Gründe:
I. Die Beteiligten stehen im Rahmen des Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß §
73b SGB V in der Fassung vom 3. September 2009 in vertraglichen Beziehungen. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen eine durch das Sozialgericht
München am 3. Dezember 2010 erlassene einstweilige Anordnung, mit der sie verpflichtet worden ist, zurückbehaltenes Honorar
in Höhe von 37.851.631,66 EUR auszubezahlen. Der Antragsteller hat zwischenzeitlich vollstreckt.
Gemäß des zwischen den Beteiligten geschlossenen hausarztzentrierten Versorgungsvertrages gemäß §
73b SGB V i.d.F.v. 3. Sep. 2009 (AOKHzVV) ist die Antragsgegnerin nach Rechnungsstellung der hausärztlichen Honorare zur Zahlung von
drei monatlichen Abschlagszahlungen pro Quartal jeweils zum ersten Bankarbeitstag des Monats für den Vormonat sowie zu einer
Quartalsschlusszahlung an den Antragsteller verpflichtet. Die Schlusszahlung des Quartals ist innerhalb von neunzehn Kalendertagen
nach Eingang der vollständigen Rechnung auszuzahlen. Der Antragsteller hat gegenüber der Antragsgegnerin die für das zweite
Quartal 2010 fällige Schlusszahlungen in Höhe von 75.381.191,37 EUR mit Rechnung vom 27. August 2010 angefordert.
Die Antragsgegnerin verweigerte unter Hinweis auf die sog. Meistbegünstigungsklausel (§ 24 Abs.1 AOKHzVV) die Zahlung eines
Teilbetrages von EUR 37.851.631,66 mit der Begründung, dass zwischen den bayerischen Betriebskrankenkassen und dem Antragsteller
mittlerweile ebenfalls ein Vertrag gem. §
73b SGB V über die hausarztzentrierte Versorgung (BayBKKHzVV) abgeschlossen worden sei, der einen Fallwert pro Patient von 76,00 EUR
zum Inhalt habe. Auf Grund der vereinbarten Meistbegünstigungsklausel sei man berechtigt, den eigenen Fallwert entsprechend
herabzusetzen. Der Vertrag sei am 4. Januar 2010 abgeschlossen worden und zum 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Verhandlungen
hätten kein Ergebnis erbracht, so dass nunmehr eine Einbehaltung geboten gewesen sei.
Mit dem am 28. September 2010 beim Sozialgericht München eingegangenen Antrag begehrte der Antragsteller, den Antragsgegner
im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Schlusszahlungen für das erste und zweite Quartal
2010 ungekürzt auszubezahlen.
Zur Begründung wurde zusammengefasst vorgetragen, dass keine der tatbestandlichen Voraussetzungen der vertraglichen Meistbegünstigungsklausel
vorläge. Diese setze voraus, dass der Antragsteller einen hausarztzentrierten Versorgungsvertrag mit einer anderen Krankenkasse
abschließe, der darin vereinbarte Fallwert aller vertraglichen Leistungen insgesamt niedriger sei als der nach dem AOKHzVV
vereinbarte Fallwert und in beiden Verträgen vergleichbare Vergütungstatbestände vorlägen. Der Antragsteller habe den Vertrag
mit den bayerischen Betriebskrankenkassen vom 4. Januar 2010 nicht "abgeschlossen". Der Vertragsinhalt sei durch die Schiedsperson
gemäß §
73b Abs.
4a SGB V bestimmt worden. Im Übrigen sei der Fallwert nicht "insgesamt niedriger". Die in den BKK-Verträgen festgelegte Fallwertobergrenze
von 76,00 EUR entspreche der unterschiedlichen, nämlich niedrigeren Morbidität der Versicherten der Betriebskrankenkassen
im Vergleich zu den Versicherten der Antragsgegnerin. Die unterschiedliche Morbiditätsquote der Kassenarten, insbesondere
die erhöhte Morbidität der AOK-Versicherten sei ausdrücklich bei der Festsetzung des finanziellen Rahmens von der Schiedsperson
beachtet worden. Anhand der KM6-Statistik sei bei der Schiedsverhandlung festgestellt worden, dass die Morbiditätsstruktur
der Ersatzkassen um 5 % und diejenige der Betriebskrankenkassen um 10 % günstiger sei als die der Antragsgegnerin. Die vorwiegend
als Pauschalen ausgestalteten Vergütungen seien bezogen auf den erforderlichen Leistungsumfang pro Patient somit gleich hoch.
