Wirksamkeit der Abtretung von auf öffentliche Leistungsträger und Träger der Sozialhilfe - übergegangenen Unterhaltsansprüchen
auf den unterhaltsberechtigten Leistungsempfänger
Gründe:
Die gem. §
127 Abs.
2
ZPO zulässige Beschwerde, mit welcher die Klägerin beanstandet, dass ihr die begehrte Prozesskostenhilfe zur Geltendmachung von
rückständigem Kindesunterhalt in nach Auskunftserteilung zu bestimmender Höhe, mindestens aber in Höhe von 7.710,- DM, versagt
worden ist, hat keinen Erfolg, denn sie ist unbegründet.
Im Ergebnis mit Recht hat die Familienrichterin die Befugnis der vom Beklagten getrennt lebenden Klägerin, in deren Obhut
sich die Kinder ... und ... der Parteien befinden, zur Geltendmachung der rückständigen Ansprüche auf Zahlung von Kindesunterhalt
verneint. Zwar ist die Klägerin gem. §
1629 Abs.
3
BGB grundsätzlich berechtigt, Unterhaltsansprüche der gemeinsamen Kinder der Parteien im eigenen Namen geltend zu machen, aber
den Kindern stehen nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand für den vor Eintritt der Rechtshängigkeit liegenden Anspruchszeitraum
keine Unterhaltsansprüche zu.
1. Soweit die Klägerin Unterhaltsrückstände für insgesamt 10 Monate in Höhe von jeweils 771,- DM (418,- DM für ... und 353
DM für ... begehrt, hat sie sich in der Anzahl der Monate vertan, denn für April 1993 hat der Beklagte dem Schreiben ihrer
Prozessbevollmächtigten vom 06./30. April 1993 (Anl. K 1, Bl. 6 d.A.) zufolge den Unterhalt gezahlt, und sie macht Rückstände
nur für die Zeit bis zum 31. Januar 1994 geltend, so dass der Anspruchszeitraum die 9 Monate von Mai 1993 bis 31. Januar 1994
umfasst.
Soweit öffentliche Hilfeträger, nämlich die Unterhaltsvorschusskasse und der Sozialhilfeträger, für den genannten Zeitraum
öffentliche Hilfeleistungen an die Kinder der Parteien erbracht haben, sind die Unterhaltsansprüche gem. § 7
Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) kraft Gesetzes und gem. § 91
BSHG a.F. durch Überleitung bzw. gem. § 91
BSHG in der seit dem 27. Juni 1993 geltenden Fassung kraft Gesetzes (vgl. wegen der Rückwirkung der Neuregelung auf vor Inkrafttreten
nicht abgeschlossene Tatbestände OLG Hamburg, FamRZ 1994, 126; a.A. OVG Münster, FamRZ 1994, 594) auf die genannten öffentlichen Hilfeträger übergegangen und stehen infolgedessen den Kindern der Parteien nicht mehr zu,
woran die treuhänderische Rückübertragung der auf die Hilfeträger übergegangenen Unterhaltsansprüche auf die Kinder der Parteien
nichts zu ändern vermag (vgl. 2.).
Soweit den Kindern im Anspruchszeitraum keine öffentlichen Hilfen über die bezifferten Unterhaltsansprüche hinaus gewährt
worden sind, kann rückständiger Unterhalt mangels Verzugs des Beklagten mit Unterhaltsleistungen (vgl. §
1613 Abs.
1
BGB) nicht mit hinreichender Erfolgsaussicht eingeklagt werden (vgl. 3.).
2. Die von der Klägerin vorgetragene treuhänderische Abtretung der auf den Sozialhilfeträger und die Unterhaltsvorschusskasse
übergegangenen Unterhaltsansprüche der Kinder der Parteien ist unwirksam.
Das Unterhaltsvorschussgesetz und das BSHG regeln den Sachverhalt, wie der Nachrang der öffentlichen Hilfeleistungen wiederherzustellen ist, abschließend durch § 91
BSHG a.F. und n.F. einerseits und § 7
UVG andererseits, denn § 31
SGB I bestimmt, dass Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des SGB I, zu denen gem. § 28 Abs.
1 Nr. 1
SGB I die Hilfe zum Lebensunterhalt und gem. Art. II § 1 Nr. 18 SGB I Unterhaltsvorschussleistungen gehören,
nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz dies vorschreibt oder zulässt. Ein
Ausweichen auf privatrechtliche Normen zwecks Rückgriffs des Hilfeträgers gegen den Unterhaltsschuldner ist für den Bereich
der in Rede stehenden Hilfeleistungen nicht vorgesehen und daher nicht zulässig (vgl. für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt
OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, 999; bestätigt durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. März 1994 AZ: XII ZR 225/92). Dies gilt umso mehr, als das Bundessozialhilfegesetz in § 91 und das Unterhaltsvorschussgesetz in § 7 den öffentlichen Leistungsträgern ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung stellen, das diese in die Lage versetzt,
durch Eintritt in die Gläubigerposition den gesetzlich gewollten Vorrang der Verpflichtungen von privaten Unterhaltsschuldnern
nachträglich zu verwirklichen (BVerwG, FamRZ 1993, 183 f., 184).
