Keine Sozialversicherungspflicht einer Tätigkeit als selbstständiger externer Auftragnehmer im Bereich der Kartographiegestaltung
Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahren (§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) darüber,
ob die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin als Kartograph in der Zeit vom 1.4.2004 bis zum 31.12.2009 der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung
unterlag.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine im Jahr 1998 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in das Handelsregister
des Amtsgerichtes (AG) Paderborn (Registernummer HRB 000, zuvor AG Bielefeld HRB 001) eingetragen ist. Im Streitzeitraum waren (bis zum 13.9.2006) Herr F und sodann Herr T zu ihrem jeweiligen Geschäftsführer
bestellt. Rechtsvorgänger der Klägerin ist ein einzelkaufmännisches Unternehmen, welches unter Graphisches Institut F firmierte.
Nach ihrer Internetpräsenz bietet die Klägerin Kommunen Stadtpläne, Gewerbewegweiser, Stadt- und Gemeindebroschüren, interaktive
Karten für städtische Internetauftritte und Apps sowie Informationssysteme einschließlich einem regelmäßigen Wartungs- und
Servicedienst an. Der vorliegend relevante Bereich der Stadtplanerstellung wird allein durch Anzeigenschaltungen finanziert.
Die Klägerin verfügt über einen diesbezüglich tätigen Außendienst, dessen Aufgabe es ist, Kommunen für die Erstellung eines
(neuen oder überarbeiteten) Stadtplans zu gewinnen. In diesem Fall sichert die Klägerin eine auf Werbeanzeigen basierende
Finanzierung zu, sofern die Kommune ihrerseits gewährleistet, dass der Stadtplan in einer bestimmten Auflage erstellt und
für seine Verbreitung gesorgt wird. Die zur Erstellung des Stadtplans erforderlichen Daten erhält die Klägerin direkt von
der jeweiligen Gemeinde.
Der am 00.00.1971 geborene Beigeladene zu 1) ist ausgebildeter Bürokaufmann und Fotograf. Er wurde zunächst für den Rechtsvorgänger
der Klägerin ab dem 1.8.1996 als "grafischer Zeichner bzw. kaufmännischer Angestellter" in dem durch den Zeugen S geleiteten
Atelierbereich der Klägerin tätig (befristeter Anstellungsvertrag v. 31.7.1996). Dafür erhielt er eine monatliche Vergütung
von zuletzt 2.750,00 DM zuzüglich vermögenswirksamen Leistungen (52,00 DM). Zu seinen arbeitsvertraglichen Aufgaben gehörten
die Fertigung von Firmenspiegel, Kartographien, Reinzeichnungen, Endstufen sowie allgemein graphischen Arbeiten bzw. Tätigkeiten
als Stenotypist, Telefonist und Sachbearbeiter sowie allgemeine Büroarbeiten.
Mit Datum vom 16.9.2003 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) einen sog. Aufhebungsvertrag, in dem es u.a. wie
folgt heißt und auf den im Übrigen Bezug genommen wird:
"1. Herr A ist laut Anstellungsvertrag per 1. August 1996 als grafischer Zeichner bzw. kaufmännischer Angestellte eingestellt
worden.
2. Wegen Umsatzrückgang und dementsprechend geringerem Auftragseingang seit z.B. 2001 sind Umstrukturierungen des Atelierbereichs
notwendig. Dies betrifft insbesondere auch den Bereich Kartographiegestaltung, in dem Herr A tätig ist. Hier ist eine Reduzierung
der Mitarbeiter nicht zu vermeiden. Bei einer betriebsbedingten Kündigung würde Herr A in einer Sozialauswahl ausgewählt werden.
Um diese Kündigung zu vermeiden wird nachfolgender Aufhebungsvertrag vereinbart.
3. Im beiderseitigen Einvernehmen wird das Angestelltenverhältnis zum 31.3.2004 beendet.
4. Der Urlaubsanspruch für 2004 wird bis zum 31.3.2004 genommen.
5. Herr A kann ab 1.4.2004 als externer selbständiger Auftragnehmer für die Kartographiegestaltung tätig werden. Die Firma
verpflichtet sich hiermit:
a) Herrn A ab 1.4.2004 externe Kartographieaufträge in Höhe von insgesamt 2.700,- EUR zuzüglich Mehrwertsteuer mindestens
monatlich zu erteilen.
b) Diese Vereinbarung gilt für einen Mindestzeitraum von zwei Jahren, so dass insofern eine finanzielle Sicherheit für Herrn
A besteht.
c) Diese Vereinbarung kann im beiderseitigen Einvernehmen auch darüber hinaus fortgesetzt werden. Sie kann von beiden Seiten
nach zwei Jahren mit Monatsfrist gekündigt werden.
6. Herr A erhält am letzten Arbeitstag seines Anstellungsverhältnisses seinen bisher genutzten Computer kostenfrei zur eigenen
Verwendung. Die für die Arbeit notwendigen Softwareprogramme werden ihm leihweise zur Verfügung gestellt.
7. Herr A erhält am Tage der Beendigung seines Anstellungsverhältnisses eine einmalige steuerfreie Abfindung von 2.250 EUR
als Überbrückung in die Selbstständigkeit.
8. Herr A schafft eigenständig die Voraussetzungen für diese selbständigen Auftragsausführungen für die Firma und andere zukünftige
Auftraggeber. Dies betrifft selbstverständlich auch die erforderlichen Sach- und Fachkenntnisse hierzu. Herr A wird sich eigenständig
um rechtzeitige Auftragserteilung seitens der Firma bemühen und die Fertigstellung laufender Kartographiegestaltungen rechtzeitig
ankündigen. Die damit verbundenen vereinbarten Fertigstellungstermine einschließlich aller Nebenarbeiten sind einzuhalten.
Abrechnungsgrundlagen sind beigefügt. (Beilage).
9. Alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag sind somit abgegolten.
10. Für die von der Firma in Auftrag gegebenen Aufträge zur Kartographiegestaltung besteht das alleinige Urheberrecht hierfür
bei der Firma.
11. Herr A ist bekannt, dass mit dieser Aufhebungsvereinbarung der Anspruch auf ca. drei Monate Arbeitslosenunterstützung
entfallen kann."
Dabei sollte nach dem Willen der Klägerin dem Beigeladenen zu 1) in Ziff. 6 des Aufhebungsvertrages ein unentgeltliches Nutzungsrecht
an den zur Verfügung gestellten Arbeitsgeräten eingeräumt werden (Zusatz zu Punkt 6 des Aufhebungsvertrages vom 16.9.2003
v. 12.3.2004). Am 1.6.2006 sprach die Klägerin gegenüber dem Beigeladenen zu 1) sodann eine Änderungskündigung zu Ziff. 5a)
des Aufhebungsvertrags mit folgendem Inhalt aus:
"Das Vorhaben der Firma seit Einführung der digitalen Kartographiefertigung, den Bestand an veröffentlichten, handgrafisch
gefertigten Kartenwerken durch digitale Neuanfertigungen auszutauschen, ist heute nahezu abgeschlossen. Wir sehen uns daher
nicht mehr in der Lage, die mit obigem Aufhebungsvertrag vereinbarten Auftragsvergaben an Sie weiterhin in voller Höhe zu
garantieren. Vorsorglich und vereinbarungsgemäß kündigen wir hiermit den Punkt 5a des o.a. Vertrages zum 31.7.2006.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Kündigung des garantierten Auftragsvolumens Sie keineswegs von weiteren Auftragsvergaben
ausschließen soll und dass wir weiterhin großen Wert auf Ihre Mitarbeit legen. [ ...]."
