Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin
und Medizinische Trainingstherapeutin für die Beigeladene zu 1. im Zeitraum 1. Februar 2008 bis 31. Januar 2011 streitig.
Die Beigeladene zu 1. betreibt ein Wellness- & Gesundheitszentrum. Die 1984 geborene Klägerin war dort vom 18. Dezember 2006
bis 31. Dezember 2007 als Physiotherapeutin/Sporttherapeutin mit einem Arbeitsumfang von wöchentlich 30 Stunden versicherungspflichtig
beschäftigt (Anstellungsvertrag vom 14. Dezember 2006). Am 2. Februar 2008 schloss sie mit der Beigeladenen zu 1. einen "Honorarvertrag",
der u.a folgende Regelungen enthält: "§ 1 Gegenstand des Vertrages Die Auftragnehmerin wird ab dem 1.02.2008 eine Tätigkeit
als freie Mitarbeiterin der T. & T. GbR durchführen. Die Auftragnehmerin übt die Tätigkeit als Physiotherapeutin und Medizinische
Trainingstherapeutin aus. Die Auftragserteilung erfolgt durch die Geschäftsführung der T. & T. GbR; eine mengenmäßige Zusicherung
besteht nicht. Die Vertragsparteien sind sich einig, dass durch diese Tätigkeit kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts
begründet wird.
§ 2 Beratungszeit & -ort
Die Auftragnehmerin kann die Ausübung seiner Tätigkeit im Rahmen der vom Auftraggeber definierten Aufgabenstellung frei gestalten.
Ort und Zeitpunkt der Tätigkeit sind mit den benannten Verantwortlichen der T. & T. GbR abzustimmen. Längere zeitliche Verhinderungen
sind frühzeitig, krankheitsbedingte unverzüglich mitzuteilen. Die Auftragnehmerin verpflichtet sich vereinbarte Termine in
vollem Umfange durchzuführen.
§ 3 Honorar
Die Auftragnehmerin erhält ein Honorar von 10,00 Euro pro Stunde im Gesundheitszentrum und 15 Euro pro Stunde für Beratungsgespräche
im Auftrag gesetzlicher Krankenkassen. Die Auszahlung des Honorars sowie ggf. sonstiger Zahlungsansprüche erfolgt jeweils
rückwirkend monatlich nach entsprechender Rechnungslegung des Auftragnehmers bargeldlos auf ein ihm benanntes Konto. Die Auftragnehmerin
verpflichtet sich, Steuern und sonstige Abzüge den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend zu entrichten. Mit der Zahlung des
Honorars sind alle weiteren Aufwendungen abgegolten, soweit diese Vereinbarung keine abweichenden Regelungen enthält. Über
die Höhe des Honorars hat die Auftragnehmerin Stillschweigen zu bewahren.
§ 5 Wettbewerbsverbot
Die Auftragnehmerin verpflichtet sich, während der Dauer des Vertragsverhältnisses nicht in gleicher Weise für Gesundheits-
und Rehazentren tätig zu sein, welche im Präventions- und Rehabilitationsbereich arbeiten. Der Auftragnehmerin steht es jedoch
frei, für ambulante Physiotherapien tätig zu werden.
§ 6 Vertragsdauer
Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.
§ 7 Berufshaftpflicht
Die Auftragnehmerin ist freiberuflich tätig. Für eine entsprechende Berufshaftpflicht hat sie selbst zu sorgen."
