Sozialhilferecht - Vollzug des Grundsicherungsgesetzes
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz.
1. Der 41-jährige Kläger ist geistig schwer behindert. Er ist ledig und lebt zusammen mit seiner Mutter, die zu seiner Betreuerin
bestellt ist, in einer gemeinsamen Wohnung. Seine Mutter ist alleinige Mieterin der Wohnung und entrichtet auch die vollständige
Miete. Sie erhält für den Kläger ein monatliches Kindergeld in Höhe von 154 Euro. Der Vater des Klägers verpflichtete sich
mit gerichtlichem Vergleich vom 10. Juli 2001, an den Kläger einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 409,03 Euro zu leisten.
Im Rahmen einer Unterhaltsabänderungsklage schlossen der Kläger und sein Vater am 28. April 2003 einen gerichtlichen Vergleich,
in dem sie sich einig waren, dass der Vater des Klägers nach wie vor Unterhalt gemäß Vergleich vom 10. Juli 2001 leistet.
Falls der Kläger Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz erhalten sollte, würden diese rückwirkend auf den geschuldeten
Unterhalt angerechnet und mit künftigen Unterhaltszahlungen verrechnet. Zuviel bezahlter Unterhalt sei zu erstatten. Zur Absicherung
des Rückerstattungsanspruchs trat der Kläger seine Ansprüche auf Grundsicherungsleistungen bis zur Höhe des geschuldeten Unterhalts
an seinen Vater ab.
2. Am 16. Dezember 2002 beantragte die Mutter für den Kläger bei der Beklagten Leistungen der Grundsicherung. Mit Bescheid
vom 10. Februar 2003 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2003 Leistungen der
Grundsicherung in Höhe von monatlich 161 Euro. Bei der Bemessung des Bedarfs setzte sie keine Unterkunftskosten an und berücksichtigte
das Kindergeld als Einkommen des Klägers.
3. Nachdem die Mutter des Klägers der Beklagten am 20. Februar 2003 mitgeteilt hatte, dass der Vater des Klägers nach wie
vor Unterhaltszahlungen leiste, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Februar 2003 die Leistungen der Grundsicherung an
den Kläger ein, nahm den Bescheid vom 10. Februar 2003 mit Wirkung für die Vergangenheit zurück, lehnte den Antrag auf Bewilligung
von Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz ab und forderte bereits ausgezahlte Leistungen in Höhe von 322 Euro zurück.
Nachdem sie den Widerspruch gegen diesen Bescheid zurückgenommen hatte, legte die Mutter des Klägers am 30. April 2003 erneut
Widerspruch ein und beantragte am 2. Mai 2003 bei der Beklagten weitere Leistungen der Grundsicherung für den Kläger. Hierzu
trug sie vor, die Unterkunftskosten seien künftig zu teilen. Sie legte den gerichtlichen Vergleich vom 28. April 2003 und
Kontoauszüge vor, aus denen sich ergibt, dass der Vater des Klägers auch für Mai 2003 Unterhaltszahlungen geleistet hatte.
4. Mit Bescheid vom 2. Juni 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen wegen
übersteigenden Einkommens ab. Bei der Bemessung des Bedarfs setzte sie keine Unterkunftskosten an. Als Einkommen des Klägers
berücksichtigte sie sowohl das Kindergeld als auch die Unterhaltszahlungen des Vaters des Klägers. Den gegen diesen Bescheid
erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Regierung von Schwaben mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2003 zurück.
5. Auf die mit entsprechendem Antrag erhobene Klage des Klägers hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 28. Oktober 2003
den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2003 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von Schwaben vom 6. August 2003 auf
und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger für die Zeit vom 1. Mai 2003 bis 30. Juni 2003 Leistungen der Grundsicherung in
Höhe von monatlich 477,50 Euro und für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis 30. April 2004 Leistungen der Grundsicherung in Höhe
von monatlich 481,55 Euro zu gewähren. Zur Begründung führte es aus, da Leistungen der Grundsicherung rentengleichen Dauerleistungen
zumindest sehr angenähert seien, könne sich die gerichtliche Entscheidung auf das gesamte Jahr nach Stellung des Antrags erstrecken.
