Wirksame Erklärung des Teilanerkenntnisses, Vergleichs oder der Erledigungserklärung durch den Prozessbevollmächtigten im
sozialgerichtlichen Verfahren
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Verfahren L 31 U 508/08 durch übereinstimmende Prozesserklärungen erledigt ist.
Der Kläger begehrte im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Berlin mit Aktenzeichen S 68 U 74/03 die Feststellung, dass wegen eines Arbeitsunfalles vom 03. Februar 2002 über den 03. Mai 2002 hinaus Behandlungsbedürftigkeit
und Arbeitsunfähigkeit als Unfallfolge vorlagen, sowie die Zahlung von Verletztengeld und Verletztenrente. Mit Gerichtsbescheid
vom 27. Juni 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Arbeitsunfallfolgen
über den 03. Mai 2002 hinaus nicht vorlägen.
Gegen den seinem früheren Prozessbevollmächtigten am 05. Juli 2007 zugegangenen Gerichtsbescheid wandte sich der Kläger, nunmehr
vertreten durch Herrn Rechtsanwalt B, mit der Berufung vom 31. Juli 2007. Im Berufungsschriftsatz bezog er sich auf eine vom
Kläger unterzeichnete Prozessvollmacht vom 25. September 2006. Die Vollmacht ermächtigte Rechtsanwalt B ausdrücklich dazu,
den Rechtsstreit u. a. auch durch Vergleich, Verzicht oder Anerkenntnis zu erledigen.
Nach umfangreichen Ermittlungen des Senats übersandte die Beklagte dem Senat einen Schriftsatz vom 19. September 2011, für
dessen Inhalt auf Bl. 487 der Gerichtsakte verwiesen wird. Dort ist u. a. ausgeführt, dass die Beklagte das folgende Anerkenntnis
abgebe:
1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Oktober 2002 - in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2003 - gewährt
die Beklagte dem Kläger ab dem 03. Mai 2002 bis einschließlich 31. August 2010 eine Rente auf unbestimmte Zeit unter Zugrundelegung
einer MdE in Höhe von 20 v. H.
Ab dem 01. September 2010 bis auf weiteres gewährt die Beklagte dem Versicherten - aufgrund einer vorliegenden Stützrentenproblematik
durch einen weiteren Arbeitsunfall eine Stützrente in Höhe von 15 v. H.
2. Als Unfallfolge bis einschließlich 31. August 2010 werden anerkannt: Somatisch nicht objektivierbare Sensibilitätsstörungen,
eine Hals-Rückenmarkschädigung mit subjektiven Missempfindungen (Kribbeln) und Überempfindlichkeiten beider Hände bei körperlicher
Belastung sowie nachts.
Ab dem 01. September 2010 verbleibt es nach dem Wegfall der somatisch nicht objektivierbaren Sensibilitätsstörungen bei einer
Hals-Rückenmarkerkrankung mit Überempfindlichkeit beider Hände und subjektiven Missempfindungen (Kribbeln).
3. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten werden vollständig erstattet.
4. Die Vorschriften der §§ 44, 46 und 48 SGB X finden ausdrücklich Anwendung.
5. Der Rechtsstreit ist damit vollumfänglich erledigt.
Weiter ist ausgeführt, dass die Umsetzung des Anerkenntnisses nach Annahme durch den Kläger erfolge.
Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2011 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt B, direkt an die Beklagte
und bat um Modifizierung des Anerkenntnisses. Weiter ist ausgeführt, dass es dem Prozessbevollmächtigten praktikabeler erschienen
sei, die Korrespondenz direkt mit der Beklagten und nicht über das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zu führen, da dies
zu einer deutlichen Zeitersparnis und einer raschen Erledigung führe, die auch im Interesse der Beklagten sein müsse.
Mit per Fax übersandtem Schreiben vom 26. Oktober 2011, für das auf Bl. 517, 518 der Gerichtsakte verwiesen wird, wandte sich
auch der Kläger bezüglich des Anerkenntnisses vom 19. September 2011 an die Beklagte und beanstandete, dass seine Schmerzen
unberücksichtigt geblieben seien. Er halte es für notwendig, ein algesiologisches Gutachten in Auftrag zu geben.
