Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Honorarberichtigung in Höhe von 146.447,90 € betreffend die Quartale
I/13 bis III/13 aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger ist als hausärztlich tätiger Internist zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
In den Quartalen I/12 bis I/14 setzte die Beklagte durch die jeweiligen Honorarbescheide das Honorar des Klägers wie folgt
fest:
Quartal
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Honorarbescheid vom
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Nettohonorar gesamt in €
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Nachvergütung in €
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Fallzahl PK + EK
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I/12
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03.07.2012
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167.479,74
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II/12
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28.09.2012
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148.270,86
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III/12
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06.01.2013
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129.186,38
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IV/12
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08.04.2013
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170.922,87
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1.278
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I/13
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15.07.2013
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125.690,22
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35.477,49
(Honorarbescheid vom 11.09.2014)
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1.145
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II/13
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20.09.2013
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165.302,67
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24.187,18
(Honorarbescheid vom 07.11.2014)
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1.262
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III/13
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28.12.2013
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143.102,47
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33.346,40
(Honorarbescheid vom 07.01.2015)
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1.199
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IV/13
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07.04.2014
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133.949,18
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I/14
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16.07.2014
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147.920,82
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I/14
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08.10.2014
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158.095,42
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Die Beklagte führte für die Quartale III/12 bis III/13 eine Plausibilitätsprüfung durch und übersandte dem Kläger mit Schreiben
vom 17. November 2014 die zeitbezogenen Rechnungsergebnisse für diese Quartale unter Erläuterung der Ermittlung der Zeitprofile.
Der Kläger trug mit Schreiben vom 20. Januar 2015 vor, er sei als Internist mit vorwiegend nuklearmedizinischer Tätigkeit
seit über 40 Jahren niedergelassen. Im Zuge der Verhandlung mit einem potentiellen Praxisnachfolger, dem Nuklearmediziner
Dr. C., habe dieser, um einen Einblick in die Praxis zu erhalten, häufig fünftägige Praxis-Vertretungen gemacht und dafür
ein relativ hohes Honorar, mit Unterbringung in einem Hotel, erhalten. Z.T. habe er die Praxis bereits am Freitag verlassen,
da er in D-Stadt gewohnt habe, und sei erst am Montag zurückgekehrt, z T. habe er, der Kläger, zur gleichen Zeit ebenfalls
Sprechstunde gehalten. Dr. C. habe seine Zeit in der Praxis verbracht und am Abend noch Befunde diktiert. Dadurch seien Sprechstundenzeiten
von ca. 14 Stunden entstanden. Seine abendliche Anwesenheit habe auch wieder weitere Patienten außerhalb der Sprechstunde
angezogen. In den Quartalen I bis III/13 sei die Chroniker-Ziffer angesetzt worden, später jedoch wieder abgesetzt worden,
da O III-Leistungen durchgeführt worden seien. Für Dr. C. habe er bei der Beklagten nicht um eine Genehmigung nachgesucht,
da dieser in der Praxis nicht kontinuierlich anwesend gewesen sei. Durch ihn sei es insbesondere in den Quartalen II und III/13
zu mehr Leistungen gekommen. Aufgrund der rechtlichen Änderungen habe Herr Dr. C. die Praxis nicht übernehmen können. Zum
1. Januar 2014 habe er seine Tätigkeit eingestellt.
Mit Bescheid vom 11. März 2015 hob die Beklagte im Rahmen der zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnung der
Praxis des Klägers, die Quartale III/12 bis I/13 betreffend, die Honorarbescheide für die drei Quartale I/13 bis III/13 auf
und setzte die unter Prüfungsvorbehalt gezahlte Vergütung neu fest. Hieraus errechnete sie eine von ihr festgesetzte Honorarrückforderung
in Höhe von insgesamt 146.447,90 € netto.