Bei der Bemessung des durch die Leistungen der Grundsicherung zu deckenden Bedarfs seien Unterkunftskosten in Höhe von 162,50
Euro anzusetzen, weil aus einem Topf gewirtschaftet werde und der Kläger so an allen Kosten der Haushaltsführung und damit
auch an den Unterkunftskosten beteiligt sei. Das für ihn gewährte Kindergeld sei nicht als Einkommen des Klägers anzusetzen,
weil ein gesonderter Akt der Zuwendung des Kindergelds an den Kläger nicht ersichtlich sei. Es genüge nicht, dass das Kindergeld
in einen gemeinsamen Topf fließe. Auch die Unterhaltsleistungen des Vaters des Klägers seien nicht als Einkommen des Klägers
anzusetzen. Zwar führten tatsächlich geleistete Unterhaltszahlungen zu einer entsprechenden Minderung der Leistungen der Grundsicherung.
Bei diesen aufgrund des Vergleiches vom 28. April 2003 geleisteten Unterhaltszahlungen handele es sich aber nicht um Einkommen
im Sinne des Sozialhilferechts, sondern um Darlehen. Der Unterhaltsberechtigte und der Unterhaltsverpflichtete könnten vereinbaren,
dass die Unterhaltsleistungen bis zur Bewilligung von Grundsicherungsleistungen darlehensweise weitergewährt, sodann mit der
Grundsicherungsleistung, insbesondere mit den Nachzahlungen ab Antragstellung, verrechnet und Überzahlungen erstattet werden
sollen.
6. Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte, die Klage unter Abänderung des Urteils des
Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28. Oktober 2003 abzuweisen.
Sie führt aus, Leistungen der Grundsicherung seien nicht mit rentengleichen Dauerleistungen zu vergleichen, so dass der entscheidungserhebliche
Zeitraum auf die Zeit vom 1. Mai 2003 bis 31. Dezember 2003 zu korrigieren sei. Der Kläger habe keine tatsächlichen Aufwendungen
für die Unterkunft, so dass entsprechende Kosten nicht berücksichtigt werden könnten. Im Erstantrag vom 17. Dezember 2002
sei angegeben, dass der Kläger mietfrei im Haushalt der Mutter wohne. Im Klageschriftsatz vom 8. September 2003 sei nochmals
bestätigt worden, dass der Kläger nicht Partei des Mietvertrages sei und tatsächlich auch keine Mietzahlungen leiste. Kindergeld
sei als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe mit der Gewährung von Kindergeld für nicht erwerbsfähige
Volljährige einen Beitrag zur Bestreitung des Lebensunterhalts leisten wollen. Aus § 2 Abs. 1 GSiG ergebe sich, dass Anspruch auf Leistungen der beitragsunabhängigen bedarfsorientierten Grundsicherung bei Antragsberechtigten
bestehe, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen beschaffen können. Würde bei volljährigen
behinderten Kindern das zur Bestreitung des Lebensunterhalts vorgesehene Kindergeld nicht als Einkommen bei der Berechnung
der Grundsicherungsleistung berücksichtigt werden, würde das im Ergebnis bedeuten, dass durch die Nichtanrechnung des Kindergeldes
beim anspruchsberechtigten Grundsicherungsbezieher eine Besserstellung stattfände, was mit der in § 3 Abs. 1 GSiG enthaltenen Deckelung des grundsicherungsrechtlichen Bedarfs nicht vereinbar sei. Auch die tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen
seines Vaters seien als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 GSiG blieben nur Unterhaltsansprüche unberücksichtigt. Dem Vergleich vom 28. April 2003 sei nicht zu entnehmen, dass die Parteien
die zu leistenden Unterhaltszahlungen als Darlehen verstanden haben wollten. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung
widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, der mit dem Grundsicherungsgesetz nicht die Unterhaltspflichtigen von ihrer Unterhaltspflicht
habe befreien wollen.
Der Kläger und der Beigeladene haben die Zurückweisung der Berufung beantragt.
7. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Unterlagen
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
1. Die Berufung ist unbegründet, soweit sich die Klage dagegen wendet, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 2.