Daraufhin übersandte die Beklagte dem Senat einen Schriftsatz vom 31. Oktober 2011, dem als Anlage das Schreiben des Prozessbevollmächtigten
des Klägers vom 24. Oktober 2011 beigefügt war, modifizierte das im Schriftsatz vom 19. September 2011 enthaltene Anerkenntnis
und wies darauf hin, dass die übrigen Absätze bzw. Punkte des Anerkenntnisses vom 19. September 2011 von dieser Modifizierung
unberührt blieben.
Unter dem 09. November 2011 übersandte Rechtsanwalt B dem Senat einen Schriftsatz, mit dem er das mit Schriftsatz vom 31.
Oktober 2011 unterbreitete modifizierte Anerkenntnis annahm und ausführte, dass klarstellend davon ausgegangen werde, dass
die Beklagte Verletztengeld zahle, wie von ihr im Anerkenntnis ebenfalls angenommen.
Mit Verfügung vom 21. November 2011 wurde der Rechtsstreit als erledigt behandelt.
Mit Schriftsatz vom 28. August 2012, bei Gericht eingegangen am 31. August 2012, legitimierte sich nunmehr Rechtsanwalt L
für den Kläger und machte geltend, dass entgegen der ursprünglichen Annahme der Rechtsstreit durch das Anerkenntnis vom 31.
Oktober 2011 nicht erledigt worden sei. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger selbst am 26. Oktober 2011 eine höhere MdE
wegen der Schmerzen geltend gemacht habe. Der Kläger persönlich habe mit Schreiben vom 04. August 2012 die Beklagte an die
Erledigung seines Antrages erinnert und von dort lediglich die Nachricht erhalten, dass der Rechtsstreit durch Annahme des
modifizierten Anerkenntnisses durch Schriftsatz des Rechtsanwaltes B vom 09. November 2011 erledigt worden sei. Dies sei jedoch
nicht der Fall, weil der damalige Prozessbevollmächtigte vom Schreiben des Klägers keine Kenntnis gehabt habe. Die Beklagte
habe die persönlichen Einwendungen des Klägers auch nicht in ihre Überlegungen einbezogen, sondern schlicht ignoriert.
Ferner unerledigt geblieben sei die Dauer der Verletztengeldzahlung für die Zeit von 78 Wochen, ggf. zeitlich begrenzt bis
zur Beendigung der Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Inhaftierung des Klägers in R am 06. Mai 2003. Das abgegebene Teilanerkenntnis
könne nicht überzeugen. Die Beklagte müsse sich entgegenhalten lassen, dass der Kläger Herrn Rechtsanwalt B von seinem Anschreiben
vom 26. Oktober 2011 nicht in Kenntnis gesetzt habe und dieser deshalb offensichtlich das modifizierte Anerkenntnis am 09.
November 2011 angenommen habe. Dies weil die Beklagte aufgrund des Schreibens des Klägers vom 26. Oktober 2011 gewusst habe,
dass dieser mit dem Anerkenntnis nicht einverstanden gewesen wäre. Die Interpretation des Sachverhalts im vorliegenden Fall
ergebe, dass der Sachbearbeiter der Beklagten bei seinem modifizierten Anerkenntnis vom 31. Oktober 2011 das Anschreiben des
Klägers vom 26. Oktober 2011 bewusst unterschlagen und damit auch den Antrag auf Höherstufung der MdE bewusst übergangen habe.
Der Schriftsatz des Klägers vom 04. August 2012, mit dem er die Beklagte an die Erledigung seines Antrages vom 26. Oktober
2011 erinnert habe, sei gleichzeitig die Anfechtung seiner eigenen Annahmeerklärung, abgegeben durch Herrn Rechtsanwalt B
wegen arglistiger Täuschung nach §
123 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB). Selbst wenn man eine arglistige Täuschung nicht bejahen würde, sei das angenommene Anerkenntnis nach den Umständen widerlegt,
weil noch vor dem Zeitpunkt des Anerkenntnisses die eigene Willenserklärung des Klägers vom 26. Oktober 2011 unerledigt geblieben
sei. Nach Klärung des wirklichen Sachverhaltes, insoweit habe der Senat zu ermitteln, weshalb der Kläger Herrn Rechtsanwalt
B von seinem eigenen Schreiben nicht in Kenntnis gesetzt habe, werde sich jedenfalls ergeben, dass der Kläger eine Erledigungserklärung
habe nicht abgeben wollen. Nach §
169 BGB wirke eine Prozessvollmacht für bestimmte Willenserklärungen nicht gegenüber einem bösgläubigen "Geschäftsgegner", hier gegenüber
der Beklagten. Sowohl im Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt als auch im Außenverhältnis sei eine Teilbeschränkung