Die Antragsgegnerin erhalte überdies einen Ausgleich durch den Morbiditätsrisikostrukturausgleich. Die Meistbegünstigungsklausel
solle die Vertragspartner vor einer Wettbewerbsverzerrung schützen. Eine Wettbewerbsverzerrung finde auf Grund der vom Schiedsgericht
angewandten morbiditätsbezogenen Fallwertobergrenze gerade nicht statt. Im Übrigen liege keine Vergleichbarkeit der Vergütungen
vor. Der BKK-Fallwert sei erst zum dritten Quartal 2010 in Kraft getreten. Damit bestehe die behauptete Begünstigung schon
aus diesem Grund vor dem 1. Juli 2010 nicht. Erst mit der Festsetzung des BayBKKHzVV durch die Schiedsperson könnten Patienten
und Hausärzte an diesem Vertrag teilnehmen und dann das dort vereinbarte Honorar beanspruchen. § 59 SGB X sei überdies nicht erfüllt. Denn die Durchführung des HzV-Vertrages sei für die Antragsgegnerin auch nicht angesichts der
vom Gesetzgeber vorgesehenen Änderungen im Hinblick auf die Vergütung von hausarztzentrierten Versorgungsverträgen unzumutbar
geworden. Der Entwurf eines Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung
vom 17. September 2009 sehe einen Bestandschutz für bestehende HzV-Verträge, auch soweit sie gekündigt seien, vor. Es sei
darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber in diesem Entwurf zwischen abgeschlossenen und von einer Schiedsperson festgelegten
Verträgen unterscheide. Dem Verhalten der Antragsgegnerin, unter Ausnutzung ihrer Machtposition einen vermeintlichen Anspruch
durchzusetzen, sei Einhalt zu gebieten. Die vertragsärztliche Versorgung werde durch das Prinzip geprägt, Lücken in der Patientenversorgung
zu vermeiden, die dadurch entstünden, dass sich eine Vertragspartei eines Abänderungsanspruches berühme und das vereinbarte
Honorar kürze, ohne dass eine objektive und allseitig verbindliche Entscheidung getroffen worden sei.
Diesem Antrag ist die Antragsgegnerin mit der Begründung entgegengetreten, dass die Meistbegünstigungsklausel des § 24 AOKHzVV
zu einer Reduzierung des vertraglichen Vergütungsanspruches führen müsse. Die Meistbegünstigungsklausel sei geschaffen worden,
um Überzahlungen im Selektivvertragssystem zu Lasten der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Versicherten zu unterbinden
und die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes durch die gesetzlichen Krankenkassen sicherzustellen. Dies umso mehr, als
die Antragsgegnerin die erste Kasse gewesen sei, die mit dem Antragsteller einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen habe.
Zu dieser Zeit habe sich noch kein "Preis" gebildet gehabt. Der Betrag von 37.851.631,66 EUR errechne sich aus dem für das
erste Quartal 2010 geltend gemachten Gesamthonorar des Antragstellers von 201.879.274,12 EUR bzw. 209.185.649,41 EUR für das
zweite Quartal 2010. In Relation zur Zahl der eingeschriebenen Versicherten ließen sich für die Vorquartale unter Berücksichtigung
zulässiger Rückrechnungen durchschnittliche Fallwerte von 83,55 EUR (1/2010) bzw. 83,81 EUR (2/2010) ermitteln. Bezogen auf
den neuen Grenzwert von 76,00 EUR aus dem BayBKKHzVV ergebe sich für das erste Quartal 2010 ein Betrag von 18.350.962,25 EUR
und für das zweite Quartal 2010 ein Betrag von 19.500.669,41 EUR, deren Zahlung der Antragsteller zu Unrecht begehre. § 24
AOKHzVV sei auch für im Schiedsverfahren zu Stande gekommene HzV-Verträge anwendbar. Entsprechend der Regelung in § 123 Abs.2
SGB V sei die Bestimmung durch die Schiedsperson Vertragsabschluss. Schon der Wortlaut des §
24 AOKHzVV spreche gegen die Relevanz der Ausführungen zur Morbiditätsstruktur der eigenen Versicherten. Es fänden sich keine
Anhaltspunkte dafür, dass sich unterschiedliche Morbiditätsstrukturen auf die Anwendung der Meistbegünstigungsklausel auswirken
sollten. Bei beiden Verträgen handele es sich um Vollversorgungsverträge mit überdies gleicher Vergütungsstruktur. Die Vertragsklausel
bezwecke, der Antragsgegnerin den gleichen Preis einzuräumen, wenn der Antragsteller einer anderen Kasse einen günstigeren
Fallwert einräume oder ein solcher durch die Schiedsperson eingeräumt werde.
