Anspruch auf Krankengeld in der gesetzlichen Krankenversicherung
Anforderungen an die Meldepflichten des Versicherten im Anschluss an eine Maßnahme zur stationären medizinischen Rehabilitation
Zulässigkeit der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für einen über den Entlassungstag hinausgehenden Zeitraum
durch einen Reha-Entlassungsbericht
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Krankengeld.
Die 1959 geborene Klägerin war seit dem 11.11.2015 aufgrund eines Impingementsyndroms der rechten Schulter arbeitsunfähig
erkrankt. Bis einschließlich Februar 2016 stand sie in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Ab 23.12.2015
bezog sie von der Beklagten als Krankenversicherungsträger Krankengeld (kalendertäglich 28,65 EUR brutto / 25,10 EUR netto).
Im Zeitraum vom 07.04.2016 bis 04.05.2016 absolvierte die Klägerin eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme, während der sie
von der Beklagten als Rentenversicherungsträger Übergangsgeld bezog. Die Entlassung aus der Maßnahme am 04.05.2016 (Mittwoch)
erfolgte als arbeitsunfähig.
Am 09.05.2016 (Montag) suchte die Klägerin ihre behandelnde Ärztin auf, die erneut - für den Zeitraum vom 05.05.2016 bis 12.06.2016
- Arbeitsunfähigkeit attestierte. Für die Folgezeit liegen lückenlose Bescheinigungen über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit
bis zum 14.08.2016 vor.
Zunächst bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 20.05.2016 unter Bezugnahme auf die bis zum 12.06.2016 bescheinigte
Arbeitsunfähigkeit erneut Krankengeld. Die Gutschrift des Krankengeldes für die Zeit vom 05.05.2016 bis 31.05.2016 werde am
ersten Arbeitstag des folgenden Monats erfolgen. Weiteres Krankengeld werde nur bei rechtzeitiger Vorlage weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
gewährt.
Dann aber verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 25.05.2016, der ohne vorherige Anhörung erging, dass der Anspruch auf Krankengeld
am 04.05.2016 ende. Der Bescheid vom 20.05.2016 werde aufgehoben. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies
die Beklagte mit der Maßgabe zurück, dass der Bescheid vom 25.05.2016 insoweit geändert werde, als dieser den Bescheid vom
20.05.2016 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurücknehme (Widerspruchsbescheid vom 14.07.2016). Die Gewährung von Krankengeld wäre längstens bis zum 04.05.2016 (Ende
der Rehabilitationsmaßnahme) möglich gewesen. Ein erneuter Arztbesuch und die erneute Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
seien erst am 09.05.2016 erfolgt. Es fehle somit an der erforderlichen lückenlosen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit. Angesichts
der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses habe die Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld nur bis zum 04.05.2016
fortbestanden. Der Bescheid vom 20.05.2016 werde nach § 45 SGB X zurückgenommen. Er sei rechtswidrig begünstigend. Vertrauensschutz könne nicht eingeräumt werden, da kein Leistungsverbrauch
entstanden sei. Es seien keine Zahlungen aus dem rechtswidrigen Bescheid erbracht worden. Unter Berücksichtigung des Schutzes
der Versichertengemeinschaft vor einer finanziellen Belastung durch ungerechtfertigte Zahlungen könne im Rahmen der Ermessenausübung
von der Rücknahme nicht abgesehen werden.
Hiergegen hat die Klägerin am 17.08.2016 Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben und beantragt, den Bescheid vom 25.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2016 aufzuheben.
Arbeitsunfähigkeit habe fortlaufend bestanden. Sie sei am 04.05.2016 als arbeitsunfähig aus der Rehabilitationsmaßnahme entlassen
worden. Eine ärztliche Vorstellung am 05.05.2016 zur Bescheinigung der weiteren Arbeitsunfähigkeit sei nicht möglich gewesen,
da es sich um einen Feiertag (Christi Himmelfahrt) gehandelt habe. Am 06.05.2016 sei ein Arztbesuch nicht möglich gewesen,
weil an diesem "Brückentag" sowohl die behandelnde Orthopädiepraxis als auch die Praxis des behandelnden Hausarztes geschlossen
gewesen seien. Eine Vorstellung beim Arzt sei damit erst am Montag, den 09.05.2016, - dem nächsten Werktag - möglich gewesen.
