Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Angemessenheit der Unterkunftskosten für eine sog. temporäre Bedarfsgemeinschaft
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner die Gewährung einer Mietsicherheit für die von ihr mit Wirkung ab dem
1. März 2011 angemietete Wohnung in der F. 25 in G., ferner Umzugskosten sowie Kosten für Erstausstattungsgegenstände.
Im März 2010 trennte sich die Antragstellerin von ihrem Ehemann. Nach der Trennung bewohnte sie zunächst eine Wohnung im Haus
ihres Ehemanns auf der Grundlage eines bis zum 15. Februar 2011 befristeten Mietvertrags. Seit dem 30. März 2010 bezieht sie
(mit Unterbrechungen) Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende von dem Antragsgegner (z.B. Bescheide vom 10. Mai 2010).
Unter dem 27. Januar 2011 legte sie bei dem Antragsgegner eine Mietbescheinigung für die Wohnung F. 25 in K. vor. Diese besteht
aus zwei Zimmern, Küche, Bad und Flur mit einer Wohnfläche von 56 qm. Der monatliche Kaltmietzins beläuft sich auf 325,- Euro
und die "kalten" Nebenkosten auf 70,- Euro. Ausweislich der Mietbescheinigung wollten zwei Personen die Wohnung dauerhaft
nutzen. Der Antragsgegner erließ daraufhin unter dem 8. Februar 2011 einen Bescheid, mit dem er feststellte, dass der Umzug
durch Trennung erforderlich sei und ausgehend von dem vorgelegten Mietangebot die Unterkunftskosten für die neue Wohnung angemessen
wären. Die Umzugskosten sowie eine darlehensweise Mietsicherheit würden auf Antrag übernommen. Der Antragsgegner erteilte
ferner die Zusicherung zum Umzug. Es wurde der Zusatz aufgenommen, dass die Zusicherung nur gelte, wenn der Sohn der Antragstellerin,
L. M., die Wohnung mit beziehe. Mit Schreiben vom 15. Februar 2011 beantragte die Antragstellerin die Kosten für einen Umzugswagen
sowie verschiedene Ausstattungsgegenstände. Ausweislich einer Rechnung vom 28. Februar 2011 hatte sie am 26./27. Februar 2011
einen Kleintransporter bei der Autovermietung N. in K. angemietet und dafür 156,30 Euro aufgewendet. Unter dem 7. März 2011
legte die Antragstellerin eine schriftliche Erklärung ihres getrennt lebenden Ehemannes vom 5. März 2011 bei dem Antragsgegner
vor, mit der dieser bestätigte, dass der gemeinsame Sohn jedes zweite Wochenende, einen Teil der Ferien und die Feiertage
bei der Antragstellerin verbringe. Mit Bescheid vom 14. März 2011 lehnte der Antragsgegner die Gewährung der Mietsicherheit,
der Kosten für den Umzugstransporter sowie für Erstausstattungsgegenstände ab, da sich der Sohn nach der vorgelegten Bescheinigung
nur sporadisch bei der Antragstellerin und überwiegend bei seinem Vater aufhalte. Da die Zusicherung zum Umzug nur mit dem
Zusatz erteilt worden sei, dass der Sohn die Wohnung mit beziehe, habe diese keinen Bestand mehr. Mit Bescheid vom 15. März
2011 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende für die Zeit vom 1. März
bis zum 31. Juli 2011; an Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligte er 330,- Euro monatlich. Den gegen diese Bescheide
erhobenen Widerspruch vom 28. März 2011, mit dem die Antragstellerin geltend machte, dass ihr Sohn sich häufiger bei ihr aufhalte,
wies der Antragsgegner durch Bescheid vom 5. Mai 2011 zurück.
Die Antragstellerin hat am 31. Mai 2011 beim Sozialgericht (SG) Hannover (Hauptsache-) Klage erhoben (Az: S 75 AS 2487/11 ER) und gleichzeitig begehrt, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr
eine Mietsicherheit in Höhe von 395,- Euro, Umzugskosten und eine Erstausstattung zu gewähren. Zur Begründung hat sie dort
angegeben, dass ihr Sohn weiterhin beim Kindsvater wohne, sich aber jedes zweite Wochenende, an den Feiertagen und während
eines Teils der Ferien bei ihr aufhalte.