Mit Beschluss vom 3. Dezember 2010 verpflichtete das Sozialgericht München die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung,
an den Antragsteller den von der am 15. September 2010 im Rahmen des Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten
Versorgung gemäß §
73b SGB V in der Fassung vom 3. September 2009 fälligen Schlusszahlung für das zweite Quartal 2010 einbehaltenen Kürzungsbetrag in
Höhe von insgesamt EUR 37.851.631,66 auszuzahlen durch Zahlung auf das Konto der HÄVG, Hausärztliche Vertragsgemeinschaft
eG (...). Gleichzeitig wurden der Antragsgegnerin die Kosten des Antragsverfahrens auferlegt.
Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, dass ein Anordnungsanspruch vorliege, da die Hauptsacheklage des Antragstellers
offensichtlich zulässig und begründet sei. Nach § 10 Abs.6 BayBKKHzVV trete der dort vereinbarte Fallwert erst ab 1. Juli
2010 in Kraft. Die durch die Honorarminderung zu befürchtenden Nachteile für den Antragsteller und in der Folge für die teilnehmenden
Hausärzte und Patienten ließen auch einen Anordnungsgrund annehmen. Ein anderes Ergebnis würde dazu führen, dass die Antragsgegnerin
die Auszahlung vertraglich vereinbarter Vergütungsanteile rechtswidrig blockieren könne.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Daneben hat sie einen
Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung der Regelungsanordnung gem. §
199 Abs.
2 SGG gestellt (L 12 KA 124/10 ER), der durch Beschluss vom 4. Januar 2011 abgelehnt worden ist.
Die Antragsgegnerin trägt zusammengefasst vor, dass § 24 Abs. 1 AOKHzVV ausdrücklich auf den Abschluss und nicht auf das In-Kraft-Treten
oder die Umsetzung abstelle. Man habe den Vertrag wegen grob vertragswidrigem Verhalten des Antragstellers zum 31. Dez. 2010
gekündigt. Dieser habe die teilnehmenden Hausärzte dazu aufgefordert, das Kollektivvertragssystem durch kollektive Abgabe
von Zulassungsverzichtserklärungen zu verlassen, um "Tarifhoheit" zu erreichen und mittels der entstehenden Versorgungsdefizite
eine günstigere Vergütung zu erzwingen. Der Teilnahme am Selektivvertrag wäre damit ebenfalls der Boden entzogen. Infolge
der Kündigung drohe der Verlust der Ansprüche, weil die Antragstellerin die Zahlungen an die Hausärzte verteile und weitere
Zahlungen aufgrund des AOKHzVV nicht geschuldet würden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 3. Dezember 2010 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung abzulehnen
sowie
die von der Antragsstellerin aufgrund der betriebenen Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts München geleistete
Zahlung in Höhe von 37.892.804,38 EUR zurückzugewähren.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit keine Beschwerdeerwiderung angefordert.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verfahrensakte des Sozialgerichts München sowie auf die
Akten des Bayerischen Landessozialgerichts zum Beschwerde- und Vollstreckungsaussetzungsverfahren Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde erweist sich als nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht München die beantragte Regelungsanordnung
erlassen. Damit ist die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 3. Dezember 2010
zurückzuweisen. Damit war auch ihr im Beschwerdeverfahren gestellter Antrag auf Rückzahlung des streitigen Betrages, den die
Antragstellerin zwischenzeitlich durch Vollstreckung erlangen konnte, abzulehnen.