Juni 2003 bei der Festlegung der Leistungen der Grundsicherung das für ihn gewährte Kindergeld als Einkommen des Klägers berücksichtigt
(nachfolgend unter Buchstabe a) und tatsächliche Aufwendungen des Klägers für die Unterkunft nicht anerkannt hat (nachfolgend
unter Buchstabe b). Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§
113 Abs.
1 Satz 1, Abs.
5 VwGO).
a) Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass Kindergeld Einkommen auch im Sinne des Grundsicherungsgesetzes ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Kindergeld auch nach der Neufassung des Bundeskindergeldgesetzes
Einkommen im Sinne von §§ 76, 77 BSHG, weil es sich um eine mit der Hilfe zum Lebensunterhalt zweckidentische Leistung handelt (BVerwG vom 21.6.2001 BVerwGE 114,
339). Weil die bedarfsorientierte Grundsicherung in § 3 Abs. 1 GSiG ausdrücklich auf den Regelsatz der Sozialhilfe Bezug nimmt und Absatz 2 der Vorschrift diesbezüglich auf die §§ 76 bis 88 BSHG verweist, ist Kindergeld auch im Rahmen des Grundsicherungsgesetzes als Einkommen zu berücksichtigen. Das ist zwischen den
Beteiligten an sich auch nicht streitig. Die Beklagte meint aber, das der Mutter des Klägers gewährte Kindergeld sei als Einkommen
des Klägers zu berücksichtigen. Diese Auffassung trifft nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist
Kindergeld, das nicht unmittelbar an das Kind ausgezahlt wird, auch insoweit, als es als Familientransferleistung nach §
31 Abs.
2 Einkommensteuergesetz gewährt wird, Einkommen im Sinne von §§ 76, 77 BSHG des kindergeldberechtigten Elternteils. Einkommen des Kindes kann es danach nur dadurch werden, dass der Kindergeldberechtigte
das Kindergeld oder Teile dessen durch einen weiteren Zuwendungsakt an das Kind zweckorientiert weitergibt. Dafür genügt es
nicht, dass es dem Kind durch das "Wirtschaften aus einem Topf" zugute kommt. Erforderlich ist vielmehr, dass durch den Zuwendungsakt
der notwendige Lebensbedarf des Kindes gerade mit Rücksicht auf das für das Kind gewährte Kindergeld gedeckt wird. Das Kind
muss den weitergegebenen Betrag zur Abdeckung seines Bedarfs benötigen (vgl. BVerwG vom 7.2.1980 BVerwGE 60, 7 = FEVS 28, 177; vgl. auch OVG Hamburg vom 3.4.2002 FEVS 54, 77 = NDV-RD 2002, 63 = NVwZ-RR 2002, 756). Daran fehlt es hier. Es wird auch von der Beklagten nicht bestritten, dass der Kläger und seine Mutter aus einem Topf wirtschaften.
Zwar mag diese Wirtschaftsweise bewirken, dass dem Kläger auch anteiliges Kindergeld letztlich zugewendet wird. Jedoch erlaubt
eine solche durch das Gesetz nicht verbotene und mit dem der Sozialleistung immanenten Zweck durchaus zu vereinbarende Wirtschaftsweise
nicht die Feststellung, dass durch die Befriedigung des notwendigen Lebensbedarfs dem Kläger gerade anteiliges Kindergeld
zugewendet worden ist; jedenfalls ist das nicht mit der Bestimmtheit möglich, die nach Art und zeitlicher Zurechenbarkeit
bei der Feststellung von anrechenbarem Einkommen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Abschnittes 4 des Bundessozialhilfegesetzes
zu fordern ist (vgl. BVerwG, a.a.O.). Die Feststellung, dass das den jeweils Anspruchsberechtigten gewährte Kindergeld an
das Kind weitergereicht, ihm also zugewendet wird, lässt sich nicht durch eine "Vermutung der Vorteilszuwendung" ersetzen
(vgl. BVerwG, a.a.O.). Die Zuwendung an das Kind kann auch nicht gemäß § 16 BSHG vermutet werden. Eine derartige Regelung war zunächst im Entwurf des Grundsicherungsgesetzes vorgesehen (vgl. BT-Drs. 14/5150,
S. 49), ist aber nicht in das Gesetz übernommen worden. Es liegt keine Gesetzeslücke vor, die durch eine entsprechende Anwendung
des § 16 BSHG geschlossen werden könnte. Der Gesetzgeber hätte eine diesbezügliche Regelung in das Grundsicherungsgesetz hineinschreiben
müssen, wie das z.B. bei der der Einsatzgemeinschaft im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 BSHG nachgebildeten Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 2 GSiG der Fall ist. Im Übrigen gehen auch die vorläufigen Vollzugshinweise des Bayerischen Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung,
Familie, Frauen und Gesundheit, jedenfalls in ihrer Fassung vom 22. Januar 2003 in Nummer II.2.1.4 davon aus, dass Kindergeld
Einkommen des Bezugsberechtigten und nicht des Kindes ist (so auch OVG SH vom 8.1.2004 Az. 2 MB 168/03). Der in § 3 Abs. 2 GSiG vorgeschriebenen Anwendung der §§ 76 ff. BSHG ist generell zu entnehmen, dass der Grundsicherungsberechtigte hinsichtlich des berücksichtigungsfähigen Einkommens nicht
besser, aber auch nicht schlechter gestellt sein soll als bei der Hilfe zum Lebensunterhalt. Die vorgenannte Rechtsprechung
ist somit ohne weiteres auf die Grundsicherung übertragbar. Dass diese Rechtsprechung minderjährige Kinder betrifft, ist unerheblich.
