Ausbildungsförderung: Förderfähigkeit; Fachhochschulreife; Praktikum; Ausbildungsbestimmung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Bewilligung von Ausbildungsförderung für ein Praktikum.
Nach dem Abschluss der 12. Klasse der staatlich anerkannten Freien Waldorfschule Esslingen stellte das Regierungspräsidium
Stuttgart dem Kläger unter dem 23.05.2006 das Zeugnis der Fachhochschulreife (schulischer und berufsbezogener Teil) aus. Hierin
war vermerkt, dass für die Einschreibung zum Studium an einer Fachhochschule in Baden-Württemberg mit einer besonderen Bescheinigung
des Regierungspräsidiums eine praktische Tätigkeit im außerschulischen Bereich von mindestens 12 Monaten nachzuweisen ist.
Der Kläger beabsichtigte, diese praktische Tätigkeit in der Zeit vom 01.12.2006 bis zum 30.11.2007 in der fachlichen Richtung
"Kinder- und Jugendarbeit" bei dem Veranstalter von Kinder- und Jugendfreizeiten und von Studien- und Erlebnisreisen Aventerra
e.V. in Stuttgart abzuleisten.
Zu diesem Zweck beantragte er am 31.01.2007 bei dem Beklagten die Gewährung von Ausbildungsförderung bei auswärtiger Unterbringung.
Mit Bescheid vom 23.03.2007 lehnte der Beklagte den Antrag unter Hinweis auf §
2 Abs.
4 BAföG ab. Ausbildungsförderung für die Teilnahme an einem Praktikum - so der Beklagte - werde nur geleistet, wenn dessen Inhalt
in Ausbildungsbestimmungen geregelt sei. Insoweit sei nicht ausreichend, wenn allein die Dauer des Praktikums und die Art
der Einrichtung bestimmt werde. Vielmehr müsse den einschlägigen Ausbildungsbestimmungen auch zu entnehmen sein, welche konkreten
Tätigkeiten oder Fertigkeiten die Auszubildenden während des Praktikums kennenlernen sollten. Derartige Bestimmungen gebe
es indes nicht.
Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die von dem Beklagten vermisste Regelung finde sich
in den §§ 16 und 17 der Verordnung des Kultusministeriums Baden-Württemberg über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien
Waldorfschulen vom 27.10.1986.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesamt für Ausbildungsförderung - den
Widerspruch des Klägers zurück. Darin wird ausgeführt, nach §
2 Abs.
4 BAföG werde Ausbildungsförderung auch für die Teilnahme an einem Praktikum geleistet, das im Zusammenhang mit dem Besuch einer
Ausbildungsstätte nach §
2 Abs.
1 bis
3 BAföG gefordert werde und dessen Inhalt in Ausbildungsbestimmungen geregelt sei. Für die Förderungsfähigkeit eines Praktikums sei
danach entscheidend, ob es sich um ein in einer Ausbildungsordnung inhaltlich geregeltes Praktikum oder lediglich um eine
vorgeschriebene fachpraktische Tätigkeit handele, welche nur der allgemeinen Einführung in praktische Tätigkeitsbereiche eines
Berufsfeldes, nicht hingegen der geordneten Vermittlung bestimmt beschriebener Kenntnisse und Fertigkeiten diene. Das
Bundesausbildungsförderungsgesetz ziele auf die Ermöglichung qualifizierter Ausbildungen, weshalb es Leistungen nur für ein inhaltlich bestimmtes, geordnetes
Praktikum vorsehe. Hierzu rechne nicht die nach § 16 der Verordnung des Kultusministeriums vom 27.10.1986 vorgesehene praktische
Tätigkeit.