Am 2. April 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten im Wege der Anfrage nach §
7a des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB IV) die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status u.a. aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. seit
dem 15. Januar 2008 und reichte den Bescheid der A. für A. S. vom 31. Januar 2008 über die Gewährung eines Gründungszuschusses
zur Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für die Zeit vom 15. Januar bis 14. Oktober 2008 in Höhe von monatlich
783 EUR ein.
Einen weiteren Honorarvertrag schloss die Klägerin am 31. Januar 2008 mit der Physiotherapie H. B. für die Zeit ab 1. Februar
2008 ab.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 räumte die Beklagte ihr und der Beigeladenen zu 1. Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Sie
beabsichtige, bezüglich der Tätigkeit als Physiotherapeutin bei der T. & T. GbR N. einen Bescheid über das Vorliegen einer
abhängigen Beschäftigung ab 15. Januar 2008 zu erlassen. Somit würde Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung
dem Grunde nach bestehen. Hierauf vertrat die Klägerin die Ansicht, sie agiere in ihrer selbstständigen Tätigkeit als Physiotherapeutin
eigenverantwortlich und sei zeitlich, örtlich und inhaltlich nicht gebunden. Die Beigeladene zu 1. erklärte, die Klägerin
biete individuelle Patientenanalysen, physiotherapeutische Diagnostik, Einzeltherapiemaßnahmen zur postoperativen ambulanten
Behandlung oder Behandlung bei chronisch degenerativen Krankheiten, Durchführung und Planung von Präventionsprogrammen (Einzel-
und Gruppentherapie) und individuelle Gesundheitsberatung an. Für die Planung und Durchführung der von ihr zu behandelnden
Patienten sei die Klägerin generell selbst verantwortlich. Zeitlich und organisatorisch sei sie eigenverantwortlich tätig,
habe keine fest vereinbarten Dienstzeiten, müsse sich jedoch natürlich zeitlich und räumlich im Haus abstimmen. Die Arbeitstätigkeiten
seien generell zeitlich durch die Patientenüberweisung des jeweiligen Kostenträgers begrenzt. Fachlich, inhaltlich und organisatorisch
erhalte sie keine Vorgaben.
Mit Bescheiden vom 25. August 2008 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. fest, dass die Tätigkeit
seit 15. Januar 2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Im Widerspruchsverfahren äußerte
die Klägerin, sie habe zur Sicherung ihrer freiberuflich selbstständigen Tätigkeit als Physiotherapeutin zwei eigenständige
Unternehmen nachgewiesen, in denen sie ihre Tätigkeiten ausführe. Ebenso könne sie den Verein "A. o. L." als dritten Arbeitgeber
benennen. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin arbeite ausschließlich
am Betriebssitz der Arbeitgeber, wobei die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel kostenfrei genutzt werden.
Regelmäßige Anwesenheits- und Arbeitszeiten habe sie nicht einzuhalten, jedoch erfahre die Wahl der Arbeitszeit nicht nur
in den Fällen eine Einschränkung, in denen die Vorgaben durch den Arbeitgeber erfolgten, sondern auch wenn der zeitliche Rahmen
durch die geregelten Geschäftszeiten des Unternehmens und/oder durch die Verfügbarkeit der Arbeitsmittel bestimmt werde. Die
auszuführenden Arbeiten könnten nur auf eine Art und Weise verrichtet werden. Einer detaillierten Anweisung durch den Arbeitgeber
bedürfe es hierbei nicht. Eine eigenverantwortliche Planung finde sich auch bei Beschäftigten. Sie sei ausschließlich im Namen
und auf Rechnung des Arbeitgebers tätig. Nach außen erscheine sie als Mitarbeiterin des Arbeitgebers. Im allgemeinen Geschäftsverkehr
werde sie nicht als selbstständig Tätige wahrgenommen. Sie trage auch kein wesentliches Unternehmerrisiko, ein gewichtiges
Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Sie setze ausschließlich die eigene Arbeitskraft ein und sei funktionsgerecht dienend
in einer fremden Arbeitsorganisation tätig. Letztlich habe sie nach dem Anstellungsvertrag vom 14. Dezember 2006 in gleicher
Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Unterschiede in der Tätigkeitsausübung
liegen bezüglich des zu beurteilenden Tätigkeitszeitraums ab dem 15. Januar 2008 nicht vor.
