Vergütung von Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren
Anforderungen an die Vergütung gesonderten Zeitaufwands für eine aufwändige Literaturrecherche bei der Prüfung der Kodierrichtlinien
und für die Anwendung des sogenannten Groupers
Gründe
Die zulässige, insbesondere in Anbetracht der begehrten Herabsetzung der Vergütung um 300,59 Euro auf 781,12 Euro nach Maßgabe
von § 4 Abs. 3 Satz 1 JVEG statthafte Beschwerde der Staatskasse, über die der Senat mangels besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher
Art oder grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache durch den Vorsitzenden und Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet
(§ 4 Abs. 7 Satz 1 und 2 JVEG), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Vergütung des Beschwerdegegners zu Recht auf 1.081,71 Euro festgesetzt.
Nachdem das Sozialgericht für den Arbeitsschritt "Diktat und Korrektur" nicht, wie vom Beschwerdegegner begehrt, 3 Stunden,
sondern entsprechend der im Schriftsatz vom 16.07.2018 von der beschwerdeführenden Staatskasse vertretenen Auffassung 2,12
Stunden berücksichtigt hat und hinsichtlich des anzusetzenden Zeitaufwandes für die Arbeitsschritte "Aktenstudium und vorbereitende
Arbeiten" und "Abfassung der Beurteilung" (vgl. zu den Arbeitsschritten, in die der Vergütungsanspruch eines Sachverständigen
nach der ständigen Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen zu gliedern ist, z.B. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,
Beschl. vom 25.02.2005 - L 4 B 7/04 -, juris Rn. 22 ff. m.w.N.) sowie hinsichtlich der anzusetzenden Honorargruppe M2 zwischen den beteiligten Konsens bestand,
ist im Beschwerdeverfahren nur noch streitig, ob der Sachverständige einen Zeitaufwand von 4 Stunden für aufwändige Literaturrecherche
bei der Prüfung der Kodierrichtlinien und für die Anwendung des sogenannten Groupers ansetzen kann. Dies hat das Sozialgericht
im Ergebnis zu Recht bejaht.
Es trifft zwar zu, dass die Zeit für ein allgemeines Literaturstudium und ein punktuelles Nachschlagen von Literaturstellen
grundsätzlich nicht zu vergüten ist, weil von einem Sachverständigen zu erwarten ist, dass er sich laufend mit dem für seinen
Fachbereich bedeutsamen Schrifttum beschäftigt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.10.2003 - L 4 B 5/03 -, juris Rn. 3 m.N.). Von diesem Grundsatz ist jedoch eine Ausnahme zu machen, soweit es um die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien
und das Grouping bei der Feststellung eines Vergütungsanspruchs eines Krankenhauses nach dem DRG-System geht und ein medizinischer
Sachverständiger in der gerichtlichen Beweisanordnung ausdrücklich danach gefragt wird, ob die von dem Krankenhaus gewählte
Verschlüsselung nach dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) in Übereinstimmung mit den Deutschen Kodierrichtlinien
erfolgt ist und/oder welche DRG anzusetzen ist. In diesem Fall ist insoweit der Fachbereich eines medizinischen Sachverständigen
gar nicht betroffen, denn bei der Anwendung und Auslegung der Kodierrichtlinien handelt es sich um Rechtsfragen und nicht
um Tatfragen, die allein nach §
118 Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §§
402,
323 ZPO dem Sachverständigenbeweis unterliegen. Der automatisierte Subsumtionsvorgang des Groupings und damit die Ermittlung der
DRG ist einem medizinischen oder informationstechnischen Sachverständigengutachten ohnehin nicht zugänglich (zum Ganzen BSG, Urt. v. 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R -, juris Rn. 20, 27). Wird ein medizinischer Sachverständiger in einer Beweisanordnung ausdrücklich dazu befragt, welcher
OPS zu verschlüsseln und/oder welche DRG einschlägig ist, wird er mithin verfahrensrechtlich unzulässig, in jedem Fall aber
fachfremd befragt. Konsequenterweise muss einem medizinischen Sachverständigen, der dem gerichtlichen Auftrag nachkommt und
sich mit den Deutschen Kodierrichtlinien sowie mit dem Grouping befasst, der hierfür erforderliche Zeitaufwand einschließlich
einer notwendigen Literaturrecherche vergütet werden. Dies ist ein Gebot der Fairness, denn ein entsprechend beauftragter
medizinischer Sachverständiger wird durch das Gericht dazu veranlasst, sich über sein Fachgebiet hinaus zur Erleichterung
der Arbeit des Gerichts mit Fragen zu befassen, die ihm als Mediziner nicht geläufig sein müssen.
Nach diesen Grundsätzen ist dem Beschwerdegegner der erforderliche Zeitaufwand für die Literaturrecherche zu den Deutschen
Kodierrichtlinien und die Anwendung des Groupers zu vergüten. In der Beweisfrage 12 b) der Beweisanordnung vom 29.01.2018
wurde der Sachverständige ausdrücklich dazu befragt, welche Behandlungsverfahren sich nach dem OPS verschlüsseln ließen, und
aufgefordert, dies anhand aller relevanten Merkmale zu begründen. Darüber hinaus wurde er in der Beweisfrage 14 danach gefragt,
welche DRG sich danach zuordnen lasse. Dass der Sachverständige zur Beantwortung dieser Fragen umfangreich Literatur recherchieren
und den Grouper anwenden musste, ist ohne weiteres plausibel. Auch der angesetzte Zeitaufwand ist nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§
177 SGG, § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).