Übergang der Unterhaltsansprüche auf den Sozialhilfeträger in einem Härtefall
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache nur zum Teil Erfolg.
Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß §§
1601 ff.
BGB Unterhalt verlangen. Die Klägerin ist infolge Krankheit außer Stande, sich aus Erwerbseinkünften selbst zu unterhalten. Sie
steht unter Betreuung und befindet sich in Heimpflege im Wohnheim des ... Vereins ... in B. Ausweislich des vorgelegten Heimvertrages
vom 21. Oktober 1993 beliefen sich die Pflegekosten bei Vertragsabschluss auf täglich 144,92 DM, das waren im Monat rund zwischen
4.350,- und 4.500,- DM. Wie dem Senat bekannt ist, haben sich allgemein die Pflegegesätze in der Zwischenzeit erhöht. Hinzu
kommt der Bedarf der Klägerin für persönliche Dinge wie Kleidung und dergleichen. Der Senat schätzt den Gesamtbedarf der Klägerin
daher derzeit auf über 4.500,- DM im Monat.
Für die Vergangenheit, das heißt bis einschließlich Oktober 1996, kann die Klägerin indessen den Unterhalt nicht mit Erfolg
geltend machen. Ausweislich des Bescheides des Landschaftsverbandes Rheinland vom 18. Januar 1993 ist der Klägerin ab 15.
September 1992 Eingliederungshilfe gemäß §§ 39 ff. BSHG gewährt worden. Unter den Parteien ist nicht streitig, dass die Klägerin auch heute noch Sozialhilfe erhält. Soweit ein Unterhaltsanspruch
der Klägerin durch die Gewährung der Sozialhilfe auf den Landschaftsverband Rheinland gemäß § 91
BSHG übergegangen ist, ist die Klägerin zur Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs nicht mehr aktivlegitimiert. Eine Rückübertragung
oder eine Ermächtigung des Landschaftsverbandes Rheinland zur Geltendmachung der Unterhaltsansprüche trägt die Klägerin nicht
vor.
Soweit die Unterhaltsansprüche nicht auf den Landschaftsverband Rheinland übergegangen sind, weil es sich um einen Härtefall
handelt, ist der Bedarf der Klägerin gedeckt worden, ihr Unterhaltsanspruch also erfüllt (vgl. hierzu OLG Hamburg, FamRZ 1992,
713, 714; Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 5. Aufl., Rdn. 565; ähnlich Wendl/Staudigl, Handbuch
der familienrichterlichen Praxis, 3. Aufl., Rdn. 541).
Weder aus dem Bescheid vom 18.01.1993 noch aus dem Schreiben des Landschaftsverbandes Rheinland ohne Datum, eingegangen bei
Rechtsanwalt T. am 16.03.1993, ergibt sich, dass die Eingliederungshilfe lediglich darlehensweise gewährt worden ist.
Für die Zukunft ist die Klägerin dagegen zur Geltendmachung der Unterhaltsansprüche aktivlegitimiert, da die Ansprüche, wenn
überhaupt, erst mit der Gewährung der Sozialhilfe auf den Landschaftsverband Rheinland übergehen. Sie ist durch die Regelung,
dass auch der Sozialhilfeträger berechtigt ist, die Unterhaltsansprüche für die Zukunft einzuklagen, nicht gehindert, sie
selbst gerichtlich geltend zu machen. Insbesondere fehlt ihr nicht das Rechtsschutzinteresse für die Unterhaltsklage.
Die Bedürftigkeit der Klägerin entfällt nicht dadurch, dass der Landschaftsverband Rheinland ihr auch für die Zukunft durch
Bescheid vom 18. Januar 1993 Eingliederungshilfe, zugesagt hat. Da die Sozialhilfe nach § 2
BSHG subsidiär und damit kein anrechnungsfähiges Einkommen ist, wird der Unterhaltsanspruch der Klägerin für die Zukunft hierdurch
nicht berührt. Dem Gesetzgeber war die Diskrepanz zwischen dem bürgerlichen Unterhaltsrecht und den sozialhilferechtlichen
Regelungen über die Heranziehung Unterhaltspflichtiger zum Ausgleich von Sozialleistungen bekannt (BGH, FamRZ 1992, 43) . Gleichwohl hat er von einer Angleichung abgesehen. So hat er nicht etwa die Unterhaltsansprüche der Enkel gegen ihre Großeltern
und umgekehrt abgeschafft, sondern sich darauf beschränkt, die Rückgriffsansprüche des Sozialhilfeträgers auszuschließen.