Auf dieser vertraglichen Basis wurde der Beigeladene zu 1) in der Zeit ab dem 1.4.2004 für die Klägerin tätig. Er firmierte
ab dieser Zeit unter "A H" und bot darunter digitale Medien- und Stadtplangestaltung, Photographie und künstlerische Arbeiten
an. Er beabsichtigte die Gestaltung einer eigenen Internetpräsenz, wozu es letztlich allerdings nicht kam.
Nach den übereinstimmenden Angaben der Vertragsparteien stellte der Beigeladene zu 1) der Klägerin für seine Leistungen Rechnungen
in folgendem jährlichen Umfang, nämlich im Jahr 2004 (ab April) in Höhe von brutto 28.615,75 EUR, im Jahr 2005 in Höhe von
brutto 32.443,81 EUR, im Jahr 2006 in Höhe von brutto 23.290,60 EUR, im Jahr 2007 in Höhe von brutto 25.457,20 EUR, im Jahr
2008 in Höhe von brutto 31.005,66 EUR und im Jahr 2009 in Höhe von brutto 23.707,00 EUR. Daneben rechnete der Beigeladene
zu 1) gegenüber weiteren Auftraggeber Beträge in Höhe von 552,10 EUR im Jahr 2007, von 1.697,70 EUR im Jahr 2008 und von 1.823,00
EUR im Jahr 2009 ab.
Die Zusammenarbeit mit der Klägerin endete letztlich zum 31.12.2009. In diesem Zusammenhang wandte sich der Beigeladene zu
1) gegen eine vorsorglich durch die Klägerin ausgesprochene ordentliche Kündigung mit einer Klage zum Arbeitsgericht (ArbG)
Paderborn (3 Ca 2023/09), welches in öffentlicher Sitzung den Zeuge S uneidlich vernahm und mit Urteil vom 18.6.2010 die Klage abwies. Die dagegen
eingelegte Berufung des Beigeladenen zu 1) wurde zurückgewiesen (Landesarbeitsgericht [LAG] Hamm, 14 Sa 1451/10, Urteil v. 12.4.2011). Auf die diesbezüglich beigezogenen Akten wird Bezug genommen.
Am 22.10.2009 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen
Status. Er sei seit dem 1.4.2004 bei der Klägerin tätig, mit der ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestehe. Er arbeite
auf Abruf acht Stunden täglich, mithin 40 Stunden wöchentlich. Bis zum 30.9.2004 habe er einen Gründungszuschuss erhalten.
Er sei zunächst aufgrund eines Anstellungsvertrages beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei zum 16.9.2003 formell beendet
worden. Dem Aufhebungsvertrag lasse sich entnehmen, dass ihm seit dem 1.4.2004 externe Kartographieaufträge in Höhe von insgesamt
2.700,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer zugesichert worden seien. Zum 1.6.2006 sei auch dieser Vertrag gekündigt worden. Er
sei jedoch weiterhin für die Klägerin 40 Stunden in der Woche tätig geworden. Lediglich habe er nicht mehr vor Ort, sondern
zu Hause gearbeitet. Aufgrund seiner zeitlichen Eingebundenheit habe er keine weiteren Auftraggeber annehmen können. Sobald
er ein Angebot erstellt und um Zustimmung der Klägerin gebeten habe, habe diese eine schriftliche Zustimmung abgelehnt. Die
Rechnungen seien von der Klägerin immer wieder gekürzt worden.
Auf Nachfrage der Beklagten ergänzte er seinen Vortrag dahingehend, dass er sowohl während seiner Tätigkeit als Angestellter
als auch später Stadtpläne für verschiedene Gemeinden und Städte erstellt habe. Ansprechpartner sei der Zeuge S gewesen. Er
habe derart viele Aufträge erhalten, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, anderweitig Aufträge anzunehmen. Die Auftragserteilung
sei telefonisch oder per Fax durch den Zeugen S erfolgt. Er habe die gleichen Arbeiten ausgeführt wie zuvor als Angestellter.
Er habe Kartographien gefertigt und diese ggf. nachgearbeitet. Er sei nach Abschluss des Aufhebungsvertrages zunächst von
seiner Wohnung und später von einem Büro aus tätig geworden. Er habe ab dem 1.11.2006 ein Büro in Bad Wünnenberg unterhalten.
Der Zeuge S habe ihm aufgegeben, dass er von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr erreichbar zu sein habe. Das seien die üblichen Geschäftszeiten
gewesen. Ferner sei ihm aufgegeben worden, bis wann er ein Projekt zu bearbeiten habe. Viele Termine seien so eng gesetzt
gewesen, dass sie trotz teilweise erheblichen Zeitaufwands nicht immer hätten eingehalten werden können. Dies könne durch
Schriftverkehr belegt werden. Die regelmäßigen Arbeitszeiten seien von 9.00 Uhr bis 19:00 Uhr (ca. 50 bis 60 Stunden in der
Woche) gewesen. Aufgrund der sehr engen Terminsetzung habe er teilweise in erheblichem Maße Überstunden machen müssen. Es
habe die Abrede bestanden, dass sämtliche an ihn übergebene Karten optimiert, d.h. an die aktuellen Verhältnisse angepasst
werden sollten. Bei Krankheit oder Verhinderung bzw. Urlaub sei der Zeuge S zu informieren gewesen. Eine Vertretung habe es
nicht gegeben. Vom Auftraggeber sei ihm ein PC mit den dazugehörigen Grafikprogrammen zur Verfügung gestellt worden. Zuletzt
habe er sich aufgrund des Verschleißes einen eigenen PC inkl. Bildschirm und Software angeschafft. Er habe Internet, Telefon,
Fax und Pkw gestellt. Der Auftraggeber, vertreten durch den Zeugen S, habe ihm ständig Weisungen erteilt. Dies habe sowohl
die Arbeitsweise als auch die Vorgehensweise, die Durchführung der Korrekturen bzw. die Erstellung der Stadtpläne betroffen.
Es seien enge terminliche Vorgaben gesetzt worden. Er habe mit ehemaligen Mitarbeitern, die nunmehr gleichfalls selbstständig
tätig würden, in verschiedenen Projekten der Klägerin zusammengearbeitet. Die Projekte seien von der Klägerin beauftragt worden.
Zudem habe eine Zusammenarbeit mit angestellten Mitarbeitern vor Ort stattgefunden. Die Abnahme sei vor Ort durch den Zeugen
S oder dessen Assistentin Frau T1 erfolgt. Er habe immer wieder dem Zeugen S Bericht erstatten müssen. Dies habe insbesondere
umfasst, welche Arbeiten noch zu erledigen gewesen seien, an welchen Projekten er beteiligt sei und ob der vorgegebene Zeitplan
habe eingehalten werden können. Aufgrund der finanziellen Abhängigkeit sei er gehalten gewesen, sämtlichen Weisungen von Herrn
S Folge zu leisten.