Im Einzelnen setzte sie folgende Honorarrückforderungen fest:
Quartal
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Kürzungsbetrag in € netto
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I/13
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32.618,70
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II/13
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62.017,92
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III/13
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51.811,28
|
Gesamt
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146.447,90
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Zur Begründung verwies sie auf die Tages- und Quartalsprofile des Klägers:
Quartal
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Tagesprofil
Anzahl Tage, davon
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Maximale Arbeitszeit
pro Tag im Quartal
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Quartalsprofil
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> 12 Std.
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> 16 Std.
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Zeitsumme
Std. : Min.
|
Überschreitung
Std. : Min.
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III/12
|
3
|
0
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14:32
|
847:39
|
67:39
|
IV/12
|
2
|
0
|
14:39
|
870:21
|
90:21
|
I/13
|
0
|
0
|
|
971:02
|
191:02
|
II/13
|
2
|
0
|
15:44
|
1.145:59
|
365:02
|
III/13
|
0
|
0
|
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1.091:21
|
311:21
|
Der Kläger habe keinen Assistenten gemeldet gehabt, weshalb dessen Arbeitsanteil nicht feststellbar sei. Es bleibe weiterhin
die Frage, warum sich die Chronikerziffern ab dem Quartal I/13 praktisch verdoppelt hätten. Nach der Streichung der Chronikerziffern
im EBM habe eine Verlagerung auf psychosomatische Leistungen stattgefunden. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig Leistungen
abgerechnet, die er nicht erbracht habe. Die Kürzung berechne sie aus dem prozentualen Verhältnis der als implausibel festgestellten
Überschreitungszeiten zur Gesamtzeit im Quartal auf der Grundlage der Prüfzeiten nach Anl. 3 zum EBM 2005. Die so ermittelte
Überschreitungsquote sei dem quotierten Gesamthonorar gegenüber zu stellen und ergebe den Kürzungsbetrag.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 14. März 2015 Widerspruch. Er führte aus, die Beklagte habe ihr Schätzungsermessen
fehlerhaft ausgeführt. Herr Dr. C. sei insbesondere in den EBM-Bereichen 03212 (Chronikerpauschale) sowie 35100 und 35110
EBM (psychosomatische Leistungen) tätig gewesen. Kürze man sämtliche Leistungen - ohne Berücksichtigung, dass auch er selbst
solche Leistungen erbracht habe - für die drei streitgegenständlichen Quartale, so ergäbe sich ein Kürzungsbetrag in Höhe
von insgesamt 87.641,47 €. Die von der Beklagten nicht sanktionierten Quartale III/12 und IV/12 zeigten im Übrigen, dass er
eine Quartalsarbeitszeit von 847 Stunden und 39 Minuten bzw. 870 Stunden und 21 Minuten habe. Letzteres entspreche 52.221
Minuten. Gehe man hiervon aus, ergebe sich ein Kürzungsbetrag in Höhe von insgesamt 100.722,20 €.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2015, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17. September 2015 zugestellt,
wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Die für die Quartale I/13 bis III/13 erstellten Quartalszeitprofile führten den Indizienbeweis, dass die Abrechnungen fehlerhaft
seien. Der Kläger habe außerdem eingeräumt, dass ein nicht genehmigter Arzt in diesen Quartalen Leistungen in seiner Praxis
erbracht habe. Er habe gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung verstoßen. Die Sammelerklärung sei damit falsch.
Der Kläger habe vorsätzlich gehandelt. Für die Neuberechnung des Honorars stehe ihr im Rahmen des Beurteilungsspielraumes
ein weites "Schätzungsermessen" bezüglich der Art und Weise der Kürzungsberechnung zu. Die gewählte Berechnungsmethode sei
nicht zu beanstanden, da sich die Honorarrückforderung an dem Verhältnis zwischen plausiblen Zeiten und Überschreitungen der
plausiblen Zeiten orientiere. Dieses Verhältnis (dargestellt als Prozentsatz) werde auf das erwirtschaftete Gesamthonorar
(nach ev. Durchführung von Begrenzungsmaßnahmen, Vorabzug von Verwaltungskosten, ausgewiesen im Honorarbescheid) übertragen,
und es werde ein entsprechender Rückforderungsbetrag festgestellt. Mit dieser Berechnungsweise werde ein erwirtschafteter
Minutenpreis für alle abrechneten Leistungen ermittelt und der implausible Leistungsanteil, der über dem Zeit-Grenzwert liege,
abgeschöpft. Zu Gunsten des Klägers sei die Rückforderung auf die die Quartalsprofilgrenze überschreitenden Zeiten beschränkt
worden, obwohl nach der Einlassung des Klägers wahrscheinlich sei, dass der Kollege in größerem Umfang mitgearbeitet habe.