der Prozessvollmacht nach §§
73 Abs.
6 Satz 7,
83 Zivilprozessordnung (
ZPO) möglich, wenn es um die Annahme eines Anerkenntnisses gehe. Eine Erledigung des Rechtsstreits könne auch deshalb nicht angenommen
werden, weil ein wirksamer Prozessvergleich über die Schmerzkrankheit des Klägers nicht geschlossen worden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Verfahren L 31 U 508/08 fortzusetzen und ein algesiologisches Gutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass der Rechtsstreit L 31 U 508/08 beendet ist.
Der Senat hat am 19. Dezember 2012 einen Erörterungstermin durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben bei der Entscheidung des Gerichts vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Auf den Fortsetzungsantrag des Klägers vom 31. August 2012 im Hinblick auf das Verfahren L 31 U 508/08 war festzustellen, dass dieses Verfahren durch angenommenes (Teil-)Anerkenntnis und beiderseitige übereinstimmende Erledigungserklärungen
beendet ist.
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit im Erörterungstermin vom 19. Dezember
2012 einverstanden erklärt haben.
Der 2. Senat ist für die Entscheidung über die Fortsetzung des Rechtsstreits L 31 U 508/08 zuständig. Dies ergibt eine sinnvolle Auslegung der Geschäftsverteilungspläne seit Erledigung des Rechtsstreites am 09. November
2011. Der 31. Senat hatte seit Juli 2008 keine Eingänge mehr in der Sparte der gesetzlichen Unfallversicherung und hatte lediglich
die Unfallversicherungssachen aus dem 27. Senat als Bestand zu bearbeiten. Die Bearbeitung der im 31. Senat als Bestand anhängigen
Unfallsachen hatte über die Geschäftsverteilungspläne der Jahre 2009, 2010, 2011 und 2012 Bestand. In diesem Zeitraum hatte
der 31. Senat allerdings nur Eingänge in der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht in der Sparte der gesetzlichen Unfallversicherung.
Seit dem 01. Januar 2013 bearbeitet der 31. Senat nur Eingänge der Sparte Grundsicherung für Arbeitsuchende (AS). Sämtliche
Verfahren des 31. Senates wurden deshalb auf den 2. Senat (gleiche Berufsrichterbesetzung wie der 31. Senat) überschrieben.
Die Gerichtsverwaltung hat dem Fortsetzungsantrag vom 31. August 2012 ein Aktenzeichen des 2. Senates zugeteilt, da der 31.
Senat nach dem im Jahre 2012 geltenden Geschäftsverteilungsplan keine Unfallsachen als Eingänge bearbeitet hat. Ob deshalb
tatsächlich ein Aktenzeichen für den 2. Senat zu vergeben war (identische Berufsrichter wie im 31. Senat) und nicht stattdessen
ein Wiederaufnahme-Aktenzeichen für den 31. Senat - als ehemalige Bestandssache des 31. Senates im Hinblick auf seine im Jahre
2012 noch bestehende Unfallversicherungszuständigkeit - zu vergeben gewesen wäre, kann hier im Ergebnis dahinstehen. Denn
zum 01. Januar 2013 wäre das hiesige Unfallversicherungs-Fortsetzungs-Verfahren im 31. Senat ohnehin in den 2. Senat umgeschrieben
worden, da ab dem 01. Januar 2013 der 31. Senat lediglich noch AS-Sachen bearbeitet mit der dort abweichenden Liste der ehrenamtlichen
Richter. Da die Berufsrichter im 2. und 31. Senat ohnehin identisch sind, scheidet eine Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen
Richters - jedenfalls im vorliegenden Fall - von vornherein aus.
In der Sache musste dem Fortsetzungsantrag vom 31. August 2012 der Erfolg versagt bleiben, denn der Rechtsstreit L 31 U 508/08 ist durch angenommenes Teilanerkenntnis und übereinstimmende beiderseitige Erledigungserklärung im Übrigen erledigt. Für
den Fall der Auslegung der erledigenden Schriftsätze als außergerichtlichen Vergleich bestünde die Einrede der rechtsmissbräuchlichen
Fortsetzung.