Zudem sind die privatrechtlichen Abtretungsverträge zwischen den öffentlichen Hilfeträgern einerseits und den Kindern der
Parteien andererseits gem. § 32
SGB I i.V.m. § 317
SGB I unwirksam, denn privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von
Vorschriften des Sozialgesetzbuchs I abweichen, sind nichtig. Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil den Kindern der Parteien
die öffentlichen Leistungen als verlorener Zuschuss zustehen, d.h. eine Rückerstattungspflicht der Leistungsempfänger besteht
bei Vorliegen der öffentlich-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht (vgl. § 2 Abs. 1
BSHG und § 7 i.V.m. § 5
UVG) . Vielmehr ist es Aufgabe des Trägers der Sozialhilfe und des Trägers der Unterhaltsvorschusskasse, auf den gesetzlich vorgesehenen
Wegen den Nachrang der öffentlichen Hilfeleistungen durch Geltendmachung der auf den Hilfeträger übergegangenen Ansprüche
gegen den Unterhaltsschuldner zu realisieren. Eine privatrechtliche Vereinbarung, wie sie im Streitfall zwischen der Klägerin
als gesetzlicher Vertreterin der Kinder der Parteien als Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt und Unterhaltsvorschuss mit
den entsprechenden öffentlichen Leistungsträgern getroffen worden ist, auf eigenes Prozessrisiko die Unterhaltsansprüche gegen
den Verpflichteten, den Beklagten, einzuklagen oder im Zuge der Geltendmachung eigener Unterhaltsansprüche miteinzuklagen
und den dadurch erlangten oder gar erst beigetriebenen Betrag bis zur Höhe der geleisteten Sozialhilfe bzw. Unterhaltsvorschüsse
an die öffentlichen Hilfeträger abzuführen, bedeutet dagegen der Sache nach die nachträgliche Umwandlung der Hilfeleistung
in ein Darlehen (vgl. BGH aaO.; OLG Karlsruhe, aaO.; Künkel FamRZ 1991, 14 f., 20), ohne dass die besonderen Voraussetzungen für eine Darlehensgewährung (vgl. §§ 15 b, 89
BSHG) vorliegen. Hinzukommt, dass den Kindern des Beklagten als den Empfängern öffentlicher Leistungen ein Prozesskostenrisiko
überbürdet wird, das nach den Vorschriften über den Forderungsübergang gem. §§ 7
UVG, 91
BSHG nicht die Hilfeberechtigten, sondern die öffentlichen Hilfeträger treffen soll, wenn diese meinen, den Nachrang der öffentlichen
Hilfeleistungen zur Geltung bringen zu sollen, indem sie gegen den Unterhaltsschuldner vorgehen (OLG Hamburg, FamRZ 1990,
417 ff.).
Schließlich greift auch der Gesichtspunkt nicht durch, dass der Sozialhilfeträger gem. § 2 Abs. 1
BSHG den Hilfebedürftigen auf Selbsthilfemaßnahmen verweisen kann, damit dieser künftig unabhängig von öffentlichen Hilfeleistungen
ist. Vorliegendenfalls gehen aber die Absprachen zwischen den Hilfeträgern und der Klägerin als gesetzlicher Vertreterin der
Kinder i.S. des §
1629 Abs.
2
BGB dahin, dass die Klägerin bzw. die von ihr eingeschaltete Prozessbevollmächtigte vom Beklagten empfangene Gelder mit den Hilfeträgern
abzurechnen hat. Die Rückübertragung der auf die Hilfeträger übergegangenen Ansprüche ist erkennbar zu dem Zweck erfolgt,
dass die Hilfeträger sich wegen ihres Aufwandes erholen können, während den Hilfeempfängern etwa vom Beklagten vereinnahmte
oder beigetriebene Unterhaltsleistungen nicht für ihren künftigen Lebensbedarf zur Verfügung stehen sollen, so dass die Rückübertragung
der übergegangenen Unterhaltsansprüche auf die Hilfeempfänger nicht bewirkt, dass die Kinder des Beklagten künftig ganz oder
teilweise unabhängig von Sozialhilfe leben können (vgl. dazu OLG Hamburg, aaO.). Die Geltendmachung der treuhänderisch von
den Hilfeträgern auf die Kinder des Beklagten rückübertragenen Unterhaltsansprüche durch die Kinder des Beklagten wird nicht
deshalb zu einer Selbsthilfemaßnahme, weil die Kinder auch aus eigenem Recht gegen den Beklagten vorgehen, indem sie den Beklagten
auf Zahlung von Unterhalt für die Vergangenheit und die Zukunft in Anspruch nehmen, soweit die Hilfeträger noch nicht gezahlt
haben (zur Prozessführungsbefugnis der Hilfeempfänger wegen der während des Rechtsstreits ab Rechtshängigkeit auf die Hilfeträger
infolge Hilfegewährung übergehenden Ansprüche vgl. §
265
ZPO). Denn soweit die Kinder des Beklagten die an sie rückübertragenen Ansprüche realisieren sollten, bleibt es bei der Absprache,
dass sie vereinnahmte Beträge an die Hilfeträger abzuführen haben.