Am 7. Mai 2009 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 25. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17. März 2009 und trug vor, ihre Tätigkeit umfasse mehrere Auftraggeber. Sie gliedere sich in den Privatkundenbereich,
den sie sich selbstständig aufgebaut habe und die täglich, wöchentlich bis monatlich bei ihr in Behandlung seien, in Kursangebote,
die viertel- bis halbjährlich abgeleistet und von ihr selbst geplant und angeboten würden und in Kurse, die unregelmäßig je
nach Nachfrage stattfänden. Mit Bescheid vom 26. Mai 2009 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 25. August
2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid
vom 8. Februar 2010).
Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, dem Umstand, dass sie auf Rechnung des Auftraggebers tätig sei und nach außen
vielleicht als Mitarbeiterin des Auftraggebers erscheine, komme keine Indizwirkung zu. Es fehle auch nicht am unternehmerischen
Risiko, weil sie eine Vergütung nur für tatsächlich erbrachte Leistungen erhalte. Im Krankheitsfall habe sie keinen Anspruch
auf Fortzahlung einer Vergütung. Sie hat den Honorarvertrag für Übungsleiter mit dem Verein "A. o. L. e.V." sowie die Rechnungen
für erbrachte Leistungen für den Zeitraum von Februar 2008 bis Juni 2009 vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung hat sie
erklärt, sie sei teilweise ca. 30 bis 40 Stunden wöchentlich für die Beigeladene zu 1. tätig geworden und habe damals auch
Patienten abgelehnt. Dies sei ungefähr zwei- bis dreimal in der Woche der Fall gewesen. Sie habe Gesundheitsanalysen und Kurse
durchführen müssen. Der Ort der Tätigkeit sei bis auf die Außendiensttätigkeiten, das Gebäude der Beigeladenen zu 1. gewesen.
Die Kurse sollten zudem im Gebäude der Beigeladenen zu 1. stattfinden, die dann auch vorgegeben habe, wann die Kurse erfolgen
sollten. Gelegentlich habe sie auch mal solche Kurse abgelehnt, wenn es ihr zeitlich nicht gepasst habe. Sie habe ja auch
studiert. Bei den Kursen sei sie von den Vorgaben der Beigeladenen zu 1. abhängig gewesen. Die Gesundheitsanalysen habe sie
zeitlich frei gestalten können. Sie habe auch mit der zu tun gehabt, aber nicht direkt mit dieser abgerechnet.
Mit Urteil vom 2. November 2010 hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2010 aufgehoben und
die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 25. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2009 aufzuheben
und festgestellt, dass die Klägerin ab 15. Januar 2008 bei der Beigeladenen zu 1. nicht versicherungspflichtig zur gesetzlichen
Renten-, Pflege-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung tätig ist. Die Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit bei der
Beigeladenen zu 1. würden überwiegen. Die Klägerin und die Beigeladene zu 1. hätten einen so genannten Honorarvertrag auf
Stundenbasis geschlossen. Zudem sei die Klägerin noch für andere Arbeitgeber tätig geworden. Entscheidendes Kriterium sei
jedoch die fehlende Eingliederung in den Betrieb der Beigeladenen zu 1. Zwar habe sie ihre Kurse und Gesundheitsanalysen im
Gebäude der Beigeladenen zu 1. ausüben können und müssen, dies habe jedoch ihrem Interesse aus Gründen der Kostenersparnis
entsprochen. Sie sei bezüglich des "ob", der Art und der Zeit der Tätigkeit nicht den Weisungen der Beigeladenen zu 1. unterworfen.
Auch wenn sie an die Öffnungszeiten gebunden sei, habe sie jederzeit Tätigkeiten ablehnen können. Dies habe sie auch mindestens
zwei- bis dreimal die Woche getan. Die Kurse und auch die geforderten Gesundheitsanalysen habe sie frei nach ihren eigenen
Vorstellungen gestalten können.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. März 2009 - Az.: B 12 R 11/07 R, wonach eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung rechtswidrig ist, mit Bescheid vom
9. September 2011 die streitigen Bescheide gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen dahingehend abgeändert, dass die Klägerin
in der seit dem 15. Januar 2008 ausgeübten Beschäftigung als Physiotherapeutin bei der Beigeladenen zu 1. versicherungspflichtig
