Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beigeladene zu 3. ab 1. Januar 2002 bei der Klägerin beschäftigt war und diese
für den Zeitraum 1. Januar 2002 bis 30. September 2006 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 78.481,47 EUR nachzuzahlen
hat.
Laut Arbeitsvertrag vom 30. Juni 1996 war die Beigeladene zu 3. als Geschäftsführerin mit uneingeschränkten Befugnissen im
Rahmen der Geschäftsführung notwendiger Tätigkeiten bei der 1981 gegründeten und mit Beschluss der Gesellschafterversammlung
1994 nach A. verlegten K. D. GmbH beschäftigt. Von ihrem Gehalt in Höhe von 6.254,50 DM monatlich wurden Lohnsteuer und Solidarzuschlag
sowie Kirchensteuer abgeführt; Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht entrichtet. Nach eigenen Angaben arbeitete sie dort
tatsächlich nicht als Geschäftsführerin sondern führte leichte Bürotätigkeiten aus. Die Auflösung der K. D. GmbH und Verlegung
des Gesellschaftssitzes in die Niederlande wurde am 5. Juli 2001 im Handelsregister eingetragen.
Die Klägerin wurde am 5. Januar 2001 als Aktiengesellschaft gegründet. Sie verlegte mit Beschluss der Gesellschafterversammlung
vom 24. Januar 2005 ihren Sitz nach E ... Gegenstand des Unternehmens ist u.a. die Erstellung bohrtechnischer Leistungen,
die Durchführung geologischer Untersuchungen, Erbringung wassertechnischer Leistungen, Projektentwicklung und -management
(Handelsregister des Amtsgerichts Erfurt HRB 13635). Am 18. Dezember 1998 gründete der Ehemann der Beigeladenen zu 3. und
Vorstandsmitglied der Klägerin vor dem Notar L. die G.-G.-GmbH (im Folgenden: GmbH). Er ist der einzige Gesellschafter. Nach
§ 2 des Gesellschaftsvertrags ist Gegenstand des Unternehmens die Übernahme der Geschäftsführung und persönlichen Haftung
bei anderen Gesellschaften, insbesondere bei der 1997 gegründeten G.-G.-GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG). Deren Gegenstand
ist der Erwerb, das Halten und die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. Die Beigeladene zu 3. ist Geschäftsführerin
der GmbH (Handelsregister A des Amtsgerichts Jena HRA 102568). In § 2 des Geschäftsführervertrags vom 21. Dezember 1998, in
dem die GmbH unrichtig als "G. V.-GmbH" bezeichnet wird, verzichtete sie "zunächst auf eine Vergütung für die bezeichnete
Tätigkeit".
Nach den Verdienstabrechnungen aus den Jahren 2002 bis 2006 zahlte die Klägerin der Beigeladenen zu 3. ein Bruttoentgelt von
2.718,19 EUR monatlich. Sie war unter der Personalnummer 109 registriert, als Stundenzahl sind 40 Wochenstunden und als Eintrittsdatum
der 1. Juli 1996 vermerkt. Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer wurden abgeführt, nicht aber Sozialversicherungsbeiträge.
Von März bis Juni 2005 führte das Finanzamt L. am damaligen Sitz der Klägerin in L. eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch. An
der Schlussbesprechung am 25. April 2005 nahmen nach dem "Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung" vom 13. Juni 2005 u.a.
der Ehemann der Beigeladenen zu 3. und die Zeugin Sch.-B.-G. teil. Dort wurde u.a. festgestellt: "Der Ehegatte oder andere
Angehörige der Arbeitgeberin wurden als Arbeitnehmer beschäftigt. Die grundsätzliche Anerkennung der Arbeitsverhältnisse mit
nahen Angehörigen bleibt einer späteren Betriebsprüfung bzw. dem Veranlagungsbezirk vorbehalten Dem Vorstand Herrn J. D. und
einigen Arbeitnehmern standen Firmenwagen zur allgemeinen privaten Nutzung und teilweise für Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte zur Verfügung. In der kostenlosen Überlassung eines firmeneigenen Kraftfahrzeugs an einen Betriebsangehörigen
liegt ein geldwerter Vorteil, der dem Steuerabzug unterliegt 4 b Pkw-Nutzung A. D. (= Beigeladene zu 3.) Der geldwerte Vorteil
für die allgemeine private Nutzung wurde bisher nicht der Lohnsteuer unterworfen." Nach dem Bericht wurden gegen die Prüfungsfeststellungen
keine Einwände erhoben.