...
Wenngleich im Einzelnen nicht nachvollziehbar ist, in welcher Höhe die Kinder des Beklagten in der Zeit vom 01. Mai 1993 bis
31. Januar 1994 öffentliche Hilfeleistungen erhalten haben, ist nach dem Vortrag der Klägerin davon auszugehen, dass im Anspruchszeitraum
für ... durch die Unterhaltsvorschusskasse und den Sozialhilfeträger zumindest 353,- DM monatlich an öffentlichen Hilfeleistungen
und für ... zumindest 418,- DM monatlich an Hilfe zum Lebensunterhalt gezahlt worden sind, so dass die Klägerin den bezifferten
Unterhaltsrückstand von monatlich insgesamt 771,- DM mangels eigener Ansprüche der Kinder der Parteien nicht mit hinreichender
Aussicht auf Erfolg (§
114
ZPO) geltend machen kann.
3. Der Klägerin muss Prozesskostenhilfe auch für die Geltendmachung eines den bezifferten Rückstand von monatlich 771,- DM
übersteigenden Betrages für den Anspruchszeitraum versagt werden, denn die Klägerin hat die Voraussetzungen des §
1613
BGB nicht derart dargetan, dass nach Auskunftserteilung durch den Beklagten für den Anspruchszeitraum eine Erhöhung des Kindesunterhalts
in Betracht kommt. Das Erhöhungsverlangen für die Vergangenheit ist nur von dem Zeitpunkt an aussichtsreich, zu dem der Verpflichtete
in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist.
Rechtshängig geworden ist die Klage erst durch Zustellung an den Beklagten am 29. März 1994 (Bl. 14 d.A.), zu einem Zeitpunkt
also, als der Anspruch für die Monate Mai 1993 bis Januar 1994 schon der Vergangenheit angehörte.
In Verzug geraten mit der Zahlung von Kindesunterhalt war der Beklagte für die Zeit ab Mai 1993 nur in Höhe von monatlich
insgesamt 771,- DM, denn der Beklagte war mit Schreiben vom 06./30. April 1993 (Anl. K 1) "nochmals aufgefordert" worden,
"den errechneten Mindestunterhalt von monatlich 418,- DM und 353,- DM für die Kinder der Parteien an die Klägerin zu zahlen".
Der Beklagte ist mit der Verpflichtung zur Zahlung eines den bezifferten Unterhalt übersteigenden Betrages auch nicht dadurch
in Verzug geraten, dass er dem im Schreiben der Klägerin vom 06./30. April 1993 enthaltenen Verlangen, bis zum 15. Mai 1993
Auskunft über seine Einkünfte durch Vorlage von Verdienstbescheinigungen zu erteilen, nicht nachgekommen ist, denn eine Mahnung
wegen erhöhten Unterhalts ist ohne Bezifferung des Anspruchs nur dann wirksam, wenn der Gläubiger wie mit einer Stufenklage
Auskunft über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsschuldners begehrt und Zahlung des sich daraus ergebenden Unterhalts
verlangt (BGH, FamRZ 1990, 283 ff.). An der Aufforderung, den seinen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechenden erhöhten Unterhalt zu zahlen, fehlt es
jedoch sowohl in dem genannten Schreiben als auch in dem Schreiben vom 14. Mai 1993 (Anl. K 2), in welchem der Beklagte seitens
der Klägerin an die Herreichung der gewünschten Verdienstbescheinigungen erinnert worden ist. Die Klägerin hat nämlich mit
dem Auskunftsverlangen nicht - wie bei einer Stufenklage - zum Ausdruck gebracht, dass sie nach Auskunftserteilung ihr Unterhaltsbegehren
erhöhen werde, wenn die vom Beklagten angeforderten Angaben dazu Anlass bieten sollten.
Ob den Kindern der Parteien infolge verspäteter Auskunftserteilung gegen den Beklagten ein Anspruch auf Verzugsschadensersatz
(§
286
BGB) zusteht, wonach der Beklagte verpflichtet sein könnte, die Kinder der Parteien so zu stellen, wie wenn er rechtzeitig Auskunft
erteilt und die Klägerin einen entsprechend der Auskunft erhöhten Unterhalt von ihm gefordert hätte, lässt sich nach dem derzeitigen
Sach- und Streitstand nicht beurteilen, denn der Beklagte hat die Auskunft noch nicht erteilt.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§
127 Abs.
4
ZPO).