Vorliegend hat die Beklagte mit den Schriftsätzen vom 19. September und 31. Oktober 2011 im Hinblick auf die vom Kläger in
der Sache geltend gemachten Ansprüche auf Verletztengeld und Verletztenrente ein Teilanerkenntnis abgegeben, das der Kläger
angenommen hat. Insoweit war der Rechtsstreit ohne weiteres nach §§
101 Abs.
2,
153 Abs.
1 SGG erledigt.
Zutreffend weist der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass damit nicht sämtliche denkbaren - jedenfalls
nun vom Kläger geltend gemachten - Ansprüche auf Verletztengeld und Verletztenrente anerkannt worden sind, was zum einen im
Hinblick auf die Dauer der Gewährung von Verletztengeld und zum anderen wegen der Höhe der beanspruchten Verletztenrente ohne
weiteres richtig ist. Dennoch kann das Verfahren vorliegend im Hinblick auf weitergehende Ansprüche auf Verletztengeld und
Verletztenrente nicht fortgesetzt werden. Denn in den Schriftsätzen vom 19. September und 31. Oktober 2011 ist unter Punkt
5. die Erklärung enthalten, dass der Rechtsstreit im Übrigen vollumfänglich erledigt sein sollte. Im Schriftsatz vom 31. Oktober
2011 hat die Beklagte auf diesen Punkt noch einmal ausdrücklich hingewiesen. Dies war auch dem Prozessbevollmächtigten des
Klägers klar, der im Schreiben vom 24. Oktober 2011 direkt an die Beklagte noch einmal darauf hingewiesen hat, dass es ihm
um die schnellstmögliche Erledigung des Rechtsstreites geht. Vor diesem Hintergrund hat er dann mit Schriftsatz vom 09. November
2011 unter Bezugnahme auf das modifizierte Anerkenntnis im Schreiben vom 31. Oktober 2011 dieses angenommen und die im Übrigen
entsprechende Erledigungserklärung abgegeben. Dies bestätigt die Auskunft des früheren Prozessbevollmächtigten vom 18. Januar
2013 (Schriftsatz vom 21. Januar 2013).
Soweit der Rechtsstreit damit nicht nach §
101 Abs.
2, §
153 Abs.
1 SGG erledigt war, ergibt sich die Erledigung aus der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien.
Die übereinstimmende Erledigung als prozessbeendender Tatbestand ist auch in der Sozialgerichtsbarkeit anerkannt (vgl. allgemeine
Meinung Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG,
Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, §
125 Rdnr. 7). Die übereinstimmende Erledigungserklärung ist danach wie in anderen Gerichtsbarkeiten auch eine Prozesshandlung,
die den Rechtsstreit beendet und durch Schriftsatz möglich ist. Da die übereinstimmende Erledigungserklärung Prozesserklärung
ist, gilt die Erledigung auch dann als eingetreten, wenn in der Sache selbst materiell keine Erledigung eingetreten sein sollte.
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die von seinem damaligen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt
B, mit Schriftsatz vom 09. November 2011 abgegebene Erklärung (Teilanerkenntnis und übereinstimmende Erledigungserklärung)
ihn nicht binde, da er mit einer solchen Erklärung nicht einverstanden gewesen wäre. Zum einen ist auf die unbeschränkte Prozessvollmacht
des Rechtsanwaltes B hinzuweisen, die ausdrücklich die Ermächtigung enthält, den Rechtsstreit - u.a. auch durch Anerkenntnis,
Verzicht oder Rücknahme - zu erledigen. Der Kläger muss sich schon deshalb die Erledigungserklärung seines Prozessbevollmächtigten
als bindend entgegenhalten lassen. Auf die Frage, inwieweit eine Prozessvollmacht hätte im Hinblick auf ein Anerkenntnis beschränkt
werden können, kommt es damit nicht an, da eine solche Beschränkung offensichtlich nicht vorgelegen hat. Ebenso wenig liegt
ein Erlöschen der Vollmacht vor, so dass die Regelung des §
169 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) schon deshalb keine Anwendung findet.