Im Übrigen sei bereits anlässlich der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme am 04.05.2016 die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit
attestiert worden.
Mit Urteil vom 15.03.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei angesichts der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 01.03.2016 seit dem
05.05.2016 nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Die aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierende
Pflichtmitgliedschaft habe zwar zunächst gemäß §
192 Abs.
1 Nr.
2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) fortbestanden. Ab dem 05.05.2016 bestehe jedoch kein Anspruch mehr, da die Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs
- die angesichts der abschnittsweisen Bewilligung des Krankengeldes für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festzustellen seien
- nicht mehr vorgelegen hätten. Erst am 09.05.2016 habe der behandelnde Orthopäde die Arbeitsunfähigkeit erneut festgestellt.
Die rückwirkende Attestierung ab dem 05.05.2016 sei indes nicht dazu geeignet, einen Anspruch auf Krankengeld zu begründen.
Die Klägerin wäre zur Aufrechterhaltung ihres Krankengeldanspruchs gehalten gewesen, entweder am 06.05.2016 ("Brückentag")
den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst in Anspruch zu nehmen oder sich bereits während der laufenden ambulanten Rehabilitationsmaßnahme
erneut bei ihrem behandelnden Arzt zum Zwecke der Bescheinigung der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit vorzustellen. Daraus,
dass die Klägerin am 04.05.2016 als arbeitsunfähig aus der Rehabilitationsmaßnahme entlassen worden sei, folge nichts anderes.
Diese Einschätzung stelle keine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit dar, zumal ein zeitlicher Endpunkt für die fortbestehende
Arbeitsunfähigkeit dort nicht benannt werde.
Gegen das ihr am 24.03.2017 zugestellte Urteil des SG richtet sich die Berufung der Klägerin vom 07.04.2017. Angesichts der durchgängig bestehenden Arbeitsunfähigkeit lägen die
Voraussetzungen für die Gewährung von Krankengeld vor, ohne dass es insoweit einer erneuten ärztlichen Feststellung bedurft
hätte (Verweis auf SG Speyer, Beschluss vom 08.09.2014 - S 19 KR 519/14 ER - juris). Im Übrigen sei eine solche Feststellung vorliegend erfolgt. Denn die Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme
sei am 04.05.2016 als arbeitsunfähig erfolgt. Hierin liege die erforderliche ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit
im Sinne von §
46 Abs.
1 Nr.
2 SGB V (Verweis auf Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 23.09.2016 - L 5 KR 3888/14 - und Urteil vom 25.05.2016 - L 5 KR 1063/14 - juris; SG Regensburg, Urteil vom 01.06.2016 - S 14 KR 106/16 - juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.03.2016 - L 6 KR 192/15 B - juris). Zum nächst möglichen Zeitpunkt (09.05.2016) habe sie ihren behandelnden Arzt aufgesucht. Sie habe damit, wie
von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert, alles in ihrer Macht stehende und für sie Zumutbare zur Aufrechterhaltung
ihres Krankengeldanspruchs getan. Das Aufsuchen der Notaufnahme am Feiertag bzw. am Brückentag sei keine zumutbare Alternative
gewesen, da kein Notfall vorgelegen habe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. März 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.
Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Krankengeld
in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 5. Mai 2016 bis zum 14. August 2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krankengeld hätte es des Aufsuchens
eines Arztes spätestens am 06.05.2016 bedurft.
Beigezogen waren die Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Auf diese und auf die Gerichtsakte wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
1. Streitgegenständlich im Verfahren ist - neben dem Urteil des SG vom 15.03.2017 - der Bescheid der Beklagten vom 25.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2016.