Am 10. bis 11. Oktober 2006 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach §
28 p des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IV) für den Prüfzeitraum 1. Januar 2002 bis 30. September 2006 durch. Nach dem Protokoll der Besprechung am 11. Oktober 2006
wurde u.a. darauf hingewiesen, dass die Beigeladene zu 3. bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt ist. Dagegen
machte die Klägerin geltend, diese habe die Bezüge zu Unrecht von ihr erhalten. Sie sei alleinige Geschäftsführerin der GmbH
und nicht versicherungspflichtig.
Mit Bescheid vom 20. November 2006 forderte die Beklagte für den Prüfzeitraum die Nachzahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen
in Höhe von 82.151,62 EUR einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 848,50 EUR. Sie führte u.a. aus, für die Beigeladene
zu 3., die "während der Rechtsform der GmbH als versicherungsfreie Gesellschafter-Geschäftsführerin beurteilt wurde", fehle
"die Berechnung und Nachweisung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge" ab Beschäftigungsbeginn am 1. Januar 2002. Mit Wechsel
der Rechtsform von der GmbH zur Aktiengesellschaft sei Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung eingetreten.
Hinsichtlich der Beitragsnachforderungen die Beigeladene zu 3. betreffend, erhob die Klägerin Widerspruch und führte aus,
warum die Gehaltszahlungen durch sie erfolgt seien, könne nicht mehr nachvollzogen werden. Sie habe die Zahlungen in Höhe
von insgesamt 167.168,81 EUR von der KG zurückverlangt und zwischenzeitlich auch erhalten. Auf den Hinweis der Beklagten,
dass die Feststellungen während der Lohnsteueraußenprüfung nicht bestritten wurden, wandte die Klägerin ein, die Beigeladene
zu 3. sei weder räumlich noch organisatorisch in ihr Unternehmen eingegliedert. Sie habe ein eigenes Büro mit eigenen Angestellten.
Sie reichte den Bescheid der Beklagten an die KG vom 21. Februar 2008 ein, wonach nach einer Betriebsprüfung nach §
28 p
SGB IV für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 die Tätigkeit der Beigeladenen zu 3. seit 1. November 2006 dort nicht
der Versicherungs- und Beitragspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Beigeladene zu 3. habe
im Rahmen ihrer Beschäftigung bei der Klägerin neben ihren monatlichen Gehaltszahlungen nachweislich auch Sonderzahlungen,
wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalten. Ihr Gehalt sei insgesamt als Betriebsausgabe gebucht worden. Sie sei wie eine beschäftigte
Arbeitnehmerin geführt worden. Für sie sei regelmäßig die entsprechende Lohnsteuer abgeführt worden. Ein Hinweis, dass sie
nicht zu dem Unternehmen der Klägerin gehöre, ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen und Nachweisen nicht. Die Ausführungen
im Widerspruchsverfahren, wonach es sich um versehentliche Entgeltzahlungen handele, seien nicht nachvollziehbar.
Am 18. Juli 2008 hat die Klägerin beim Sozialgericht Gotha (SG) Klage erhoben und vorgetragen, sie sei 2001 neu gegründet worden. Die Beigeladene zu 3. habe nie eine andere Tätigkeit,
als die der Geschäftsführerin bei der GmbH ausgeübt. Mit Urteil vom 16. Mai 2011 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. In der Gesamtschau würden herausragende Indizien für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen
zu 3. bei der Klägerin sprechen. Dieser hätten ein festes monatliches Entgelt sowie Sonderzahlungen und ein Urlaubsanspruch
zugestanden und die Beigeladene zu 3. habe die Zahlungen unwidersprochen angenommen. Für sie sei eine Personalnummer geführt
und Lohnsteuer abgeführt worden. Zwar habe kein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert. Aus den gesamten Umständen ergebe
sich, dass sie mit der Klägerin ein Arbeitsverhältnis habe begründen wollen.