Unerheblich bleibt auch, ob und ggf. welche Absprachen es zwischen dem Kläger persönlich und seinem damaligen Prozessbevollmächtigten,
Rechtsanwalt B, gegeben haben mag. Die abgegebene Erklärung seines Prozessbevollmächtigten bindet den Kläger wie eine eigene.
Ein Beteiligter ist selbst dann an die Erklärung gebunden, wenn der Bevollmächtigte sie weisungswidrig abgegeben haben sollte
(Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, §
73 Rn. 73). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Weisungswidrigkeit für den Prozessgegner offensichtlich ist (aaO. m.w.N.).
Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil zwischen dem modifizierten Anerkenntnis vom 31. Oktober 2011 und seiner Annahme
am 9. November 2011 ausreichend Zeit für Besprechungen zwischen dem Kläger und seinem Bevollmächtigten lag. Ermittlungen zu
einer möglichen Weisungswidrigkeit muss die Beklagte nicht anstellen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Teilanerkenntnis der Beklagten vom 31. Oktober 2011 auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Allein die Beklagte entscheidet, welchen Teil der geltend gemachten Ansprüche sie aufgrund des Ermittlungsergebnisses im Verfahren
anerkennen will. Es obliegt dann allein dem Kläger, darüber zu befinden, ob er dieses Anerkenntnis annimmt oder nicht. Hier
hat die Beklagte am 31. Oktober 2011 ein Teilanerkenntnis abgegeben, das ohne Zweifel die Rechtsposition des Klägers zu weiteren
Ermittlungen nicht berücksichtigt hat. Dies ist aber auch in keiner Weise notwendig. Denn die Beklagte entscheidet im Rahmen
pflichtgemäßen Verwaltungshandelns allein darüber, welche Ansprüche sie für begründet hält und welche nicht. Keineswegs musste
die Beklagte aus dem Schreiben vom 26. Oktober 2011 folgern, dass der Kläger kein abweichendes Anerkenntnis annehmen würde.
Sie hat dieses Anerkenntnis zeitlich nach dem Schriftsatz vom 26. Oktober 2011 abgegeben, so dass es allein dem Kläger oblag,
dieses Anerkenntnis zu prüfen und anzunehmen oder nicht. Weder trifft die Beklagte noch das Gericht eine Pflicht zu ermitteln,
welche Kommunikation insoweit zwischen dem Kläger und seinem damaligen Prozessbevollmächtigten stattgefunden hat. Dies ist
für die Wirksamkeit der vom Prozessbevollmächtigten abgegebenen Prozesserklärungen ohne jede Bedeutung. Auch die Beklagte
hat nicht nachzuforschen, ob der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter sich wohl auch ausreichend ausgetauscht hätten.
Damit steht aus der Sicht des Senats fest, dass der Rechtsstreit erledigt ist.
Folgte man der Ansicht des Senates nicht, dass es sich mit den Schriftsätzen vom 19. September, 31. Oktober und 09. November
2011 um ein Teilanerkenntnis und eine beiderseitige Erledigungserklärung gehandelt hat, bliebe die Möglichkeit, die Schriftsätze
als Vergleich auszulegen, was dem Umstand Rechnung tragen könnte, dass die Beklagte möglicherweise eine Verknüpfung zwischen
dem Teilanerkenntnis einerseits und der vollumfänglichen Erledigung des Rechtsstreits andererseits herstellen wollte. Teilte
man diese Auslegung, dass die Beklagte das Teilanerkenntnis ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung nicht abgegeben
hätte, dürfte es sich beim Schreiben vom 19. September in der Fassung vom 31. Oktober 2011 um das Angebot eines Vergleiches
handeln. Insoweit hätte für den Kläger dann nicht die Möglichkeit bestanden, das Teilanerkenntnis ohne die Abgabe einer Erledigungserklärung
anzunehmen. Folgt man einer solchen Auslegung der Schriftsätze, ergibt sich der Abschluss eines - außergerichtlichen - Vergleichs
über die im Verfahren streitigen Ansprüche auf Verletztengeld und Verletztenrente und die Pflicht, den Rechtsstreit im Übrigen
für erledigt zu erklären. Denn für diesen Fall ergibt sich, dass die Beklagte die im Schriftsatz vom 31. Oktober 2011 angebotenen
Leistungen nur für den Fall der Erledigung des Rechtsstreits im Übrigen erbringen wollte. Denn im Schriftsatz vom 19. September
2011 ist unter Punkt 5. vom Erfordernis einer Erledigungserklärung des Rechtsstreits im Übrigen die Rede. Darauf hat die Beklagte
im Schriftsatz vom 31. Oktober 2011 noch einmal ausdrücklich Bezug genommen. Das insoweit modifizierte Vergleichsangebot,
dann fälschlicherweise als Anerkenntnis bezeichnet, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 09. November
2011 angenommen (vgl. zur Abgrenzung zwischen Vergleich und Anerkenntnis: Masuch und Blüggel, SGb 2005, Seite 613 f). Dies ergibt sich zweifelsfrei aus seinem Schriftsatz vom 09. November 2011 und dem vorangegangenen Schriftsatz vom 24.
