Erzielbares statt tatsächlich vorhandenes Einkommen als Maßstab für Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe nur als Ausnahme
bei arbeitsunwilligen Personen
Entscheidungsgründe:
Der Antragsgegner begehrt Prozesskostenhilfe zur Rechtsverfolgung in einem Ehescheidungsrechtsstreit, in welchem er seinerseits
Scheidungsantrag stellen will. Das Amtsgerichts hat Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, der seit 04. Februar 2002
arbeitslose Antragsgegner sei auf die Ausnutzung seiner Arbeitskraft vor Inanspruchnahme staatlicher Sozialhilfeleistung zu
verweisen. Er habe weder nachvollziehbar dargetan noch glaubhaft gemacht, dass er sich nachhaltig um Arbeit bemüht und ihm
dennoch der Arbeitsmarkt gänzlich verschlossen sei. Bedürftigkeit im Sinne des §
114 ZPO könne deswegen nicht angenommen werden.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg.
Nach §
115 Abs.
1 ZPO ist grundsätzlich auf das tatsächlich vorhandene Einkommen der Partei abzustellen. Dies besteht bei dem Antragsgegner aus
Arbeitslosengeld in Höhe von 163,10 EURO wöchentlich. Das erzielbare statt des tatsächlichen Einkommens kann allenfalls dann
angesetzt werden, wenn es sonst zu einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe durch arbeitsunlustige Personen
käme (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 21. Oktober 1998 - 16 WF 103/98 - FamRZ 1999, 599). Die Verletzung einer Erwerbsobliegenheit mag unterhaltsrechtlich zur Fiktion eines Einkommens führen, tut es jedoch nicht
im Sozialhilferecht. Einkommen im Sinne des § 76 Abs. 1 BSHG sind nur die Einkünfte, die tatsächlich zur Verfügung stehen; fiktive Einkünfte sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen
(BGH, FamRZ 1998, 818). Weigert sich ein Hilfesuchender gegenüber der Sozialhilfebehörde, zumutbare Arbeit zu leisten oder zumutbaren Maßnahmen
nach den §§ 19, 20 BSHG nachzukommen, wird der Hilfesuchende nicht aus der Betreuung des Sozialhilfeträgers entlassen, sondern verliert lediglich
den Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Sozialhilfeträger wird bei der Gestaltung der Hilfe und ihrer Anpassung
an die Besonderheiten des Einzelfalles freier gestellt. Er kann z.B. die Hilfe bis auf das Unerlässliche kürzen, um so zu
versuchen, den Hilfesuchenden zur Arbeit anzuhalten und ihn so letzten Endes auf den Weg zur Selbsthilfe zu führen (vgl. Bundesverwaltungsgericht,
FamRZ 1996, 106, 107 m.w.N.; BGH a.a.O.).
Das Prozesskostenhilferecht enthält solche Gestaltungsmöglichkeiten nicht. Bei dem gleichwohl möglichen Rückgriff auf allgemeine
Rechtsgrundsätze bleibt nur die Möglichkeit, der bedürftigen Partei Rechtsmissbrauch entgegen zu halten. Anhaltspunkte für
rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragsgegners sieht der Senat nicht.
Selbst wenn entsprechender Rechtsmissbrauch des Antragsgegners festgestellt werden könnte, käme nicht in Betracht, Prozesskostenhilfe
gänzlich zu versagen. Vielmehr wäre nur das erzielbare Einkommen zu unterstellen, welches mit dem zur Berechnung des Arbeitslosengeldes
ermittelten Leistungsentgelt angenommen werden kann. Dieses beträgt 243,40 EURO wöchentlich und liegt damit nicht so hoch,
dass gem. §
115 Abs.
3 ZPO Prozesskostenhilfe zu versagen wäre. Andererseits sind bei einem Arbeitslosengeld von 163,10 EURO wöchentlich, 709 EURO monatlich,
360 EURO Einkommensfreibetrag und 288,88 EURO Wohnkosten noch 30 EURO Monatsraten anzuordnen. Ein Rechtsmissbrauch würde sich
deshalb allenfalls bei der Höhe und gegebenenfalls der Zahl der Monatsraten auswirken. In diesem Fall wäre sogar zu überlegen,
ob, Rechtsmissbrauch erneut unterstellt, nicht darauf verzichtet werden müsste, ihn überhaupt zu sanktionieren.
Da das Amtsgericht die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung noch nicht geprüft hat, ist ihm die erneute Entscheidung über
das Prozesskostenhilfe des Antragsgegners insgesamt zu übertragen.