Die Klägerin teilte auf Anfrage der Beklagten hingegen mit, dass der Beigeladene zu 1) ein eigenes Unternehmen unterhalte.
Dort biete er verschiedene Dienstleistungen an. Sie habe den Beigeladenen zu 1) nur im Bereich digitale Stadtplangestaltung
beauftragt. Im Rahmen dessen habe er für sie digitale Stadtpläne mittels einer Grafik-Software erstellt und/oder bereits bestehende
Pläne korrigiert. Die Tätigkeit habe er ausschließlich in den Geschäftsräumen seines Unternehmens im Mergelweg in Hövelhof
ausgeübt. Bei ihr - der Klägerin - sei ihm kein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden. Dauer, Beginn und Ende der Arbeitszeit
seien ihm nicht vorgeschrieben worden.
Für die Auftragsvergabe stünden mehrere externe Dienstleister zur Verfügung. Der Zeuge S kontaktiere - als dafür zuständiger
Mitarbeiter - bei einem neu zu vergebenden Auftrag die in Betracht kommenden Unternehmen und erkundige sich dort, ob Interesse
an der Übernahme bestehe. Sei dies der Fall, werde über den Preis verhandelt. Werde keine Einigung erzielt, werde ein anderes
Unternehmen in Betracht gezogen. Komme es zur Auftragsvergabe, würden die erforderlichen Unterlagen entweder auf dem Postweg
zugesandt oder bei der Klägerin abgeholt. In welchem zeitlichen Umfang der Beigeladene zu 1) tätig geworden sei, sei ihr unbekannt.
Sie habe keine Arbeitszeiten vorgegeben. Um innerbetrieblich disponieren zu können, werde die voraussichtliche Fertigstellung
abgefragt. Eine Urlaubs-/Krankheitsvertretung sei durch die Klägerin nicht organisiert worden. Es habe keine Pflicht zur höchstpersönlichen
Leistungserbringung bestanden. Die Arbeiten hätten auch durch Mitarbeiter oder Subunternehmer ausgeführt werden können. Durch
den Beigeladenen zu 1) benötigte Materialien seien ein Computer mit Software und Drucker sowie die üblichen Kommunikationsmittel
gewesen. Im Jahr 2003 habe er einmalig einen damals ca. vier Jahre alten PC mit Software erhalten. Darüber hinaus seien keine
Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt worden. Insbesondere sei im Laufe der Jahre keine Ausrüstung mit aktueller Hard- bzw.
Software erfolgt. Der Beigeladene zu 1) habe keine Weisungen, sondern nur projektbezogene Unterlagen und Informationen erhalten.
Die Kontrolle sei durch den Zeugen S nach Übergabe des Produktes erfolgt. Dieser habe auch etwaigen Nachbesserungsbedarf mit
dem Beigeladenen zu 1) abgestimmt. Regelmäßige Berichte habe es nicht gegeben. Die beauftragten Unternehmen hätten das in
Auftrag gegebene Produkt fertiggestellt und es zur Abnahme an den Zeugen S gesandt. Bei zwischenzeitlich auftretenden Fragen
zum Auftragsinhalt oder dessen Umsetzung habe dieser zur Verfügung gestanden. Im Anstellungsverhältnis habe der Beigeladene
zu 1) zusätzlich noch weitere Aufgaben gehabt, nämlich Ablage, Archivpflege, Druckabnahmen, telefonischer Kontakt zu Mitarbeitern
von Stadtverwaltungen etc. Zusätzlich habe er nunmehr noch weitere Geschäftsfelder eröffnet. Die Klägerin reichte zudem exemplarische
Angebote des Beigeladenen zu 1) unter der Firmierung A H und Rechnungen aus den Jahren 2004 bis 2009 zu den Akten, auf deren
Inhalt Bezug genommen wird.
Auf das Anhörungsschreiben vom 1.6.2010, mit welchem die Beklagte die Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen
zu 1) in Aussicht stellte, teilte die Klägerin mit, die Beklagte unterstelle darin zu Unrecht, dass sie die einzige Auftraggeberin
des Beigeladenen zu 1) gewesen sei. Ferner gehe sie unzutreffend davon aus, dass der Beigeladene zu 1) 40 Stunden in der Woche
für sie tätig geworden wäre. Der Beigeladene zu 1) sei in der Dienstleistungsbranche tätig. Sie - die Klägerin - sei nur eine
von mehreren Auftraggebern gewesen. Durchgängige Rechnungsnummern habe er schließlich nicht vorgelegt. Insofern müsse von
weiteren Auftraggebern ausgegangen werden. Ebenfalls unrichtig sei, dass ihm eine persönliche Erreichbarkeit von 9:00 Uhr
bis 17:00 Uhr vorgegeben worden seien. Er habe über seine Zeit frei verfügen können. Ihm habe es freigestanden, Aufträge anzunehmen
oder abzulehnen. Es habe ihm auch freigestanden, nicht erreichbar zu sein. Dann sei der Auftrag an einen anderen Subunternehmer
vergeben worden. Es sei zudem falsch, dass er einem Projektleiter - dem Zeugen S - unterstanden habe, der seine Arbeit kontrolliert
und regelmäßige Berichterstattung eingefordert habe. Der Beigeladene zu 1) habe keine Weisungen erhalten. Es sei auch nicht
richtig, dass er Aufträge per Fax oder Telefon erhalten habe, die er lediglich schriftlich bestätigt habe. Vielmehr sei er
zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert worden. Unzutreffend sei ebenfalls, dass er im Rahmen von teamorientierten Projekten
mit weiteren Mitarbeitern der Klägerin zusammengearbeitet habe. Richtig sei, dass eine Urlaubs-/Krankenvertretung durch die
Klägerin nicht gefordert worden sei. Sie habe gar nicht erfahren, ob er krank oder im Urlaub gewesen sei.
Mit Bescheid vom 16.7.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin als Kartograph
im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ab dem 1.4.2004 mit bestehender Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ausgeübt werde.
Auf die Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.
Dagegen legte die Klägerin am 13.8.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung wiederholte sie ihren bisherigen Vortrag im Anhörungsverfahren
und verwies vertiefend darauf, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr der Beigeladene zu 1) persönlich,
sondern sein Unternehmen beauftragt worden sei. Zuständig für die Auftragsvergabe sei der Zeuge S. Er kontaktiere die Unternehmen,
frage dort Interesse und zeitliche Kapazitäten ab und gebe die Gelegenheit zur Angebotsabgabe. Gelegentlich würden die Angebote
nachverhandelt. Ob sich der Beigeladene zu 1) auf einen Auftrag bewerbe oder nicht, habe er frei entscheiden können. Die Preise
seien nicht vorgegeben, sondern Verhandlungssache gewesen. In der Bearbeitung des angenommenen Auftrags sei der Beigeladene
zu 1) eigenständig vorgegangen. Die Tätigkeiten seien nicht in den Räumlichkeiten der Klägerin erbracht worden. Mitarbeiter
der Klägerin seien nicht in die Auftragsbearbeitung des Beigeladenen zu 1) involviert gewesen. Arbeitszeit und Arbeitsort
seien nicht vorgegeben worden. Die Tätigkeit habe der Beigeladene zu 1) nicht höchstpersönlich ausführen müssen. Ob er Mitarbeiter
beschäftigt habe, sei ihr unbekannt. Sie sei erst wieder bei Fertigstellung des Auftrages involviert worden. Der Zeuge S habe
die Arbeit entgegengenommen und geprüft. Bei der Auftragsvergabe seien ein Zeitraum oder Zeitpunkt der Fertigstellung vereinbart
worden. Sei der Beigeladene zu 1) verhindert gewesen, habe er dies nicht angezeigt. Dies sei erst dann erforderlich gewesen,
wenn der vereinbarte Fertigstellungstermin nicht hätte eingehalten werden können. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Beigeladenen
zu 1) von Aufträgen der Klägerin habe nicht bestanden.
Der Beigeladene zu 1) erklärte, dass der Zeuge S ihm die Aufträge zugeteilt und bei Nichtgefallen sowohl Umfang als auch Preisgestaltung
korrigiert habe. Vertragsverhandlungen habe es nicht gegeben. Mangels anderweitiger Einnahmequelle habe er die Aufträge annehmen
müssen. Er habe eine eigene Homepage gestalten wollen, dieses Vorhaben allerdings aufgrund des Zeitaufwands für die Klägerin
aufgeben müssen. Die weiteren Geschäftsfelder auf seinem Briefkopf bezögen sich auf Planungen und Absichten und seien nicht
in die Realität umgesetzt worden. Die Aufträge seien höchstpersönlich durchgeführt worden. Bereits aufgrund der Preisgestaltung
sei ein Subunternehmereinsatz durch ihn für die Klägerin nicht in Betracht gekommen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 als unbegründet zurück. Auf die Begründung im Bescheid
wird Bezug genommen.
Dagegen hat die Klägerin am 3.1.2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Detmold erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Sie hat ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft.
Ergänzend hat sie nochmals vorgetragen, dass der Beigeladene zu 1) für mehrere Auftraggeber tätig sei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2010 aufzuheben und festzustellen,
dass für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Kartograph für die Klägerin bezogen auf den Zeitraum vom 1.4.2004 bis zum
31.12.2009 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 1) haben jeweils beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat auf ihre Bescheide Bezug genommen. Ergänzend hat sie vorgetragen, für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis
spreche, dass vertraglich für die ersten zwei Jahre Aufträge zugesichert worden seien. Es sei zudem die persönliche Erreichbarkeit
vorgegeben worden. PC und Software seien dem Beigeladenen zu 1) seitens der Klägerin zur Verfügung gestellt worden.
Der Beigeladene zu 1), der mit Beschluss vom 4.5.2011 durch das SG am Verfahren beteiligt worden ist, hat seinen bisherigen Vortrag wiederholt. Ergänzend hat er vorgetragen, dass die nicht
durchgängig nummerierten Rechnungsnummern nicht aussagekräftig seien. Der Zeuge S habe häufig seine Entwürfe nicht akzeptiert
und Korrekturen angewiesen. Die Preise seien oft im Nachgang "zusammengestrichen worden". Als er - der Beigeladene zu 1) -
darauf bestanden habe, zunächst ein Angebot abzugeben, habe der Zeuge S dies als unsinnig abgetan. Die durch das SG angeforderten Steuerbescheide und Unterlagen zum gewährten Existenzgründerzuschuss könnten nicht vorgelegt werden. Zur Bestätigung
der zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben durch den Zeugen S hat der Beigeladene zu 1) Schriftverkehr eingereicht, auf dessen
Inhalt Bezug genommen wird.
Auf Nachfrage des SG hat die Beigeladene zu 4) mitgeteilt, dass kein Vorgang zu einem gewährten Existenzgründerzuschuss existiere.
Das SG hat sodann am 11.7.2012 und am 18.3.2015 Termine zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt und am
18.3.2015 zudem Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen S, N und V A. Auf die jeweiligen Sitzungsniederschriften
wird Bezug genommen. Sodann hat das SG mit Urteil vom 27.1.2016 der Klage stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das der Beklagten am 18.3.2016 und dem Beigeladenen zu 1) am 17.3.2016 zugestellte Urteil haben die Beklagte am 1.4.2016
und der Beigeladene zu 1) am 13.4.2016 jeweils Berufung eingelegt. Beide haben zur Begründung im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen
Vortrag wiederholt.
Der Beigeladene zu 1) erklärt auf Nachfrage des Senats zudem, dass eine Aufstellung der für die Klägerin übernommenen Aufträge
nicht vorgelegt werden könne. Er verfüge über keine Rechnungen aus dem Zeitraum 2004 bis 2009 mehr. Gleiches gelte für seine
Einkommenssteuerbescheide aus diesem Zeitraum. Ein Gewerbe sei nicht angemeldet worden. Die Klägerin habe das Vertragsverhältnis
durch Kündigung vom 29.10.2009 zum 31.3.2010 beendet. Er habe einen Gründungszuschuss in der Zeit vom 1.4.2004 bis zum 30.9.2004
erhalten. Unterlagen dazu hat er nicht vorgelegt.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 1) haben jeweils beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.1.2016 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Auf Nachfrage des Senats hat sie eine Aufstellung der monatlichen, an
den Beigeladenen zu 1) gezahlten Entgelte für den Zeitraum April 2004 bis September 2009 vorgelegt. Aufträge und Rechnungen
an Endkunden könnten nicht vorgelegt werden. Im streitigen Zeitraum habe die Klägerin eine Kartographin in Vollzeit beschäftigt.
Der frühere Geschäftsführer F sei bereits im Jahr 2008 verstorben.
Der Senat hat mit Beschluss vom 28.4.2017 die Beigeladenen zu 2) bis 4) am Verfahren beteiligt. Diese haben keine Anträge
gestellt. Ferner hat der Senat einen Handelsregisterauszug der Klägerin, die Akte des ArbG Paderborn sowie des LAG Hamm, einen
Versicherungsverlauf des Beigeladenen zu 1) und die Gewinnermittlungen des Beigeladenen zu 1) für die Jahre 2004, 2006 bis
2008 beigezogen. Auf den Inhalt der Unterlagen wird jeweils Bezug genommen. Letztlich hat der Senat im Termin zur mündlichen
Verhandlung am 9.1.2019 den Beigeladenen zu 1) angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen S. Auf die
Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie
den Inhalt der beigezogenen Akten und Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 4) in der Sache verhandeln und entscheiden können, da er sie in ordnungsgemäßen
Terminmitteilungen auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
Die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 27.1.2016 haben keinen
Erfolg. Sie sind zulässig aber unbegründet. Die am 1.4.2016 und am 13.4.2016 bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
(LSG NRW) schriftlich eingelegten Berufungen gegen das am 18.3.2016 und 17.3.2016 zugestellte Urteil des SG Detmold vom 27.1.2016
sind zulässig, insbesondere gemäß §§
143,
144 SGG ohne gerichtliche Zulassung statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden (§§
151 Abs.
1, Abs.
3, §
64 Abs.
1, Abs.