Nach §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechtes vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Gemäß §
86b Abs.2 Satz 2
SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Vorliegend
handelt es sich um eine Regelungsanordnung, weil die Antragstellerin mit der einstweiligen Anordnung etwas begehrt, was sie
noch nicht hat. Eine solche Regelungsanordnung setzt sowohl einen Anordnungsanspruch (materielles Recht, für das einstweiliger
Rechtsschutz geltend gemacht wird) als auch einen Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, weil ein Abwarten
auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist) voraus, wobei zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
eine Wechselbeziehung besteht. An das Vorliegen eines Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen,
wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Wäre hingegen
die Hauptsacheklage offensichtlich unzulässig oder mit hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet, wäre wegen fehlenden Anordnungsanspruchs
der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund
entscheidende Bedeutung zu. In diesem Fall ist unter der Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen zu prüfen, ob es
zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
Im vorliegenden Fall geht der Senat bei der allein gebotenen summarischen Prüfung davon aus, dass ein Zahlungsanspruch des
Antragstellers auf die Schlusszahlung für das zweite Quartal in voller Höhe besteht, weil sich die vertraglich geschuldete
Vergütung in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2010 nicht auf Grund des §
24 Abs.1 des Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß §
73b SGB V in der Fassung vom 3. September 2009 (AOKHzVV) reduziert hat.
§ 24 Abs.1 AOKHzVV lautet:
"Sollte der BHÄV mit einer anderen Krankenkasse für den Geltungsbereich Bayern einen hausarztzentrierten Versorgungsvertrag
gemäß §
73b SGB V abschließen und der darin vereinbarte Fallwert (alle vertraglichen Leistungen ohne die Einzelleistungen "Tätigkeiten zu Unzeit")
insgesamt niedriger sein als der in Anlage 10 vereinbarte Fallwert, so findet der günstigere Fallwert auf diesen Vertrag ebenfalls
Anwendung. Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass diese Meistbegünstigungsklausel nur für vergleichbare Vergütungstatbestände
gelten kann."
Die Worte "insgesamt" und "Anlage 10" sind drucktechnisch hervorgehoben.
In Anlage 10 AOKHzVV findet sich unter Ziffer VIII. eine mit den Worten "Eventuelle Vergütungsanpassung" betitelte Regelung
folgenden Inhalts:
"AOK und BHÄV sind sich einig, dass der finanzielle Rahmen von 80,09 EUR (durchschnittliche direkte Vergütung des Arztes pro
eingeschriebenen Versicherten/Patient und Quartal) für die Leistungen aus diesem HzV-Vertrag nicht überschritten werden soll.
Wird nach Eingang einer Quartalsabrechnung von AOK und BHÄV festgestellt, dass dieser Finanzrahmen von 80,09 EUR um mehr als
5 % überschritten wird (entspricht mehr als 84,09 EUR, "Grenzwert"), so wird im Folgequartal unter Berücksichtigung der Fallzahlentwicklung
im hausärztlichen Bereich bezogen auf das jeweilige Vorjahresquartal die Besondere Betreuungspauschale soweit angepasst, dass
der Grenzwert von 84,09 EUR erreicht wird."
Im Übrigen enthalten weder der Vertragstext des AOKHzVV noch dessen Anlage 10 eine Regelung, die die Vergütung des Arztes
auf ein Fallwertbudget von 84,09 EUR begrenzt oder die an den Antragsteller zur Verteilung an die teilnehmenden Ärzte geleistete
Gesamtvergütung auf eine entsprechende Vergütungsobergrenze limitiert.
Die Überschreitung des Fallgrenzwertes von 84,09 EUR -bezogen auf alle abgerechneten Behandlungsfälle- löst somit keine unmittelbare
Begrenzung des Vergütungsanspruchs des teilnehmenden Arztes oder des Antragstellers und auch keinen Honorarkürzungsanspruch
aus, sondern beinhaltet nur eine Pflicht zur Anpassung der Vergütungsvereinbarungen durch Verminderung der "Besonderen Betreuungspauschale"
auf ein Niveau, das in der Zukunft eine Einhaltung des Grenzwertes erwarten lässt.
Löst man nun, die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der Meistbegünstigungsklausel des § 24 Abs.1 AOKHzVV zunächst unterstellend,
die dort vorgesehene Rechtsfolge der "Anwendung des günstigeren Fallwerts" (des anderen Vertrags) auf diesen Vertrag (= AOKHzVV)
aus, ergibt sich keine unmittelbare Honorarminderung. Denn zieht man tatsächlich den in §
10 Abs.9 des Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß §
73b SGB V vom 4.1.2010 mit den Betriebskrankenkassen in Bayern (BayBKKHzVV) festgelegten Fallwert von 76,00 EUR heran und setzt diesen
an Stelle des Grenzwertes der Ziffer VIII Anlage 10 AOKHzVV von 84,09 EUR, folgt daraus -ab Feststellung der Überschreitung
nach Eingang der Quartalabrechnung- nur eine vertragliche Pflicht zur Anpassung einer Gebührenordnungsposition mit Wirkung
für das Folgequartal. Eine Anpassung setzt ein Handeln der Vertragsparteien durch einvernehmliche, ggf. mit Hilfe der Schiedsperson
festgesetzte Vertragsänderung voraus. Die Umsetzung erfordert eine Berücksichtigung der Fallzahlentwicklung und mehrere Rechenschritte.