Gegen das Urteil hat die Klägerin am 22. Juni 2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, die K. D. GmbH sei nicht ihre Rechtsvorgängerin
gewesen. Insoweit habe das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen zu 3. auch nicht auf sie übergehen können. Diese sei in dem
streitigen Zeitraum ausschließlich für die GmbH tätig gewesen und habe dort eine Vollzeittätigkeit ausgeübt. Das SG habe nicht aufgeklärt, welche Tätigkeiten die Beigeladene zu 3. ausgeübt habe und auf welche Weise sie in ihre Arbeitsorganisation
eingegliedert gewesen sei. Mit dem Finanzamt E. sei zwischenzeitlich eine Einigung erzielt worden, dass die Lohnaufwendungen
für die Beigeladene zu 3. nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 16. Mai 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2008 insoweit aufzuheben, als Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 78.481,47
EUR wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 3. nachgefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrer Auffassung fest. Für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 3. bei der Klägerin spreche, dass diese sie
bei der Einzugsstelle als Arbeitnehmerin nach §
28 a SGB IV zur Sozialversicherung angemeldet, regelmäßig entsprechende Entgeltmeldungen erstellt und der Einzugsstelle übermittelt,
sie in ihrer Lohn- und Finanzbuchhaltung geführt und Lohnsteuer für sie abgeführt habe sowie regelmäßige Gehaltszahlungen
erfolgt seien. Der Vortrag der Klägerin, es habe es sich um ein Versehen gehandelt, sei als Schutzbehauptung zu werten, die
allein dem Zweck diene, sie vor den zu Recht erhobenen Beitragsforderungen zu schützen. Der Prüfbericht des Finanzamtes E.
vom 6. November 2007 könne das Klagebegehren beweiserheblich nicht untermauern.
Der Senat hat u.a. den Bericht des Finanzamts E. vom 6. November 2007 über die Außenprüfung bei der Klägerin sowie vom Amtsgericht
Jena einen Handelsregisterauszug der K. D. GmbH (HRB 107966; Amtsgericht Erfurt HRB 7966) beigezogen, durch seine Berichterstatterin
am 7. Juli 2013 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten durchgeführt und in der mündlichen
Verhandlung die Mitarbeiterin E. Sch. B.-G. und den ehemaligen Mitarbeiter D. B. als Zeugen vernommen. Bezüglich ihrer Aussagen
wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 20. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 24. Juni 2008, soweit die Beklagte Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 3. in Höhe von 78.481,47 EUR
nachfordert. Er ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Senat konnte nicht zu seiner Überzeugung
feststellen, dass die Beigeladene zu 3. im streitigen Zeitraum in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
bei der Klägerin stand. Die Beweislast für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses trägt hier die Beklagte.
Nach §
28 p Abs.
1 Satz 5
SGB IV (in der vom 1. Januar bis 7. November 2006 gültigen Fassung) prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern,
ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen
stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§
28 a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht
gezahlt wurden (Satz 4). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht
und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich
der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten §
28 h Abs.
2 SGB IV sowie § 93 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 89 Abs. 5 SGB X nicht (Satz 5). Im Bereich der Regionalträger richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der Lohn- und Gehaltsabrechnungsstelle
des Arbeitgebers (§
28 p Abs.
2 SGB IV). Der Sitz der Klägerin war seit dem 1. Januar 2005 in E ... Die Beklagte als örtlich zuständiger Rentenversicherungsträger
war damit für die Prüfung und Nachforderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge zuständig.
Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen
Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach §
253 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V), §
174 Abs.
1 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) sowie §
60 Abs.
1 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§
28 d
SGB IV bis §
28 n
SGB IV und §
28 r
SGB IV). Sie gelten nach §
1 Abs.
1 Satz 2
SGB IV, §
348 Abs.
1 Satz 1 des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III) auch für die Arbeitsförderung. Nach §
28 e Abs.
1 Satz 1
SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Als Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden nach §
28 d Satz 1
SGB IV die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Gewerbetreibenden
sowie der Beitrag des Arbeitnehmers und der Anteil des Beitrags des Arbeitgebers zur., der sich nach der Grundlage für die
Bemessung des Beitrags des Arbeitnehmers richtet, gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen
in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten (§
28 d Satz 2
SGB IV).
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
der Versicherungs- beziehungsweise Beitragspflicht (§
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V; §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB XI; §
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI, §
25 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses
setzt Willenserklärungen mit der ernsthaften Absicht voraus, die gegenseitigen Pflichten des vereinbarten Arbeitsverhältnisses
tatsächlich einzugehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat folgt, setzt sie voraus,
dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der
Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden
Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko,
das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen
frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Die Beteiligten streiten hier darum, ob die Beigeladene zu 3. tatsächlich im Unternehmen der Klägerin beschäftigt war. Dies
konnte der Senat unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen und Angaben nicht feststellen.