Selbst die Beklagte hat nicht vorgetragen, warum es einen Unterschied machen sollte, ob ein minderjähriges oder ein volljähriges
Kind in der Haugemeinschaft lebt. Ein Grund ist auch nicht ersichtlich. Das Kindergeld fließt den kindergeldberechtigten Eltern
unabhängig davon zu, ob ihr Kind minderjährig oder volljährig ist. Allerdings gilt das auch für den Fall, dass die kindergeldberechtigten
Eltern selbst Leistungen der Grundsicherung geltend machen (vgl. im Übrigen auch Kunkel, ZFSH/SGB 2003, 323/328).
b) Bei der Bemessung der Leistungen der Grundsicherung im angefochtenen Bescheid hat die Beklagte zu Unrecht die tatsächlichen
Aufwendungen des Klägers für Unterkunft nicht berücksichtigt. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen
Urteils Bezug (§
130 b Satz 2
VwGO). Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen:
Wie bereits ausgeführt, fließen das Einkommen des Klägers aus Pflegegeld und Barunterhalt und das seiner Mutter aus Rente
und dieser gewährtem Kindergeld in eine Haushaltskasse, aus der in erster Linie alle für den Lebensunterhalt des Klägers und
seiner Mutter erforderlichen Aufwendungen und damit auch die Aufwendungen für die Unterkunftskosten anteilig bestritten werden.
Der Kläger hat also tatsächliche Aufwendungen, weil von ihm die Unterkunftskosten anteilig aus dem "großen Topf" gezahlt werden.
Damit Aufwendungen zu den tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft zählen, müssen Mittel nicht tatsächlich fließen (vgl.
Schoch in LPK-GSiG, 1. Aufl. 2003, RdNr. 33 zu § 3). Ein Widerspruch ist in diesem Zusammenhang auch nicht darin zu sehen, dass das gewährte Kindergeld Einkommen der Mutter
des Klägers bleibt, auch wenn es in den "gemeinsamen Topf" fließt, während der Kläger mit seiner Einlage in den "gemeinsamen
Topf" u.a. auch anteilig Unterkunftskosten bezahlt. Diese Wirtschaftsweise betrifft nämlich zunächst die Frage der Zurechnung
der Einkommen; das Kindergeld bleibt nicht außen vor, es kann und wird nur einem der "Einzahler", hier der Mutter des Klägers,
zugerechnet. Erst dann betrifft das gemeinsame Wirtschaften die Lastenteilung, d.h. die Frage, wer sich und in welcher Höhe
an den für den Lebensunterhalt der Familienangehörigen erforderlichen Aufwendungen beteiligt. Auch im Rahmen der Grundsicherung
sind bei zusammenlebenden Personen die Aufwendungen nach Köpfen aufzuteilen (vgl. Schoch, a.a.O., RdNr. 33 zu § 3). In der Sozialhilfe wird allerdings häufig auf der Grundlage des § 16 Satz 1 BSHG davon auszugehen sein, dass der Sozialhilfeberechtigte in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten und Verschwägerten mietfrei
wohnt. Nach § 16 BSHG wird bei dem "Wirtschaften aus einem Topf" vermutet, dass jedes Mitglied der Haushaltsgemeinschaft nach seinen finanziellen
Kräften zur Bestreitung des Lebensunterhalts beiträgt. Dabei bestimmt sich die Höhe des dem bedürftigen Hilfesuchenden zugewandten
Lebensunterhalts nach Einkommen und Vermögen des oder der in der Haushaltsgemeinschaft mitlebenden Verwandten bzw. Verschwägerten.
