Sozialhilferecht: Weiterbezug von Sozialhilfe durch Flüchtlinge i.S. der Genfer Konvention bei Wechsel des Bundeslandes
Gründe:
I.
Den Antragstellern ist Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozeßbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren zu versagen,
da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
166 VwGO i.V.m. §
114 Satz 1
ZPO).
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die Antragsgegnerin
im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die mit dem 20. März 1994 eingestellte laufende Hilfe zum Lebensunterhalt
nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) wieder aufzunehmen. Die Antragsteller haben keinen Anspruch darauf, daß ihnen diese Hilfe, die sie vor ihrem Zuzug nach
im Oktober 1992 in ihrem damaligen Wohnort vom zuständigen Träger der Sozialhilfe in erhalten haben und die sie (bei Fortbestehen
der Hilfebedürftigkeit) im Falle einer Rückkehr in das Bundesland wieder von dem dann zuständigen Träger erhalten werden,
bei einem weiteren Verbleib in von der Antragsgegnerin gewährt wird.
Nach § 120 Abs. 5 Satz 1 BSHG darf Ausländern in den Teilen der Bundesrepublik Deutschland, in denen sie sich einer ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung
zuwider aufhalten, der für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Träger der Sozialhilfe - d.i. hier die Antragsgegnerin
- nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe leisten. Das gleiche gilt für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte
Aufenthaltsbefugnis besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem die Aufenthaltsbefugnis erteilt worden
ist (§ 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG). Die Antragsteller - afghanische Staatsangehörige - zählen unstreitig zu dem letztgenannten Personenkreis. Ihnen sind Aufenthaltsbefugnisse
im September 1992 im Bundesland von dem Landrat des -Kreises erteilt worden. Diese gesetzliche Anspruchsbeschränkung in §
120 Abs. 5 BSHG, die als speziellere Regelung § 97 Abs. 1 BSHG vorgeht, ist seit 1. Januar 1991 geltendes Recht (zunächst als Abs. 4 durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts
v. 9. Juni 1990, BGBl. I S. 1354, eingefügt u. zuletzt durch das Gesetz zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber v. 30. Juni 1993, BGBl. I S. 1061, neugefaßt). Die Bestimmung verbietet dem örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende
tatsächlich aufhält, die Gewährung von Sozialhilfe, soweit - wie hier - die Aufenthaltsbefugnis von einem anderen Bundesland
erteilt worden ist. Der örtliche Träger darf an diesen Personenkreis rechtmäßig nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene
Hilfe leisten, die sich regelmäßig in der Übernahme der Fahrkosten in das Herkunfts- Bundesland und der Bereitstellung von
Zehrgeld erschöpfen dürfte.
Dieser gesetzliche Ausschluß von weitergehenden Hilfeansprüchen gilt auch für solche der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin.
Er kann hier auch nicht deshalb überwunden werden, weil die Antragsgegnerin den Antragstellern entgegen dieser Rechtslage
seit November 1992 Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt und ihnen erst am 7. Februar 1994 mitgeteilt hat, die Hilfe werde einschließlich
der bisher übernommenen Hotelkosten eingestellt. Zunächst ist in diesem Verhalten der Antragsgegnerin und insbesondere in
dem förmlichen Bescheid vom 7. März 1994 über die Versagung der weiteren Hilfe über den 20. März 1994 hinaus kein Widerruf
und auch keine Rücknahme oder Aufhebung eines (zuvor ergangenen) fortwirkenden Bewilligungsbescheides zu sehen, und dem von
den Antragstellern dagegen eingelegten Widerspruch kommt deshalb insoweit auch keine aufschiebende Wirkung nach §
80 Abs.
1 VwGO mit der Folge einer vorläufigen Weitergewährung der Hilfe zu. Denn Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz sind keine rentengleichen Dauerleistungen, sondern Hilfen in einer bestimmten - jeweils aktuellen - Notsituation (BVerwG,
Urt. v. 30.11.1966, BVerwGE Bd. 25 S. 307, 308; Urt. v. 26.9.1991, DÖV 1992 S. 263). Auch Leistungen, die - wie hier - dem Hilfesuchenden tatsächlich über eine längere Zeit zufließen, werden grundsätzlich
nur für die nächstliegende Zeit - in der Regel monatlich - bewilligt. Die Versagung der weiteren Bewilligung ist deshalb kein
Widerruf, keine Rücknahme oder Aufhebung eines fortwirkenden Bewilligungsbescheides, und vorläufiger Rechtsschutz kommt -
da der Hilfesuchende eine erneute Begünstigung begehrt - nur im Wege des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Regelungsanordnung