Oktober 2011 gerichtet an die Beklagte. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat das modifizierte (Vergleichs-)Angebot angenommen
und den Rechtsstreit folgerichtig auch nicht fortgeführt und auf die vom Senat verfügten Erledigungsschriftsätze auch weiter
nicht reagiert. Auch dem Schreiben vom 24. Oktober 2011, das letztlich zur Abgabe des modifizierten Angebots der Beklagten
geführt hat, war zu entnehmen, dass es bei der Modifizierung um die schnelle Beendigung des Rechtsstreits im Ganzen ging.
Jede andere Auslegung wäre hier lebensfremd.
Liegt ein außergerichtlicher Vergleich vor, so erledigt dieser den Rechtsstreit nicht, denn nach §
101 Abs.
1 SGG erledigt nur der zur Niederschrift des Gerichts geschlossene Vergleich den Rechtsstreit. Dies bedeutet aber nicht, dass der
außergerichtliche Vergleich mit seinen gegenseitigen Rechten und Pflichten für das gerichtliche Verfahren bedeutungslos bleibt.
Vielmehr folgt aus dem außergerichtlichen Vergleich dann die Verpflichtung des Klägers, die Erledigung des Rechtsstreites
auch herbeizuführen, wie dies unter Punkt 5. des Schriftsatzes der Beklagten vom 19. September 2011 auch gefordert war. Gibt
der Kläger keine Beendigungserklärung ab, so handelt er wider Treu und Glauben, so dass der Fortsetzung des Rechtsstreits
eine entsprechende Einrede der Beklagten entgegensteht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO., § 101 Rdnr. 18 a). Verpflichtet
sich der Kläger im außergerichtlichen Vergleich daher zur Prozessbeendigung, ist die weitere Prozessführung arglistig und
führt zur Unzulässigkeit der Klage. So liegt der Fall hier.
Dass die Beklagte die Einrede auch geltend macht, ergibt sich aus ihrer Weigerung den Rechtsstreit fortzusetzen, bzw. die
Rechtslage zu überprüfen. Dies hat sie im Erörterungstermin vom 19. Dezember 2012 deutlich gemacht.
Für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Anfechtung der Annahmeerklärung vom 09. November 2011 wegen Willensmängeln ergeben
sich vorliegend keine Anhaltspunkte. Keinesfalls ist der Kläger durch die Beklagte in irgendeiner Weise arglistig getäuscht
worden. Diese hat im modifizierten Angebot vom 31. Oktober 2011 deutlich gemacht, dass sie dem Ansinnen des Klägers im Schreiben
vom 26. Oktober 2011 nicht folgen wollte. Es hätte dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten dann oblegen, das Angebot
nicht anzunehmen. Welche anderen Willensmängel vorgelegen haben sollen, nachdem der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers
die Modifizierung des Angebots mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 noch abgesprochen hat, ist nicht ersichtlich. Eventuelle
Kommunikationsstörungen zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten betreffen nicht das Verfahren und den Vergleichsabschluss,
sondern den Geschäftsbesorgungsvertrag im Verhältnis zwischen dem Kläger und seinem Anwalt und die daraus eventuell folgende
Haftung.
Die Erledigung des Rechtsstreits war damit festzustellen.
Außergerichtliche Kosten für das Fortsetzungsverfahren sind nicht zu erstatten (§
193 SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG nicht vorliegen.