Sie sei bei ihrer Schätzung nicht auf einzelne Leistungen beschränkt. Auch fehle ein Nachweis, welche Leistungen der Kollege
erbracht habe. Das Abrechnungsverhalten und der Vortrag des Klägers deuteten vielmehr darauf hin, dass der Kollege im gesamten
Leistungsspektrum tätig gewesen sei. Die Zahl der Behandlungsfälle sei seit dem Quartal I/12 weitgehend gleich geblieben,
der Anteil der Chronikerpauschale habe im Jahr 2012 bei 33 - 38 % gelegen, in den Quartalen I bis III/13 liege er bei 71 %,
82 % und 87 %. Entgegen dem Vortrag des Klägers würden auch in den Quartalen I bis III/13 weniger psychosomatische Leistungen
abgerechnet werden als in den Quartalen III und IV/12. Die Vorquartale seien keineswegs plausibel. Sie habe aber die Kürzung
auf die Quartale mit der unerlaubten Mitarbeit des Kollegen begrenzt.
Der Kläger hat am 5. Oktober 2015 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben und ergänzend vorgetragen, klarzustellen sei, dass
sein Kollege in den sanktionierten Quartale anfänglich fünf Tage, danach vier Tage und zum Schluss drei Tage in der Praxis
mitgearbeitet habe. Es treffe nicht zu, dass der Kollege anstelle seiner Person gearbeitet habe. Abendsprechstunden hätten
weder er noch der Kollege angeboten.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. April 2016 abgewiesen.
Die Kammer habe ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach §
105 SGG entscheiden können. Die Sache habe keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art und der Sachverhalt sei geklärt.
Die Kammer habe die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 16. März 2015 angehört. Ein Einverständnis der Beteiligten werde
vom Gesetz nicht verlangt. Im Übrigen hätten sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid eiverstanden
erklärt.
Die Klage sei zulässig, aber unbegründet, denn der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagten vom 11. März 2015 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2015 sei rechtmäßig.
Die Beklagte sei grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung zuständig gewesen. Nach §
75 Abs.
1 SGB V hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen
und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen
und vertraglichen Erfordernissen entspreche. Nach §
75 Abs.
2 Satz 2 1. Halbsatz
SGB V hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den
Pflichten der Vertragsärzte gehöre unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen.
Die Kassenärztliche Vereinigung stelle die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest;
dazu gehöre auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten
(§
106a Abs.
2 Satz 1
SGB V, eingefügt durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003, BGBl. I 2003, 2190, mit Wirkung zum 1. Januar 2004).
Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstrecke sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen
ordnungsgemäß - somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes
- erbracht worden seien. Solche Verstöße könnten z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem
Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht
worden seien (vgl. BSG, Urt. v. 1. Juli 1998 - B 6 KA 48/97 R - juris, Rdnr. 15 m.w.N.). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden seien, sei es zulässig,
Tagesprofile zu verwenden (vgl. BSG, Urt. v. 24. November 1993 - 6 RKa 70/91 - juris Rdnr. 24 ff.; BSG, Urt. v. 8. März 2000 - B 6 KA 16/99 R - juris Rdnr. 48).
Tages- und Quartalsprofile seien ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können.
Die Beweisführung mit solchen Profilen sei dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung seien bestimmte Anforderungen
erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes dürften nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen
werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzten. Delegationsfähige Leistungen hätten außer Betracht zu bleiben.