2, §
63 SGG).
Die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen zu 1) sind jedoch unbegründet. Die gegen den Bescheid vom 16.7.2010 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2010 erhobene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§
54 Abs.
1 Satz 1 Alt. 1, 55 Abs.
1 Nr.
1,
56 SGG) für das Rechtsschutzbegehren (§
123 SGG) statthaft sowie fristgerecht (§§
87 Abs.
1 Satz 1,
90, 64, 63
SGG) erhoben und auch im Übrigen zulässig. Es fehlt ihr insbesondere auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis, da der Beigeladene
zu 1) im Zeitpunkt seiner Antragstellung die Prüfung eines kurzzeitig danach endgültig beendeten Vertragsverhältnisses begehrt
hat. Das Rechtsschutzinteresse fehlt zwar dann, wenn Umstände vorliegen, die das subjektive oder objektive Interesse an der
Durchführung des Rechtsstreites entfallen lassen (vgl. dazu BSG, Urteil v. 12.7.2012, B 14 AS 35/12 R, SozR 4-1500 § 54 Nr. 28). Dass das Statusfeststellungsverfahren beantragt worden ist, belegt zumindest subjektive Zweifel
am Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, die die Prüfung der Versicherungspflicht
rechtfertigen (vgl. zur Frage des Feststellungsinteresses nach §
7a Abs.
1 SGB IV Pietrek in: jurisPK-
SGB IV, 3. Aufl. 2016, §
7a Rdnr. 91ff.). Das gilt selbst dann, wenn es sich um einen bereits abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit handelt (BSG, Urteil v. 4.6.2009, B 12 KR 31/07 R, juris; Senat, Urteil v. 30.4.2014, L 8 R 744/11, juris; Senat, Urteil v. 11.2.2015, L 8 R 968/10; Senat, Urteil v. 20.4.2016, L 8 R 1136/13, jeweils juris).
Das SG hat die Klage zu Recht als begründet erachtet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.12.2010, mit welchem die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Kranken- und
Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt hat, beschwert
die Klägerin im Sinne des §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten. Die Klägerin kann die Feststellung beanspruchen, dass der
Beigeladene zu 1) anlässlich der für sie in dem Zeitraum vom 1.4.2004 bis zum 31.12.2009 ausgeübten Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung
unterlegen hat.
I. Die begehrte Feststellung findet ihre Grundlage in §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV. Nach dieser Vorschrift können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt,
es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren
zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet.
II. Der nach ordnungsgemäßer Anhörung (§
7a Abs.
4 SGB IV i.V.m. § 24 SGB X) ergangene Verwaltungsakt ist auch im Übrigen in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Beklagte war abweichend von
§
28h Abs.
2 SGB IV für die Feststellung der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) im Rahmen der - hier beantragten - optionalen Statusfeststellung
nach §
7a Abs.
1 Satz 1
SGB IV zuständig (§
7a Abs.
1 Satz 3
SGB IV). Ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung, dem 22.10.2009, ein Verfahren zur Feststellung der
Sozialversicherungspflicht in der streitigen Auftragsbeziehung zur Klägerin mit der Folge einer nach §
7a Abs.
1 Satz 1 a.E.
SGB IV ausgelösten Sperrwirkung nicht eingeleitet (vgl. zur Sperrwirkung des Einzugsstellenverfahrens nach §
28h Abs.
2 SGB IV sowie des Betriebsprüfungsverfahrens nach § 28p
SGB IV BSG, Urteil v. 29.6.2016, B 12 R 5/14 R, juris, Rdnr. 27 m.w.N.).
Insbesondere folgt eine solche nicht aus der durchgeführten Betriebsprüfung (§ 28p Abs. 1
SGB IV). In der Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum 2007 bis 2010 ist das vorliegend relevante Vertragsverhältnis nicht geprüft
worden (Bescheid v. 13.12.2011). Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dies in einer vorangegangenen Betriebsprüfung
geschehen ist. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag des Beigeladenen zu 1) ihm sei ein Existenzgründerzuschuss gewährt
worden. Dies belegende Unterlagen haben weder der Beigeladene zu 1) noch die Beigeladene zu 4) vorgelegt. Insofern ist auch
nicht erkennbar, dass es sich um einen Zuschuss nach § 421l a.F. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) für die vorliegend zu beurteilende Tätigkeit gehandelt hat.
III. Der streitgegenständliche Bescheid ist allerdings materiell rechtswidrig. Unzutreffend hat die Beklagte festgestellt,
dass der Beigeladene zu 1) in seiner für die Klägerin erbrachten Tätigkeit als Kartograph in dem Zeitraum vom 1.4.2004 bis
zum 31.12.2009 einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat. Nach dem Gesamtergebnis der gerichtlichen Ermittlungen ist festzustellen,
dass der Beigeladene zu 1) in der relevanten Auftragsbeziehung zur Klägerin nicht in den streitigen Zweigen der Sozialversicherung
versicherungspflichtig war.
Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt
beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes
Buch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB III).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil der Beigeladene zu 1) vom 1.4.2004 bis zum 31.12.2009 nicht bei der Klägerin
gegen Entgelt (§
14 SGB IV) beschäftigt war. Fehlen - wie im vorliegenden Fall - in Bindungswirkung erwachsene (§
77 SGG) behördliche Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status in einer konkreten Auftragsbeziehung, beurteilt sich
das Vorliegen einer Beschäftigung nach §
7 Abs.
1 SGB IV.
Beschäftigung ist gemäß §
7 Abs.
1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind
eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild
der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil v. 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; Urteil v. 16.8.2017, B 12 KR 14/16 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 31; Urteil v. 31.3.2017, B 12 R 7/15 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 30; Urteil v.30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger
Tätigkeit vgl. BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder
selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt,
in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar,
d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil v. 23.5.2017, B 12 KR 9/16 R, SozR 4-2400 § 26 Nr. 4).
Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom - wahren und wirksamen - Inhalt der zwischen den
Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Auf dieser Grundlage ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses
zum Typus der abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen,
ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil v. 24.3.2016, B 12 KR 20/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 29; Urteil v. 18.11.2015, a.a.O.; Urteil v. 29.7.2015, a.a.O.).
1. Ausgangspunkt der Statusbeurteilung ist demnach das praktizierte Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es sich aus den
getroffenen Vereinbarungen ergibt bzw. - sofern solche nicht festgestellt werden können - aus der gelebten Beziehung erschließen
lässt.
a) Vertragsgrundlage sind zunächst der Aufhebungsvertrag (AV) v. 16.9.2003 i.d.F. der Ziff. 5a des Aufhebungsvertrages betreffenden
Änderungskündigung v. 1.6.2006. Entgegen Ziff. 8 AV wurden keine Abrechnungsgrundlagen erstellt, wie die Klägerin und der
Beigeladene zu 1) übereinstimmend mitgeteilt haben. Hinsichtlich der einzelnen Kartographiegestaltungen erfolgten Beauftragungen
seitens der Klägerin auf der Basis schriftlicher Angebote des Beigeladenen zu 1) und sich bei Bedarf anschließender Konditionsverhandlungen.
