Tatbestand
Die Klägerinnen begehren die Bewilligung von Schülerbeförderungskosten von Juni 2012 bis Dezember 2014.
Die Klägerinnen beziehen zusammen mit ihren Eltern und zwei jüngeren Geschwistern seit Jahren fortlaufend Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie wohnen im C Weg 00, C. Die Klägerin zu 1), geboren am 00.00.2002, besuchte im streitigen Zeitraum zunächst die U-Fördergrundschule,
B Straße 0, C. Im Sommer 2014 wechselte sie zur F Förderschule, L 0, C. Die Klägerin zu 2), geboren am 00.00.2003, und zu
die Klägerin zu 3), geboren am 00.00.2006, besuchten im streitigen Zeitraum die Grundschule N, F Straße 00, C. Bei diesen
Schulen handelt es sich jeweils um die räumlich nächstgelegenen Schulen des jeweiligen Bildungsgangs.
Die Klägerin zu 1) beantragte 2011 erstmals die Übernahme von Schülerbeförderungskosten als Bildungs- und Teilhabeleistung
nach dem SGB II bei dem Beklagten. Mit Bescheid vom 02.12.2011 lehnte dieser den Antrag bestandskräftig ab. Die Klägerin zu 1) beantragte
daraufhin bei dem zuständigen Schulträger die Ausstellung eines Schülertickets nach der SchfkVO NRW. Mit bestandskräftigen
Bescheid vom 09.05.2012 lehnte die Stadt C als Schulträger diesen Antrag ab. Der Schulweg der Klägerin zu 1) zwischen der
Wohnung und dem nächstgelegenen Eingang des Schulgrundstücks liege mit 2,65 km unter der Entfernungsgrenze für Schüler der
Sekundarstufe I von 3,5 km nach § 5 SchfkVO NRW. Die Klägerinnen zu 2) und 3) stellten keinen Antrag auf ein Schülerfahrticket
nach der SchfkVO NRW.
Die Klägerinnen, die zu diesem Zeitpunkt weiterhin zusammen mit ihren Eltern Leistungen nach dem SGB II bezogen (bestandskräftiger Bewilligungsbescheid vom 21.02.2012 für den Zeitraum vom 01.04.2012 bis 30.09.2012), beantragten
sodann beim Beklagten am 28.06.2012 die Kostenübernahme für die Schülerbeförderung gemäß § 28 Abs. 4 SGB II.
Mit (drei) Bescheiden vom 08.08.2012 lehnte der Beklagte die Anträge ab. Es lägen weder objektive noch subjektive Gründe vor,
die eine kostenverursachende Schülerbeförderung notwendig machten. Anhaltspunkte für atypische, nicht von der SchfkVO NRW
berücksichtigte Sachverhalte, lägen nicht vor. Am 11.09.2012 legten die Klägerinnen Widerspruch ein. Die einfache Entfernung
zwischen Schule und Wohnung betrage für die Klägerin zu 1) mehr als 3,5 km und für die Klägerinnen zu 2) und 3) mehr als 2
km. Zumindest sei der durch die Schülerbeförderung entstehende Teilhabebedarf als laufender Härtefallbedarf im Sinne der BVerfG-Entscheidungen
vom 09.02.2010 zu berücksichtigen. Die Mitarbeiterin S der Grundschule N teilte dem Beklagten auf telefonische Nachfrage mit,
die Länge des Schulwegs der Klägerinnen zu 2) und 3) betrage weniger als 2 km und sei nicht gefährlich. Aus diesem Grund sei
den Eltern der Klägerinnen zu 2) und 3) von Seiten der Schulverwaltung mitgeteilt worden, dass sie keinen Antrag auf Ausstellung
eines Schulwegtickets zu stellen bräuchten, da ein solcher Antrag abgelehnt werden würde. Eine Internetrecherche des Beklagten
mit dem google-Routenplaner ergab eine Schulweglänge von 1,7 km. Mit (drei) Bescheiden vom 06.11.2012 wies der Beklagte die
Widersprüche zurück. Der Schulweg der Klägerin zu 1) betrage lediglich 2,65 km, der der Klägerinnen zu 2) und 3) lediglich
1,7 km. Damit seien die nach der SchfkVO NRW auch für § 28 Abs. 4 SGB II maßgeblichen Schwellenwerte von 3,5 km für Schüler der Sekundarstufe I bzw. von 2 km für Schüler der Primarstufe nicht erreicht.