Zu berücksichtigen sei weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so
bemessen sein müssten, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer
Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen könne. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspreche
es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handele, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall
durchaus unterschritten werden könne. Die Durchschnittszeit stelle sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung
als der statistische Mittelwert dar (vgl. BSG, Urt. v. 24. November 1993 - 6 RKa 70/91 - a.a.O., Rdnr. 24 ff.; LSG Hessen, Urt. v. 26. November 2014 - L 4 KA 2/11 - Umdruck. S. 16; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10. Oktober 2007 - L 7 KA 56/03 - juris Rdnr. 21). Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals genüge bereits ein beliebiger falsch abgerechneter
Tag (vgl. BSG, Urt. v. 8. März 2000 - B 6 KA 16/99 R - a.a.O., Rdnr. 37). Tages- und Quartalsprofil stünden alternativ und nicht kumulativ als Indizien für eine implausible Abrechnung
nebeneinander (vgl. BSG, Beschl. v. 17. August 2011 - B 6 KA 27/11 B - juris Rdnr. 6).
Für Quartalsprofile, die Behandlungszeiten für Leistungen dokumentierten, die der Arzt in einem Quartal und damit in einem
deutlich längeren Zeitraum abgerechnet habe, gelte nichts anderes als für Tagesprofile. Sie eigneten sich ebenso als Indizienbeweis
für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung. Werde einer der in § 8 Abs. 3 der AbrechnPr-RL genannten Werte überschritten, lägen
Abrechnungsauffälligkeiten vor und die KV führe eine Prüfung nach § 12 AbrechnPr-RL durch. Diese Prüfung diene nicht mehr
der Ermittlung von Auffälligkeiten, sondern der Feststellung, ob die anhand der Zeitprofile zu Tage getretenen Abrechnungsauffälligkeiten
auf einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung beruhten. Geprüft werde, wie § 12 Abs. 3 Satz 1 AbrechnPr-RL ausdrücklich feststelle,
ob sich die Auffälligkeiten zugunsten des Arztes erklären ließen. Hierfür ließen sich aus dem Umstand, dass Tagesprofile im
Gegensatz zum Quartalsprofil unauffällig gewesen seien, keine Erkenntnisse gewinnen (vgl. BSG, Beschl. v. 17. August 2011 B 6 KA 27/11 B - juris Rdnr. 6).
Ausgehend hiervon war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Quartalsprofile zu erstellen.
Die Beklagte habe den Kläger durch Übersendung des Anhörungsschreibens und des Ausgangsbescheides weiter ausreichend angehört
(§ 24 SGB X).
Der angegriffene Bescheid sei auch materiell rechtmäßig.
Die Beklagte habe die Quartalsprofile nicht falsch berechnet. Fehler seien weder ersichtlich noch würden sie vorgetragen.
Soweit die Beklagte zunächst darauf abstelle, dass der Kläger einen Arzt in seiner Praxis ohne Genehmigung beschäftigt habe,
sei sie grundsätzlich zur Kürzung aller von diesem Arzt abgerechneten Leistungen berechtigt.
Der Vertragsarzt habe die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV). Als Ausnahme von diesem Gebot der persönlichen Leistungserbringung gelte neben der Anstellung von Ärzten die Vertretung,
Beschäftigung von Assistenten und die Delegation von Hilfstätigkeiten, soweit die rechtlichen Grenzen hierfür eingehalten