gemäß §
123 Abs.
1 VwGO in Betracht (vgl. Beschluß des Senats v. 30.7.1992, FEVS Bd. 43 S. 362 = MDR 1993 S. 1140).
Die Weitergewährung der Hilfe durch die Antragsgegnerin können die Antragsteller vorliegend auch nicht mit Hinweis darauf
beanspruchen, daß sich durch die bisherige Bewilligungspraxis der Antragsgegnerin bei ihnen ein schützenswertes Vertrauen
auf die Weitergewährung der Leistungen gebildet habe. Abgesehen davon, daß die Antragsteller mit Ausnahme des Hinweises auf
den Schulbesuch der Antragstellerin zu 3) schützenswerte Interessen nicht dargelegt haben - insbesondere ist nicht zu erkennen,
daß die Hilfegewährung zu einer Verfestigung der Lebensverhältnisse der Antragsteller in etwa in Bezug auf ihre Unterbringung
(sie leben seit ihrem Zuzug im Oktober 1992 in einem Hotel) oder eine Erwerbstätigkeit geführt haben - stünde einer Fortsetzung
der - rechtswidrigen - Gewährung der Hilfe durch die Antragsgegnerin entgegen, daß diese als vollziehende Gewalt an Gesetz
und Recht gebunden ist (Art.
20 Abs.
3 GG). Dieser Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung stünde im übrigen einer Weitergewährung der Sozialhilfe auch dann entgegen,
wenn - wofür allerdings derzeit keine Anhaltspunkte vorliegen - die Antragsgegnerin in ständiger Praxis Flüchtlingen, die
aus anderen Bundesländern mit dort erteilten Aufenthaltsbefugnissen zuziehen, laufend Sozialhilfe gewähren würde. Auch für
diesen - unwahrscheinlichen - Fall käme eine Hilfe an die Antragsteller entsprechend dem Grundsatz "keine Gleichbehandlung
im Unrecht" nicht in Betracht.
Der Einstellung der Hilfe an die Antragsteller auf der Grundlage des § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG steht - entgegen ihrer Ansicht - auch nicht Art. 23 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK -) vom 28. Juli 1951 (BGBl. II S. 559) entgegen. Danach haben sich die vertragsschließenden Staaten verpflichtet, den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem
Staatsgebiet aufhalten, auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge und sonstigen Hilfeleistungen die gleiche Behandlung wie
ihren eigenen Staatsangehörigen zu gewähren. Es dürfte bereits fraglich sein, ob die genannte Bestimmung für das tatsächliche
Begehren der Antragsteller einschlägig ist. Denn in der Sache geht es ihnen darum, ihren Aufenthalt im Bundesgebiet entsprechend
ihren Vorstellungen frei wählen zu können und an diesem Ort vom örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe Fürsorgeleistungen
zu erhalten. Daß ihnen diese Leistungen anderweitig - nämlich im Bundesland - gewährt werden, stellen sie selbst nicht in
Frage. Für das Begehren der Antragsteller auf freie Wahl des Aufenthaltsortes dürfte daher eher Art. 26 GK einschlägig sein,
wonach Flüchtlingen, die sich rechtmäßig im Gebiet eines Vertragsstaates aufhalten, Freizügigkeit lediglich vorbehaltlich
der Bestimmungen gewährt wird, die allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden. Das entspricht Art.
11 Abs.
1 GG, nach dem das Grundrecht der Freizügigkeit auf deutsche Staatsangehörige beschränkt ist. Eine Ungleichbehandlung in Bezug
auf vergleichbare ausländische Staatsangehörige, die ebenfalls § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG unterfallen, machen die Antragsteller jedoch nicht geltend.
An der Regelung des § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG bestünden im übrigen aber auch dann keine durchgreifenden Bedenken, wenn sie - wie die Antragsteller meinen - an Art. 23
GK zu messen wäre. Dann wäre nämlich zu berücksichtigen, daß die Vorschriften der Genfer Konvention als Völkervertragsrecht
dem Bundesrecht nicht als höherrangiges Recht vorgehen und insoweit Rechte und Pflichte nicht unmittelbar für die Antragsteller
begründen können. Diese Wirkungen entfalten nur die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die Bestandteil des Bundesrechts
sind (Art.
25 GG). Hierzu zählt die Genfer Konvention nicht; ihr hat der Bundestag durch Gesetz vom 1. September 1953 (BGBl. II S. 559) gemäß § 59 Abs. 2
GG zugestimmt, und sie gilt deshalb in der Bundesrepublik Deutschland im Range eines einfachen Gesetzes (vgl. Bonner Kommentar
zum
Grundgesetz, Stand Oktober 1981, Art.
11 Rdnr. 130; Jarass/Pieroth,
Grundgesetz, 2. Aufl. 1992, Art.
25 Nr. 1 a; Rojahn in: von Münch,
Grundgesetz, 2. Aufl. 1983 Art.