Der Kläger hat am 15.06.2007 vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat,
in seinem Fall seien die Voraussetzungen für ein zu förderndes Praktikum ausreichend bestimmt, sie seien einem inhaltlich
vollständig geregelten Praktikum gleichzustellen. Gemäß einer Empfehlung des Regierungspräsidiums Stuttgart sollten während
der praktischen Tätigkeit praktisch-technische Kenntnisse, die im Unterricht an der Freien Waldorfschule erworben würden,
angewandt werden, z.B. Inhalte aus 1.300 Stunden bzw. der Jahresarbeit.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 23. März 2007 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Mai
2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, die einschlägige Verordnung vom 27.10.1986 regele lediglich,
dass überhaupt eine praktische Tätigkeit erfolgen müsse, sie bestimme jedoch nicht Inhalt, Umfang und Ablauf des erforderlichen
Praktikums, weshalb sie keine Ausbildungsbestimmung i.S.v. §
2 Abs.
4 BAföG darstelle. Eine solche müsse Regelungen darüber treffen, welche Kenntnisse und Fertigkeiten das Praktikum im Zusammenhang
mit der schulischen Ausbildung vermitteln solle. Da die Durchführung der schulischen Ausbildungen Sache der Länder sei, existierten
von Bundesland zu Bundesland verschiedene schulische Ausbildungs- und Praktikumsbestimmungen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 13.02.2008 hat der Kläger eine Bescheinigung des Regierungspräsidiums
Stuttgart vorgelegt, wonach er zwischenzeitlich im Zusammenhang mit dem Erwerb der Fachhochschulreife eine praktische Tätigkeit
im außerschulischen Bereich i.S.v. § 16 der Verordnung des Kultusministeriums über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien
Waldorfschulen von mindestens 12 Monaten nachgewiesen habe. Der Kläger hat hierauf ein Studium an einer Fachhochschule aufgenommen.
Mit Urteil vom 13.02.2008 - 1 K 871/07 - hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen den Bescheid des Beklagten vom 23.03.2007 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums
Stuttgart vom 14.05.2007 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger für das von ihm in der Zeit vom 01.12.2006
bis zum 30.11.2007 beabsichtigte Praktikum Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, die von dem Kläger durchlaufene Freie Waldorfschule sei eine weiterführende allgemeinbildende Schule i.S.v. §
2 Abs.
1 Nr.
1 BAföG. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch der Inhalt des von dem Kläger absolvierten Praktikums in Ausbildungsbestimmungen
i.S.v. §
2 Abs.
4 BAföG geregelt. Dabei handele es sich um die Regelung des §
16 der Verordnung des Kultusministeriums über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen. Nach dieser Regelung
diene die praktische Tätigkeit dem Kennenlernen der Arbeitswelt und der Anwendung der im Unterricht der Freien Waldorfschule
erworbenen praktisch-technischen Kenntnisse. Welche praktisch-technischen Kenntnisse im Unterricht der Freien Waldorfschulen
erworben würden, sei in § 12 Abs. 1 der Verordnung bestimmt. Hiernach umfasse der Unterricht im praktisch-technischen Bereich
in den Klassen 9 bis 12 nach dem Lehrplan mindestens 1.300 Unterrichtsstunden. § 12 Abs. 2 der Verordnung schreibe darüber
hinaus vor, dass der Schüler zu einem von ihm gewählten Thema aus dem praktisch-technischen Bereich selbstständig eine Jahresarbeit
mit einem kurz gefassten Protokoll über Planung, Verlauf und die hierbei auftauchenden Probleme und deren Lösungen zu fertigen
habe. Durch diese Regelungen werde inhaltlich vorgegeben, welche im Unterricht erworbenen praktisch-technischen Kenntnisse
im Rahmen der praktischen Tätigkeit nach § 16 Abs. 1 S. 1 der Verordnung angewandt werden sollten, womit §
2 Abs.
4 S. 1
BAföG Genüge getan werde. Die darin geforderte inhaltliche Bestimmung müsse erkennen lassen, auf welche Ausbildungsinhalte das
Praktikum bezogen sein solle. Welche Anforderungen an die Genauigkeit der inhaltlichen Regelung zu stellen seien, hänge von
der Funktion des Praktikums im Ausbildungskonzept ab. Die Abgrenzung zu einer nicht förderungswürdigen bloßen praktischen
Tätigkeit als allgemeine Einführung in die Arbeitswelt sei im vorliegenden Fall schon dadurch gewährleistet, dass die praktische
Tätigkeit des Klägers als Leistungsnachweis zur Erlangung der Fachhochschulreife notwendig sei.