a) Die angefochtenen Bescheide enthalten mehrere Regelungen im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X: Zum einen wird der Bescheid vom 20.05.2016 zurückgenommen. Dies deshalb, weil mit diesem Bescheid bereits Krankengeld für
den Zeitraum vom 05.05.2016 bis 31.05.2016 bewilligt worden war ("Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass wir das
Krankengeld für die Zeit vom 5. Mai 2016 bis 31. Mai 2016 zahlen werden."). Zum anderen wird die Gewährung von Krankengeld
über den 04.05.2016 hinaus abgelehnt. Gegen beide Regelungen wendet sich die Klägerin zulässigerweise im Wege der kombinierten
Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
1 und 4, §
56 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
b) Im Streit steht hierbei die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 05.05.2016 bis 14.08.2016. Zwar war erstinstanzlich
in zeitlicher Hinsicht nur der Zeitraum vom 05.05.2016 bis 31.05.2016 streitgegenständlich. Denn der von der Klägerin vor
dem SG formulierte reine Anfechtungsantrag ("Aufhebung des Bescheids vom 25.05.2016 in Form des Widerspruchsbescheids vom 14.07.2016")
hätte im Erfolgsfalle zum "Wiederaufleben" des Bescheids vom 20.05.2016 geführt, der indes nur eine Bewilligungsentscheidung
für den Zeitraum vom 05.05.2016 bis 31.05.2016 enthält. Soweit die Klägerin nunmehr im Berufungsverfahren darüber hinausgehend
begehrt, Krankengeld bis zum 14.08.2016 zu erhalten, liegt jedoch eine nach §
153 Abs.
1 i.V.m. §
99 Abs.
3 Nr.
2 SGG ohne weiteres zulässige Klageerweiterung vor. Selbst wenn man anstelle einer Klageerweiterung von einer Klageänderung ausgehen
wollte, wäre diese als sachdienlich im Sinne von §
99 Abs.
1 SGG - und damit als zulässig - anzusehen, zumal im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren über das diesbezügliche Leistungsbegehren
bereits (ablehnend) entschieden wurde (zur Zulässigkeit des Übergangs von der Anfechtungs-/Verpflichtungsklage zur Leistungsklage
siehe Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leit-herer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
99 Rn. 4 m.w.N.). Für eine Klageänderung im Berufungsverfahren gelten insoweit dieselben Grundsätze wie im erstinstanzlichen
Verfahren, wobei lediglich zu beachten ist, dass es sich um eine zulässige Berufung handeln muss. Dies ist vorliegend der
Fall, insbesondere ist - im Hinblick auf den Bruttobetrag des Krankengeldes (siehe hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom
19.03.2019 - L 11 KR 3841/18 - juris Rn. 20 f. - nachgehend: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 05.12.2019 - B 3 KR 5/19 R - juris [Terminsbericht]; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.02.2018 - L 1 KR 764/14 - juris Rn. 39) - der Beschwerdewert nach §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG überschritten.
2. Das SG hat den geltend gemachten Anspruch zu Unrecht abgelehnt. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Krankengeld für den
streitgegenständlichen Zeitraum vom 05.05.2016 bis 14.08.2016.
a) Für den Zeitraum vom 05.05.2016 bis 31.05.2016 ergibt sich der Anspruch bereits aus dem Bescheid vom 20.05.2016, mit dem
die Beklagte für den vorbenannten Zeitraum Krankengeld bewilligt hat. Diesen Bescheid konnte die Beklagte nicht rechtswirksam
zurücknehmen. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 SGB X oder eine Aufhebung nach § 48 SGB X liegen nicht vor.
aa) Selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten, wonach es sich bei dem Bescheid vom 20.05.2016 um einen
rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt handele, liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 45 SGB X nicht vor. Denn nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein solcher Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die
Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X normiert hierbei besondere Voraussetzungen, wenn der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden
soll. Dies ist nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X möglich. Anders als die Beklagte meint, handelt es sich vorliegend um eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit. Dem
steht der Verweis der Beklagten auf den fehlenden Leistungsverbrauch nicht entgegen. Maßgeblich abzustellen für die Beantwortung
der Frage, ob eine Rücknahme für die Vergangenheit vorliegt, ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Rücknahmebescheids
(Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn. 76 m.w.N.). Wirkung (auch) für die Vergangenheit hat damit jeder Verwaltungsakt, der Geltungswirkung für Zeiträume vor
oder bis zur Bekanntgabe beansprucht. Die Rückwirkung kann sich hierbei auch auf einen im Zeitraum der Bekanntgabe noch laufenden
Bewilligungszeitraum erstrecken. Dauert ein bereits vor Bekanntgabe durch Verwaltungsakt geregelter Bewilligungszeitraum noch
an, erfolgt die Rücknahme nur dann mit Wirkung für die Zukunft, wenn sie mit Beginn des nächsten Leistungszeitraums beginnt
(Schütze, a.a.O., m.w.N.). Unerheblich ist hierbei, ob die für die Vergangenheit bewilligten Leistungen bereits ausbezahlt
wurden (BSG, Urteil vom 24.04.1997 - 13 RJ 23/96 - juris Rn. 50 m.w.N.). Auf das von der Beklagten herangezogene Kriterium des Leistungsverbrauchs kommt es damit nicht an.