Nach einem Hausbesuch seines Außendienstes am 8. Juni 2011 gewährte der Antragsgegner mit Teilabhilfebescheid vom 9. Juni
2011 einen Betrag in Höhe von 810,- Euro für Erstausstattungsgegenstände. Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2011 hat die Antragstellerin
daraufhin mitgeteilt, dass sie ihr Eilbegehren insoweit für erledigt erklären würde, wenn ihr zuvor Prozesskostenhilfe (PKH)
bewilligt werde.
Mit Beschluss vom 1. Juli 2011 hat das SG Hannover die Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes und von PKH abgelehnt.
Die Gewährung einer Mietsicherheit komme nicht in Betracht, weil die Wohnung unangemessen sei. Insoweit könne der Sohn der
Antragstellerin nicht berücksichtigt werden, da dieser sich nicht in einem ausreichenden Umfang in der Wohnung aufhalte. Im
Hinblick auf die bereits im Februar aufgewendeten Kosten für den Umzug liege keine Eilbedürftigkeit vor. Im Hinblick auf die
Erstausstattung sei das Begehren der Antragstellerin durch den Erlass des Teilabhilfebescheids vom 9. Juni 2011 unzulässig
geworden. Darüber hinausgehend habe die Antragstellerin einen konkreten Bedarf nicht glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin hat gegen den ihren Bevollmächtigten am 5. Juli 2011 zugestellten Beschluss am selben Tag Beschwerde erhoben,
mit der sie unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen ihr Begehren weiterverfolgt. Der Antragsgegner tritt dem Beschwerdebegehren
entgegen und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte des SG Hannover zu
dem Verfahren S 75 AS 2402/11 sowie die von dem Antragsgegner als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
II. Die nach §§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - statthafte und zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist teilweise begründet. Ihr ist im Hinblick auf die begehrte Mietsicherheit
vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz in Form einer Regelungsanordnung nach §
86b Abs
2 Satz 2
SGG zu gewähren. Darüber hinausgehend hat ihr Begehren keinen Erfolg.
Gemäß §
86b Abs.
2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs
- die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist - sowie des Anordnungsgrunds - die Eilbedürftigkeit
der begehrten vorläufigen Regelung - sind glaubhaft zu machen (§
86 Abs.
2 Satz 4
SGG, §
920 Abs.
3 Zivilprozessordnung -
ZPO -). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang
des Verfahrens abzuwarten, hat er Anspruch auf die beantragte Leistung im Wege vorläufigen Rechtsschutzes. Zwar sind im Verfahren
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu prüfen. Ist im Eilverfahren
eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage jedoch nicht möglich, so ist eine Entscheidung auf der Grundlage einer
Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragtellers einerseits und der öffentlichen Belange
des Antragsgegners andererseits vorzunehmen (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG - Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/06 - NVwZ 2005, S. 927 ff).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Regelungsanordnung hinsichtlich der Gewährung
einer Mietkaution nach Maßgabe des § 22 Abs 6 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II - in der hier anzuwendenden und seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und
zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 24. März 2011 (BGBl. I, S. 453/456) auf der Grundlage einer Folgenabwägung vor.
Nach Maßgabe der genannten Vorschrift kann eine Mietkaution bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft
zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen
Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen
Zeitraum nicht gefunden werden kann. Eine Mietkaution soll als Darlehen erbracht werden. Von der vorausgesetzten Notwendigkeit
des Umzuges ist aufgrund der Trennung der Antragstellerin von ihrem Ehemann und des Auslaufens des Mietvertrages für ihre
bisherige Wohnung auszugehen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass
ein Einzug in eine kostenangemessene Wohnung erfolgen soll (vgl. Berlit in: Lehr und Praxiskommentar - SGB II, 4. Auflage 2011, § 22 Rn 158; vgl. ebenfalls LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. September 2007 - L 9 AS 489/07 ER -).
Die Angemessenheit der Wohnkosten ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R -, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R -) in mehreren Schritten zu prüfen: Zunächst wird die angemessene Wohnungsgröße ermittelt. Alsdann ist festzustellen, ob
die Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt.
Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen, wobei diese auf dem Wohnungsmarkt
zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (abstrakte Angemessenheit). Abschließend gilt es festzustellen, ob für den Hilfebedürftigen
eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich ist (konkrete Angemessenheit). Als
Grundlage für die Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße sind die landesrechtlichen Wohnraumförderungsbestimmungen heranzuziehen.