Gegen das dem Beklagten am 20.02.2008 zugestellte Urteil hat dieser mit am 12.03.2008 eingegangenem Schriftsatz die vom Verwaltungsgericht
zugelassene Berufung eingelegt.
Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte geltend, nach der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs erfordere
§
2 Abs.
4 BAföG, dass die Ausbildungsbestimmungen zumindest näher definierte Lernziele oder Regelungen darüber enthalten müssten, welche
konkreten Tätigkeiten und Fertigkeiten der Auszubildende kennenlernen solle. Ein förderfähiges Praktikum sei danach nur dann
gegeben, wenn es auch inhaltlich Teil einer zielgerichteten Ausbildung sei. § 16 der einschlägigen Verordnung des Kultusministeriums
führe selbst keinerlei Tätigkeitsmerkmale auf. Die Bestimmung nehme lediglich Bezug auf den praktisch-technischen Unterricht,
der in den Klassenstufen 9 bis 12 der Freien Waldorfschulen mit mindestens 1.300 Unterrichtsstunden durchzuführen sei. Dieser
Unterricht werde laut den Informationen der Freien Waldorfschule Esslingen im Internet in den Fächern Schreinern, Kupfertreiben,
Hell-Dunkel-Zeichnen, plastisches Gestalten und Gartenbau erteilt. Entsprechend einer Auflistung des Regierungspräsidiums
Stuttgart könne das Praktikum in höchst unterschiedlichen Betrieben und Einrichtungen, u.a. auch im sozialen Bereich geleistet
werden. Der Kläger habe seine Tätigkeit im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit ausgeübt. Ein inhaltlicher Zusammenhang dieser
Tätigkeit mit den praktisch-technischen Unterrichtsfächern sei daher nicht gegeben, so dass der praktisch-technische Unterricht
auch nicht habe vertieft werden können. Bei dem von dem Kläger besuchten Praktikum handele es sich nach allem nicht um eine
zielgerichtete Weiterführung der bisherigen Ausbildung, sondern lediglich um eine nicht förderfähige praktische Tätigkeit,
die in keinem inhaltlich Zusammenhang mit dem Theorieunterricht stehe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 13. Februar 2008 - 1 K 871/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erwidert, der Beklagte stelle zu eingeschränkt darauf ab, dass ein enger Zusammenhang zwischen Praktikum und schulischem
Unterricht erforderlich sei. Bei dem von ihm abgeleisteten Praktikum habe er die Arbeitswelt kennengelernt aber auch zusätzlich
die von ihm an der Waldorfschule erworbenen praktisch-technischen Kenntnisse umgesetzt.
Dem Senat liegen die Akten des Beklagten, des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf diese Akten und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist statthaft und auch ansonsten zulässig, insbesondere fristgerecht begründet worden. Sie ist
auch begründet.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben; denn diese ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger
hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für das von ihm absolvierte Praktikum nach § 1 Nr. 2 c und §
16 der Verordnung des Kultusministeriums über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen vom 27.10.1986 (GBl.
S. 376), zuletzt geändert durch Art. 25 der Änderungsverordnung vom 21.05.1999 (GBl. S. 213).
Neben dem Besuch einer der in §
2 Abs.
1 und
2 BAföG bezeichneten oder nach §
2 Abs.
3 BAföG bestimmten Ausbildungsstätten wird nach §
2 Abs.
4 S. 1
BAföG Ausbildungsförderung auch für die Teilnahme an einem Praktikum geleistet, das in Zusammenhang mit dem Besuch einer der genannten
Ausbildungsstätten gefordert wird und dessen Inhalt in Ausbildungsbestimmungen geregelt ist. Wird das Praktikum im Zusammenhang
mit dem Besuch einer in Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Ausbildungsstätte gefordert, wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn
der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt (§
2 Abs.
4 S. 2
BAföG).
