Prozesskostenhilfe für Klage wegen laufenden Unterhalts und rückständiger, auf den Sozialhilfeträger übergeganger Ansprüche
Gründe:
I.
Unter dem 09. Dezember 1998 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für eine Unterhaltsklage, mit der
sie neben dem laufenden Ehegattenunterhalt auch Rückstände geltend macht, die auf den Sozialhilfeträger übergingen und von
diesem zurückübertragen wurden.
Mit Beschlüssen. vom 21. Januar 1999 und 03. Februar 1999 versagte das Amtsgericht - Familiengericht - Regensburg hinsichtlich
der Rückstände die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe mit der Begründung, die Klägerin habe insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis,
da sie die Rückübertragung der Unterhaltsansprüche hätte ablehnen können mit der Folge, daß der Träger der Sozialhilfe sodann
in der Lage gewesen wäre, den Unterhaltsrechtstreit selbst zu führen.
Gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Zur Frage, ob einem Kläger Prozeßkostenhilfe bewilligt werden kann, wenn er Klage auf Zahlung übergegangener und rückübertragener
Unterhaltsbeträge erheben will, liegt, soweit ersichtlich, keine gefestigte Rechtsprechung oder herrschende Meinung vor.
Das Oberlandesgericht Koblenz (FamRZ 1997, 1086) vertritt die Auffassung, die Klagepartei sei im Falle der nach § 91 Abs. 4 Satz 1 BSHG n.F. zulässigen Rückübertragung nicht bedürftig im Sinne des §
114
ZPO. Die gesetzliche Formulierung, daß Kosten, mit denen der Hilfeempfänger durch die Rückübertragung belastet werde, zu übernehmen
seien, besage, daß der Sozialhilfeträger in Vorlage zu treten habe. Es sei nicht Aufgabe der Prozeßkostenhilfe, die Aufwendungen
des Sozialhilfeträgers zu finanzieren. Der Hilfeempfänger sei nicht bedürftig, weil er einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß
gegen den Sozialhilfeträger habe.
Dem schließt sich das Oberlandesgericht Celle (MDR 1999, 101) mit dem Argument an, daß sich der Anspruch des Hilfeempfängers auf Prozeßkostenvorschuß gegen den Träger der Sozialhilfe
zumindest aus dem materiellen Recht ergebe. Die Rückabtretung erfolge zum Zwecke der gerichtlichen Durchsetzung des Unterhaltsanspruches.
Der Hilfsbedürftige übernehme einen Auftrag des Sozialhilfeträgers und habe in entsprechender Anwendung des §
669
BGB einen Anspruch auf Kostenvorschuß.
Scholz (in Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Auflage, § 6 Rd.Nr. 558) hält es für
zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall Prozeßkostenhilfe bewilligt werden kann. Allerdings könne der Hilfsbedürftige sein Einvernehmen
mit der Rückübertragung davon abhängig machen, daß der Sozialhilfeträger die zusätzlichen Kosten übernehme.
Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 3. Juli 1996 -(FamRZ 1996, 1203 ff), in der er die Rückübertragung nach § 91
BSHG a.F. für unwirksam erklärt hatte, in einem Nebensatz anklingen lassen, daß die Unwirksamkeit der Rückübertragung unter anderem
damit zusammenhänge, daß der Hilfsbedürftige ein Kostenrisiko trage, dies auch bei Bewilligung von Prozeßkostenhilfe.
Das Oberlandesgericht Köln (FamRZ 1997, 298; 1998, 175) hält den Hilfeempfänger für bedürftig, weil er keinen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen den Sozialhilfeträger
habe, sondern lediglich einen Freistellungsanspruch. Mutwillig im Sinne des §
114
ZPO sei die Rechtsverfolgung schon wegen der Subsidiarität der Sozialhilfe nicht.
Diesem Ergebnis schließen sich die "Empfehlungen an die Familiensenate im Haus" des Oberlandesgerichts Hamm an (FamRZ 1997,
275).
Gerhardt (in Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 2. Auflage, Kapitel 6, Rd.Nr. 23) bejaht die Bedürftigkeit mit der Begründung,
daß sich die Kostenerstattungspflicht des § 91 Abs. 4 Satz 2 BSHG nur auf verlorene Prozesse beziehe (vgl. auch Schöppe-Fredenburg im selben Handbuch, Kapitel 13, Rd.Nr. 250, 251).
Der Senat vertritt folgende Rechtsauffassung:
Soweit ausschließlich übergegangene und zurückübertragene Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden, scheitert die Bewilligung
von Prozeßkostenhilfe dann, wenn der Hilfeempfänger kein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozeßführung hat, was regelmäßig
der Fall sein wird. Der Bundesgerichtshof (FamRZ 1996, 1203, 1206) führt hierzu aus, ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozeßführung könne nicht mit der Erwägung bejaht werden,
es handele sich um die ursprünglich eigenen gesetzlichen Unterhaltsansprüche, die von dem Ermächtigten eingeklagt würden.