Ein unmittelbares Absinken des Honorars - quasi ein automatisches "sich anpassen" der Höhe der Betreuungspauschale der Anlage
3 - ist nicht Inhalt der Ziff. VIII Anlage 10 AOKHzVV. Die Meistbegünstigungsklausel des § 24 Abs. 1 AOKHzVV vermag einen
Anspruch auf Zustimmung zu einer Vertragänderung nicht zu einem Recht auf einseitige Honorarherabsetzung umzuformen.
Davon abgesehen setzt § 24 Abs. 1 AOKHzVV die Wirksamkeit des niedrigeren Fallwertes durch Zustandekommen eines Vertrages
und zusätzlich sein Inkrafttreten voraus. Nach Ansicht des Senats haben die Vertragspartner den Fall der zeitlichen Divergenz
des Abschlusses des günstigeren HzV-Vertrags sowie dessen Inkrafttreten bzw. des Inkrafttretens des niedrigeren Fallwertes
nicht ausdrücklich geregelt. Die Lücke war im Lichte des Vertragsinhaltes und der Ratio der Vereinbarung durch ergänzende
Vertragsauslegung anhand des hypothetischen Parteiwillens zu schließen.
Sinn und Zweck des § 24 Abs.2 AOKHzVV besteht, worauf auch die Antragsgegnerin hinweist, darin, vor Wettbewerbsverzerrungen
zu schützen, die entstehen, wenn eine konkurrierende Krankenkasse einen insgesamt günstigeren Preis als die Antragsgegnerin
eingeräumt erhält. Meistbegünstigung meint damit Gleichstellung mit dem durch die Antragstellerin meistbegünstigten Konkurrenten.
Verzerrend wirkt sich dies im Kassenwettbewerb aber erst dann aus, sobald die konkurrierende Krankenkasse die gleichen Leistungen
zu dem günstigeren Preis beziehen kann. Dies bedeutet, dass nach der Ratio der Regelung die Gleichstellung erst dann ausgelöst
wird, wenn die günstigeren Vergütungspflichten zugunsten des Konkurrenten wirken, mithin die selektivvertragliche Vergütungspflicht
in Kraft getreten ist.
Hinzu tritt, dass der Charakter der Selektivvertrages erkennbar darauf gerichtet ist, fortlaufend zu erbringende hausärztliche
Leistungen zu vergüten, wobei dem Antragsteller die Aufgabe zugedacht ist, die erhaltene Gesamtvergütung - insoweit einer
Abrechnungsstelle gleich - zeitnah und grundsätzlich vollständig an die teilnehmenden Hausärzte auszukehren. Mit dieser Zuweisung
der gegenseitig übernommenen Aufgaben lässt sich ein Wille zur zeitlich rückanknüpfenden Honorarabsenkung und auch eine Pflicht
zur rückanknüpfenden Anpassung des bereits ausgekehrten Honorars nur dann annehmen, wenn sich eine solche Pflicht ohne jeden
Zweifel ergibt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, kommen die konkurrierenden Kassen nicht vor dem 1. Juli 2010 in den Genuss
des niedrigeren Fallwertes.
Zwar ist der HzV- Vertrag mit den bayerischen Betriebskrankenkassen zum 4. Januar 2010 abgeschlossen worden. Die festsetzende
Schiedsperson ist Vertragshelfer im Sinne des §
317 BGB. Die Festsetzung ist damit Vertragsabschluss. Auch ist der Vertrag gem. § 16 Abs. 1 BayBKKHzVV bereits zum 1. Januar 2010 in Kraft gesetzt worden. Die Regelung gilt aber ausdrücklich unbeschadet des
nachfolgenden Absatzes 2. § 16 Abs.2 BayBKKHzVV regelt sodann, dass die Anlage 3 erst am 1. Juli 2010 in Kraft tritt. Auch
die Pflichten gemäß den §§ 10 bis 14 gelten erst vom 1. Juli 2010 an.