Der Kläger begehrte als Absolvent der Klasse 12 einer Freien Waldorfschule i.S.d. Verordnung der Landesregierung über die
Freien Waldorfschulen vom 13.11.1973 (GBl. S. 454) den Erwerb der Qualifikation für das Studium an einer Fachhochschule in
Baden-Württemberg (Fachhochschulreife). Hierfür bedurfte er allein noch gemäß § 1 Nr. 2 c der Verordnung des Kultusministeriums
über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen der Ableistung einer praktischen Tätigkeit im außerschulischen
Bereich nach § 16 dieser Verordnung. Diese praktische Tätigkeit ist Teil des sog. berufsbezogenen Teils der Qualifikation
für das Studium an einer Fachhochschule in Baden-Württemberg durch Absolventen der Klasse 12 der Freien Waldorfschulen. Bei
der Tätigkeit handelt es sich - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - um eine solche, die im Zusammenhang mit dem
Besuch einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule i.S.v. §
2 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 BAföG gefordert wird (vgl. Nr.
2.4.9 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum
Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföGVwV 2001 -, wonach, wenn das Praktikum eine Schulausbildung ergänzt, die selbst zum Besuch einer anderen Schule oder
Hochschule nicht ausreicht, es im Zusammenhang mit dem Besuch der zuvor besuchten Ausbildungsstätte, deren Abschluss durch
das Praktikum ergänzt wird, steht; s.a. Ramsauer/Stallbaum/Sternal,
BAföG, Komm., 4. Aufl., §
2 RdNr. 93).
Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach in dem vorliegenden Fall der Inhalt der praktischen Tätigkeit des Klägers -
wie dies §
2 Abs.
4 S. 1
BAföG zusätzlich erfordert - auch in Ausbildungsbestimmungen, nämlich in §
12 Abs. 1 sowie § 16 Abs. 1 S. 1 der Verordnung des Kultusministeriums über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen,
geregelt sei, vermag der Senat indes nicht zu folgen.
Während §
2 Abs.
4 BAföG in seiner ursprünglichen Fassung die Förderung der Teilnahme an einem Praktikum nur davon abhängig machte, dass dieses im
Zusammenhang mit dem Besuch einer der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten oder nach Absatz 3 bestimmten Ausbildungsstätten
gefordert wurde, führte das 2.
BAföG-Änderungsgesetz vom 31.07.1974 (BGBl. I S. 1649) das zusätzliche Erfordernis einer Regelung des Inhalts des Praktikums in Ausbildungsbestimmungen ein. Die Normierung dieser
zusätzlichen Voraussetzung bezweckte eine schärfere Abgrenzung zu praktischen Tätigkeiten, die zwar als Zulassungsvoraussetzung
erforderlich sind, weil sie der allgemeinen Einführung in die Arbeitswelt dienen sollen, die aber selbst keine geordneten
Ausbildungen vergleichbar denen sind, für die sonst Ausbildungsförderung geleistet wird. Anders als bei allgemein in die Arbeitswelt
einführenden praktischen Tätigkeiten muss also die inhaltliche Bestimmung erkennen lassen, auf welche Ausbildungsinhalte das
Praktikum bezogen sein soll. Welche Anforderungen dabei an die Genauigkeit der inhaltlichen Regelung zu stellen sind, hängt
von der Funktion des Praktikums im Ausbildungskonzept ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.08.1991 - 5 B 20.90 -, Buchholz 436.36 §
2 BAföG Nr. 22).
Mit der Änderung des §
2 Abs.
4 BAföG durch das 2.
BAföG-Änderungsgesetz nahm der Gesetzgeber in Kauf, dass in dem Fall, in welchem der Inhalt einer Praktikums nicht in Ausbildungsbestimmungen
geregelt ist, ein Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung nicht besteht, selbst wenn dieses Praktikum im Zusammenhang
mit dem an sich förderungsfähigen Besuch einer Ausbildungsstätte gefordert wird. Praktika, die selbst nicht den Charakter
einer geordneten Ausbildung aufweisen, sollten nach dem Willen des Gesetzgebers von einer Förderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz ausgeschlossen sein (vgl. Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., §
2 RdNr. 95).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg genügt vor diesem Hintergrund ein "offenes" durch keinerlei
Ausbildungsbestimmungen inhaltlich festgelegtes Praktikum nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine förderungswürdige Ausbildung.