in der Kranken- (§
5 Abs.
1 Nr.
1 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V)), der Pflege- (§
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 i.V.m. Satz 1 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB XI)) und der Rentenversicherung (§
1 Satz 1 Nr. 1 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI)) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§
25 Abs.
1 Satz 1 des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB III)) ist. Mit Bescheid vom 12. Juni 2014 hat sie diesen Bescheid dahingehend abgeändert, dass in der von der Klägerin bei der
Beigeladenen zu 1. ausgeübten Beschäftigung in der Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 2011 Versicherungsfreiheit in der Kranken-,
Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Geringfügigkeit bestand. Des Weiteren hat sie
zugestanden, dass die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. erst ab dem 1. Februar 2008 zu beurteilen ist.
Zur Begründung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. September 2011, abgeändert durch Bescheid vom 12. Juni 2014,
trägt die Klägerin vor, sie habe selbst die Möglichkeit zu entscheiden, wie viele Patienten oder ob sie überhaupt Patienten
behandele. Diese Entscheidungsfreiheit stehe einer angestellten Physiotherapeutin keinesfalls zu. Sie erhalte im Gegensatz
zu einer angestellten Physiotherapeutin nur eine Vergütung, wenn sie tatsächlich eine Leistung erbringe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 9. September 2011, abgeändert durch Bescheid vom 12. Juni 2014 aufzuheben und festzustellen,
dass die in der Zeit vom 1. Februar 2008 bis 31. Januar 2011 bei der Beigeladenen zu 1. ausgeübte Tätigkeit keine Versicherungspflicht
in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung begründet.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Ansicht spricht gegen eine selbstständige Tätigkeit, dass die Klägerin nicht über eine eigene Betriebsstätte und
eigene Arbeitsmittel verfüge sowie auch keine Nebenkosten bzw. Miete für Räumlichkeiten oder Geräte tragen müsse und kein
unternehmerisches Risiko übernommen habe. Sie setze weder eigenes Kapital noch ihre eigene Arbeitskraft mit ungewissem Erfolg
ein. Auch angestellte Physiotherapeuten übten ihre Tätigkeit - seien es Kurse oder Einzelbehandlungen - inhaltlich weisungsfrei
aus. Es sei dem Berufsbild immanent, dass Physiotherapeuten aufgrund ihrer Ausbildung in die Lage versetzt würden, eigenverantwortlich
nach bestem Wissen und zum Teil in Ausführung ärztlicher Verordnungen die Patienten zu behandeln. Ein typisches Merkmal für
eine selbstständige Tätigkeit könne hieraus also nicht hergeleitet werden.
Die Beigeladene zu 1. hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen und verweist auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen
Urteils. Dort sei festgestellt worden, dass die Klägerin nicht in den Betrieb eingegliedert gewesen sei. Diese habe auch zu
keinem Zeitpunkt einem umfassenden Weisungsrecht unterlegen. Es habe sich um ein Auftragsgeschäft gehandelt, ein Mindestumsatz
sei weder vertraglich noch außervertraglich zugesagt worden.
Die Beigeladenen zu 2. bis 4. haben keinen Antrag gestellt.
Die Berichterstatterin des Senats hat mit den Beteiligten am 7. Juni 2013 einen Erörterungstermin durchgeführt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Streitgegenstand des Verfahrens in der Berufungsinstanz ist der Bescheid der Beklagten vom 9. September 2011, abgeändert durch
Bescheid vom 12. Juni 2014. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung
des Bestehens einer Beschäftigung in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht
und ihres Beginns "ergänzt". Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbstständigen) Tatbestandselements
unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen
Feststellung ergänzt und damit auch erst einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene
Gericht zugänglich gemacht - so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt
den ersten i.S.v. §
96 Abs.
1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) i.V.m. §
153 Abs.
1 SGG ersetzt (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011 - Az.: B 12 R 17/09 R). Das Berufungsgericht entscheidet deshalb über die Klage, nicht über die Berufung.