Das spricht dafür, nicht schlechthin in den Fällen, in denen ein Rückgriffsanspruch des Sozialhilfeträgers nicht besteht,
der zugesagten Sozialhilfe für die Zukunft bedarfsdeckende Wirkung mit der Folge zuzuerkennen, dass wegen dieses Einkommens
mangels Bedürftigkeit kein Unterhaltsanspruch besteht. Ist der Übergang von Unterhaltsansprüchen nach § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG ausgeschlossen, ist vielmehr dem Unterhaltsberechtigten selbst die Geltendmachung des Anspruchs aus §§
1601 ff.
BGB nicht zu verwehren (Wendl/Staudigl, aaO., Rdn. 545; Kalthoener/Büttner, aaO., Rdn. 564) . Die von der Beklagten in diesem
Zusammenhang für ihre Auffassung angeführten Literaturstellen beziehen sich auf die Frage, ob der Unterhaltsberechtigte gegen
den Unterhaltspflichtigen Unterhalt geltend machen kann, obwohl bereits Sozialhilfe gewährt worden ist. Sie sind für den Fall,
dass für die Zukunft Unterhalt begehrt wird, nicht einschlägig. Wegen der Subsidiarität der Sozialhilfe ist die Klägerin unterhaltsrechtlich
nicht gehalten, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen (Kalthoehner/Büttner, aaO., Rdn. 564). Der entgegenstehenden Auffassung
von Künkel (DAVorm 1991, 363) vermag der Senat nicht zuzustimmen. Wenn der Unterhaltsberechtigte in den Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige vom
Sozialhilfeträger nicht in Anspruch genommen wird, unterhaltsrechtlich gehalten wäre, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, hätte
es nahe gelegen, insoweit die bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüche den sozialhilferechtlichen Regelungen anzupassen.
Davon hat der Gesetzgeber aber abgesehen. Nichts anderes gilt, soweit die Beklagte die Klägerin darauf verweist, sie könne
Sozialhilfe darlehensweise in Anspruch nehmen und das Darlehen aus dem Verkaufserlös des Hausgrundstücks nach Erlöschen des
Nießbrauchs der Beklagten ablösen. Auch in diesem Fall ändert sich an der Subsidiarität der Sozialhilfe nichts.
Die Klägerin ist allerdings für den Monat November und teilweise auch für den Monat Dezember 1996 nicht als bedürftig anzusehen.
Die Beklagte verweist mit Recht darauf, dass die Klägerin zunächst ihr Vermögen zur Deckung ihres Bedarfs einzusetzen hat.
Die Klägerin hat in ihrem Vermögensverzeichnis beim 30. Juli 1993 (Bl. 42 GA) unter anderem ein Grundstück in den USA mit
einem geschätzten Verkehrswert von 7.500,- DM angegeben. Sie trägt nicht vor, welche Hindernisse einer Verwertung dieses Grundstücks
entgegengestanden haben, so dass davon auszugehen ist, dass die Verwertung möglich gewesen wäre und hätte durchgeführt werden
können. Ihr ist daher ein fiktiver Erlös von 7.500,- DM zuzurechnen, der ihren Bedarf für November und teilweise auch für
Dezember 1996 abdeckt.
Soweit die Klägerin ein Sparguthaben von rund 4.500,- DM angegeben hat, handelt es sich um einen sogenannten Notgroschen,
den sie in Anbetracht der beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse anzugreifen nicht verpflichtet ist.
Die Klägerin kann auch nicht auf die Inanspruchnahme vorrangig Unterhaltsverpflichteter verwiesen werden. Ihr Ehemann verbüßt
nach ihrem nicht bestrittenen Vortrag eine Haftstrafe in den USA und ist daher als nicht leistungsfähig anzusehen. Ihr Sohn
verfügte nach den Gehaltsbescheinigungen über ein - nicht bereinigtes - Nettoeinkommen, das nur verhältnismäßig geringfügig
über dem derzeit angemessenen Selbstbehalt von mindestens 1.800,- DM lag. Es ist zwar davon auszugehen, dass die Einkünfte
inzwischen im Rahmen der allgemeinen Tariferhöhungen gestiegen sind, doch ist zu bedenken, dass mit einem verhältnismäßig
geringfügigen Unterhaltsbeitrag des Sohnes nur der über, 4.500,- DM hinausgehende Bedarf der Klägerin abgedeckt werden kann.
Wegen der Leistungsfähigkeit der Beklagten verweist der Senat auf die Ausführungen im Beschluss vom 27. Juni 1995 und auf
das angefochtene Urteil. Dass sie entgegen der Annahme der Leistungsfähigkeit tatsächlich leistungsunfähig ist, trägt die
Beklagte substantiiert nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
92,
708 Nr. 11,
713
ZPO.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 42.000,- DM
Beschwer für beide Parteien: unter 60.000,- DM