würden (§
98 Abs.
2 Nr.
13 SGB V, § 32 Ärzte-ZV). Die Anstellung eines Arztes setze eine Genehmigung des Zulassungsausschusses voraus (§
95 Abs.
9 Satz 1 und 2
SGB V). Die Beschäftigung von Assistenten bedürfe der Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung (32 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV) und sei im Übrigen begrenzt auf Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Entlastungsassistenten (§ 32 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV). Eine rückwirkende Genehmigung sei ausgeschlossen (vgl. BSG, Urt. v. 28. März 2007 - B 6 KA 30/06 R - juris Rdnr. 11 ff.). Eine - kurzzeitige - Vertretung wegen Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder
an einer Wehrübung sei bis zu einer Dauer von drei Monaten innerhalb von zwölf Monaten zulässig (§ 32 Abs. 1 Satz 2 Ärzte-ZV). Aus den Vorgaben zur Anzeigepflicht ergebe sich im Umkehrschluss, dass eine darüber hinausgehende Vertretung oder Vertretung
aus anderen Gründen genehmigungspflichtig sei (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 4 Ärzte-ZV). Sie sei auch - ebenso wie die Beschäftigung eines Assistenten - nur aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen
Versorgung möglich. Dauere die Vertretung länger als eine Woche, so sei sie der KV mitzuteilen (§ 32 Abs. 1 Satz 4 Ärzte-ZV).
Der Kläger habe selbst angegeben, Herr Dr. C. jedenfalls in den hier streitigen drei Quartalen I/13 bis III/13 beschäftigt
zu haben. Dies habe er weder angezeigt noch habe er hierfür eine Genehmigung beantragt oder erhalten. Sachlich dürfte es sich
um die Anstellung eines Arztes nach §
95 Abs.
1 Satz 1
SGB V gehandelt haben, da eine Vertretung des Klägers, die seine Abwesenheit voraussetze, wohl nur selten vorgekommen sei. Nach
dem im Klageverfahren zuletzt gehaltenen Vortrag habe Herr Dr. C. in den streitbefangenen Quartale anfänglich fünf Tage, danach
vier Tage und zum Schluss drei Tage in der Praxis mitgearbeitet. Damit sei von einer Dauerbeschäftigung des Herrn Dr. C. im
gesamten streitbefangenen Zeitraum auszugehen. Zwar habe der Gesetzgeber des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes davon abgesehen,
zu verlangen, dass Fachgebietsidentität für die Anstellung eines Arztes - abgesehen von der sog. Job-Sharing-Anstellung -
bestehen müsse (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV; siehe auch § 14a Abs. 2 BMV-Ä). Letztlich könne aber dahingestellt bleiben, ob der Kläger eine Genehmigung hätte erhalten können, da er diese nicht beantragt
habe und eine solche nicht rückwirkend erteilt werden könne (vgl. für den Vertreter BSG, Urt. v. 28. Januar 1998 - B 6 KA 93/96 R - juris Rdnr. 17).
Soweit aber eine Beschäftigung eines anderen Arztes ohne Genehmigung vorliege, könne grundsätzlich eine sachlich-rechnerischen
Berichtigung und einer Honorarrückforderung hinsichtlich der vom ohne Genehmigung beschäftigten Arzt erbrachten Leistungen
vorgenommen werden (vgl. BSG, Urt. v. 10. Mai 1995 - 6 RKa 30/94 - juris Rdnr. 15 f.; SG Marburg, Urt. v. 26. November 2008 - S 12 KA 459/09 - juris Rdnr. 31 ff.; SG Marburg, Urt. v. 2. September 2015 - S 16 KA 531/13 - juris Rdnr. 56).
Der Beklagte habe auch vorsätzlich die von seinem angestellten Arzt erbrachten Leistungen im Wissen um das Fehlen der Genehmigung
abgerechnet, was letztlich von ihm auch nicht bestritten werde.
Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs sei nicht eingetreten. Die Beklagte könne eine Berichtigung
innerhalb von vier Jahren vornehmen (vgl. BSG Urt. v. 15. November 1995 - 6 RKa 57/94 - juris Rdnr. 10 und BSG, Urt. v. 28. März 2007 - B 6 KA 22/06 R - juris Rdnr. 16 m. w. N.).
Soweit der Kläger die Ermessensausübung als fehlerhaft ansehe, sei ihm nicht zu folgen. Insofern habe die Beklagte nur die
Teile des Honorars zurückgefordert, die sie bereits aufgrund der Quartalsprofile hätte zurückfordern können. Insofern könne
die Beschäftigung eines Arztes ohne Genehmigung unter keinem Gesichtspunkt zu einer Erhöhung des Zeitrahmens des Quartalsprofils
führen.