Unabhängig davon, dass im Grundsicherungsgesetz - wie schon ausgeführt - auf die ursprünglich beabsichtigte Anwendung des
§ 16 BSHG verzichtet wurde, sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 GSiG die "tatsächlichen" Aufwendungen für Unterkunft als Grundsicherungsleistung zu berücksichtigen, und zwar bis zur angemessenen
Höhe, unbeschadet dessen, ob sie sich aus einer Aufteilung nach Köpfen oder aus einem Mietvertrag ergeben. Weil auch der Kläger
und nicht nur seine Mutter den "gemeinsamen Topf" bestreitet und die Miete mit Mitteln aus diesem Topf beglichen wird, hat
(auch) er tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 GSiG. Die Angemessenheit der vom Kläger geltend gemachten anteiligen Aufwendungen für die Unterkunft in Höhe von 162,50 Euro steht
nicht in Streit. Bei dem genannten Betrag handelt es sich um den Kopfanteil des Klägers an der Miete nach vorherigem Abzug
des gewährten Wohngeldes.
2. Die Berufung ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht die Beklagte für die Monate Mai und Juni 2003 zur Gewährung höherer
monatlicher Leistungen der Grundsicherung als 68,47 Euro (siehe unten unter a) und für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis 30. April
2004 zur Gewährung von Leistungen der Grundsicherung überhaupt verpflichtete (siehe unten unter b).
a) Die Beklagte hat die Unterhaltsleistungen seines Vaters, des Beigeladenen, in Höhe von monatlich 409,03 Euro zu Recht als
Einkommen des Klägers berücksichtigt.
Gemäß § 3 Abs. 2 GSiG gelten für die Bestimmung des Einkommens §§ 76 bis 78 BSHG entsprechend einschließlich der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen. Nach dem hier also maßgeblichen Einkommensbegriff
des Sozialhilferechts ist Einkommen alles das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazuerhält. Das sind alle eingehenden
Einnahmen, Zahlungen, Zuflüsse, Zuwendungen und andere Leistungen (Zuflusstheorie). Zum Einkommen des Grundsicherungsberechtigten
im Sinne des § 76 Abs. 1 BSHG gehören also auch tatsächlich an ihn erbrachte Unterhaltsleistungen (vgl. Schoch, a.a.O., RdNrn. 17, 24 zu § 2; Münder, Das
Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, NJW 2002, 3661/3663; Klinkhammer, Die
bedarfsorientierte Grundsicherung nach dem GSiG und ihre Auswirkungen auf den Unterhalt, FamRZ 2002, 997/999; Kunkel, Das Grundsicherungsgesetz, ZFSH-SGB 2003, 323/328;
Veldtrup/Schwabe, Die bedarfsorientierte Grundsicherung - ein zusammenfassender Überblick, ZfF 2003, 265/267; Hinweise des
Deutschen Vereins zur Anwendung des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung,
NDV 2002, 341/342). Der Berücksichtigung tatsächlich erbrachter Unterhaltsleistungen als Einkommen steht auch nicht § 2 Abs. 1 Satz 3 GSiG entgegen. Nach der genannten Vorschrift bleiben zwar Unterhaltsansprüche der Antragsberechtigten gegenüber ihren Kindern
und Eltern unberücksichtigt, sofern deren jährliches Gesamteinkommen unter einem Betrag von 100.000 Euro liegt. Aus dem Wortlaut
"Unterhaltsansprüche" ergibt sich aber, dass tatsächlich geleistete Unterhaltszahlungen als Einkommen zu berücksichtigen sind
(vgl. Hinweise des Deutschen Vereins, a.a.O., S. 342; Schoch, Unterhaltspflicht und Grundsicherung, ZfF 2003, 1/9). Sinn und
Zweck der Privilegierung des § 2 Abs. 1 Satz 3 GSiG ist nicht die Entlastung der Unterhaltspflichtigen, sondern es soll die Situation der Antragsberechtigten selbst verbessert
werden, indem es ihnen erleichtert wird, die existenzsichernden Leistungen der Grundsicherung ohne Furcht vor Regress gegen
die Verwandten in Anspruch zu nehmen (vgl. Veldtrup/Schwabe, a.a.O., S. 268).