Praktika können danach nur gefördert werden, wenn eine Regelung der Ausbildungsinhalte getroffen worden ist, die eine gewisse
- mit den Studienordnungen vergleichbare - Dichte erreicht haben (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.02.1991 - 7 S 1236/90 -, juris).
Für die Regelung des Inhalts eines Praktikums i.S.v. §
2 Abs.
4 BAföG reicht es danach nicht aus, wenn lediglich die Dauer des Praktikums und die Art der Einrichtungen, in der es abzuleisten
ist, in Ausbildungsbestimmungen festgelegt sind. Ebensowenig reicht es aus, wenn sich Ausbildungsbestimmungen lediglich auf
eine allgemeine Beschreibung des Ausbildungsziels beschränken. Zwar hängen die Anforderungen an die Genauigkeit der inhaltlichen
Regelung auch von der Funktion des Praktikums im jeweiligen Ausbildungskonzept ab. Nicht verzichtet werden kann indes - um
eine Förderfähigkeit nach §
2 Abs.
4 S. 1
BAföG annehmen zu können - auf die konkrete Beschreibung wenigstens der wesentlichen Inhalte derjenigen praktischen Tätigkeit,
die Gegenstand des Praktikums sein soll. Nicht von §
2 Abs.
4 S. 1
BAföG werden danach etwa Zeiten praktischer Betätigungen erfasst, die lediglich dem Zweck dienen, eine gewisse "Berufserfahrung"
zu erlangen, ohne dass es dabei auf das Erlernen inhaltlich konkret bestimmter Fertigkeiten ankommt (vgl. zu allem Hessischer
VGH, Urteil vom 22.02.1983 - IX OE 16/82 -, juris, Urteil vom 05.11.1985 - 9 OE 55/83 -, juris, Urteil vom 03.11.1992 - 9 UE
329/88 -, FamRZ 1993, 1501 und Urteil vom 15.02.1994 - 9 UE 1115/91 -, FamRZ 1995, 639; VG Meiningen, Urteil vom 03.09.1998 - 8 K 1059/96.ME -, juris; Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., §
2 RdNr. 96; Rothe/Blanke,
Bundesausbildungsförderungsgesetz, Komm., §
2 RdNrn. 29 f.).
Die vom Verwaltungsgericht in dem vorliegenden Fall herangezogenen Bestimmungen der Verordnung des Kultusministeriums über
den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen vom 27.10.1986 genügen diesen Anforderungen nicht und es lassen
sich auch keine weiteren, auf das Praktikum des Klägers bezogene Bestimmungen finden, die den Anforderungen des §
2 Abs.
4 S. 1
BAföG genügen.
Was die vom Verwaltungsgericht herangezogene Bestimmung des § 16 Abs. 1 S. 1 der genannten Verordnung anbetrifft, soll nach
deren erstem Halbsatz die zum Erwerb der Fachhochschulreife erforderliche praktische Tätigkeit dem Kennenlernen der Arbeitswelt
dienen. Allein dieses aber entspricht nach der Vorstellung des Gesetzgebers gerade nicht den Erfordernissen des §
2 Abs.
4 BAföG. Aber auch der zweite Halbsatz des §
16 Abs.
1 S. 1 der Verordnung stellt keine Regelung des Inhalts des Praktikums in Ausbildungsbestimmungen dar. Dass die praktische
Tätigkeit danach auch der "Anwendung der im Unterricht der Freien Waldorfschule erworbenen praktischtechnischen Kenntnisse"
dienen soll, ist eher eine allgemeine Beschreibung des Ziels und Zwecks der Tätigkeit und gerade nicht eine wenigstens einigermaßen
konkrete Regelung deren Inhalts. Der Bestimmung fehlt im Gegenteil jegliche Regelungsdichte. Immerhin soll die praktische
Tätigkeit nach § 16 der genannten Verordnung nicht nur wenige Wochen, sondern ein ganzes Jahr andauern, und auch eine wesentliche
Voraussetzung für die Aufnahme eines Fachhochschulstudiums darstellen. Vor diesem Hintergrund hätte es aber einer wesentlich
detaillierteren Regelung bedurft, wenn es dem Normgeber der Verordnung tatsächlich darum gegangen wäre, eine geordnete "Ausbildung",
für die auch sonst Ausbildungsförderung geleistet wird, festzulegen.