Nicht zu beanstanden sei die Berechnung des Berichtigungsbetrages. Im Rahmen ihres Schätzungsermessens habe die Beklagte den
Leistungsanteil abgeschöpft, der im Quartal auf Leistungen jenseits der zeitlichen Grenze von 780 Stunden entfallen sei. Der
Rechenvorgang über die Feststellung eines Überschreitungsprozentsatzes bedeutet letztlich, dass die Beklagte einen erwirtschafteten
Minutenpreis für alle abgerechneten Leistungen ermittelt habe. Auf diese Weise habe die Beklagte alle Vergütungsanteile und
evtl. Sachkostenerstattungen einbezogen. Dies sei nicht zu beanstanden. Die letztlich hier zu Tage tretende systematisch fehlerhafte
Abrechnung habe die Beklagte damit zu Gunsten des Klägers letztlich nur auf den Teil der Abrechnung bezogen, der auf die Überschreitung
der 780-Stunden-Grenze entfalle und die Vermutung begründe, dass dieser Teil nicht mehr ordnungsgemäß erbracht werden könne.
780 Stunden bedeuteten eine tägliche reine Arbeitszeit von durchgehend 12 Stunden ohne jegliche Pause. Anhand der Überschreitung
der Quartalsprofile ermittle die Beklagte den prozentualen Leistungsumfang, der gekürzt werden könne. Soweit sie diese "Quote"
mit dem jeweiligen Nettohonorar multipliziere, erhalte sie den Kürzungsbetrag. Im Ergebnis bedeute dies, dass sie von einer
gleichbleibenden Vergütung für alle Leistungen ausgehe und nicht danach unterscheide, wie sich die Honorarfestsetzung aufgrund
der verschiedenen Begrenzungsmechanismen gestalte. Im Ergebnis bedeute dies, dass die Beklagte von einem durchschnittlichen
Punktwert für alle Leistungen ausgehe, unabhängig davon, ob es sich im Einzelnen um Leistungen zum sog. oberen Punktwert oder
unteren Punktwert aufgrund der Überschreitung des Regelleistungsvolumen handele. Ein solcher durchschnittlicher Punktwert
sei der Punktwert, mit dem letztlich die Leistungen des Klägers vergütet worden seien.
Es bestehe kein Anspruch darauf, dass zunächst die - im Rahmen der Honorarberechnung - geringer vergüteten Leistungen als
Maßstab genommen würden. Für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung im Falle von
Budgetierungen bleibe der praxisindividuelle Punktwert maßgebend, der sich auf der Grundlage des vom Arzt in Ansatz gebrachten
Punktzahlvolumens ergeben habe. Es erfolge keine Neuberechnung des Punktwerts auf der Grundlage des korrigierten Punktzahlvolumens.
Eine andere Berechnungsweise könne in Ausnahmefällen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
in Betracht kommen (vgl. BSG, Urt. v. 11. März 2009 B 6 KA 62/07 R). Ein solcher Ausnahmefall setze aber voraus, dass die fehlerhafte Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende
Information o.ä. seitens der Kassenärztlichen Vereinigung mit verursacht worden sei. Ein derartiger Sonderfall sei auch dann
in Betracht zu ziehen, wenn ein Arzt in offenem Dissens mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Gebührennummer ansetze,
weil er die Frage ihrer Abrechenbarkeit einer gerichtlichen Klärung zuführen wolle (vgl. BSG, Urt. v. 11. März 2009 - B 6 KA 62/07 R -, a.a.O., juris Rdnr. 27 f.). Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Im Übrigen dienten Budgetierungsmaßnahmen nur
- neben ihrer Steuerungsfunktion - der Berechnung des Honorars, bedeuteten aber keine Wertigkeit der einzelnen Leistungen.
Der tatsächliche Wert der Leistung könne nur praxisbezogen mit Hilfe des praxisindividuellen Punktwerts berechnet werden (vgl.