Der Schulweg könne jeweils zu Fuß oder ggf. mit dem Fahrrad bewältigt werden. § 21 Abs. 6 SGB II werde durch die Spezialregelung in § 28 Abs. 4 SGB II verdrängt.
Hiergegen haben die Klägerinnen am 04.12.2012 bei dem Sozialgericht Detmold Klage erhoben. Der sicherste Schulweg, auf den
es maßgeblich ankomme, habe für die Klägerin zu 1) eine Entfernung von 3,2 km und für die Klägerinnen zu 2) und 3) von 2,1
km. Die Klägerinnen, seien auf eine tägliche Beförderung durch ihre Eltern angewiesen. Dies gelte insbesondere für die Klägerin
zu 1), die aufgrund erheblicher Lerndefizite eine Förderschule besuche und deswegen nicht im Stande sei, den Schulweg alleine
zurückzulegen. Die Fahrtkosten, welche allein für die Klägerin zu 1) monatlich rund 40 EUR betrügen, würden von keiner anderen
Stelle übernommen und könnten aus dem Regelbedarf nicht finanziert werden. Einen Kostenübernahmeantrag bei der Stadt C hätten
die Kläger nicht gestellt, weil sie die Voraussetzungen der SchfkVO NRW wohl nicht erfüllten, so dass ihnen von Seiten der
Schule keine Antragsformulare ausgehändigt worden seien.
Die Klägerinnen haben beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 08.08.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 06.11.2012 aufzuheben und den Beklagten
zu verurteilen, die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerinnen für die Schülerbeförderung zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bei der U-Förderschule handele es sich um eine Schule, die das Lernen, die Sprache sowie die emotionale und soziale Entwicklung
fördere. Aus dem Besuch dieser Schule ergebe sich nicht zwangsläufig, dass eine kostenpflichtige Schülerbeförderung notwendig
sei. Konkrete Angaben bezüglich der Lerndefizite sei die Klägerin zu 1) schuldig geblieben. Bei der Entfernung zwischen Wohnung
und Grundschule habe der Beklagte für die Klägerinnen zu 2) und 3) den Weg über den "T" gewählt, der von der Schule als sicher
eingestuft worden sei, durch ein Wohngebiet mit Tempo 30 führe und insgesamt nur 1,7 km betrage. Der von den Klägerinnen zu
2) und 3) geltend gemachte Schulweg über die I Straße, welche eine stark befahrene Straße (Zubringer zur I Straße) sei, sei
nicht sicherer, zumal die I Straße teilweise nicht über einen Bürgersteig verfüge.
Mit Urteil vom 17.03.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Streitgegenstand seien ausschließlich die Schülerbeförderungskosten,
über die isoliert entschieden werden könne. Die Klägerinnen seien nicht auf eine kostenpflichtige Schülerbeförderung angewiesen,
denn unter Berücksichtigung der objektiven und subjektiven Lebensumstände und der maßgeblichen SchfkVO NRW seien diese nicht
erforderlich.
Gegen das den Klägerinnen am 30.03.2015 zugestellte Urteil haben diese am 29.04.2015 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholen
und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Ergänzend führen sie an, auch hinsichtlich der Klägerin
zu 2) seien im streitgegenständlichen Zeitraum kognitive Einschränkungen vorhanden gewesen, weswegen den Eltern auch hinsichtlich
der Klägerin zu 2) geraten worden sei, eine Förderschule aufzusuchen. Das Sozialgericht habe es pflichtwidrig unterlassen,
ärztliche Befundberichte des Kinderarztes Dr. X über die Klägerin zu 1) einzuholen. Zudem sei ein Anspruch entsprechend §
21 Abs. 6 SGB II gegeben. Die Fahrtkosten für die Klägerinnen zu 2) und 3), die die C Straßenbahn benutzt hätten, hätten monatlich je 36,40
EUR betragen. Die Klägerin zu 1) sei zunächst von ihren Eltern mit dem Auto zur Schule und wieder zurückgefahren worden. Hierfür
seien Kosten iHv von monatlich rund 40 EUR entstanden. Ab 2013 sei auch die Klägerin zu 1) mit dem Bus zur Schule gefahren,
so dass auch für sie ein Monatsticket für 36,40 EUR monatlich erworben worden sei.
Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.03.2015 zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 08.08.2012 in Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 06.11.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen jeweils monatlich 36,40 EUR als Kosten
für die Schülerbeförderung ab dem 28.06.2012 bis zum 31.12.2014 zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Die Klägerinnen haben im Berufungsverfahren Großkundentickets für den ÖPNV im Zeitraum vom 01.01.2012 bis 30.11.2013 sowie
die Schulzeugnisse der Klägerin zu 1) ab der Klasse 5 bis zum Abgangszeugnis (9. Klasse) vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte
sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerinnen haben keinen
Anspruch auf die geltend gemachten Schülerbeförderungskosten.
Streitgegenstand des Verfahrens ist neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide ein Anspruch der Klägerinnen auf Erstattung
der Schülerfahrtkosten vom 28.06.2012 bis zum 31.12.2014. Bei den Schülerfahrtkosten handelt es sich um einen gesonderten
Streitgegenstand, der isoliert eingeklagt werden kann (BSG Urteil vom 17.03.2016 - B 4 AS 39/15 R). Die Klägerinnen verfolgen ihr Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage.
Mögliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SGB II in der vom 01.04.2011 bis zum 31.07.2013 bzw. vom 01.08.2013 bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung (gF). Bedarfe für Bildung
und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
neben dem Regelbedarf gesondert berücksichtigt (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung
angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen
werden und es der leistungsberechtigten Person nicht zugemutet werden kann, die Aufwendungen aus dem Regelbedarf zu bestreiten.
Als zumutbare Eigenleistung gilt seit dem 01.08.2013 in der Regel ein Betrag in Höhe von 5 EUR monatlich. Nach § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind Leistungen nach § 28 Abs. 4 SGB II gesondert zu beantragen.
Die Klägerinnen haben die geltend gemachten Leistungen für den gesamten Zeitraum beantragt iSd § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Das Antragserfordernis gilt nicht nur für die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs, sondern auch für dessen Weiterbewilligung
(vgl. BSG Urteil vom 18.01.2011 - B 4 AS 99/10 R). Jedoch ist ein nochmaliger Antrag nicht erforderlich, wenn der Grundsicherungsträger - wie vorliegend - einen Leistungsantrag
abgelehnt hat, ohne die Ablehnungsentscheidung auf einen bestimmten Zeitraum zu beschränken. Eine zeitliche Begrenzung der
beantragten Leistung folgt dann auch nicht aus § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II in der im streitigen Zeitraum gF, wonach die Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt werden sollen. Diese Regelung
betrifft die Leistungsbewilligung und kann auf Ablehnungsbescheide nicht übertragen werden. Bei einer vollständigen Ablehnung
einer Leistung ist über den geltend gemachten Anspruch ohne Begrenzung auf einen Bewilligungsabschnitt zu entscheiden (vgl.
nur BSG Urteil vom 17.02.2015 - B 14 KG 1/14 R mwN). Ob die Antragswirkung wegen wesentlicher Veränderung des maßgeblichen Lebenssachverhalts durch den Schulwechsel der
Klägerin zu 1) und einen mutmaßlichen Wechsel der Klägerin zu 2) auf die weiterführende Schule wegfällt, muss nicht entschieden
werden. Denn unabhängig hiervon stehen den Klägerinnen Schülerfahrtkosten nach § 28 Abs. 4 SGB II bzw. § 21 Abs. 6 SGB II im gesamten streitigen Zeitraum nicht zu.
Die Klägerinnen haben in dem streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf den Regelbedarf iSd § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dies
trifft auf die Klägerinnen zu, denn ihre Eltern sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte gewesen. Sie erfüllten, was zwischen
den Beteiligten zu Recht nicht umstritten ist, die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Klägerinnen lebten mit den Eltern gem. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II in einer Bedarfsgemeinschaft, was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht umstritten ist.
§ 28 Abs. 4 SGB II ist Bundesrecht und als solches nach bundeseinheitlichen Kriterien auszulegen. Die Frage, wann Schüler für den Besuch der
nächstgelegenen Schule auf Schülerbeförderung angewiesen sind, ist daher ausschließlich nach einem bundesrechtlichen Bezugsrahmen
ohne Maßgeblichkeit landesrechtlicher Regelungen zu entscheiden (ausführlich BSG Urteil vom 17.03.2016 - B 4 AS 39/15 R, Juris Rn. 18). Der Begriff der Angewiesenheit auf Schülerbeförderung wird in § 28 Abs. 4 SGB II nicht näher umschrieben. Nach Feststellung des BSG wird indes in allen landesschulrechtlichen Bestimmungen im Bundesgebiet als Maßstab insoweit in erster Linie auf die Entfernung
zwischen dem Wohnort und der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs abgestellt. Deshalb kann nach der Rechtsprechung
des BSG dies hier auch für die Auslegung des Bundesrechts herangezogen werden. Dabei kommt es darauf an, ob dieser Weg zumutbar zu
Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden kann oder ob dies nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich ist, für deren
Benutzung sodann Leistungen zur Schülerbeförderung zu erbringen sind. Die Zumutbarkeit ist anhand der örtlichen Besonderheiten
und/oder der persönlichen Umstände des Schülers zu bemessen. Es ist abzustellen zB auf die Beschaffenheit des zurückzulegenden
Weges, das Verkehrsaufkommen dort, das Alter des Schülers, etwaige körperliche Beeinträchtigungen oder die Erforderlichkeit
des regelmäßigen Transportes größerer Gepäckstücke (BSG Urteil vom 17.03.2016 - B 4 AS 39/15 R, Juris Rn. 23).
