Grundsicherungsrecht
Prozesskostenhilfe
Vollmachtvorlage im Widerspruchsverfahren
Keine Heilung durch Nachholung im Gerichtsverfahren
1. Ein Verfahrensbevollmächtigter ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X gehalten, im Widerspruchsverfahren auf Aufforderung des Leistungsträgers seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen.
2. Unterlässt er dies, sind seine bisherigen Verfahrenshandlungen unwirksam.
3. Die fehlende Vorlage der Vollmacht kann dann auch nicht mehr nachträglich im sozialgerichtlichen Verfahren geheilt werden.
4. Bei dieser Sachlage fehlt es für die Prozesskostenhilfe an der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht.
Gründe:
Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren
vor dem Sozialgericht Cottbus, mit dem sich der Kläger gegen einen Änderungsbescheid des Beklagten vom 21. Juni 2010 wendet,
mit dem der Beklagte den Leistungsbescheid vom 31. Mai 2010 für die Monate August und September 2010 teilweise aufgehoben
hat, ist zulässig, aber unbegründet.
Nach §
73a Abs.
1 Satz 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) i. V. m. §
114 Satz 1 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht
auf Erfolg zukommt, gebietet Artikel
3 Abs.
1 des
Grundgesetzes (
GG) i. V. m. dem in Artikel
20 Abs.
3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsgrundsatz und der in Artikel
19 Abs.
4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie gegen Akte der öffentlichen Gewalt eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten
und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht
nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht
selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6.
Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - zitiert nach juris -; vom 14. März 2003 - 1 BvR 1998/02 - in NJW 2003, 2976; vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 - in NJW 2000, 1936). Damit muss der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein; hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen,
wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist daher gegeben, wenn das
Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der
Beweisführung überzeugt ist. Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig
ist, muss ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt werden.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze bietet die vorliegende Rechtsverfolgung keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Denn der Beklagte
dürfte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. Juni 2010 zu Recht als unzulässig deshalb verworfen haben, weil der Verfahrensbevollmächtigte
des Klägers im Widerspruchsverfahren trotz Aufforderung des Beklagten seine Bevollmächtigung nicht schriftlich nachgewiesen
haben dürfte. Ein Beteiligter kann sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt nach § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB X zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt.
Der Bevollmächtigte hat nach § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Wenn die Vollmacht auf eine solche behördliche Aufforderung nicht
innerhalb einer dafür gesetzten Frist beigebracht wird, sind die bisherigen Verfahrenshandlungen unwirksam. Der Mangel der
Vollmacht kann auch nicht durch die Vorlage der Vollmacht im gerichtlichen Verfahren geheilt werden (vgl. nur von Wulffen
in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 13, Rn. 4; Weber in Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 13 SGB X, Rn. 8.1; Rixen/Waschull in Diering/Timme/Waschull, Sozialgesetzbuch X, 3. Auflage 2011, § 13, Rn. 8).
Hier dürfte der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers seine Bevollmächtigung nicht schriftlich nachgewiesen haben. Diesen
Nachweis dürfte er einerseits nicht mit der am 29. Juni 2010 zusammen mit der Widerspruchsschrift - mit Telefax - vorgelegten
Vollmacht erbracht haben, weil sich dieser der Bevollmächtigte nicht entnehmen lässt. Aber auch auf das Schreiben des Beklagten
an den Verfahrensbevollmächtigten vom 19. August 2010, mit der der Beklagte den Verfahrensbevollmächtigten dazu aufgefordert
hatte, bis zum 3. September 2010 eine Vollmachtsurkunde vorzulegen, aus der sich der Bevollmächtigte, der Vollmachtgeber und
der Gegenstand der Bevollmächtigung ergeben, dürfte der Verfahrensbevollmächtigte seine Bevollmächtigung nicht schriftlich
nachgewiesen haben. Die am 26. August 2010 - ebenfalls mit Telefax - vorgelegte Vollmacht dürfte nicht geeignet sein, die
Bevollmächtigung nachzuweisen. Denn es dürfte sich bei der mit Telefax übermittelten Originalvollmachtsurkunde - was Datum
und Schriftbild erkennen lassen - um dieselbe Vollmacht handeln, die dem Beklagten bereits am 29. Juni 2010 mittels Telefax
übermittelt worden war mit Ausnahme eines offenkundig nachträglich ergänzten Kanzleistempels. Wer diesen Stempel nachträglich
ergänzt hat, etwa der Verfahrensbevollmächtigte oder die Person, die das Anschreiben vom 26. August 2010 "i. A." unterzeichnet
hat, ist unklar. Ebenso unklar ist, ob die Ergänzung mit Wissen und Zustimmung des Klägers vorgenommen worden ist, wofür sich
indes hier keine Anhaltspunkte ergeben. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob der Verfahrensbevollmächtigte im Innenverhältnis
vom Kläger bevollmächtigt worden ist und die nachträgliche Ergänzung der Vollmachtsurkunde unter bestimmten Voraussetzungen
vielleicht sogar einem Schriftformerfordernis genügen könnte (vgl. zum nachträglichen Ergänzen von Urkunden im Zusammenhang
mit §
126 des
Bürgerlichen Gesetzbuches Hertel in Staudinger,
BGB, §
126, Rn. 130 ff.). Einen schriftlichen Nachweis seiner Bevollmächtigung dürfte der Verfahrensbevollmächtigte nämlich gleichwohl
nicht erbracht haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
73a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, §
177 SGG.