Vorrang des Prozesskostenvorschusses gegenüber PKH auch bei nur ratenweiser Zahlungspflicht des Unterhaltsverpflichteten
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §
127 Abs.
3 S. 1 bis 5
ZPO statthafte und zulässige Beschwerde der Staatskasse ist insoweit begründet, als in dem bewilligenden Beschluss vom 29.08.2003
der Antragstellerin eine Ratenzahlung in Höhe von 175,00 EUR nicht auferlegt wurde.
Dass Eltern, die einem minderjährigen Kind Unterhalt schulden, ihm gegenüber für die Prozesskosten in persönlichen Angelegenheiten
aufzukommen und diese vorzuschießen haben, ist einhellige Meinung. Dies wird auch nicht von der Beschwerdegegnerin bekämpft
(vgl. hierzu Zöller/Philippi,
ZPO, 23 Aufl., §
115 Rz. 67 b).
Dass im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Prozesskostenhilfe dieser Prozesskostenvorschussanspruch Vermögen im Sinne
von §
115 Abs.
2 ZPO ist, ist ebenfalls unstreitig. Sofern also für den Prozessgesuchsteller ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss besteht,
kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht. Auch dieser Grundsatz ist zwischen der Beschwerdeführerin
und der Beschwerdegegnerin unstreitig.
Streitig ist allein, und insoweit ist das Amtsgericht Tübingen in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 19.01.2004 (vgl. Bl. 69/70
d. A.) der Argumentation der Beschwerdegegnerin beigetreten, ob bei fiktivem Prozesskostenhilfeanspruch (auch wenn insoweit
hohe Raten zu bezahlen wären) des Prozesskostenvorschussverpflichteten das Primat des Einsatzes des Prozesskostenvorschusses
zurücktritt und der Prozesskostenhilfegesuchsteller so behandelt wird, als ob ein Prozesskostenvorschussanspruch gegenüber
dem Unterhaltsverpflichteten nicht bestehe.
Diese Frage ist seit langem strittig, Zöller/Philippi, auf den sich die Beschwerdegegnerin und das Amtsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss
berufen, verneint in Rz. 70 zu §
115 ZPO unter Hinweis auf eine Mehrzahl von Oberlandesgerichtsentscheidungen für diese Konstellation die Vorschusspflicht A. a. O.
ist auch eine Reihe von abweichenden Oberlandesgerichtsentscheidungen zitiert, auf welche sich die Beschwerdeführerin beruft.
Als Argument wird von dort genannt "andernfalls müsste der Vorschusspflichtige in höherem Maß für die Prozesskosten aufkommen,
als §
115 ZPO es vorsieht". Dies trifft jedoch nur zu, wenn der Vorschusspflichtige selbst Partei des Rechtsstreits ist, an welchem er
sich prozesskostenmäßig über seine Vorschusspflicht gegenüber seiner Gegenpartei beteiligen soll.
Wenn - wie hier - der betreuende Vater der Antragstellerin nicht Partei des zu finanzierenden Prozesses ist, kommt es zu einer
Höherbelastung als §
115 ZPO vorsieht für den Vater nicht.
Die von Zöller/Philippi a.a.O. für die Unterstützung der dort vertretenen Meinung aufgeführten Oberlandesgerichtsentscheidungen
stellen teilweise (auch) auf die zuletzt genannte (hier vorliegende) Fallkonstellation ab, teilweise auch ausdrücklich nicht
(so OLG Bamberg FamRZ 2000, S. 1093-1094).
So meint das OLG Bamberg (FamRZ 2000, 1093-1094), der Prozesskostenvorschussanspruch diene dazu, der berechtigten Partei Mittel an die Hand zu geben, damit sie den
erforderlichen Gerichtskostenvorschuss und den einem Rechtsanwalt nach § 14 BRAGO zustehenden Honorarvorschuss begleichen kann. Dieser Zweck des Vorschusses werde aber dann nicht mehr erfüllt, wenn der Pflichtige
Zahlungen nur in Raten erbringe.