Die in Nordrhein-Westfalen geltenden Regelungen zum Anspruch auf Übernahme von Schülerfahrtkosten in §§ 5 und 6 der Verordnung
zur Ausführung von § 97 Abs. 4 Schulgesetz vom 16.04.2005 (Schülerfahrtkostenverordnung - SchfkVO) werden diesen bundesrechtlich
bestimmten Anforderungen gerecht. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SchfkVO NRW entstehen Fahrkosten dann notwendig, wenn der Schulweg
nach § 7 Abs. 1 (kürzester Weg zwischen der Wohnung der Schülerin oder des Schülers und der nächstgelegenen Schule) in der
einfachen Entfernung für die Schülerin oder den Schüler der Primarstufe mehr als 2 km, der Sekundarstufe I sowie der Jahrgangsstufe
10 des Gymnasiums mehr als 3,5 km und der Sekundarstufe II mehr als 5 km beträgt. Unabhängig von der Länge des Schulweges
entstehen Fahrkosten gem. § 6 Abs. 1 SchfkVO NRW notwendig, wenn die Schülerin oder der Schüler nicht nur vorübergehend aus
gesundheitlichen Gründen oder wegen einer geistigen oder körperlichen Behinderung ein Verkehrsmittel benutzen muss. Unabhängig
von der Länge des Schulweges entstehen Fahrkosten gem. § 6 Abs. 2 SchfkVO NRW notwendig, wenn der Schulweg nach den objektiven
Gegebenheiten besonders gefährlich oder nach den örtlichen Verhältnissen für Schülerinnen und Schüler ungeeignet ist. Ein
Schulweg ist nach § 6 Abs. 2 Satz 2 SchfkVO NRW insbesondere dann besonders gefährlich, wenn er überwiegend entlang einer
verkehrsreichen Straße ohne Gehweg oder begehbaren Randstreifen führt, oder wenn eine verkehrsreiche Straße ohne besondere
Sicherung für Fußgänger überquert werden muss. Ein Schulweg ist nach § 6 Abs. 2 Satz 3 SchfkVO NRW nicht besonders gefährlich
oder ungeeignet, wenn innerhalb der Entfernungsgrenzen des § 5 Abs. 2 SchfkVO NRW an seiner Stelle ein anderer Fußweg zumutbar
ist (Schulersatzweg), bei dem diese Gründe nicht vorliegen. Mit diesen Kriterien genügt der Verordnungsgeber des Landes NRW
den Kriterien, die auch bei Anwendung eines bundesrechtlichen Bezugsrahmens bei der Auslegung von § 28 Abs. 4 SGB II gelten. Bei Schülerinnen und Schülern, die keine Einschränkungen iSd § 6 Abs. 2 SchfkVO NRW aufweisen und Schulwegen, die keine Besonderheiten iSd § 6 Abs. 2 SchfkVO NRW aufweisen, hält der Senat
die in § 5 Abs. 2 SchfkVO geregelten Kilometergrenzen auch bei Anwendung eines bundesrechtlichen Bezugsrahmens für zumutbar.
Dies hat zur Folge, dass die Klägerinnen unabhängig davon, welche Länge ihr Schulweg aufweist oder ob sie unter gesundheitlichen
Einschränkungen leiden oder ob der Schulweg besonders gefährlich ist, keinen Anspruch auf Leistungen nach § 28 Abs. 4 SGB II gegen den Beklagten haben. Denn bei einem Schulweg, der die genannten zumutbaren Entfernungsgrenzen übersteigt oder der den
Klägerinnen aus gesundheitlichen Gründen oder wegen einer besonderen Gefährlichkeit nicht zumutbar ist, werden die Aufwendungen
"von einem Dritten übernommen" iSd Ausschlusskriteriums des § 28 Abs. 4 SGB II, weil dann nach derzeitiger und im streitigen Zeitraum in Nordrhein-Westfalen geltender Rechtslage der Schulträger die Fahrtkosten
übernimmt (§ 4 Abs. 1 SchfkVO NRW).
