Übergang des unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruchs nach BSHG
Tatbestand:
Die Klägerin macht als Trägerin der Sozialhilfe in diesem Verfahren im Wege der Stufenklage einen Auskunftsanspruch gegen
den Beklagten als Unterhaltsschuldner und übergegangene Unterhaltsansprüche geltend. Sie hat für die getrennt lebende Ehefrau
des Beklagten (die inzwischen verstorben ist) sowie deren gemeinschaftliche Kinder ... und ... seit dem 09.08.1993 Sozialhilfeleistungen
erbracht. Mit Schreiben vom 09.08.1993 hat die Klägerin den Beklagten von der Hilfegewährung in Kenntnis gesetzt und gegen
ihn einen Bescheid über die Auskunftspflicht gemäß § 116
BSHG erlassen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
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Unter Hinweis auf seine Einkommensverhältnisse hat der Beklagte geltend gemacht, zu Unterhaltszahlungen nicht in der Lage
zu sein.
Durch Teilurteil vom 24.11.1993 hat das Amtsgericht die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Auskunftsanspruchs (Ziffer
1 und 2 der Klageanträge) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Klägerin kein im Zivilprozess durchsetzbarer
Auskunftsanspruch gegen den Beklagten zustehe. Die Neufassung des § 91
BSHG habe daran nichts geändert.
Gegen das am 02.11.1993 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 29.12.1993 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt
und diese am 06.01.1994 begründet.
Die Klägerin verfolgt ihr Auskunftsbegehren weiter und meint, mit der Änderung des § 91
BSHG hätten die Zugriffsmöglichkeiten des Sozialhilfeträgers erweitert werden sollen, so dass auch ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch
gewährt werden müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf deren Schriftsatz vom 04.01.1994
(Bl. 65 bis 74 d. A.) verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Teilurteils des Amtsgerichts Marburg vom 24.11.1993 den Beklagten zu verurteilen,
1)
Auskunft zu erteilen durch Vorlage einer geordneten Zusammenstellung über seine sämtlichen Bruttoeinkünfte einschließlich
Sonderzuwendungen aus unselbständiger Tätigkeit in der Zeit vom 01.07.1992 bis zum 31.07.1993 und die in diesem Zeitraum vorgenommenen
gesetzlichen Abzüge,
2)
die erteilten Auskünfte zu belegen durch Vorlage der von seinem Arbeitgeber ausgestellten und sämtliche Bruttoeinkünfte und
gesetzlichen Abzüge nach Art und Höhe enthaltenen Verdienstbescheinigungen für die Zeit vom 01.07.1992 bis zum 31.07.1993,
3)
erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte eidesstattlich zu versichern.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Amtsgericht die auf Auskunftserteilung gerichteten Klageanträge zu 1) und. 2) abgewiesen, denn der Klägerin
steht gegen den Beklagten kein im Zivilrechtswege durchsetzbarer zivilrechtlicher Auskunftsanspruch zu.
Unter Geltung des früheren § 90
BSHG entsprach es gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung und überwiegender Auffassung im Schrifttum, dass die Sozialhilfeträger
nicht dadurch Gläubiger des unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruchs werden, dass dieser als Folge der Überleitung des Leistungsanspruchs
mit übergegangen ist (§§
412,
401
BGB). Die unterhaltsrechtliche Auskunftspflicht beruht auf einer besonderen familienrechtlichen Beziehung. Sie besteht nur zwischen
verwandten in gerader Linie sowie zwischen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten (§
1361 Abs.
4 Satz 4,
1580, 1605
BGB). Entfällt bei einem Wechsel des Gläubigers die besondere familienrechtliche Verknüpfung der Leistung des Schuldners gerade
mit der Person des bisherigen Gläubigers, kann das nicht ohne Auswirkung auf den Inhalt der Leistung bleiben. Jedenfalls hat
die bisherige Rechtsprechung keinen Anlass gesehen, die Verpflichtung zur unterhaltsrechtlichen Auskunftserteilung auf den
Träger der Sozialhilfe als neuen Gläubiger übergehen zu lassen (BGH in FamRZ 1986, 568 m. w. N.; Palandt-Diederichsen,
BGB, 53. Aufl., Einführung vor §
1601, Rdn. 21; Staudinger-Kappe,
BGB, 12. Aufl., §
1605, Rdn. 4 m.w.N.).