aa) Die Vertragsparteien vereinbarten in Ziff. 5 AV, dass der Beigeladene zu 1) für die Klägerin ab dem 1.4.2004 als selbstständiger
externer Auftragnehmer im Bereich der Kartographiegestaltung tätig werde. Diesbezüglich verpflichtete sich die Klägerin in
Ziff. 5a, b AV, ihm zunächst für die Dauer von zwei Jahren externe Kartographieaufträge in Höhe von monatlich mindestens 2.700,00
EUR zzgl. MwSt. zu erteilen. Dieses garantiert seitens der Klägerin anzubietende und durch den Beigeladenen zu 1) abrufbare
Auftragsvolumen galt nach Ziff. 5c AV bis zur Änderungskündigung v. 1.6.2006 zum 31.7.2006. Zur Auftragsdurchführung stellte
die Klägerin dem Beigeladenen zu 1) seinen bis dato genutzten Computer und die erforderlichen Softwareprogramme unentgeltlich
zur Verfügung (Ziff. 6 AV und Schreiben v. 12.3.2004).
bb) Gemäß Ziff. 8 Satz 3 AV hatte sich der Beigeladene zu 1) "eigenständig um rechtzeitige Auftragserteilung seitens der Firma
zu bemühen." Die insofern bereits im schriftlichen Vertrag angelegte Einzelbeauftragung des Beigeladenen zu 1) konkretisierte
sich in einer die Vertragspraxis prägenden Weise unter Würdigung der dem Senat vorliegenden Angebote und Rechnungen des Beigeladenen
zu 1) an die Klägerin, seiner Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung und der glaubhaften und im Rahmen seiner mehrfachen
Vernehmungen stringenten und detaillierten Bekundungen des Zeugen S folgendermaßen: Der Zeuge S kontaktierte den Beigeladenen
zu 1) als einen von mehreren, der Klägerin bekannten extern zu beauftragenden Kartographen und bot ihm das zur Auftragsvergabe
anstehende Projekt an. Dazu informierte er ihn über die Projektanforderungen und stellte ihm die dafür erforderlichen Unterlagen
zur Verfügung. Nach deren Sichtung erstellte der Beigeladene zu 1) auf dieser Informationsgrundlage gegenüber der Klägerin
ein Angebot. Dieses beinhaltete ausweislich der vorgelegten Exemplare eine konkrete Leistungsbeschreibung, den Angebotspreis
inkl. Umsatzsteuer, einen ungefähren (z.B. ca. 1, 2 oder 3 Wochen; 3 bzw. 5 Tage nach Auftragserteilung) oder fixen (z.B.
31.5.2005) Fertigstellungstermin sowie Angaben zur Dateiform der Lieferung. Der Zeuge S prüfte das Angebot des Beigeladenen
zu 1) und leitete es, soweit es den klägerischen Vorstellungen entsprach, zur Auftragserteilung an den Geschäftsführer der
Klägerin weiter (vgl. handschriftliche Vermerke auf Angeboten z.B. "Herrn F zur Auftragserteilung"). Anderenfalls erhielt
der Beigeladene zu 1) die Möglichkeit sein Angebot z.B. hinsichtlich des Fertigstellungstermins oder seiner Preisvorstellung
anzupassen. Konnte zwischen den Vertragsparteien daraufhin eine Einigung erzielt werden, erfolgte die Beauftragung durch die
Klägerin. Insofern mag der Vortrag des Beigeladenen zu 1) zutreffen, dass die Klägerin "Preise zusammengestrichen habe". Dies
war indes Teil der dem Vertragsschluss vorangehenden Verhandlungen und stellte ggf. ein neues Angebot dar (vgl. §
150 Abs.
2 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Dass demgegenüber nachträglich in erheblichen Umfang Rechnungen gekürzt worden sind, ist nicht belegt (Ausnahme Rechnungen
2008-003, 2009-022).
cc) Anhaltspunkte dafür, dass der Abschluss des Aufhebungsvertrages und die darin übereinstimmend getroffenen Regelungen allein
aufgrund eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen oder unter Ausnutzung besonderer Umstände des Beigeladenen
zu 1), etwa seiner geschäftlichen Unerfahrenheit oder unter Ausnutzung einer Zwangslage, zustande gekommen sind (vgl. hierzu
BSG, Urteil v. 14.3.2018, B 12 R 3/17 R, Rdnr. 16 m.w.N.), konnte der Senat nicht feststellen. Die Klägerin bot dem Beigeladenen zu 1) stattdessen die Möglichkeit,
eine sonst anstehende betriebsbedingte Kündigung zu umgehen (vgl. Ziff. 2 AV) und seine finanzielle Situation mittels des
zunächst nach Ziff. 5a AV einseitig garantierten Mindestauftragsvolumens zu stabilisieren. Dabei verfolgte der Beigeladene
zu 1) auch nach eigenem Vortrag zunächst das Ziel, unternehmerisch und zwar mit einem gegenüber den klägerischen Aufträgen
erweiterten Portfolio tätig zu werden.
b) Nach dem Gesamtergebnis der durch den Senat getroffenen Feststellungen ist der Beigeladene zu 1) auf Grundlage der jeweils
getroffenen Vereinbarungen nicht im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses (hierzu etwa BSG, Urteil v. 20.3.2013, B 12 R 13/10 R bzw. in Gestalt eines Dauerschuldverhältnisses mit Arbeit auf Abruf aus unbezahlter Freizeit gemäß § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz [TzBfG]), sondern auf Basis jeweils individuell vereinbarter Einsätze (etwa BSG, Urteil v. 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 25) tätig geworden (vgl. zur Maßgeblichkeit der zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bestehenden
konkreten Rechtsbeziehung bei der Feststellung von Versicherungspflicht oder Versicherungsfreiheit im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens
nach §
7a SGB IV vgl. BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2; Urteil v. 4.6.2009, B 12 KR 31/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 3; Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R; B 12; Urteil v. 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R, juris). Diese reihten sich zwar nahtlos aneinander bzw. überschnitten sich, wie sich aus den vorgelegten Rechnungen und
den monatlichen Aufstellungen zu Entgeltzahlungen ergibt, so dass sich die Vertragsparteien einem Dauerschuldverhältnis angenähert
haben. Dafür spricht auch, dass der Beigeladene zu 1) bis zur Kündigung der Ziff. 5a AV zum 31.7.2006 gegenüber der Klägerin
ein monatliches Volumen an Aufträgen im Wert von 2.700,00 EUR zzgl. USt. beanspruchen konnte. Allerdings oblag der Abruf entsprechender
Aufträge dem Beigeladenen zu 1).
2. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung sprechen die zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) getroffenen vertraglichen
Vereinbarungen und deren tatsächliche Umsetzung für eine selbstständige Tätigkeit. Der Beigeladene zu 1) ist nicht in einem
Maß weisungsgebunden [hierzu a)] in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert worden [hierzu b)], wie dies für eine
abhängige Beschäftigung prägend ist. Angesichts dessen berechtigt das weitgehende Fehlen eines unternehmerischen Risikos des
Beigeladenen zu 1) und einer eigenen Betriebsstätte in der Gesamtschau nicht zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung [hierzu
c)].
a) Rechtlich verankerte Weisungsbefugnisse, kraft derer die Klägerin befugt war, gegenüber dem Beigeladenen zu 1) - zumindest
im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess - Anordnungen in inhaltlicher, zeitlicher und örtlicher
Hinsicht zu erteilen, haben die an der Auftragsbeziehung Beteiligten nicht wirksam vereinbart. Auch die tatsächliche Umsetzung
des Vertragsverhältnisses ergibt keine Anhaltspunkte für eine rechtlich gewollte Befugnis der Klägerin, dem Beigeladenen zu
1) einseitig konkretisierende Anordnungen zu erteilen.