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die Beigeladene zu 3. zuerst aufgrund eines am 30. Juni 1996 geschlossenen Arbeitsvertrages
bei der K. D. GmbH beschäftigt war. Allerdings stimmen die Angaben der Beigeladenen zu 3. im Erörterungstermin am 7. Juni
2013 und in der mündlichen Verhandlung zu den tatsächlichen Tätigkeiten (Erledigung von leichten Bürotätigkeiten, Verteilung
der Post, Abholung und Abheftung von Kontoauszügen) nicht mit den im Arbeitsvertrag genannten Aufgaben (Geschäftsführerin
mit uneingeschränkten Befugnissen im Rahmen der Geschäftsführung notwendiger Tätigkeiten) überein. Dies ist für den Rechtstreit
aber ohne Bedeutung. Jedenfalls ist die Unterstellung der Beklagten im angefochtenen Bescheid, dass das Arbeitsverhältnis
mit der K. D. GmbH auf die Klägerin überging, nicht belegt und objektiv nicht gerechtfertigt. Nach §
613 a Abs.
1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (
BGB) setzt der Eintritt des anderen Inhabers - hier der Klägerin - in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs
bestehenden Arbeitsverhältnisses voraus, dass ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf den anderen Inhaber übergeht.
Für eine rechtsgeschäftliche Übernahme der K. D. GmbH durch die Klägerin gibt es keinen ausreichenden Anhalt. Deren Vortrag,
sie sei am 5. Januar 2001 durch Gesellschaftsvertrag neu gegründet worden, wird durch die unterschiedliche Gegenstände beider
Gesellschaften und die vorliegenden Handelsregistereintragungen bestätigt. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die
Erstellung bohrtechnischer Leistungen, die Durchführung geologischer Untersuchungen, Erbringung wassertechnischer Leistungen,
Projektentwicklung und -management (Handelsregister des Amtsgerichts Erfurt, HRB 13635); Gründungsgesellschafter waren nach
dem Bericht des Finanzamts E. vom 6. November 2007 die J.D. H. GmbH, J. D., K. D., B. D. und T. D ... Gegenstand der K. D.
GmbH war dagegen die Errichtung und Wartung von Brunnenanlagen und Wasserversorgungsanlagen sowie Sanitär- und Heizungsinstallation
(HRB 7966). Die Gesellschaft wurde nach dem vorliegenden Handelsregisterauszug aufgelöst (Eintragung am 5. Juli 2001) und
ihr Sitz in die Niederlande verlegt. Es ist nicht ersichtlich, wie dann ein Übergang erfolgt sein soll.
Dem steht nicht entgegen, dass in den Verdienstabrechnungen der Beigeladenen zu 3. ein "Eintritt" am 1. Juli 1996 vermerkt
ist, also das Datum, an dem diese ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin der K. D. GmbH aufnahm. Dies kann der Tatsache geschuldet
sein, dass die Klägerin Verwaltungstätigkeiten für die anderen Gesellschaften übernahm und/oder Unterlagen und Personal -
wie die Zeugin Sch. B.-G. - übernommen hatte. Es belegt nicht, dass die Beigeladene zu 3. als Mitarbeiterin von der Klägerin
übernommen wurde. Gleiches gilt für den Vermerk in der Verwaltungsakte (Blatt 19), dass die Beigeladene zu 3. nach Aussage
der Zeugin Sch.-B. nach einem Anruf bei den Steuerberatern "nie umgeschlüsselt" wurde.
Unstreitig hat die Beigeladene zu 3. im Prüfzeitraum ihr Gehalt zuzüglich Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld
von der Klägerin erhalten. Sie wurde in der Lohn- und Finanzbuchhaltung der Klägerin als Arbeitnehmerin geführt und die Zahlungen
wurden als Betriebsausgaben gebucht. Es ist durchaus erstaunlich, dass die zuständigen Mitarbeiter der Klägerin diesen Fehler
vier Jahre und neun Monate lang nicht festgestellt und selbst nach der ausdrücklichen Feststellung in der Abschlussbesprechung
der Lohnsteuer-Außenprüfung darauf nicht reagiert haben. Der Senat kann dahingestellt lassen, ob dies tatsächlich allein auf
ein Versehen der Zeugin Sch. B.-G. zurückgeführt werden kann, wie diese bei ihrer Vernehmung ausgesagt hat. Zum Erkennen dieses
Fehlers wäre kaum eine Ausbildung zur Lohnbuchhalterin erforderlich gewesen. Auch haben die Mitarbeiter der Klägerin und deren
Steuerberater den Prüfungsfeststellungen vom 25. April 2005 erstaunlicherweise nicht widersprochen. Dies war allerdings möglicherweise
der Tatsache geschuldet, dass nach dem Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung die Prüfung der Arbeitsverhältnisse naher
Angehöriger einer späteren Betriebsprüfung bzw. dem Veranlagungsbezirk vorbehalten blieb. Die wirksame Begründung von Arbeitsverhältnissen
mit Angehörigen von Vorstandsmitgliedern war also nicht ihr Gegenstand.