Hier liegt demnach eine Rücknahme für die Vergangenheit vor. Der Bescheid vom 25.05.2016, mit dem "der Bescheid vom 20.05.2016
aufgehoben" wird, gilt am 28.05.2016 als bekannt gegeben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Er hebt die Leistungsbewilligung für die Zeit ab 05.05.2016 - und damit für einen in der Vergangenheit begonnenen Bewilligungsabschnitt
- auf. Die Rücknahme nach § 45 Abs. 1 SGB X unterliegt damit den Restriktionen des § 45 Abs. 4 SGB X, so dass eine Rücknahme nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X (Bösgläubigkeit) oder des § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X (Wiederaufnahmegründe entsprechend §
580 der
Zivilprozessordnung) möglich wäre, welche indes vorliegend unstreitig nicht erfüllt sind.
bb) Im Übrigen war der Bescheid vom 20.05.2016 nicht rechtswidrig, weil die Klägerin Anspruch auf Gewährung von Krankengeld
über den 04.05.2016 hinaus hat (hierzu im Folgenden). Rechtsgrundlage für eine Aufhebung könnte damit ohnehin nur § 48 SGB X sein. Dessen Voraussetzungen liegen indes bereits deshalb nicht vor, weil vorliegend keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen
oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist.
b) Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Krankengeld über den 04.05.2016 hinaus bis zum Ende der fortlaufend attestierten
Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 14.08.2016.
Nach §
44 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse
stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden.
aa) Hierbei ist höchstrichterlich geklärt, dass Krankengeldzahlungen grundsätzlich als abschnittsweise Leistungsbewilligung
anzusehen sind (siehe zuletzt BSG, Urteil vom 08.08.2019 - B 3 KR 6/18 R - juris Rn. 13 sowie Urteil vom 25.10.2018 - B 3 KR 23/17 R - juris Rn. 12 m.w.N.). Bei - wie hier - zeitlich befristeten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und dementsprechender Krankengeldgewährung
sind die Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs für jeden Bewilligungsabschnitt erneut festzustellen (BSG, Urteil vom 28.03.2019 - B 3 KR 22/17 R - juris Rn. 16). Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs ist es dabei erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit
bei Ablauf eines jeden Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird. Ob und in welchem Umfang der Versicherte
bei erneuter ärztlicher Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit Krankengeld beanspruchen kann, bestimmt sich dann nach dem Versicherungsverhältnis,
das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für das Krankengeld besteht. Der von der Klägerin
angeführten anderslautenden Rechtsprechung des SG Speyer ist das BSG in ständiger Rechtsprechung nicht gefolgt. Vor diesem Hintergrund ist der Einzelanspruch auf Gewährung von Krankgengeld -
wenn, wie hier, abweichende Übergangsregelungen nicht bestehen - anhand des im jeweiligen Bewilligungsabschnitt geltenden
Rechts zu prüfen (BSG, Urteil vom 08.08.2019 - B 3 KR 6/18 R - juris Rn. 13; Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 22/15 R - juris Rn. 16). Vorliegend richtet sich der Anspruch mithin nach dem ab 23.07.2015 (bis zum 10.05.2019) geltenden Recht.
bb) Nach §
46 Satz 1
SGB V in der hier anzuwendenden Fassung vom 16.07.2015 entsteht der Anspruch auf Krankengeld bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung
in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an (Nr. 1), im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung
der Arbeitsunfähigkeit an (Nr. 2).