25 Rdnr. 8, jeweils m.w.N.). Daraus folgt zugleich, daß der zum 1. Januar 1991 in Kraft getretene § 120 Abs. 4 - jetzt Abs. 5 - BSHG als das spätere Bundesgesetz Vorrang gegenüber Art. 23 GK genießt (Jarass/Pieroth, a.a.O., m.w.N.).
Unabhängig von diesen Erwägungen, die über § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG hinausgehende Rechte der Antragsteller aus Art. 23 GK ausschließen würden, dürften beide Regelungen auch in Einklang zu bringen sein, d.h. die von den Antragstellern gerügte
Diskriminierung ausländischer Hilfeempfänger gegenüber Inländern, die Art. 23 GK verbietet, dürfte nicht vorliegen. Ausgangspunkt
der Beurteilung dieser Frage ist dabei zunächst die Feststellung, daß § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG Flüchtlinge, die im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sind, nicht generell "auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge und sonstigen
Hilfeleistungen" (Art. 23 GK) im Verhältnis zu deutschen Staatsangehörigen schlechter stellt (vgl. dagegen die Herabstufung
von Leistungen an Asylbewerber in §§
3 ff.
AsylbLG). Insbesondere wird durch diese Regelung der Umfang der hier streitigen Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 11 ff. BSHG) nicht berührt. § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG sieht für den sich mit einer Aufenthaltsbefugnis im Bundesgebiet aufhaltenden Ausländer nur vor, daß er im Falle seiner Hilfebedürftigkeit
den ihm zustehenden Anspruch auf Sozialhilfe gegenüber einem bestimmten Träger der Sozialhilfe geltend machen muß, nämlich
gegenüber dem Träger des Landes, das ihm die Aufenthaltsbefugnis erteilt hat.
Soweit durch diese Regelung die Freizügigkeit des genannten Personenkreises faktisch dahingehend eingeschränkt sein kann,
daß bei fortbestehender Hilfebedürftigkeit der Ausländer das Bundesland, das ihm die Aufenthaltsbefugnis erteilt hat, tatsächlich
nicht verlassen kann bzw. daß er bei eintretender Hilfebedürftigkeit außerhalb dieses Gebietes ggf. gehalten ist, sich wieder
in das entsprechende Bundesland zurückzubegeben, dürfte dies nicht Sinn und Zweck des Art. 23 GK widersprechen. Insoweit ist
in Betracht zu ziehen, daß auch Inländer unter gewissen Voraussetzungen bei eingetretener bzw. unmittelbar bevorstehender
Hilfebedürftigkeit nach dem Selbsthilfegebot aus § 2 Abs. 1 BSHG gehalten sein können, einen bestimmten Wohnsitz nicht aufzugeben bzw. wieder aufzusuchen, an dem sie den notwendigen Lebensunterhalt
(§ 12 Abs. 1 BSHG) für sich und ggf. für ihre Angehörigen selbst beschaffen können, z.B. weil ihnen dort (noch) die Möglichkeit einer entgeltlichen
Erwerbstätigkeit und eine Wohnunterkunft zur Verfügung steht. Zum anderen dürfte Art. 23 GK seinem Inhalt und Zweck nach die
vertragsschließenden Staaten nicht daran haben hindern wollen, die mit der Aufnahme einer u.U. hohen Zahl von Flüchtlingen
verbundenen Lasten innerhalb des Aufnahmestaates gleichmäßig zu verteilen, soweit mit der Zuweisung von Flüchtlingen in bestimmte
Landesteile die öffentliche Fürsorge und sonstigen Hilfeleistungen in ihrem Umfang nicht geschmälert werden. Insbesondere
bei Entwicklungs- bzw. sog. Schwellenländern dürfte erst die Verteilung von Flüchtlingen auf einzelne Landesteile entsprechend
ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sicherstellen, daß diesen Flüchtlingen die Inländern gleichwertigen Sozialleistungen
erhalten.
Da den Antragstellern danach ein Rechtsanspruch auf die begehrte Hilfe nicht zusteht, kann offenbleiben, ob es für den Erlaß
einer einstweiligen Anordnung auch an dem - daneben erforderlichen - Anordnungsgrund fehlt. Hieran wäre - wie das Verwaltungsgericht
insoweit zutreffend dargelegt hat - deshalb zu denken, weil die Antragsteller die ihnen von der Antragsgegnerin versagte Hilfe
unstreitig im Falle einer Rückkehr in das Bundesland von einem dort zuständigen Träger der Sozialhilfe erhalten würden und
ihnen eine derartige Rückkehr wegen der hier gegebenen Verhältnisse - Unterkunft in einem Hotel seit Ankunft in, fehlende
Arbeit bzw. Aussicht auf Arbeit - zugemutet werden kann.
Aus den genannten Gründen hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht den Antrag auf Bewilligung auf Prozeßkostenhilfe unter
Beiordnung des Prozeßbevollmächtigten für das erstinstanzliche Verfahren abgelehnt.