Weisungsgebunden arbeitet, wer - im Umkehrschluss zu § 84 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) - nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (std. Rspr.: BAG, Urteil v.
21.7.2015, 9 AZR 484/14, NZA 2016, 344 ff.; Urteil v. 25.9.2013, 10 AZR 282/12, NJW 2013, Urteil v. 15.2.2012, 10 AZR 301/10, NZA 2012, 731 ff.; jeweils m.w.N.). Die Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit müssen nicht auf einzelnen Anordnungen des Arbeitgebers
beruhen. Vielmehr kann die Weisungsgebundenheit - namentlich bei einer Tätigkeit höherwertiger Art, wie sie im vorliegenden
Fall zu beurteilen ist - auch zu einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein" (BSG, Urteil v. 29.6.2016, B 12 R 5/14 R, USK 2016-48; Urteil v. 24.3.2016, B 12 KR 20/14 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 29; Urteil v. 18.11.2015, a.a.O.; jeweils m.w.N.). Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten
bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des
Rahmens einer derartigen dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer
zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können (BSG, Urteil v. 18.11.2015, a.a.O.). Die Beurteilung hängt dabei auch von der Art der jeweiligen Tätigkeit ab (BAG, a.a.O.). Größere
Spielräume, die auch abhängig Beschäftigten aufgrund der Natur ihrer Tätigkeit zustehen, können dabei nicht als maßgebendes
Kriterium für die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit von abhängiger Beschäftigung herangezogen werden (BSG, Urteil v. 25.4.2012, a.a.O.; Senat, Urteil v. 15.2.2017, L 8 R 86/13).
aa) Der Ort der Tätigkeit ist durch die Klägerin nicht einseitig vorgegeben worden. Der Beigeladene zu 1) führte die Tätigkeit
an einem Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung aus. Das gelegentliche Aufsuchen des Betriebs der Klägerin, um Besprechungstermine
mit dem Zeugen S wahrzunehmen bzw. - in wenigen Fällen - um Unterlagen abzuholen, ändert daran nichts. Ein solches Verhalten
ist auch im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit vorstellbar.
bb) Der Beigeladene zu 1) unterlag auch keinen zeitlichen Vorgaben, die auf arbeitgeberseitigen Weisungen beruhten. Die zeitliche
Gestaltung und Koordinierung seiner Aufträge oblagen allein ihm.
(1) Die jeweiligen Fertigstellungstermine der einzelnen Aufträge wurden zwischen den Vertragsparteien vereinbart. Sie sind
bereits Bestandteil der schriftlichen Angebote des Beigeladenen zu 1) gewesen und unterlagen nach den glaubhaften Ausführungen
des Zeugen S sodann teilweise noch vertraglicher Verhandlung. Ob sich der Beigeladene zu 1) dabei zugunsten der Klägerin auf
ein enges Terminmanagement einließ, weil er sich fortlaufend in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu ihr befand, kann der
Senat offenlassen. Im Gegensatz zur persönlichen Abhängigkeit spricht eine bloße wirtschaftliche Abhängigkeit nicht für eine
abhängige Beschäftigung, wie sich bereits aus §
2 Satz 1 Nr. 9
SGB VI ergibt.
(2) Es hat sich auch nicht feststellen lassen, dass der Beigeladene zu 1) seitens der Klägerin angewiesen war, täglich zwischen
9.00 Uhr bis 17.00 Uhr erreichbar zu sein. Der Zeuge S hat entsprechende einseitige Vorgaben in seinen vorangegangenen Vernehmungen
vor dem ArbG Paderborn und dem SG Detmold stets verneint. Gegenteiliges belegen auch die diesbezüglich weitgehend unergiebigen
Aussagen der Zeugen N und V A nicht. Der Senat nimmt insofern auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug,
denen er sich nach eigener Prüfung und Meinungsbildung anschließt (§
153 Abs.
2 SGG).
(3) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang ferner, ob der Beigeladene zu 1) einen wöchentlichen Tätigkeitsaufwand von 50 bis
60 Stunden für die Klägerin leistete. Ob dies letztlich zutraf, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn auch dies würde sich
letztlich als Ausfluss einer selbstbestimmten Zeiteinteilung des Beigeladenen zu 1) darstellen. Schließlich oblag es dem Beigeladenen
zu 1), ob er Angebote auf die klägerischen Anfragen abgab. Darüber hinaus erfolgten die Beauftragungen auf Basis von Festpreisen.
Folglich hatte der Beigeladene zu 1) den zeitlichen Umfang eines Auftrages nicht nur hinsichtlich einer auskömmlichen Vergütung,
sondern auch bezogen auf einen bestimmten Fertigstellungstermin zu kalkulieren.
Auch die einseitig die Klägerin bindende Auftragsgarantie verpflichtete den Beigeladenen zu 1) nicht, im Gegenzug in einem
bestimmten Umfang für die Klägerin tätig zu werden, denn danach war der Beigeladene zu 1) weder zum Auftragsabruf noch zur
Auftragsannahme verpflichtet. Ziff. 5a AV beinhaltet ihrem Wortlaut nach nur eine Verpflichtung der Klägerin zur Auftragserteilung.
So ist die Klausel auch nach dem Vortrag des Beigeladenen zu 1) verstanden worden. Zwar hatte der Beigeladene zu 1) grundsätzlich
ein erhebliches Interesse an der Auftragserteilung in genanntem Umfang, allerdings zeigen die vorgelegten monatlichen Entgeltaufstellungen,
dass das monatliche Auftragsvolumen durch ihn gerade nicht in entsprechendem Umfang abgerufen worden ist. Bereits im Jahr
2005 lag die monatliche Rechnungssumme im Durchschnitt bei nur noch 2.330,73 EUR (2006 bis zum 31.7. bei durchschnittlich
1.682,14 EUR).
(4) Da Klägerin und Beigeladener zu 1) ferner Fertigstellungstermine vertraglich vereinbart hatten, konnte die Klägerin die
Einhaltung derselben auch dem Beigeladenen zu 1) gegenüber verlangen. Einseitige Weisungen liegen auch darin nicht. Dass der
Beigeladene zu 1), sobald Krankheit oder Urlaub die Einhaltung von Fertigstellungstermine gefährdeten, dies der Klägerin mitteilte,
ist gleichfalls kein Ausdruck seiner Weisungsgebundenheit sondern bestehender vertraglicher Nebenpflichten.
cc) Auch in inhaltlicher Hinsicht liegen keine klägerischen Weisungen vor, die über werkbezogene Weisungen des Werkbestellers
(vgl. §
645 Abs.
1 BGB) hinausgegangen sind. Dabei beziehen sich Anweisungen des Bestellers auf die Ausführung des Werkes, während diejenigen des
Arbeitgebers Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung umfassen (§ 106 Satz 1 GewO). Liegen die zu erledigende Aufgabe und der Umfang der Arbeiten bei Erteilung der Weisung bereits konkret fest, kann dies
für eine werkvertragliche Weisung sprechen. Fehlt es dagegen an einem abgrenzbaren Auftrag und muss der "Auftraggeber" durch
weitere Weisungen den Gegenstand der vom "Auftragnehmer" zu erbringenden Leistung erst bestimmen und damit Arbeit und Einsatz
erst bindend organisieren, handelt es sich in der Regel um eine Arbeitgeberweisung (vgl. BAG, Urteil v. 25.9.2013, 10 AZR 282/12, NJW 2013, 3672; Urteil v. 9.11.1994, 7 AZR 217/94, BAGE 78, 252; Senat, Urteil v. 17.2.2016, L 8 R 66/14, juris).