Unstreitig bestand - unbeschadet der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 01.03.2016 - bis zum 04.05.2016 dem Grunde
nach Anspruch auf Gewährung von Krankengeld, der während der Rehabilitationsmaßnahme nach §
49 Abs.
1 Nr.
3 SGB V ruhte. Denn angesichts des fortlaufenden Bezugs von Krankengeld ab 23.12.2015 bzw. des Bezugs von Übergangsgeld während der
Rehabilitationsmaßnahme im Zeitraum vom 07.04.2016 bis 04.05.2016 bestand die Mitgliedschaft der Klägerin mit Anspruch auf
Gewährung von Krankengeld fort (§
192 Abs.
1 Nr.
2 und
3 SGB V).
Entgegen der Ansicht der Beklagten bestand der Krankengeldanspruch auch über den 04.05.2016 hinaus fort. Zwar geht die Beklagte
zutreffend davon aus, dass es für das Fortbestehen der Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld nach dem bis zum 10.05.2019
geltenden Recht erforderlich war, die Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig - d.h. spätestens am Folgetag der zuletzt bescheinigten
Arbeitsunfähigkeit - erneut ärztlich feststellen zu lassen, weil ein neuer Anspruch auf Krankengeld dann nur entstehen kann,
wenn bei Beginn des neuen Bewilligungsabschnitts die Voraussetzungen für die Entstehung eines Krankengeldanspruchs weiterhin
vorliegen. Die ärztliche Feststellung des Fortdauerns der Arbeitsunfähigkeit ist vorliegend indes rechtzeitig - nämlich am
letzten Tag des die Mitgliedschaft bis dahin aufrechterhaltenden Übergangsgeldbezugs - erfolgt. Dies deswegen, weil die Klägerin
aus der Rehabilitationsmaßnahme am 04.05.2016 als arbeitsunfähig entlassen wurde.
Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit muss weder durch einen Vertragsarzt noch auf dem durch § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie vorgesehenen Vordruck erfolgen (BSG, Urteil vom 10.05.2015 - B 1 KR 20/11 R - juris Rn. 13; Urteil vom 12.03.2013 - B 1 KR 7/12 R - juris Rn. 15; Beschluss vom 14.08.2018 - B 3 KR 5/18 B - juris Rn. 9). Anlass und Zweck der ärztlichen Äußerung zur Arbeitsunfähigkeit sind unerheblich (LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 23.09.2015 - L 5 KR 3888/14 - juris Rn. 10 [Krankenhausaufnahmebescheinigung]; Urteil vom 25.05.2016 - L 5 KR 1063/15 - juris Rn. 47 [MDK-Gutachten]). Inhaltlich genügt es, dass der Arzt - aufgrund persönlicher Untersuchung des Versicherten
(§ 4 Abs. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) - feststellt, dass der Patient krank ist und seiner letzten Beschäftigung nicht
mehr nachgehen kann. Die Verwendung des Begriffs Arbeitsunfähigkeit ist im Allgemeinen ausreichend, da unterstellt werden
kann, dass der überkommene Rechtsbegriff den Ärzten bekannt ist und von ihnen im Allgemeinen zutreffend angewandt wird (LSG
Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.03.2016 - L 6 KR 192/15 B - juris Rn. 25). Die von §
46 Abs.
1 Nr.
2 SGB V geforderte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit kann daher auch in einem Rehabilitationsentlassungsbericht getroffen
werden (Sächsisches LSG, Urteil vom 27.09.2019 - L 9 KR 63/19 - juris Rn. 30; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.12.2017 - L 5 KR 501/16 - juris Rn. 23; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.09.2017 - L 4 KR 2475/15 - juris Rn. 42; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 02.03.2016 - L 6 KR 192/15 B - juris Rn. 25). Dies gilt insbesondere auch für die anlässlich der Entlassung aus der Rehabilitationsmaßnahme erstellte
"Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung" (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.01.2019 - L 1 KR 247/18 - juris Rn. 35).