Nachdem die Sozialleistung gewährt worden sei und eine Rückerstattungspflicht. des Hilfeempfängers in der Regel nicht bestehe,
berühre es seine Interessen nicht mehr, ob und gegebenenfalls inwieweit die auf den Leistungsträger übergegangenen Ansprüche
geltend gemacht würden. Soweit die Sozialleistungen für die Vergangenheit erbracht würden und der gesetzliche Übergang den
gesamten Unterhaltsanspruch erfasse, scheide deshalb ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Unterhaltsberechtigten von vorneherein
aus. Dem schließt sich der Senat an. Das schutzwürdige Interesse besteht aber für zukünftige Ansprüche, weil es dem Hilfebedürftigen
nicht verwehrt werden kann, zu versuchen, sich von der Sozialhilfe unabhängig zu machen. Scholz (a.a.O. Rd.Nr. 557/558) rechtfertigt
dieses Ergebnis mit der Begründung des Gesetzes in BT-Drucks. 13/7338 S 46 zu § 91 Abs. 4 S. 2 BSHG. Danach soll vermieden werden, daß der Hilfeempfänger im Hinblick auf die Rückabtretung mit "zusätzlichen Kosten" belastete
werde. Davon könne nur die Rede sein, wenn er (auch) selbst einen Prozeß wegen eigener Ansprüche gegen den Unterhaltspflichtigen
führen wolle.
Soweit laufender Unterhalt neben einem rückübertragenen Unterhaltsrückstand verlangt wird, scheitert die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe
weder an der nach §
114
ZPO erforderlichen Bedürftigkeit, noch ist die Prozeßführung mutwillig.
Die Prozeßarmut liegt zwar regelmäßig dann nicht vor, wenn ein Hilfsbedürftiger einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß hat
(Zöller/Philippi,
ZPO, 21. Aufl., Rd.Nr. 66 zu §
115
ZPO). Im Gegensatz zu der zitierten Rechtsprechung geht der Senat jedoch mit dem Oberlandesgericht Stuttgart (FamRZ 1994, 384) davon aus, daß dies nicht der Fall ist. Die Prozeßkostenhilfe stellt nämlich eine Art "Sozialhilfe" im Bereich der Rechtspflege
dar. Nach 2 BSHG, gehen die Regelungen der Prozeßkostenhilfe den im BSHG getroffenen Regelungen vor und regeln die Kostentragung im Prozeßfall bei Bedürftigkeit abschließend. Scholz (a.a.O.) leitet
dies zu aus der Begründung zum Entwurf des Kindesunterhaltsgesetzes her und führt aus, daß durch die Formulierung, daß der
Unterhaltsberechtigte. nicht selbst mit Kosten belastet werden solle, klargestellt sei, daß die Prozeßkostenhilfe vorrangig
zur Deckung der Prozeßkasten heranzuziehen sei. Der Senat geht aus diesen Gründen und im Hinblick auf den klaren Wortlaut
des § 91 Abs. 4 Satz 2 - Kosten ...... sind zu übernehmen - davon aus, daß es sich insoweit um einen Freistellungsanspruch
des Hilfsbedürftigen handelt, der dann eintritt, wenn er mit Kosten belastet wird, also regelmäßig erst mit dem Ende des Rechtsstreites
bei Erstattungsansprüchen des Gegners (OLG Köln, FamRZ 1997, 297). Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 91 Abs. 4 Satz 2 BSHG, die der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (FamRZ 1996, 1203 ff) Rechnung tragen sollte, nach der die Rückübertragung im Hinblick auf das auch nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe
verbleibende Kostenrisiko des Hilfeempfängers wegen eines Verstoßes gegen § 32
BSHG für unwirksam erachtet wurde.
Die Rechtsverfolgung des Hilfebedürftigen, der neben dem laufenden Unterhalt auch rückübertragenen Unterhaltsrückstand verlangt,
kann im Regelfall auch nicht als mutwillig im Sinne des §
114
ZPO bezeichnet werden, zumindest dann nicht, wenn nicht der laufende Unterhalt hinter den Rückständen weitestgehend zurücktritt.
Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 91 Abs. 4
BSHG n.F., der den Gedanken des Bundesgerichtshofs (a.a.O. S. 1206) aufgreift, daß es nämlich aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit
sinnvoll wäre, wenn die Unterhaltsansprüche insgesamt in einer Hand geltend gemacht werden könnten. Dadurch wird vermieden,
daß durch getrennte Prozeßführung eine Verwaltungsmehrbelastung und ebenso eine Mehrbelastung der Justiz eintritt.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§
127 Abs.
4
ZPO).