Jedenfalls kann allein aus diesen Umständen kein Schluss auf ein wirksames Arbeitsverhältnis mit der Beigeladenen zu 3. gezogen
werden. Es hätte mit den daraus folgenden Rechten und Pflichten durch übereinstimmende Willenserklärungen begründet werden
müssen. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag liegt aber nicht vor. Der Abschluss eines mündlichen Arbeitsvertrages ist ebenfalls
nicht nachgewiesen. Auch fehlt es an einem Nachweis dafür, dass die Beigeladene zu 3. tatsächlich eine Tätigkeit bei der Klägerin
ausgeübt hat, in deren Betrieb eingegliedert war und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht
des Arbeitgebers unterlag. Arbeit und auch Beschäftigung ohne wirksamen Arbeitsvertrag setzen in der Regel ein aktives Verhalten
voraus, mit dem eine Dienstleistung erbracht und ein Arbeitserfolg herbeigeführt werden soll. In einem rechtlich wirksamen
Arbeitsverhältnis wird dieses Verhalten vom Arbeitnehmer geschuldet und muss vom Arbeitgeber angenommen werden; dieses Verhalten
prägt in erster Linie die Arbeit (und - bei Unselbstständigkeit - die sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung) und den
Status einer Person als Arbeitnehmer. Zwar sind Fälle denkbar, in denen ohne ein derartiges tatsächliches Arbeitsverhalten
bei Untätigkeit gleichwohl das Vorliegen von Arbeit/Beschäftigung angenommen werden kann, nämlich dann, wenn dadurch der Status
als Arbeitnehmer nicht geändert wird (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: September 2013,
§
7 SGB IV Rn. 12). Eine tatsächliche Tätigkeit, die die Beigeladene zu 3. im Betrieb der Klägerin verrichtete, ist aber nicht ersichtlich.
Hierzu hat die Beklagte keine Feststellungen getroffen. Die Ausführungen der Vorinstanz, es habe sich um zwar nicht bestimmte
aber allgemein gehaltene Tätigkeiten gehandelt und Familie und Betrieb seien "eins" gewesen, was für Tätigkeit in irgendeiner
Form spreche, sind nicht nachvollziehbar.
Nach dem überzeugendem Vortrag der Beigeladenen zu 3. war diese im streitigen Zeitraum ausschließlich für die GmbH als Geschäftsführerin
tätig. Das entspricht dem Gesellschaftsvertrag vom 18. Dezember 1998, in dem sie zur ersten Geschäftsführerin bestellt wurde.
Gegenstand dieses Unternehmens ist laut § 2 die Übernahme der Geschäftsführung und persönlichen Haftung bei anderen Gesellschaften,
insbesondere bei der KG, die den Erwerb, das Halten sowie die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken zum Gegenstand hat.
Entsprechende Angaben haben auch die Zeugin Sch. B.-G. und der Zeuge B. gemacht. Anhaltspunkte für unrichtige Angaben sind
nicht erkennbar.
Es ist kein Indiz für ihre Tätigkeit bei der Klägerin, dass die Beigeladene zu 3. ihr Büro im gleichen Gebäude wie die Klägerin
hatte. Diese Unterbringung ist angesichts der Tatsache verständlich, dass sie nach eigenen Angaben einzige Mitarbeiterin der
GmbH war, deren einziger Gesellschafter ihr Ehemann auch Vorstandsvorsitzender der Klägerin ist. Der Schluss aus der Unterbringung
auf ein Arbeitsverhältnis überzeugt nicht.
Dass die Klägerin die Gehaltszahlungen an die Beigeladene zu 3. als Betriebsausgaben verbuchte - was möglicherweise Motivation
der Führung der Beigeladenen zu 3. als Arbeitnehmerin der Klägerin wie zuvor bei der K. D. GmbH war - und damit gegen steuerrechtliche
Bestimmungen verstieß, war nicht Gegenstand der Betriebsprüfung nach §
28 p
SGB IV. Ebenso wenig hat der Senat zu prüfen, ob die GmbH bzw. die KG gegenüber dem Finanzamt die entsprechenden Berichtigungen
vorgenommen hat.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.