Vorliegend hat die anlässlich der Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme am 04.05.2016 durchgeführte ärztliche Abschlussuntersuchung
ergeben, dass die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig war. Dies folgt aus der Entlassungsmitteilung, die der Beklagten noch
am gleichen Tag übersandt wurde. Gleichfalls übersandt wurde die "Checkliste bei Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt der Entlassung"
(Formular G833 des Rentenversicherungsträgers). Hier ist ausgeführt, dass auch nach Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme
noch Restbeschwerden bestünden. Aus diesem Grund könne aktuell auch durch eine stufenweise Wiedereingliederung Arbeitsfähigkeit
noch nicht wieder hergestellt werden. Damit ist ärztlich festgestellt, dass die Klägerin aufgrund des bislang bestehenden
Leidens über den Entlassungstag hinaus weiterhin arbeitsunfähig war. Dass diese Feststellung nicht mit einer Prognose einherging,
ab wann die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt sein würde, die Mitteilung mithin keine zeitliche Befristung der Arbeitsunfähigkeit
enthielt, ist rechtlich unerheblich. Das BSG hat bereits entschieden, dass der Grundsatz, dass die leistungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Krankengeld
für jeden Bewilligungsabschnitt neu zu prüfen sind, es nicht ausschließt, eine ärztliche Feststellung aus vorangegangener
Zeit, die - als unbefristete Feststellung - den weiteren Bewilligungsabschnitt mit umfasst, als ausreichend für die Aufrechterhaltung
des Anspruchs auf Krankengeld anzusehen (BSG, Urteil vom 10.05.2012 - B 1 KR 20/11 R - juris Rn. 12 f. und Urteil vom 12.03.2013 - B 1 KR 7/12 R - juris Rn. 15). Vor diesem Hintergrund kann auch eine Krankschreibung "auf nicht absehbare Zeit" oder "bis auf Weiteres"
die für den Anspruch auf Krankgeld erforderliche ärztliche Feststellung im Sinne des §
46 Satz 1 Nr. 2
SGB V enthalten (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.2014 - L 11 KR 4174/12 - juris Rn. 23 m.w.N.). Daran, dass die Klägerin tatsächlich über den 04.05.2016 hinaus arbeitsunfähig war, bestehen vorliegend
keine Zweifel. Denn bereits am 09.05.2016 wurde erneut, diesmal durch die behandelnde Ärztin, Arbeitsunfähigkeit - rückwirkend
zum 05.05.2016 - bescheinigt, so dass von einer durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden muss (siehe
hierzu auch § 4a der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie in der seit 17.03.2016 geltenden Fassung, wonach der Krankenhausarzt bzw.
der Rehabilitationsarzt im Rahmen des Entlassungsmanagements dazu berechtigt ist, wie ein Vertragsarzt Arbeitsunfähigkeit
für einen Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen nach der Entlassung festzustellen). Ob es der Klägerin zuzumuten gewesen
wäre, am 06.05.2016 ("Brückentag" nach Christi Himmelfahrt) den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst (zu dessen Sicherstellungsauftrag
an sog. Brückentagen, d.h. zwischen gesetzlich geregelten Feiertagen und dem Wochenende gelegenen Einzeltagen, siehe § 2 Abs.
2 Satz 3 der Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, Stand: 01.10.2015) in Anspruch
zu nehmen, mit der Folge, dass sie nicht alles in ihrer Macht stehende und ihr Zumutbare zur ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
getan hätte (siehe hierzu BSG, Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 22/15 R - juris), kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
4. Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu. Dies bereits deshalb, weil sie außer
Kraft getretenes Recht betrifft. Die Vorschrift des §
46 SGB V wurde mit Wirkung ab 11.05.2019 geändert (siehe nunmehr §
46 Satz 3
SGB V). Die Voraussetzungen für das Entstehen eines Anspruchs auf Krankengeld nach dem bis zum 10.05.2019 geltenden Recht sind
höchstrichterlich geklärt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Frage, welche rechtlichen Anforderungen an die ärztliche
Arbeitsunfähigkeitsfeststellung und an die Nahtlosigkeit von ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei abschnittsweise
bewilligtem Krankengeld zu stellen sind (so ausdrücklich BSG, Beschluss vom 14.08.2018 - B 3 KR 5/18 B - juris Rn. 8 [zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Rehabililtationsentlassungsbericht]).