Eine solche Regelung lässt sich auch bei zusätzlicher Heranziehung des § 12 der Verordnung nicht erkennen, dem lediglich zu
entnehmen ist, dass der "praktisch-technische Bereich" an den Freien Waldorfschulen über vier Schuljahre mit mindestens 1300
Unterrichtsstunden zu unterrichten ist und dass der Schüler in der Klasse 12 eine Jahresarbeit aus dem praktisch-technischen
Bereich zu fertigen hat. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass gerade durch § 12 der Verordnung inhaltlich vorgegeben
werde, welche im Unterricht erworbenen praktisch-technischen Kenntnisse nach § 16 Abs. 1 S. 1 der Verordnung im Rahmen der
geforderten praktischen Tätigkeit angewandt werden sollen, teilt der Senat nicht. Denn weder gibt die Bezugnahme auf einen
vier Schuljahre und mindestens 1300 Unterrichtsstunden umfassenden Lehrplan hinreichend konkrete Hinweise auf einen qualifizierten
Inhalt des geforderten Praktikums, noch kann aus der bloß geforderten, nicht näher beschriebenen "Anwendung" der während der
Schulzeit erworbenen praktisch-technischen Kenntnisse hinreichend deutlich auf einen bestimmten einheitlichen Inhalt der erforderlichen
praktischen Tätigkeit geschlossen werden.
Der Fall des Klägers zeigt im Übrigen, dass sich die Praxis der Kultusverwaltung bei der Bescheinigung des Nachweises der
Durchführung einer praktischen Tätigkeit nach § 16 der Verordnung vom 27.10.1986 als durchaus großzügig darstellt. Eine Anwendung
strikter "Ausbildungsbestimmungen" unter genauer Prüfung, ob die praktische Tätigkeit auch mit den im Unterricht der Freien
Waldorfschule erworbenen praktisch-technischen Kenntnissen in einem Zusammenhang steht, erfolgte in dem Fall des Klägers wohl
jedenfalls nicht. Denn dass sein Praktikum bei einem Veranstalter von Kinder- und Jugendfreizeiten sowie von Studien- und
Erlebnisreisen bestimmten gerade an der Freien Waldorfschule Esslingen erworbenen praktisch-technischen Kenntnissen entsprach,
lässt sich für den Senat nicht erkennen.
Die Regelung in § 16 der Verordnung - auch in Verbindung mit § 12 - stellt sich nach allem nicht als eine hinreichend qualifizierte
Regelung einer "Ausbildung" nach §
2 Abs.
4 S. 1
BAföG dar. Sie soll ersichtlich lediglich sicherstellen, dass ein Studierender an einer Fachhochschule, der zuvor eine Freie Waldorfschule
besucht hat, wenigstens ein Jahr außerhalb der Schule im Arbeitsleben verbracht und damit praktische Erfahrung gesammelt hat.
Ein derart intendiertes Praktikum stellt sich aber - wie ausgeführt - nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz gerade nicht als förderungswürdig dar.
Mit der Ausbildungsförderung gewährt die staatliche Gemeinschaft Leistungen, bei deren Verteilung ihr ein weites Ermessen
zusteht. Die Beschränkung der Förderung auf den Besuch der in §
2 Abs.
1 und
2 BAföG bezeichneten oder nach §
2 Abs.
3 BAföG bestimmten Ausbildungsstätten sowie auf lediglich qualifizierte Praktika nach §
2 Abs.
4 BAföG ist unter Berücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Ermessens nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet,
jeden möglichen Ausbildungsgang mit öffentlichen Mitteln zu fördern (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.1977 - 7 K 563/77 -, FamRZ 1978, 284).
Die Klage auf Gewährung von Ausbildungsförderung ist nach allem unter Aufhebung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit
der sich aus §
154 Abs.
1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Das Verfahren ist nach §
188 S. 2
VwGO gerichtskostenfrei.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des §
132 Abs.
2 VwGO erfüllt ist.