An der Berücksichtigung dieser tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen als Einkommen des Klägers ändert auch der zwischen
diesem und dem Beigeladenen am 28. April 2003 vor dem Amtsgericht Kempten geschlossene Vergleich nichts. Entgegen der Auffassung
des Verwaltungsgerichts ist diese Vereinbarung nicht als darlehensweise Weitergewährung der Unterhaltsleistung bis zur Bewilligung
von Grundsicherungsleistungen zu verstehen. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches erhielt der Kläger keine Grundsicherungsleistungen
(mehr). Den neuen Antrag hat seine Mutter erst am 2. Mai 2003 gestellt. Die Grundsicherung konnte sich somit nicht unterhaltsmindernd
auswirken und für den titulierten laufenden Unterhaltsanspruch des Klägers einen Abänderungsgrund im Sinne von §
321 Abs.
1 ZPO darstellen. Demgemäss hat sich der Beigeladene in Nummer
1 des Vergleiches auch verpflichtet, dem Abänderungsbeklagten, dem Kläger, weiterhin Unterhalt wie im Vergleich vor dem Oberlandesgericht
München vom 10. Juli 2001 festgelegt, zu bezahlen. Die materielle Verpflichtung des Beigeladenen zur Zahlung von Unterhalt
gemäß dem titulierten Unterhaltsanspruch des Klägers wurde also nicht beseitigt; der Charakter der Verpflichtung als Unterhaltsleistung
besteht weiter fort. Der Kläger kann seinen neu titulierten Unterhaltsanspruch jederzeit realisieren. Das schließt aber die
Annahme eines Darlehens aus. Bestätigt wird das auch durch Halbsatz 1 der Nummer 2 des Vergleiches, in dem von "geschuldetem
Unterhalt" die Rede ist. Die Annahme eines Überbrückungsdarlehens lässt sich auch nicht auf die in Nummer 3 des Vergleiches
vereinbarte Abtretung stützen. Der Kläger tritt zum einen nicht - wie das Verwaltungsgericht wohl meint - seinen gesamten
(fiktiven) Anspruch auf Grundsicherung ab, sondern mit der Abtretung soll lediglich der im Halbsatz 2 der Nummer 2 vereinbarte
Rückerstattungsanspruch abgesichert werden. Dieser bezieht sich aber nur auf eventuell zu viel bezahlten Unterhalt. Zum anderen
konnte der Kläger seinen fiktiven Anspruch auf Grundsicherung auch nicht übertragen. Eine Ausnahme vom generellen Verbot der
Abtretung von Sozialleistungen nach §
53 Abs.
2 SGB I ist nicht gegeben. Zulässig ist danach eine Übertragung oder Pfändung erst, nachdem die Fälligkeit des Anspruchs auf die
Sozialleistung bereits eingetreten ist (vgl. §
41 SGB I). Mithin darf sich eine wirksame Abtretung nur auf einen Anspruch beziehen, der zur Zeit der Abtretung bereits entstanden
war. Nach §
40 Abs.
1 SGB I entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen
vorliegen. Nach § 1 GSiG sind Leistungen der Grundsicherung aber - anders als Leistungen der Sozialhilfe - von einem Antrag abhängig. Dieser Antrag
hat die materiell-rechtliche Bedeutung, dass diese Leistungen nur auf Antrag gewährt werden, der Anspruch auf sie also erstmals
mit der Antragsstellung entstehen kann. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches hatte der Kläger Grundsicherungsleistungen
noch nicht (erneut) beantragt. Sein ursprünglicher Antrag vom 16. Dezember 2002 war bestandskräftig abgelehnt.
Auch eine Übertragung nach §
53 Abs.
3 SGB I kommt nicht in Betracht, weil die für den Kläger in Frage kommenden Grundsicherungsleistungen ganz offensichtlich den für
Arbeitseinkommen geltenden pfändungsfreien Betrag nicht übersteigen.
b) Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die Beklagte auch zur Gewährung von Grundsicherungsleistungen über die Monate Mai
und Juni 2003 hinaus verpflichtet. Nach § 6 Satz 1 GSiG wird die Grundsicherungsleistung in der Regel für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni des folgenden Jahres bewilligt.