Diesem Argument ist nach Auffassung des Senats damit entgegenzutreten, dass die Raten, die dem Prozesskostenvorschussverpflichteten
(und seinem Anwalt) zuzumuten sind, auch dem Prozesskostenhilfenachsuchenden und Prozesskostenvorschussberechtigten bei der
Bewilligung von Prozesskostenhilfe auferlegt werden können. Die Alternative wäre ansonsten ein Alles oder Nichts-Prinzip,
im Zweifel zu Lasten der Staatskasse und damit der Gemeinschaft. Mit der bewilligten PKH entfällt die Gerichtskostenvorschusspflicht,
der Rechtsanwalt kann seinen Vorschussanspruch gegenüber der Staatskasse geltend machen.
Ausgehend von der Selbstauskunft des Vaters der Antragstellerin vom 21.05.2002 in seiner Erklärung gem. §
117 Abs.
2 ZPO, die den Berechnungen der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 27.11.2003 zugrunde liegen und welche von der Beschwerdegegnerin
inhaltlich nicht bekämpft werden, ergibt sich folgende Berechnung:
Durchschnittliches mtl. Nettoeinkommen des Vaters der Antragstellerin 2.300,00 EUR + hälftiges Kindergeld für die beiden
bei ihm befindlichen unterhaltsberechtigten Kinder mit 154,00 EUR + eines Zuschlags für pauschaliertes Weihnachts- und Urlaubsgeld
von mtl. 250,00 EUR nebst monatlich 300,00 EUR aus Vermietung und Verpachtung ergibt ein Gesamtmonats einkommen von 3.004,00
EUR.
Hiervon ist abzusetzen der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 76 Abs. 2 a BSHG mit 149,00 EUR, der Einkommensfreibetrag in Höhe von 364,00 EUR dem Grunde nach, der Unterhaltsfreibetrag gegenüber dem ersten
unterhaltsberechtigten Sohn ..., geb. 22.07.1984 (allerdings unter Zurechnung von dessen eigenem Einkommen von 350,00 EUR,
was einen Freibetrag von 0,00 EUR ergibt); abzusetzen ist weiter der Unterhaltsfreibetrag gegenüber der hiesigen Antragstellerin
von 256,00 EUR.
In Anbetracht dessen, dass der Vater der Antragstellerin mit dieser und dem weiteren Kind die Eigentumswohnung in A bewohnt,
für die er mtl. 1.100,00 EUR zu zahlen hat und insoweit mietfrei wohnt, ist dieser Betrag abzusetzen ebenso die Heizungskosten
von 75,00 EUR.
Die übrigen (verbrauchsabhängigen) Nebenkosten hält der Senat nicht für absetzungsfähig. Abzusetzen sind dagegen, über die
Berechnung der Bezirksrevisorin im Beschwerdeschriftsatz vom 27.11.2003 hinaus, die Aufwendungen für ein zweites Darlehen
in Höhe von 600,00 EUR (vermutlich korrespondierend mit der Eigentumswohnung P, diesbezüglich wird auch eine Einnahme von
300,00 EUR mtl. aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt). Danach verbleibt ein einzusetzendes Einkommen von 460,00 EUR
und eine Monatsrate von 175,00 EUR.
Auch eine Kontrollbetrachtung ausschließlich unter unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten führt zur Zumutbarkeit der ermittelten
175,00 EUR Monatsraten, nachdem dem Vater der Antragstellerin die Zins- und Tilgungsraten für zwei Wohnungseigentumsobjekte
als Belastungen anerkannt wurden.
Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, da die Beschwerde der Staatskasse zum einen überwiegend Erfolg hatte und zum
anderen die Staatskasse von der Gerichtskostenpflicht allgemein befreit ist.
Da, wie ausgeführt, das Verhältnis zwischen ratenweise zu zahlendem Prozesskostenvorschuss und Prozesskostenhilfe weiterhin
unter den Obergerichten sehr unterschiedlich gehandhabt wird, sah sich der Senat gehalten, gem. §
574 Abs.
1 Nr.
2, Abs.
3, Abs.
2 Nr.
2 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen.