Vergütung stationärer Krankenhausleistungen; Beweislast des Krankenhausträgers für die Kodierung der Diagnosen
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung und die Zahlung einer Aufwandspauschale.
Die klagende Krankenhausträgerin behandelte in der Frauenklinik ihres nach §
108 SGB V zugelassenen Klinikums die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1994 geborene A S (im Folgenden: Versicherte)
vom 25. bis 28.3.2010 stationär wegen Unterleibsschmerzen, deren Lokalisation zwischen den Beteiligten streitig ist. Die Klägerin
führte eine Laparoskopie durch, kodierte als Hauptdiagnose ICD-10-GM R10.3 (Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des
Unterbauches) und berechnete die Fallpauschale DRG G12C mit 2850,44 Euro (9.4.2010). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen
Dienst der Krankenversicherung (MDK), die Notwendigkeit und Dauer stationärer Behandlungsbedürftigkeit zu überprüfen (Prüfauftrag
vom 18.5.2010, MDK-Prüfanzeige vom 21.5.2010). Der MDK ging von einer keine Rechnungskürzung bewirkenden, nur zweitägig notwendigen
Behandlungsdauer aus (Krankenhausbegehung und Gutachten vom 19.7.2010). Die Beklagte wandte sich erneut an den MDK zwecks
Überprüfung der Hauptdiagnose (20.7.2010) und zahlte 2317,50 Euro an die Klägerin (27.7.2010) unter der Annahme, die Klägerin
hätte ICD-10-GM N94.4 (Primäre Dysmenorrhoe) kodieren und DRG N25Z berechnen müssen. Der MDK meinte, die Klägerin hätte -
ebenfalls DRG N25Z ansteuernd - ICD-10-GM R10.2 (Schmerzen im Becken und am Damm) kodieren müssen (11.8.2010), was die Klägerin
bestritt. Die von der Klägerin in Rechnung gestellte Aufwandspauschale (26.7.2010) bezahlte die Beklagte unter Hinweis auf
die Rechnungskürzung nicht. Die Klägerin ist mit ihrer Klage, die Beklagte zur Zahlung von 832,94 Euro zuzüglich Zinsen in
Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 532,94 Euro seit 28.8.2010 sowie aus 300 Euro seit 11.8.2010 zu verurteilen,
beim SG erfolglos geblieben (Urteil vom 6.11.2012). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Klägerin trage die
objektive Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Kodierung von ICD-10-GM R10.3 als Hauptdiagnose vorgelegen hätten.
Der Sachverhalt sei nicht weiter aufklärbar, weil die Klägerin sich geweigert habe, die Behandlungsunterlagen erneut zu Ermittlungszwecken
zur Verfügung zu stellen (Urteil vom 19.9.2013).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung der §§
275 ff
SGB V und des §
242 BGB. Das ursprüngliche Prüfverfahren sei beendet gewesen. Eine Erweiterung des ersten Prüfauftrags sei nach Ablauf der Frist
des §
275 Abs
1c S 2
SGB V ausgeschlossen. Das zweite, die Hauptdiagnose betreffende Prüfverfahren habe die Beklagte nicht einleiten dürfen. Sie habe
schon keine Auffälligkeit aufgezeigt und zudem das Prüfverfahren weder fristgemäß eingeleitet noch überhaupt angezeigt. Da
das erste Prüfverfahren zu keiner Rechnungskürzung geführt habe, sei auch der Anspruch auf die Aufwandspauschale begründet.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. September 2013 und des Sozialgerichts Mainz vom 6. November 2012
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 832,94 Euro nebst Zinsen von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz aus 532,94 Euro seit 28. August 2010 und aus 300 Euro seit 11. August 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die klagende Krankenhausträgerin
gegen die beklagte KK keinen Anspruch auf Zahlung von 832,94 Euro hat. Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene
(echte) Leistungsklage ist zulässig (vgl BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 10 mwN; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), aber unbegründet. Der Anspruch der Klägerin auf Vergütung für die Krankenhausbehandlung
der Versicherten (dazu 1.) übersteigt die von der Beklagten gezahlten 2317,50 Euro nicht (dazu 2.). Die dagegen von der Klägerin
vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch (dazu 3.). Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Zahlung einer Aufwandspauschale
von 300 Euro (dazu 4.).
1. Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie die Versicherte vom
25. bis 28.3.2010 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage -
unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem
zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von §
39 Abs
1 S 2
SGB V erforderlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 11; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 11; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13, alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG erfüllt.
2. Der Klägerin stehen keine weiteren 532,94 Euro Vergütung als Differenzbetrag zwischen vergüteter DRG N25Z und abgerechneter
DRG G12C zu. Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG sind die tatsächlichen Voraussetzungen der von der Klägerin abgerechneten DRG G12C (Andere OR-Prozeduren
an den Verdauungsorganen ohne komplexe oder mäßig komplexe OR-Prozedur) nicht erwiesen (dazu a). Dafür trägt die Klägerin
die objektive Beweislast. Es liegt nichts dafür vor, dass der Anspruch der Klägerin aus anderen Gründen höher ist als der
von der Beklagten gezahlte Betrag von 2317,50 Euro (dazu b).
a) Die von der Klägerin geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher
Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich
aus §
109 Abs
4 S 3
SGB V (idF durch Art 1 Nr
3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser [Fallpauschalengesetz - FPG] vom
23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG - (idF durch Art 2 Nr 7 Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 [Krankenhausfinanzierungsreformgesetz
- KHRG] vom 17.3.2009, BGBl I 534) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF durch Art 1 Nr 4 KHRG vom 17.3.2009, BGBl I 534; vgl entsprechend BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge) konkretisiert. Im vorliegenden
Fall sind die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2010 (Fallpauschalenvereinbarung 2010 -
FPV 2010) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 (insbesondere Anlage 1 Teil a) [Bewertungsrelationen bei Versorgung durch Hauptabteilungen]
Fallpauschalen-Katalog 2010) und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr
2010 (Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2010 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG) maßgebend (zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18).
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand,
sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem
und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Nach § 1 Abs 6 S 1 FPV 2010 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls
in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von
der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus -, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 KHG und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.
Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS erfolgt eng am Wortlaut
orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl
BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff, stRspr).
Aus den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen (§
163 SGG) von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ergibt sich nicht, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des
ICD-10-GM R10.3 (Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des Unterbauches) vorgelegen haben, der im Verbund mit OPS 2010
1-694 (Diagnostische Laparoskopie) nach den aufgezeigten rechtlichen Grundlagen DRG G12C ansteuert. Die symptombezogene Diagnose
ICD-10-GM R10.3 ist nach DKR 2010 D002f dann als Hauptdiagnose zu kodieren, wenn keine die Symptomatik erklärende, definitive
Diagnose ermittelt wurde oder bei bekannter Diagnose die Behandlung ausschließlich wegen der Symptomatik erfolgte. Den Ausführungen
des LSG ist insoweit noch hinreichend die Feststellung zu entnehmen, dass das Klinikum trotz der zu diagnostischen Zwecken
durchgeführten Laparoskopie auch bei Entlassung der Versicherten keine die Symptomatik erklärende Diagnose angeben konnte.
Hingegen hat das LSG ausgehend von den ihm allein zur Verfügung stehenden MDK-Gutachten vom 11.8.2010 und 24.9.2010 sich nicht
die Überzeugung bilden können, wo die Unterleibsschmerzen bei der Versicherten genau zu lokalisieren waren. Es begegnet keinen
revisionsrechtlichen Bedenken, dass das LSG hierfür weitere, ihm durch die Weigerung der Klägerin nicht mögliche Sachverhaltsermittlungen
für erforderlich gehalten hat.
b) Zu Recht hat das LSG das Risiko der Nichterweislichkeit der tatsächlichen Voraussetzungen des ICD-10-GM R10.3 nach den
Grundsätzen über die objektive Feststellungslast der Klägerin zugeordnet. Das entspricht den allgemeinen Grundsätzen: Kann
ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen werden, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz
der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, hier
also der Klägerin (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 19 mwN; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 28 mwN). Die Klägerin trägt in diesem Sinne den rechtlichen Nachteil der Beweislosigkeit
des von ihr lediglich behaupteten Sachverhalts, der zu einem Vergütungsanspruch nach DRG G12C führt. Es ist hierfür ohne Belang,
dass die Beklagte nicht von der ihr vertraglich eröffneten Möglichkeit Gebrauch machte, zunächst einen Kurzbericht anzufordern
(§
2 Abs
1 Vertrag nach §
112 Abs
2 Nr
2 SGB V zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. und den Landesverbänden der KKn mit Wirkung vom 1.4.1991). Dies
lässt die Beweislastverteilung unberührt. Für andere Vergütungsansprüche, die höher als 2317,50 Euro sind, liegt nichts vor.