In Niedersachsen sind dies die Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsbestimmungen - WFB - 2003,
Nds. MBl. 2003, S. 580, zuletzt geändert durch Runderlass vom 19. Oktober 2006, Nds. MBl. 2006, S. 973). Nach den WFB ist
bei Mietwohnungen maßgeblich für die Bestimmung der angemessenen Wohnungsgrößen die Anzahl der Haushaltsmitglieder: Bei einem
Ein-Personen-Haushalt ist grundsätzlich eine Wohnfläche von 50 qm, bei einem Zwei-Personen-Haushalt eine solche von 60 qm
angemessen (WFB Nr 11.2).
Der durch die Bescheinigung des getrennt lebenden Ehemannes bestätigte Umfang des Aufenthaltes des Sohnes bei der Antragstellerin
rechtfertigt es allerdings, nach den vom BSG aufgestellten Maßstäben (vgl. Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R -) von einer sog. temporären Bedarfsgemeinschaft auszugehen. Nach dieser Rechtsprechung genügt dafür ein dauerhafter Zustand
in der Form, dass ein Kind mit einer gewissen Regelmäßigkeit länger als einen Tag bei einem Elternteil wohnt, also nicht nur
sporadische Besuche vornimmt. Dieses Verständnis sei angesichts der besonderen Förderungspflicht des Staates für Ehe und Familie
nach Art
6 Abs
1 Grundgesetz -
GG - geboten (vgl. BSG, aaO., Rn 27). Ob und ggf. in welchem Umfang eine sog. temporäre Bedarfsgemeinschaft auch im Bereich der Unterkunftskosten
zu berücksichtigen ist, ist - soweit ersichtlich - bislang höchstrichterlich nicht geklärt (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 36/08 R - Rn 25) und wird auch auf der Ebene der LSG und der SG unterschiedlich beurteilt (vgl. z.B. SG Berlin, Urteil vom 22. April 2010 - S 128 AS 11433/08 -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - L 25 B 2022/08 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Juni 2008 - L 20 B 225/07 AS ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. August 2010 - L 11 AS 105/10 B PKH -; SG Lüneburg, Beschluss vom 26. Juli 2011 - S 45 AS 282/11 ER - mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Im Hinblick auf die grundrechtliche Bedeutung des Schutzes von Ehe und Familie,
d.h. sowohl des Sorgerechts des berechtigten Elternteils wie auch des Umgangsrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils
durch Art
6 GG (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1994 - 1 BvR 1197/93 -) hält der erkennende Senat im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens jedoch angesichts der hier festzustellenden temporären
Bedarfsgemeinschaft eine Erhöhung der Wohnflächengrenzen für geboten. Wenn eine besondere Schutz- und Förderpflicht des Staates
im Hinblick auf die Ausübung des Sorge- und Umgangsrechtes besteht, muss auch grundsicherungsrechtlich sichergestellt sein,
dass die grundgesetzlich geschützten und zu fördernden regelmäßigen Aufenthalte von Kindern bei dem sorge- bzw. umgangsberechtigten
Elternteil stattfinden können. Das heißt, es muss dafür auch ein entsprechender Wohn- und Lebensraum zur Verfügung stehen.
Dass in Fällen der vorliegenden Art von einem erhöhten Unterkunftsbedarf auszugehen ist, hat inzwischen auch der Gesetzgeber
anerkannt. Denn er hat mit dem am 1. April 2011 in Kraft getretenen § 22b Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB II (BGBl. I, S. 453/456) bestimmt, dass eine kommunale Satzung zur Bestimmung der Angemessenheit der Höhe der Aufwendungen für
Unterkunft und Heizung nach Maßgabe des § 22a SGB II den erhöhten Raumbedarf wegen Ausübung des Umgangsrechts im Wege einer Sonderregelung berücksichtigen muss. Zur Konkretisierung
bietet sich es im vorliegenden Einzelfall an, von einem Mittelwert der nach den WFB für einen Haushaltsangehörigen (50 qm)
und für zwei Haushaltsangehörige (60 qm) als angemessen festgelegten Wohnfläche auszugehen. Damit ergibt sich hier ein Wert
von 55 qm, den die neue Wohnung der Antragstellerin mit einer Wohnfläche von 56 qm nur unerheblich überschreitet. Ob in vergleichbaren
Fällen auf dieselbe Art und Weise ein erhöhter Wohnbedarf festzustellen ist bzw. ob und inwieweit bei einem geringeren Aufenthalt
ein geringer und bei einem umfangreicheren Aufenthalt ein höherer Wohnbedarf festzulegen ist, lässt der angerufene Senat ausdrücklich
offen.