Eine Ausnahme von dieser Regel enthält § 6 Satz 2 GSiG, allerdings nur für den Beginn der Leistung. Nach dieser Vorschrift beginnt der Bewilligungszeitraum bei der Erstbewilligung
oder bei einer Änderung der Leistung am Ersten des Monats, in dem der Antrag gestellt worden ist oder die Voraussetzungen
für die Änderungen eingetreten und mitgeteilt worden sind. Folglich ist im vorliegenden Fall für den Beginn der Leistung der
1. Mai 2003 maßgeblich. Für das Ende des Bewilligungsabschnittes verbleibt es jedoch bei dem in § 6 Satz 1 GSiG genannten Zeitpunkt. Weil der Kläger seinen Antrag vor dem 1. Juli gestellt hat, war nach dieser Vorschrift nur die Verpflichtung
des Beklagten für die Monate Mai und Juni 2003 auszusprechen. Eine Bewilligung nach § 6 Satz 1 GSiG bis zum 30. Juni des Folgejahres kommt begrifflich nur dann in Betracht, wenn der Antrag nach dem 1. Juli des vorangegangenen
Jahres gestellt wird. Bei Anträgen die vor dem 1. Juli gestellt werden, kann sich zum 1. Juli des Jahres z.B. durch die Rentenanpassung
und die Neufestsetzung der Regelsätze nach dem BSHG eine Änderung ergeben, so dass die Leistung bei diesen Anträgen nur bis zum 30. Juni desselben Jahres zu bewilligen sind.
3. Die bedarfsorientierte Grundsicherung des Klägers setzt sich nach alledem im oben bezeichneten Bewilligungszeitraum nach
§ 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 4 GSiG aus dem Regelsatz eines Haushaltsangehörigen in Höhe von 227 Euro zuzüglich 15 vom Hundert des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes,
das sind 42,60 Euro (284,00 Euro x 0,15) und, weil der Kläger im Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen
"G" ist, einem Mehrbedarf von 20 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes, das sind 45,40 Euro (227,00 Euro x 0,2) zusammen.
Dazu kommen die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für Unterkunft in Höhe von 162,50 Euro. Das ergibt zusammen einen Betrag
in Höhe von 477,50 Euro. Hiervon sind die Unterhaltsleistungen des Vaters des Klägers in Höhe von monatlich 409,03 Euro als
Einkommen des Klägers abzusetzen. Das für den Kläger seiner Mutter gewährte Kindergeld ist nicht als Einkommen des Klägers
zu berücksichtigen. Das ihm zufließende Pflegegeld bleibt gemäß § 77 Abs. 1 BSHG außer Betracht. Der Kläger hat somit für die Monate Mai und Juni 2003 einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen in Höhe
von 68,47 Euro (477,50 Euro minus 409,03 Euro).
4. Da die Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof die Kosten des Verfahrens in
beiden Rechtszügen nach §
155 Abs.
1 Satz 3
VwGO dem Kläger und dem Beigeladenen, der auf der Seite des Klägers streitet und in beiden Rechtszügen Anträge gestellt hat (§
154 Abs.
3 VwGO), je zur Hälfte auferlegt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf §
167 VwGO, §
708 Nr. 10, §
711 ZPO.
5. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
[B e s c h l u s s:
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 5.770,50 Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GKG. Dem Kläger ging es um die Verpflichtung der Beklagten, ihm vom 1. Mai 2003 bis 30. Juni 2003 Leistungen der Grundsicherung
in Höhe von monatlich 477,50 Euro und für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis 30. April 2004 in Höhe von monatlich 481,55 Euro zu
gewähren. Das ergibt zusammen einen Betrag in Höhe von 5.770,50 Euro. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bedarf
es einer Streitwertfestsetzung. Die Gerichtskostenfreiheit nach §
188 VwGO ist nicht auch auf das Sachgebiet der Grundsicherung anzuwenden (vgl. hierzu im Einzelnen Beschluss des Senats vom 4.11.2003
Az. 12 ZB 03.2223).]