SG Marburg, Urt. v. 10. November 2010 - S 12 KA 555/09 - juris Rdnr. 42). Soweit eine solche punktwertbezogene Berechnung nicht sinnvoll sei, da nicht ein bestimmtes Punktzahlvolumen
von der Vergütung ausgeschlossen sei, könne das dem Kläger verbleibende Honorar auch in der Weise bemessen werden, dass eine
zu vergütende Tätigkeit im Umfang von höchstens 12 Stunden täglich bzw. 780 Stunden im Quartal angenommen werde und nur der
darüber hinausgehende Teil die Grundlage der Berichtigung bilde. Der "Minutenpreis" entspreche dabei dem durchschnittlichen
Punktwert. Die Vorgehensweise der Beklagten sei daher von ihrem Schätzungsermessen gedeckt.
Schon aufgrund der Implausibilität der gesamten Abrechnung könne sich der Kläger nicht darauf berufen, der angestellte Arzt
habe nur einige wenige Leistungen erbracht. Schon die Behauptung sei wenig nachvollziehbar, da der Kläger andererseits selbst
einräume, der angestellte Arzt habe drei bis fünf volle Tage die Woche in der Praxis gearbeitet. Im Übrigen fehle es an jeglichem
Beweis für diese Behauptung. Aufgrund der Implausibilität der gesamten Abrechnung könne der Kläger auch nicht auf die implausiblen
Abrechnungen der Vorquartale verweisen, auch wenn die Beklagte hier von Honorarkürzungen abgesehen habe. Im Übrigen liege
es nach dem Vortrag des Klägers nahe, dass Herr Dr. C. zunächst in einem annähernd gleichen Umfang wie der Kläger gearbeitet
habe (ebenfalls fünf Tage in der Woche), dann ca. 80 % (vier Tage in der Woche), dann ca. 60 % (drei Tage in der Woche), was
zu Kürzungen im Umfang von 50 %, 44 % und 38 % geführt hätte.
Der Kläger hat gegen den ihm am 11. April 2016 zugestellten Gerichtsbescheid am 22. April 2016 Berufung eingelegt.
Der Kläger ist der Ansicht, die erstinstanzliche Entscheidung sei rechtswidrig. Die Beklagte sei zwar berechtigt gewesen,
das Honorar neu festzusetzen. Sie habe die Höhe des neu festzusetzenden Honorars auch schätzen dürfen, weil es sich nur äußerst
schwer und mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ermitteln lasse, welche der abgerechneten Leistungen Herr Dr. C. erbracht habe.
Bei der Neufestsetzung sei aber das Schätzungsermessen fehlerhaft ausgeübt worden. Durch die Mitarbeit des Dr. C. erkläre
sich die erhöhte Anzahl der abgerechneten Chronikerpauschale, denn dieser sei vor allem in diesem Bereich (Ziffer 03212 EBM)
tätig geworden. Weiter habe sich durch seine Mitarbeit die Möglichkeit ergeben, längere Gespräche mit Patienten, besonders
bei Schilddrüsenerkrankungen und schwierigen Patienten mit Borreliose-Erkrankung, zu führen, die Schwerpunkte der Praxis geworden
seien. Hier seien - von ihm und dem Kollegen - häufig die psychomatischen Ziffern 35100 und 35110 EBM in Ansatz gebracht worden.
Würde man diese drei Ziffern komplett aus der Abrechnung streichen, ergäbe sich ein Kürzungsbetrag von nur 87.641,47 €. Dabei
bleibe noch unberücksichtigt, dass er selbst natürlich auch diese Ziffern abgerechnet habe. Der Vorwurf der Beklagten, der
Herr Dr. C. sei an seiner Stelle in der Praxis tätig gewesen, treffe nicht zu. Soweit der Kollege noch abends tätig gewesen
sei, habe dieser die Sprechstunde nur nachbereitet, aber keine Patienten behandelt. Die GOP 35100 und 35110 EBM seien in den Quartalen I/13 bis III/13 "unterm Strich" nicht häufiger als in den Vorquartalen III/12
und IV/12 abgerechnet worden. Es liege lediglich eine Umverteilung derart vor, dass die in den Vorquartalen diese Ziffern
von ihm allein erbracht worden seien, in den Quartalen I/13 bis III/13 dagegen überwiegend bzw. nahezu ausschließlich von
dem Kollegen.