Im Hinblick auf die Angemessenheit der für die Unterkunft aufzuwendenden Kosten ist im vorliegenden Einzelfall entsprechend
vorzugehen. Für den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners ist mangels hinreichender Datengrundlagen zur Bestimmung der
angemessenen Unterkunftskosten auf die Werte der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz - WoGG - zurückzugreifen (vgl. dazu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. April 2007 - L 7 AS 495/05 -; vgl. auch BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/08 R - m.w.N.). Für die Stadt K. gilt die Mietstufe III. Nach § 12 WoGG ergibt sich demnach für einen Ein-Personen-Haushalt ein Miethöchstbetrag in Höhe von 330,- Euro, für einen Zwei-Personen-Haushalt
ein solcher in Höhe von 402,- Euro und damit ein Mittelwert in Höhe von 366,- Euro. Dieser ist um einen "Sicherheitszuschlag"
aufzustocken (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R -; Urteil vom 20. August 2009 - B 14 AS 41/08 R -; Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R -), wobei der Senat im vorliegenden Fall 10 Prozent für angemessen hält. Im Ergebnis errechnet sich damit ein Miethöchstbetrag
in Höhe von 402,60 Euro, den die Antragstellerin, die für die neue Wohnung 395,- Euro monatlich (325,- Euro Kaltmietzins sowie
70,- Euro für "kalte" Nebenkosten) aufzuwenden hat, nicht überschreitet. Nicht zur Anwendung gelangen hier die von dem Antragsgegner
im Rahmen seiner Angemessenheitsprüfung wohl herangezogenen "neuen Mietobergrenzen" der Region Hannover, die diese auf der
Grundlage von Mietspiegeln ihrer Mitgliedsgemeinden erstellt haben will. Denn diese beanspruchen eine Gültigkeit erst ab dem
1. Mai 2011. Für bestehende Mietverhältnisse soll eine Anwendung ausdrücklich nicht erfolgen (vgl. www.Hannover.de./Buerger/pres
med/RH pm-2011-03/pm088.html). Die Antragstellerin hatte ihre neue Wohnung jedoch bereits durch Mietvertrag vom 15. Februar
2011 mit Wirkung vom 1. März 2011 angemietet. Es bedarf damit keiner Erörterung, ob die durch die Region Hannover mit Wirkung
ab 1. Mai 2011 festgesetzten Mietobergrenzen den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG ("schlüssiges Konzept") genügen (vgl. z.B. Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R -). Im Ergebnis ist damit von angemessenen Kosten für die neue Wohnung der Antragstellerin auszugehen.
Nicht abschließend festzustellen ist im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens, ob die für einen Anspruch auf Gewährung einer
Mietkaution nach § 22 Abs. 6 SGB II weiterhin erforderliche Zusicherung im notwendigen Umfang vorliegt. Zwar hatte der Antragsgegner mit seinem Bescheid vom
8. Februar 2011 Zusicherungen erteilt. Umfang und Bindungswirkungen sind jedoch fraglich. So erfolgte der Zusatz, dass die
Zusicherung nur gelte, wenn der Sohn der Antragstellerin die Wohnung mit beziehe. Welche Reichweite diese Einschränkung haben
sollte, ist bei summarischer Prüfung nicht abschließend festzustellen. Möglicherweise sollte diese Zusicherung auch gelten,
"soweit" ein Aufenthalt des Sohnes in der Wohnung erfolgen würde. Ebenso kann möglicherweise in dem Bescheid vom 14. März
2011 eine Rücknahme oder ein Widerruf gesehen werden, wenn der Antragsgegner dort ausführt, dass die Zusicherung keinen Bestand
mehr habe. Dagegen hat die Antragstellerin allerdings Widerspruch eingelegt, dem nach §
86a Abs.
1 SGG aufschiebende Wirkung zukommen dürfte, da nicht nachzuvollziehen ist, dass die Voraussetzungen des § 39 SGB II erfüllt sind.
Im Hinblick auf diese Unsicherheiten, deren abschließende Klärung einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss, entscheidet
der angerufene Senat auf der Basis einer Folgenabwägung. Diese geht zu Gunsten der Antragstellerin aus. Denn mit den Grundsicherungsleistungen
für Arbeitsuchende wird das verfassungsrechtlich gewährleistete "soziokulturelle Existenzminimum" abgesichert. Dem Hilfeempfänger
muss es möglich sein, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese zu leben. Die Gewährleistung des bloßen physischen
Existenzminimums reicht nicht aus. Für die Abwägungsentscheidung bedeutet dieses, dass die Antragstellerin zunächst grundsätzlich
eine auf dem Sozialstaatsprinzip (§ 20 Abs. 1
Grundgesetz -
GG -) und der Verpflichtung des Staates zum Schutz der Menschenwürde (Art.