Diese Erwägungen haben durch die Neufassung des § 91
BSHG nicht ihre Bedeutung verloren. Allerdings ist nunmehr an die Stelle einer Überleitung des Unterhaltsanspruchs durch Verwaltungsakt
eine cessio legis getreten, d.h. in Höhe der geleisteten Aufwendungen gehen die Unterhaltsansprüche von Gesetzes wegen auf
die Sozialhilfeträger über. Diese Änderung in der Form des Anspruchsübergangs rechtfertigt jedoch keine andere Beurteilung
bezüglich der Frage eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruches. Bereits unter der Geltung des früheren § 90
BSHG war anerkannt, dass die durch Verwaltungsakt bewirkte Überleitung eines Unterhaltsanspruchs der Übertragung einer Forderung
kraft Gesetzes gleichsteht. Die zu § 90
BSHG ergangene Rechtsprechung gilt deshalb auch für kraft Gesetzes übergehende Unterhaltsansprüche. Auch dies ist bereits höchstrichterlich
entschieden. Schon vor der Änderung des § 91
BSHG hat §
37
BAföG einen gesetzlichen Forderungsübergang vorgesehen, für den der Bundesgerichtshof gleichfalls entschieden hat, dass der Übergang
des Unterhaltsanspruches nicht auch zum Übergang eines bürgerlich-rechtlichen Auskunftsanspruches führe (BGH in NJW 1991,
1235 f. m.w.N.; ebenso Staudinger-Kappe, aaO., § 1605, Rdn. 4 m.w.N.). Der Senat sieht keine Veranlassung, nach der Neufassung
des § 91
BSHG von diesen Grundsätzen abzuweichen. Insbesondere kann auch eine Notwendigkeit, dem Sozialhilfeträger einen bürgerlich-rechtlichen
Auskunftsanspruch zuzubillen, nicht angenommen werden. Der Sozialhilfeträger verfügt, woran sich durch die Neufassung des
§ 91
BSHG nichts geändert hat, über einen eigen ständigen öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch, mit dessen Hilfe er sich die für
die Durchsetzung des übergeleiteten Unterhaltsanspruchs erforderlichen Kenntnisse verschaffen kann (§ 116
BSHG). Dieser öffentlich-rechtliche Anspruch kann vom Träger der Sozialhilfe auf einfache Weise ohne zivilprozessuales Verfahren
durch Erlass eines Verwaltungsakts zur Geltung gebracht werden, wie dies auch vorliegend geschehen ist, denn die Klägerin
hat gleichzeitig mit der schriftlichen Mitteilung, über Sozialhilfeleistungen unter dem 09.08.1993 einen Bescheid über die
Auskunftspflicht erlassen. Der Bescheid, der auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung gerichtet ist, kann nach Maßgabe der
landesrechtlichen Vorschriften mit verwaltungsrechtlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Dieser Weg ist auch nicht als
schwieriger oder aufwendiger anzusehen als die Erhebung einer auf Auskunft gerichteten zivilgerichtlichen Klage. Selbst wenn
eine solche gleich als Stufenklage erhoben wird, ist über jede Stufe gesondert zu entscheiden und kann aus Rechtsgründen erst
dann in der nächsten Stufe weiter verhandelt werden, wenn über den Auskunftsantrag entschieden ist, aus tatsächlichen Gründen
in aller Regel sogar erst, wenn der Auskunftsanspruch (möglicherweise noch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen) erfüllt worden ist.
Das Verfahren nach §
888
ZPO kann sich dabei als durchaus langwierig erweisen. Von daher besteht auch keine Notwendigkeit, dem Sozialhilfeträger über
den öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruch nach § 116
BSHG hinaus einen etwa unmittelbar aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§
242
BGB) herzuleitenden bürgerlich-rechtlichen Auskunftsanspruch zuzubilligen (BGH in FamRZ 1986, 568; BGH in NJW 1991, 1235).
Die von der Klägerin in der Berufung vorgetragenen Erwägungen rechtfertigen nach Auffassung des Senats eine andere Beurteilung
nicht. Auch wenn man davon ausgeht, dass die gesetzgeberische Intention der Änderung des § 91
BSHG darin lag, den Sozialhilfeträgern die Durchsetzung der Ansprüche zu erleichtern, reicht dies allein nicht, ihnen nunmehr
auch einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch zuzubilligen. Da die Klägerin nach wie vor durch Verwaltungsakt den Auskunftsanspruch
zur Geltung bringen kann und hierbei auch Vollstreckungsmöglichkeiten hat, ohne dass es eines Klageverfahrens bedarf, kann
auch unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis zur Zubilligung eines bürgerlich-rechtlichen
Auskunftsanspruchs nach §
242
BGB nicht bejaht werden. Der Klägerin ist zwar darin zu folgen, dass die Neufassung des § 91
BSHG für die Praxis zu erheblichen Abstimmungsproblemen führen kann (vgl. hierzu Scholz in FamRZ 1994, 1 ff.). Diese Probleme treten jedoch unabhängig von der Frage, ob der Sozialhilfeträger neben seinem öffentlich-rechtlichen
Auskunftsanspruch auch einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch geltend machen darf, auf.
Schließlich kann auch aus der Tatsache, dass § 91 Abs. 4
BSHG nunmehr ausdrücklich regelt, dass über die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 im Zivilrechtsweg zu entscheiden ist, nicht
gefolgert werden, dass dem Sozialhilfeträger auch ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch zustehen solle. § 91 Abs. 1 bis 3
BSHG regelt im einzelnen, in welchem Umfang Unterhaltsansprüche, auf den Sozialhilfeträger übergehen, was dann eben im zivilrechtlichen
Weg geltend zu machen ist. Ein Wille des Gesetzgebers, den Sozialhilfeträger auch einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch
zu gewähren, kommt in der Regelung jedenfalls nicht zum Ausdruck.
Nach alledem bleiben die bereits zur früheren Rechtslage anerkannten Grundsätze auch nach der Änderung des § 91
BSHG maßgeblich, d.h. ein Bedürfnis, der Klägerin einen bürgerlich-rechtlichen Auskunftsanspruch neben dem bestehenden öffentlich-rechtlichen
Auskunftsanspruch zuzubilligen kann nicht angenommen werden.
Die gegen die Abweisung der Auskunftsanträge gerichtete Berufung der Klägerin musste mit der Kostenfolge aus §
97 Abs.
1
ZPO zurückgewiesen werden.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Ziffer 10, 713
ZPO.