Der von der Antragsgegnerin herangezogene Fallwert von 76,00 EUR/Behandlungsfall ist in § 10 Abs.9 BayBKKHzVV verfasst. Im
Übrigen lässt § 10 Abs.5 BayBKKHzVV die Vergütungsverpflichtungen der Betriebskrankenkassen erst ab dem Zeitpunkt entstehen,
ab dem mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung eine Bereinigungsregelung nach §
73b Abs.7
SGB V zu diesem HzV-Vertrag getroffen wurde oder das zuständige Schiedsamt den zu bereinigenden Behandlungsbedarf festgelegt hat,
wonach die Krankenkasse vor ihrer Zahlungsverpflichtung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung durch diesen HzV-Vertrag
insoweit befreit ist. Ob dies geschehen ist, ist dem Senat nicht bekannt. Damit ist dieser Fallwert zumindest nicht vor dem
1. Juli 2010 wirksam geworden.
Käme die Antragsgegnerin bereits vor Inkrafttreten des niedrigeren Fallwerts, etwa ab Festsetzung des Vertragsinhaltes durch
die Schiedsperson in den Genuss der Begünstigung, bedeutete dies keinen Anspruch auf Gleichstellung mit dem meistbegünstigten
Konkurrenten, sondern einen Anspruch auf Besserstellung.
Mithin vermag der begünstigende Fallwert des § 10 Abs. 9 BayBKKHzVVV von EUR 76 den Grenzwert der Anlage 10 von EUR 84,09
-vorbehaltlich der erfolgten Bereinigung des BayBKKHzVV - frühestens ab dem 1. Juli 2010 zu ersetzen. Damit könnte nach Eingang
der Quartalsabrechnung des dritten Quartals die Überschreitung des Zielkorridors (76 EUR zzgl. 5 % = 79,80 EUR) festzustellen
sein, was dann die vertragliche Anpassung mit Wirkung ab dem Folgequartal auslöst. Im Falle der Nichteinigung hat diese durch
die Schiedsperson zu erfolgen (vgl. § 19 AOKHzVV). Bis dahin besteht für Honorareinbehalte kein Raum (ausführlich dazu: Beschluss
des Senats vom 3. Juli 2009, L 12 KA 33/09 B ER, juris).
Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, der Antragsgegner habe gröblich Vertragspflichten und Vertragstreuepflichten verletzt,
ändert dies nichts. Denn bis zu einer Vertragsbeendigung bleibt die Antragsgegnerin an die eingegangenen vertraglichen Pflichten
gebunden.
Nach alldem ist das Bestehen eines Anordnungsanspruchs überwiegend wahrscheinlich. Die Antragsgegnerin war zur einseitigen
Honorarkürzung nicht berechtigt. Damit kann dahingestellt bleiben, ob der Fallwert des § 10 Abs.9 BayBKKHzVV "insgesamt niedriger"
ist und einen "vergleichbaren Vergütungstatbestand" im Sinne des § 24 Abs.1 AOKHzVV darstellt.
Mithin ließe sich am Bestehen eines Anordnungsanspruches nur dann zweifeln, wenn der zwischen den Beteiligten geschlossene
öffentlich-rechtliche Vertrag gem. §
73b SGB V wegen qualifizierter Rechtsverstöße nichtig wäre und daraus ein Nichtschulden der Vergütung folgen würde. Dafür ergibt sich
bei summarischer Prüfung kein ausreichender Anhalt.
Angesichts der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens eines Anordnungsanspruches sind an das Bestehen eines Anordnungsgrundes
nur geringe Anforderungen zu stellen. Daher ist dem Interesse des Antragstellers an einer störungsfreien Sicherstellung der
Patientenversorgung auch im Rahmen des Selektivvertragsystems Vorrang einzuräumen gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin,
im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache die Rückforderungsansprüche durchsetzen zu können. Angesichts der Evidenz des Anordnungsanspruchs
ist hinzunehmen, dass die Durchsetzung einer Rückforderung infolge der Auskehrung der gezahlten Vergütungen und aufgrund der
behaupteten Beendigung des Vertrages erschwert sein könnte.
Aus diesen Gründen war die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 3. Dezember 2010
zurückzuweisen. Damit war auch ihr im Beschwerdeverfahren gestellter Antrag auf Rückzahlung der zwischenzeitlich vollstreckten
Forderung abzulehnen.
Die Antragsgegnerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§
197a SGG in entsprechender Anwendung i.V.m. §
154 Abs.1
VwGO).
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§177
SGG).