Nach Annahme des Angebots durch die Klägerin war das konkret durch den Beigeladenen zu 1) fertigzustellende Werk klar umrissen,
sodass eine weitergehende einseitige Präzisierung der Arbeiten durch die Klägerin grundsätzlich nicht erforderlich gewesen
ist. Nichts anderes folgt aus den durch den Beigeladenen zu 1) vorgelegten Unterlagen. Dabei konnte die Klägerin im Rahmen
der Abwicklung bestimmte Vorgaben bzgl. der Art und Weise der Ausführung begehren, mit deren Hilfe sie sicherstellte, dass
die durch den Beigeladenen zu 1) gelieferten Arbeiten auch im Layout in ihr Produktportfolio passten (vgl. LAG Hamm, Urteil
v. 12.4.2011, 14 Sa 1451/10). Auch soweit sich Änderungen und Anpassungen der Stadtpläne im Verhältnis der Klägerin zu der jeweiligen Gemeinde ergaben,
waren diese an den Beigeladenen zu 1) weiterzuleiten und von ihm zu beachten. Hierbei handelt es sich jedoch jeweils um projekt-
bzw. werkbezogene Weisungen, die über §
645 BGB durch den Besteller erteilt werden können.
Soweit nach der Übergabe der ausgeführten Arbeiten eine Prüfung durch den Zeugen S erfolgte, der ggf. gegenüber dem Beigeladenen
zu 1) Nachleistungsansprüche geltend machte, entspricht dieses Vorgehen dem Wesen der Abnahme. So verpflichtet sich der Besteller
ein vertragsgemäß hergestelltes Werk abzunehmen, sofern die Abnahme nicht nach der Beschaffenheit des Werkes ausgeschlossen
ist. Lediglich wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden, §
640 Abs.
1 Satz 1,
2 BGB. In letztgenannten Fällen und insofern nach erfolgter Abnahme stehen dem Besteller jedoch nach den §§
633 ff.
BGB Ansprüche aus dem Werkmängelrecht und damit nach §§
634 Nr.
1,
635 Abs.
1 BGB auch das Recht der Nacherfüllung zu, dessen Geltendmachung ebenfalls keine arbeitgeberseitige Weisung darstellt.
b) Indizien, die die Annahme einer Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin tragen, sind
den getroffenen Vereinbarungen ebenfalls nicht in einem eine abhängige Beschäftigung prägenden Umfang zu entnehmen. Nach den
getroffenen gerichtlichen Feststellungen lässt auch die tatsächliche Umsetzung der Vereinbarungen eine wesentliche Eingliederung
in die Organisation der Klägerin nicht erkennen.
Zwar setzte die Klägerin den Beigeladenen zu 1) zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten ein. Dies allein, da jedem Subunternehmereinsatz
immanent, ist indes nicht ausreichend. Vergleichbares gilt für die dem Beigeladenen zu 1) zur Verfügung gestellte Hard- und
Software. Diese konnte der Beigeladene zu 1) nicht nur auch für andere Aufträge nutzen. Sie sollte ihm zudem die Anfangszeit
seiner Selbstständigkeit erleichtern. Soweit die Klägerin sich im Streitzeitraum für die Benutzung einer anderen Software
entschieden hat, ist dies unerheblich. Insbesondere bedurfte es keiner Absprache dieser unternehmerischen Entscheidung mit
ihrem Subunternehmer. Es bestand zudem weder eine Vernetzung mit der klägerischen EDV, noch hat sich eine Zusammenarbeit des
Beigeladenen zu 1) im Wege des arbeitsteiligen Zusammenwirkens mit weiteren Mitarbeitern der Klägerin bestätigt. Der Beigeladene
zu 1) unterlag auch keinen Berichtspflichten. Der Zeuge S hat insbesondere auch keinen täglichen telefonischen Kontakt bestätigt.
Besprechungen hätten dann stattgefunden, wenn es galt, Änderungen und Vorgaben des Hauptauftraggebers weiterzuleiten bzw.
Fragen zu klären.
c) Angesichts des Umstandes, dass sich die in §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV gesetzlich ausdrücklich hervorgehobenen ("insbesondere") Kriterien für eine abhängige Beschäftigung einer Weisungsgebundenheit
und Eingliederung nicht bzw. nur in geringem Maße feststellen lassen, gewinnt es im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung nicht
an entscheidender Bedeutung, dass der Beigeladene zu 1) die Tätigkeit bereits aus wirtschaftlichen Gründen persönlich durchgeführt,
über weitere Auftraggeber nur in einem untergeordneten wirtschaftlichen Ausmaß verfügt hat sowie im Streitzeitraum weder eine
eigene Betriebsstätte, sondern lediglich ein häusliches Arbeitszimmer (vgl. §
12 Satz 1
Abgabenordnung; BSG, Urteil v. 18.11.2015, a.a.O. m.w.N.) unterhielt noch ein nennenswertes unternehmerisches Risiko trug (Senat, Urteil v. 20.4.2016,
a.a.O.; Senat, Urteil v. 8.2.2017, L 8 R 162/15, Senat, Urteil v. 17.10.2018, L 8 R 660/16). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium für ein unternehmerisches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft
auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also
ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; Senat, Urteil v. 30.4.2014, L 8 R 376/12, juris). Allerdings ist ein unternehmerisches Tätigwerden bei reinen Dienstleistungen typischerweise nicht mit größeren Investitionen
in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden (BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, juris, Rdnr. 27). Das kann im Rahmen von nicht investitionsintensiven Werkerstellungen nicht anders gesehen werden. Das
insofern auch bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) damit typische Fehlen solcher Investitionen ist damit kein wesentlich
ins Gewicht fallendes Indiz für eine abhängige Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden.
Die Kostenentscheidung für das Klageverfahren folgt §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Eine Übernahme der Kosten der Beigeladenen durch die Beklagte entspricht nicht der Billigkeit (vgl. §§
162 Abs.
3,
154 Abs.
3 VwGO). Die Entscheidung über die Kosten im Berufungsverfahren beruht hingegen auf §§
183,
193 SGG. Da es sich um einen Rechtsstreit u.a. des Versicherten handelt, ist dieser insoweit gerichtskostenfrei (Senat, Beschluss
v. 24.3.2011, L 8 R 1107/10 B, juris; Senat, Urteil v. 19.8.2015, L 8 R 726/11, juris).
Gründe für die Zulassung der Revision gem. §
160 Abs.
2 SGG sind nicht gegeben.