3. Die dagegen erhobenen Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch, weder diejenigen aus den Anforderungen an Auffälligkeitsprüfungen
(vgl §
275 Abs
1c und Abs
1 SGB V, dazu a) noch jene aus dem kompensatorischen Beschleunigungsgebot (dazu b).
a) Die Klägerin kann aus der Regelung des §
275 Abs
1c S 2
SGB V nichts für sich herleiten. Unerheblich ist, ob die von der Beklagten zunächst veranlasste Auffälligkeitsprüfung mit dem MDK-Gutachten
vom 19.7.2010 abgeschlossen war oder ob ein Fall vorliegt, in dem der MDK bei seiner Prüfung der Behandlungsunterlagen und
der Krankenhausbegehung weitere, der Beklagten zunächst verborgene Auffälligkeiten feststellte, sodass der ursprüngliche Prüfauftrag
keine Sperrwirkung entfaltete (vgl dazu BSG Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 14/13 R - Juris RdNr 13, vorgesehen für SozR 4-2500 § 275 Nr 15). Denn die Beklagte durfte die sachlichrechnerische Richtigkeit der
Abrechnung nach allgemeinen Grundsätzen überprüfen (dazu aa). Das Überprüfungsrecht der KKn auf sachlich-rechnerische Richtigkeit
besteht unabhängig von den engeren Anforderungen einer Auffälligkeitsprüfung (dazu bb).
aa) Das Überprüfungsrecht der KKn von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit unterliegt einem eigenen
Prüfregime. Die gesetzliche Regelung der Informationsübermittlung vom Krankenhaus an die KK (vgl §
301 SGB V) korrespondiert mit der Prüfberechtigung der KK. KKn sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer
Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf eine Leistungsverweigerung oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu
überprüfen (§
301 SGB V). Denn das Krankenhaus hat hierzu zutreffend und vollständig alle Angaben zu machen, deren es zur Überprüfung der sachlich-rechnerischen
Richtigkeit der Abrechnung bedarf (§
301 Abs
1 SGB V; vgl zB 1. Senat des BSG in BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13, 21; 3. Senat des BSG in BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 18 ff mwN; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 14 mwN, stRspr). Hierbei kann es keinerlei Obliegenheit oder gar Pflicht der KK geben, Zweifel an der Erfüllung
einer Anspruchsvoraussetzung durch substantiierten Vortrag zu untermauern (vgl BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 28 mwN). Denn nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG (vgl BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, jeweils RdNr 28 f) obliegt die Entscheidung über den Anspruch des Versicherten auf vollstationäre Krankenhausbehandlung
allein der KK und im Streitfall dem Gericht, ohne dass diese an die Einschätzung des Krankenhauses oder seiner Ärzte gebunden
sind (vgl BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 31).
Andererseits wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn KKn flächendeckend ohne irgendeinen Anhaltspunkt jede Krankenhausabrechnung
beanstandeten (vgl zur routinemäßigen und pauschalen Weigerung einer KK, Krankenhausrechnungen zu bezahlen, zB BSGE 89, 104, 109 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 16 f). Dafür liegt hier aber nichts vor. Jedenfalls dann, wenn sich demgegenüber auch nur
geringste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig ist und/oder dass das Krankenhaus
seine primären Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten über die Abrechnungsgrundlagen nicht erfüllt, trifft das Krankenhaus
spätestens auf Anforderung der KK zumindest die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere
auch die Behandlungsunterlagen an den MDK oder das Gericht herauszugeben, soweit sich aus den Landesverträgen nach §
112 SGB V keine weitergehenden Mitteilungspflichten ergeben.
Die Beklagte beachtete die genannten Anforderungen an die Überprüfung von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische
Richtigkeit. Im vorliegenden Fall bestanden mehr als nur geringste Anhaltspunkte für eine sachlich-rechnerische Unrichtigkeit.