Hilfsweise sei noch vorzutragen, dass, weil die Quartale III/12 und IV/12 nicht sanktioniert worden seien, feststehe, dass
er eine tatsächliche Quartalsarbeitszeit von bis zu 870 Stunden und 21 Minuten (=52.221 Minuten) erbracht habe. Dies sei von
der Beklagten mit der Nichtsanktionierung akzeptiert worden. Diese zulässige Quartalsarbeitszeit habe bei der Berechnung der
Rückforderung zugrunde gelegt werden müssen und es hätte ihm daher nur das Honorar, welches prozentual auf die 52.221 Minuten
überschreitende Arbeitszeit entfalle, abgezogen werden dürfen. Rechne man so, ergebe sich ein Kürzungsbetrag von 100.722,28
€.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 1. April 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. März 2015 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die erstinstanzliche Entscheidung sei rechtmäßig. Die Rückforderung sei zugunsten des Klägers
auf die Zeiten beschränkt worden, die die Quartalsprofilgrenzen überschritten. Lege man die Rechtsprechung des Sozialgerichts
Marburg zugrunde, hätten die abgerechneten Leistungen sogar noch weitergehend gekürzt werden können.
Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 26. April 2017 gemäß §
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) dem Berichterstatter des Senats zur Entscheidung übertragen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behördenvorgänge.
Sämtliche dieser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Der Senat durfte in der vorliegenden Besetzung entscheiden, da die Berufung durch Beschluss vom 26. April 2016 auf den Berichterstatter
übertragen worden war. Die Voraussetzungen für eine Übertragung waren gegeben und diese war auch sachgerecht.
Die Berufung war zurückzuweisen. Sie ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, aber unbegründet. Der Kläger
hat keinen Anspruch auf Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung sowie der angefochtenen Bescheide, denn diese sind rechtmäßig
und verletzen ihn nicht in seinen Rechten. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, durfte die Beklagte die Honorarbescheide
für die Quartale I/13 bis III/13 aufheben und das Honorar für diesen Zeitraum neu festsetzen. Sie war weiter berechtigt, bei
der Neufestsetzung die nunmehrige Honorarhöhe durch Schätzung zu ermitteln. Auch die Höhe des jetzigen Honorars und damit
der sich ergebenden Rückforderung von 146.447,90 € ist nicht zu beanstanden.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen sozialgerichtlichen
Gerichtsbescheid vom 1. April 2016 und macht sich diese zu eigen.
Vor allem bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf die Art der Neuberechnung. Nicht nur war die Beklagte insoweit zur
Schätzung berechtigt, sie hat ihre Schätzungsbefugnis auch in zulässiger Weise ausgeübt (vgl. insoweit schon BSG, Urteil vom 17. September 1997 - 6 RKa86/95 - juris Rn. 23: "weites Schätzungsermessen" der KV bei der Neufestsetzung). Ihre
diesbezüglichen Darlegungen in den Bescheiden sind durchgängig nachvollziehbar und plausibel, wie bereits das Sozialgericht
in seiner Entscheidung im Einzelnen dargelegt hat. Insbesondere bestand für die Beklagte weder eine Verpflichtung, bei der
Neuberechnung nur das Honorar für bestimmte (geringer vergütete) Abrechnungsziffern in Abzug zu bringen oder musste sie zugunsten
des Klägers mehr als 780 Stunden pro Quartal an Arbeitszeit zugrunde zu legen. Auch eine rechtliche Verpflichtung, pauschaliert
nur 25 % der Leistungen zu kürzen, bestand nicht.