1 Abs.
1 GG) beruhende Position für sich reklamieren kann. Demgegenüber ist das Interesse des Antragsgegners zu berücksichtigen, dass
finanzielle Mittel nur den gesetzlichen Regelungen entsprechend verwendet werden dürfen. Falls die Antragstellerin zu Unrecht
Leistungen nach dem SGB II erhielte, entspräche dies nicht dem Zweck der gesetzlichen Regelungen. Diese nicht zu vernachlässigende Position des Antragsgegners
muss jedoch hinter die grundrechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin zurücktreten, weil es für sie bzw. ihren
Sohn um die Befriedigung existenzieller, vom
Grundgesetz anerkannter Bedürfnisse geht. Insoweit sind - wie bereits ausgeführt - besonders zu berücksichtigen die Schutz- und Förderpflichten
des Staates für Ehe und Familie. In die Abwägung eingestellt hat der angerufene Senat ferner den Umstand, dass der Antragsgegner
der Antragstellerin bereits Kosten für Erstausstattungsgegenstände gewährt hat und damit in gewisser Art und Weise eine "Anerkennung"
der konkreten Wohnsituation erfolgt ist.
Im Ergebnis hat der Antragsgegner damit eine Mietsicherheit nach Maßgabe des § 22 Abs 6 Satz 3 auf Darlehensbasis zu gewähren.
Zwar ist ausweislich des Mietvertrages vom 15. Februar 2011 eine solche in Höhe von 975,- Euro zu erbringen. Da die anwaltlich
vertretene Antragstellerin jedoch ausdrücklich nur einen Betrag in Höhe von 395,- Euro beantragt hat, war auch nur eine dementsprechende
Verpflichtung des Antragsgegners auszusprechen.
Angesichts des existenzsichernden Charakters der beanspruchten Leistung ist von der erforderlichen Eilbedürftigkeit des Begehrens
der Antragstellerin auszugehen.
Keinen Erfolg hat das Begehren der Antragstellerin, den Antragsgegner zur Übernahme von Umzugskosten zu verpflichten. Ausweislich
der vorgelegten Rechnung der Autovermietung N. ergibt sich, dass die Antragstellerin insoweit lediglich 156,30 Euro für die
Anmietung eines Kleintransporters am 26. und 27. Februar 2011 aufgewandt hat. Weitere Aufwendungen sind trotz des gerichtlichen
Hinweises vom 16. Juni 2011 nicht belegt worden. Da die Antragstellerin den genannten Betrag aber schon ganz offensichtlich
vor Einreichung der Rechnung bei dem Antragsgegner am 3. März 2011 bezahlt - auf der Rechnung befindet sich ein Quittungsvermerk
der Antragstellerin, nach dem sie bereits den überschießenden Betrag aus der Anzahlung zurückerhalten habe -, mithin die Kosten
bereits vor der Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes am 31. Mai 2011 aufgewandt hatte, fehlt es an der erforderlichen
Eilbedürftigkeit für dieses Begehren. Denn der Erlass einer einstweiligen Regelung für einen abgelaufenen Zeitraum kommt grundsätzlich
nicht in Betracht. Dass hier eine besondere bzw. eine fortwirkende Notlage gegeben ist, hat die anwaltlich vertretene Antragstellerin
nicht glaubhaft gemacht. Ebenso wenig besteht ein Anspruch gegen den Antragsgegner im Hinblick auf die Gewährung von Erstausstattungsgegenständen
bzw. auf eine entsprechende Kostenübernahme. Aufgrund der durch den Teilabhilfebescheid vom 9. Juni 2011 dafür gewährten Finanzmittel
ist das entsprechende Eilbegehren der Antragstellerin durch Wegfall des Rechtsschutzinteresses unzulässig geworden. Dass über
den gewährten Betrag hinaus ein Bedarf besteht, hat die anwaltlich vertretene Antragstellerin weder glaubhaft gemacht, noch
ist dies ansonsten ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren hat Erfolg, weil die Rechtsverfolgung die Antragstellerin
hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne des §
73a SGG i.V.m. §
114 Zivilprozessordnung -
ZPO - bietet und die Antragstellerin nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
Die Entscheidung über die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten folgt aus §
121 Abs.
2 ZPO, der Verzicht auf Ratenzahlungen aus §
120 Abs.
1 ZPO.
Dieser Beschluss ist nach Maßgabe des §
177 SGG unanfechtbar.