Denn der MDK ging in seiner gutachtlichen Stellungnahme (11.8.2010) kurz nach Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen und
einer Krankenhausbegehung (19.7.2010) davon aus, die Behandlung sei mit ICD-10-GM R10.2 zu kodieren. Die im Gerichtsverfahren
urkundsbeweislich verwertbare Stellungnahme des MDK ließ sogar ganz erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der von der Klägerin
nach §
301 SGB V mitgeteilten Daten zur Hauptdiagnose und damit an der Richtigkeit ihrer Abrechnung aufkommen.
bb) Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht auf die Verletzung der Anforderungen an Auffälligkeitsprüfungen, insbesondere
des prüfrechtlichen Beschleunigungsgebots berufen. Anders als die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung
von Krankenhausvergütung unterliegt die Überprüfung von Auffälligkeiten der Abrechnung nach §
275 Abs
1c SGB V einem speziellen prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot. §
275 Abs
1c S 1
SGB V ordnet in Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach §
39 SGB V an, dass eine Prüfung nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V "zeitnah" durchzuführen ist. Dieses wird in §
275 Abs
1c S 2
SGB V dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der KK einzuleiten und durch
den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 10; BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 11). Leitet die KK die Prüfung nicht spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung
bei ihr ein und zeigt der MDK die Einleitung der Prüfung dem Krankenhaus nicht oder nicht rechtzeitig nach §
275 Abs
1c S 2
SGB V an, bewirkt dies ein sich auch auf Gerichtsverfahren erstreckendes Beweisverwertungsverbot (vgl BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 30; SozR 4-2500 §
301 Nr
1 RdNr
28). Die abschließende, abgestufte Regelung des §
275 Abs
1c SGB V sanktioniert in diesem Sinne lediglich die kurze Frist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V (vgl BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 §
275 Nr 8, RdNr 33 ff; dem folgend auch BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24).
Die Überprüfung nach §
275 Abs
1c SGB V setzt eine Auffälligkeit der Abrechnung voraus. Nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V (idF durch Art 1 Nr
6b Gesetz zur Einführung des diagnoseorientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser [Fallpauschalengesetz - FPG] vom 23.4.2002,
BGBl I 1412, mW v 1.1.2003) sind die KKn in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit
der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen
Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Es bestehen Auffälligkeiten, die die KK zur Einleitung einer
Abrechnungsprüfung unter Anforderung einer gutachtlichen Stellungnahme des MDK berechtigen, wenn die Abrechnung und/oder die
vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der
KK verwertbare Informationen Fragen nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die KK aus sich heraus
ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht beantworten kann (BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 18 mwN).
Die Auffälligkeitsprüfung betrifft regelmäßig Fälle, in denen die KK Zweifel daran haben kann, dass das Krankenhaus seine
Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§
12 Abs
1 SGB V) erbracht hat (vgl zur Befugnis der KKn, die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung zu überprüfen, zB BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17; BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 62/12 R - für BSGE und SozR vorgesehen). Sie begründet in den Fällen, in denen es zu keiner Abrechnungsminderung kommt, einen Anspruch
des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale (vgl §
275 Abs
1c S 3
SGB V).
Soweit das Krankenhaus dagegen dem MDK lediglich im Rahmen der Abklärung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung
entsprechend seinen bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten oder -pflichten die Möglichkeit eröffnet, die Behandlungsunterlagen
einzusehen und/oder eine Krankenhausbegehung durchzuführen, findet §
275 Abs
1c S 3
SGB V keine Anwendung. Das Krankenhaus hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale, wenn der sachlich-rechnerische
Prüfvorgang nicht zu einer Rechnungsminderung führt. Denn es handelt sich nicht um eine Auffälligkeitsprüfung, sondern um
eine Mitwirkung des MDK zugunsten des beweisbelasteten Krankenhauses, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, seinen aus §
301 SGB V abzuleitenden Informationsobliegenheiten bzw eventuellen - hier möglicherweise aus §
12 LV abzuleitenden - Auskunfts- und Mitteilungspflichten zu entsprechen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die KK sachlich-rechnerische
Auffälligkeiten zum Anlass nimmt, von sich aus gezielt eine Auffälligkeitsprüfung einzuleiten.
b) Die Klägerin kann aus einer Verletzung des "kompensatorischen Beschleunigungsgebots" vorliegend nichts für sich herleiten.
