschläge spätestens innerhalb von drei Tagen nach Erhalt positiv mit dem Ziel der Anstellung zu bewerben
und dies nachzuweisen, sich bei Vorstellungsgesprächen angemessen zu verhalten (Erscheinungsbild, Gesprächsführung etc.) und
auf eine Einstellung hinzuwirken, alle Änderungen innerhalb von drei Tagen schriftlich mitzuteilen (z.B. Änderung der Verfügbarkeit
bei der Arbeitsvermittlung; Verlust, Erlangung der Fahrerlaubnis/ des Pkw, Änderung der Telefonverbindung) und seine aktuelle
telefonische und postalische Erreichbarkeit sicherzustellen. Sollte er einen Termin im Jobcenter aus einem wichtigen Grund
nicht einhalten können, werde er diesen rechtzeitig (mindestens zwei Tage vorher) seinem persönlichen Ansprechpartner mitteilen
bzw. einen neuen Termin vereinbaren. Weitere Verpflichtungen betreffen die Anzeige und den Nachweis von Arbeitsunfähigkeit.
Kosten für entsprechende Bescheinigungen könnten nicht übernommen werden, da keine Diagnosen gefordert seien, welche eine
Rechnung begründen würden. Weiter finden sich unter "Rechtsfolgenbelehrung" Ausführungen zur Möglichkeit von Leistungsminderungen
gemäß § 31 bis § 31 b SGB II SGB II bei Verstößen gegen die festgelegten Pflichten. Den Widerspruch des Antragstellers gegen den Verwaltungsakt vom 21.08.2014
wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2014 zurück. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Rechtsanwendung
hätten sich bei Prüfung nicht ergeben. Die vom Antragsteller am 05.11.2014 zum Sozialgericht Regensburg erhobene Klage gegen
den Widerspruchsbescheid vom 20.10.2014 wird unter dem Aktenzeichen S 11 AS 707/14 geführt.
Am 25.08.2014 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Regensburg Klage auf Aufhebung des Verwaltungsakts vom 21.08.2014 erhoben
und hilfsweise bis zur Klärung der Angelegenheit die "aufschiebende Wirkung" beantragt. Die unter dem Aktenzeichen geführte
Klage hat er in einem Erörterungstermin am 08.10.2014 zurückgenommen. Zur Begründung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz
hat er sich darauf berufen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt "in vielen Punkten rechtswidrig und nicht individuell" sei
und seine Auffassung ausführlich dargelegt.
Das Sozialgericht Regensburg hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 25.08.2014 abgelehnt.
Der Antrag sei zulässig, insbesondere auch statthaft, aber nicht begründet. Eine Dringlichkeit für das im Eilverfahren geltend
gemachte Begehren könne die Kammer nicht erkennen. Sofern der Antragsteller den ihm auferlegten Pflichten nicht nachkommen
wolle, könne er Rechtsschutz gegen die dann möglichen Sanktionen suchen. Daneben habe die Kammer Zweifel an einem etwaigen
Erfolg in der Hauptsache. Der Antragsgegner habe nach dem Gesetz die Möglichkeit des Erlasses eines Verwaltungsakts zur Ersetzung
einer Eingliederungsvereinbarung. Ob sich die Kammer der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom
22.09.2009, B 4 AS 13/09 R) oder der offenbar abweichenden Auffassung des 14. Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom 14.02.2013, B 14 AS 195/11 R) anschließe, brauche im Eilverfahren nicht entscheiden werden. Auch im Übrigen habe die Kammer keine ernstlichen Zweifel
an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts.
Gegen den ihm am 10.10.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 17.10.2014 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht
eingelegt und beantragt,
den Beschluss vom 08.10.2014 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Er hat erneut seiner Auffassung Ausdruck
verliehen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt rechtswidrig sei. Außerdem hat er bezweifelt, ob die Teilnahme am Arbeitsmarktprojekt
50 plus "freiwillig sein könne, wie das in einem Flyer dargestellt werde, wenn seine Mitwirkung sanktionsbedroht sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Senats und des Sozialgerichts Regensburg und die Verwaltungsakten
des Beschwerdegegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht Regensburg hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruchs zu Recht abgelehnt.
Der Eilantrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der zwischenzeitlich am 05.11.2014
erhobenen Klage (S 11 AS 707/14) auszulegen und als solcher zulässig, insbesondere auch statthaft. Ein Eingliederungsverwaltungsakt hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung, d.h. er ist sofort vollziehbar. In einem solchen Fall kann gemäß §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nicht begründet. Die Entscheidung beruht auf einer Interessenabwägung.
Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsakts bis zum rechtskräftigen Abschluss
des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung.
Im Rahmen der Abwägung hat neben den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache die Frage der Eilbedürftigkeit
wesentliche Bedeutung. Nur bei offenbarer Rechtswidrigkeit der angegriffenen Regelung ist die Feststellung einer besonderen
Eilbedürftigkeit entbehrlich. In Fällen des § 39 SGB II, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug den Vorrang gegenüber
entgegenstehenden privaten Interessen einräumt, ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung die mit gewichtigen Argumenten
zu begründende Ausnahme (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, Kommentar zum
SGG, 11. Auflage 2014, §
86b Rn. 12c ff).
Für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage besteht danach keine Veranlassung. Von einem offensichtlich rechtswidrigen
Eingliederungsverwaltungsakt, an dessen Vollziehung ein öffentliches Interesse von vornherein kein Interesse besteht, kann
keine Rede sein. Auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II erließ der Antragsgegner einen Eingliederungsverwaltungsakt, nachdem eine Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB II nicht zustande gekommen war. Auch die einzelnen Regelungen in diesem Verwaltungsakt sind nicht offensichtlich rechtswidrig.
Eine besondere Eilbedürftigkeit ist ebenfalls nicht erkennbar. Dem Antragsteller entsteht durch den Sofortvollzug des Eingliederungsverwaltungsakts
kein unmittelbarer Nachteil. Eine Minderung der Grundsicherungsleistungen (Sanktion) gestützt auf den Eingliederungsverwaltungsakt
vom 21.08.2014 ist bislang nicht erfolgt. Sollte der Antragsteller mit diesem Verfahren künftige Sanktionen verhindern wollen,
würde es sich um vorbeugenden Rechtsschutz handeln, der grundsätzlich nur bei Vorliegen eines qualifizierten Rechtsschutzinteresses
dergestalt in Betracht kommt, dass nachträglicher Rechtsschutz nicht ausreicht (vgl. Keller, a.a.O. Vor § 51 Rn. 17a, § 54
Rn. 42a). Gegen Sanktionen ist nachträglicher Rechtsschutz möglich und ausreichend. Die vom Antragsteller begehrte Überprüfung
der Rechtmäßigkeit einzelner Regelungen des Eingliederungsverwaltungsakts vom 21.08.2014 findet im Eilverfahren mangels Dringlichkeit
nicht statt. Sie bleibt der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl. Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom
14.11.2014, L 16 AS 737/14 B ER; Beschluss vom 24.06.2014, L 7 AS 446/14 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).