Dem steht nicht entgegen, dass eine Kostenübernahme durch den Schulträger im vorliegenden Fall für den streitbefangenen Zeitraum
nicht erfolgt, weil dieser entsprechende Leistungen bestandkräftig abgelehnt hat bzw. entsprechende Leistungen nicht beantragt
wurden und gem. § 4 Abs. 2 SchfkVO NRW ("Bewilligungszeitraum ist in der Regel das Schuljahr. Der Antrag auf Fahrkostenübernahme
soll unverzüglich zu Beginn des Bewilligungszeitraums beim Schulträger gestellt werden. Eine nachträgliche Übernahme (Erstattung)
der Schülerfahrkosten ist nur möglich, wenn der Antrag spätestens bis zum Ablauf von drei Monaten nach Ende des Bewilligungszeitraums
gestellt wird.") zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats auch nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden
können.
Zwar scheidet nach der Rechtsprechung des BSG die Minderung eines Bedarfs anders als durch tatsächlich zufließendes Einkommen (und Vermögen) aus. Nur eine tatsächlich
zugeflossene Einnahme ist als "bereites Mittel" geeignet, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken; die Anrechnung
einer fiktiven Einnahme zur Bedarfsminderung ist nach dem System des SGB II dagegen ausgeschlossen (BSG Urteile vom 19.08.2015 - B 14 AS 43/14 R und vom 29.11.2012 - B 14 AS 161/11 R mwN). Grundsätzlich kennt das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende - abweichend zu anderen Sozialleistungen (zB
Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach 156 Abs. 1 und 2
SGB III oder Wegfall des Anspruchs auf Krankengeld nach 51 Abs. 3
SGB V) auch kein Ruhen oder einen Wegfall des Leistungsanspruchs, wenn der Hilfesuchende dem Grunde nach einen Anspruch auf eine
vorrangige Leistung hat, diese aber nicht geltend macht. Auch in einem solchen Fall besteht ein Anspruch auf Leistungen (BSG Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R für einen Antrag auf vorzeitige Altersrente; Beschluss des Senats vom 10.07.2015 - L 7 AS 818/15 B ER zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis für einen Eilantrag gegen eine Aufforderung zur Rentenantragstellung). Bei § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II und § 3 Abs. 3 SGB II handelt es sich um Grundsatznormen und nicht um eigenständige Ausschlusstatbestände mit Regelungscharakter, so dass diese
selbst dann nicht als Rechtsgrundlage für die Minderung von Grundsicherungsleistungen herangezogen werden können, wenn andere
Sozialleistungen vorwerfbar nicht in Anspruch genommen werden können (LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 05.10.2012 - L 9 AS 3208/12 ER-B zu einem nicht verfolgten Anspruch auf Unterhaltsvorschuss). Der Grundsicherungsträger kann unter den Voraussetzungen
des § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II (Übergang des Antragsrechts) oder des § 33 SGB II (Übergang von Ansprüchen) anstelle des Anspruchsinhabers Leistungen eines anderen Trägers oder gegen einen Dritten geltend
machen.
Dies gilt jedoch nicht für den Ausschluss von einem Anspruch auf Schülerbeförderungskosten, wenn diese "von Dritten übernommen
werden" iSd § 28 Abs. 4 SGB II. Hierfür ist ausreichend, dass ein anderweitiges Bedarfsdeckungssystem zur Verfügung steht, auch wenn - etwa wegen eines
fehlenden Antrags oder wegen Versäumung einer Antragsfrist - wie hier Leistungen tatsächlich nicht gezahlt werden.
Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit mindestens offen. Die Entstehungsgeschichte der Norm sowie ihr Sinn und Zweck sprechen
für diese Interpretation:
Die Formulierung in § 28 Abs. 4 Satz 1 SGB II, wonach die Berücksichtigung der Aufwendungen nur erfolgt, soweit diese "nicht von Dritten übernommen werden", lässt eine
Auslegung dahingehend, dass ein grundsätzlicher Leistungsanspruch gegen Dritte ausreichend ist, zu. Hierfür spricht, dass
§ 28 Abs. 4 SGB II einerseits "tatsächliche Aufwendungen" erfordert und andererseits einen Anspruchsausschluss vorsieht, wenn die Aufwendungen
von Dritten übernommen werden. Wenn ein Dritter den Bedarf tatsächlich deckt, fehlt es bereits an Aufwendungen der Schülerin
bzw. des Schülers, so dass für die alternativ hierzu erwähnte Übernahme durch Dritte angenommen werden kann, dass ein Leistungsanspruch
dem Grunde nach ausreicht.
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift stützt diese Annahme. § 28 Abs. 4 SGB II wurde ab 01.01.2011 als Bestandteil des "Bildungs- und Teilhabepakets" eingefügt durch Art. 2 Nr. 31 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl I, 453). Die gegenüber der vorherigen Gesetzeslage neue Einführung der Leistung beruht nach der Gesetzesbegründung
ausdrücklich darauf, dass das BVerfG den Bundesgesetzgeber mit Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 2/09; 1 BvL 4/09) dazu verpflichtet hat, hilfebedürftigen Schülerinnen und Schülern mit den für den Schulbesuch notwendigen Mitteln auszustatten,
"soweit insbesondere die Länder im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen dafür keine gleichwertigen Leistungsansprüche
bereithalten" (BT-Drs. 17/4095, 30). Für ein "Bereithalten" genügt es, dass ein Leistungsanspruch dem Grunde nach zur Verfügung
steht, auf eine tatsächliche Geltendmachung durch die betroffenen Schülerinnen und Schüler kommt es nicht an. Diese Interpretation
wird durch die entsprechenden Ausführungen des BVerfG getragen. Das BVerfG hat im Urteil vom 09.02.2010 (Rn. 82) dargelegt,
dass zwar die Länder ihre Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen zu finanzieren haben. Hieraus folge aber keine fürsorgerechtliche
Pflicht, hilfebedürftige Personen, die Schulen besuchen und sonstige Bildungseinrichtungen benutzen, mit den dafür notwendigen
finanziellen Mitteln auszustatten. Weiter führt das BVerfG aus: "Zudem würde erst ein anderweitiger gesetzlicher Anspruch
auf Leistungen zum Lebensunterhalt die Pflicht des Bundes mindern, weil das menschenwürdige Existenzminimum von Verfassungs
wegen durch Rechtsansprüche gewährleistet sein muss. Solche ergänzenden Ansprüche aufgrund von Ländergesetzen sind nicht ersichtlich".
Nach einem weiteren ausdrücklichen Hinweis des BVerfG im Urteil vom 09.02.2010 (Rn. 197) kann der Bundesgesetzgeber "dann
von der Gewährung entsprechender Leistungen absehen, wenn sie durch landesrechtliche Ansprüche substituiert und hilfebedürftigen
Kindern gewährt würden". Da in Nordrhein-Westfalen ein bedarfsdeckender landesrechtlicher Anspruch auf die Übernahme von Schülerbeförderungskosten
besteht, ist mithin auch nach dem Ansatz des BVerfG eine Leistungspflicht des Bundes nicht geboten.
Sinn und Zweck des 28 Abs. 4 SGB II ist es nicht, SGB II-Leistungsbeziehern ein Wahlrecht zu geben, gegen welchen Träger sie einen Anspruch geltend machen wollen. Die Bildungs- und
Teilhabeleistungen sollen Lücken im Bedarfsdeckungssystem schließen. Dort wo diese Lücken nicht bestehen, besteht auch keine
Notwendigkeit, den SGB II-Träger zu Leistungen zu verpflichten.
Ein Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil für Schülerfahrtkosten § 28 Abs. 4 SGB II die speziellere Regelung ist. Da es sich bei den Fahrtkosten zur Schule für ein Kind gerade nicht um einen atypischen Mehrbedarf
handelt, sondern diese Bedarfe in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen regelmäßig auftreten, handelt es sich zudem nicht
um einen besonderen, also atypischen Bedarf iSv § 21 Abs. 6 SGB II (LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 29.06.2012 - L 28 AS 1153/12 B ER). Schließlich ist der Bedarf nicht unabweisbar iSv § 21 Abs. 6 SGB II, da - wie dargelegt - den Klägerinnen bei Notwendigkeit einer Schülerbeförderung ein Kostenerstattungsanspruch gegen den
Schulträger nach der SchfkVO zugestanden hätte, wenn sie ihn geltend gemacht hätten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.