Dieses Gebot, zügig zu verfahren, beruht auf dem Regelungskomplex der gesetzlichen Zahlungspflichten, die mit der Vorleistungspflicht
der Krankenhäuser korrespondieren. Aus den gesetzlichen Vorgaben der Vorleistungspflicht der Krankenhäuser erwächst ein gesetzlicher
Beschleunigungsauftrag hinsichtlich der Vergütung. Diese Pflicht zur Beschleunigung findet ihren Niederschlag in den Regelungen
über Abschlagszahlungen, angemessene monatliche Teilzahlungen und Verzugszinsen bei verspäteter Zahlung (vgl zB § 8 Abs 7 S 2 und S 3, § 11 Abs 1 S 3 Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG; siehe vorliegend §
9 Abs
6 LV - Landesvertrag: Vertrag nach §
112 Abs
2 S 1 Nr
1 SGB V - Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - geschlossen zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz eV
einerseits und der Beklagten und den übrigen Krankenkassenverbänden im Land Rheinland-Pfalz andererseits mit dem durch Schiedsspruch
vom 19.11.1999 festgesetzten Inhalt). Die genannten Regelungen dürfen nicht dadurch unterlaufen werden, dass die KKn Abschlagszahlungen
mit dem bloßen Argument verweigern, es sei nicht auszuschließen, dass eine - noch nicht abgeschlossene - Prüfung künftig ergeben
könnte, die erbrachte Leistung sei nicht erforderlich gewesen. Sinn und Zweck der die Vorleistungen zunächst kompensierenden
Abschlagszahlungen stehen einem Vorgehen der KKn entgegen, den Krankenhäusern - ohne Rechtfertigung durch ein konkretes Prüfergebnis
- solche Zahlungen zu verweigern (vgl zum Ganzen zB BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 27 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 34).
Das kompensatorische Beschleunigungsgebots kann sich dementsprechend nicht mehr auswirken, wenn es nicht mehr um Abschlagszahlungen
geht, sondern die genaue Vergütungshöhe feststeht. So liegt es hier (vgl oben II. 2).
4. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die Aufwandspauschale nach §
275 Abs
1c S 3
SGB V in Höhe von 300 Euro zu. Führen - wie hier - berechtigte Zweifel an der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung
erst im Gefolge eines zunächst keine Abrechnungsminderung begründenden MDK-Gutachtens für eine Auffälligkeitsprüfung dazu,
dass die geltend gemachte Vergütungsforderung nicht oder nur zum Teil durchsetzbar ist, handelt es sich ebenfalls um eine
Minderung des Abrechnungsbetrags im Sinne des §
275 Abs
1c S 3
SGB V. Dies gilt selbst dann, wenn der MDK die vom Prüfauftrag umfassten Fragen beantwortet hat und der Prüfauftrag insoweit abgeschlossen
war.
Nach §
275 Abs
1c S 3
SGB V (idF durch Art 3 Nr
8a Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 [Krankenhausfinanzierungsreformgesetz
- KHRG] vom 17.3.2009, BGBl I 534, mWv 25.3.2009) hat die KK, falls die Prüfung nach §
275 Abs
1c S 1
SGB V nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zu entrichten.
Führt eine Einzelfallprüfung dagegen zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags, entfällt die Aufwandspauschale (vgl Begründung
des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz
- GKV-WSG] der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/3100 S 171). Hierin manifestiert sich nämlich, dass die KK die
Prüfung gezielt durchgeführt hat. Es genügt dabei, dass die Auffälligkeitsprüfung eine der Bedingungen dafür ist, dass letztlich
die KK im Rahmen der sachlich-rechnerischen Prüfung der Abrechnung einen zunächst nicht beglichenen Teil der Abrechnung auch
weiterhin nicht bezahlen muss oder berechtigt ist, eine Erstattungsforderung geltend zu machen. So verhält es sich hier.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die mit abgerechnete Restvergütung von 532,94 Euro. Dies beruht darauf, dass die Beklagte
aufgrund der Auffälligkeitsprüfung am 19.7.2010 durch den MDK-Sachverständigen Kenntnis von Behandlungsunterlagen erhielt.
Dieser konnte - wie bereits ausgeführt - aus eigener Anschauung der Beklagten über den seiner Auffassung nach unzutreffend
kodierten, weil sich anders darstellenden Sachverhalt (Lokalisation der Schmerzen der Versicherten) berichten. Dadurch hatte
die Beklagte Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Abrechnung, die die Klägerin - mit der Folge einer Abrechnungsminderung
- nicht ausräumte.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.