Zur Prüfung steht nur die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1. an. Die Beklagte hat sowohl mit den ursprünglich
angefochtenen Bescheiden als auch mit dem Bescheid vom 9. September 2011, abgeändert durch Bescheid vom 12. Juni 2014, lediglich
bezüglich des versicherungsrechtlichen Status der Klägerin in dieser Tätigkeit eine Entscheidung getroffen. Deren Tätigkeit
für die Physiotherapie H. B. war nicht Gegenstand der Prüfung.
Streitig zwischen den Beteiligten ist noch der Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis 31. Januar 2011. Zuletzt mit Bescheid vom
12. Juni 2014 hat die Beklagte ab dem 1. Februar bis 30. Juni 2011 Versicherungsfreiheit der Tätigkeit der Klägerin bei der
Beigeladenen zu 1. in allen Zweigen der Sozialversicherung wegen Geringfügigkeit festgestellt.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
der Versicherungs- beziehungsweise Beitragspflicht (§
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V; §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB XI; §
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI, §
25 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist §
7 Abs.
1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG setzt sie voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden
Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art
der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Allerdings kann dies - vornehmlich bei Diensten höherer
Art - eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige
Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der
Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - Az.: B 12 KR 13/07 R m.w.N., nach juris). Die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die
im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt
sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden
ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen
Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen
Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur
der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist.
Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen
ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten
zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass sie tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von der Vereinbarung
abweichen. Maßgeblich ist der Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich
zulässig ist. (vgl. BSG, Urteile vom 29. August 2012 - Az.: B 12 KR 25/10 R und vom 29. August 2012 - Az.: B 12 R 14/10 R m.w.N., nach juris).
Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit ist der "Honorarvertrag" vom 2. Februar 2008, durch
den die Klägerin und die Beigeladene zu 1. ein Dauerrechtsverhältnis begründeten. Die Tätigkeit einer Physiotherapeutin kann
sowohl in Form abhängiger Beschäftigung als auch in Form selbstständiger Tätigkeit ausgeübt werden. So ordnet §
2 Satz 1 Nr. 1
SGB VI für selbstständig tätige Physiotherapeuten, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen
Arbeitnehmer beschäftigen, die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung an.
Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 erlaubt unter Zugrundelegung des "Honorarvertrages"
vom 1. Februar 2008 keine uneingeschränkte Zuordnung zum Typus der abhängigen entgeltlichen Beschäftigung oder einer selbstständigen
Tätigkeit. Als Indiz gegen eine abhängige Beschäftigung spricht, dass das zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1.
bestehende Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Nach § 1 des Vertrages nahm die Klägerin ab 1. Februar
2008 eine Tätigkeit als freie Mitarbeiterin bei der Beigeladenen zu 1. auf. Eine Mindestarbeitszeit bzw. garantierte Arbeitszeit
vereinbarten die Beteiligten nicht. Auf Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub hatte
die Klägerin keinen Anspruch. Ihr oblag eine selbstständige Rechnungsstellung. Anspruch auf Vergütung bestand nach § 3 des
Vertrages pro Stunde geleisteter Arbeit. In § 7 des Vertrages wird nochmals ausgeführt, dass sie freiberuflich tätig ist.
Dem dokumentierten Willen der Beteiligten keine Beschäftigung zu wollen, kommt allerdings dann keine - indizielle - Bedeutung
zu, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarung rechtlich relevant abweichen; dann ist maßgebend, wie die
Rechtsbeziehung (tatsächlich) praktiziert wurde (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011 - Az.: B 12 R 17/09 R, nach juris).
Hier unterlag die Klägerin bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung einem umfassenden Weisungsrecht der Beigeladenen
zu 1. Bereits vertraglich konnte sie über ihre Arbeitszeit nicht uneingeschränkt selbst bestimmen und sie sowohl hinsichtlich
der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen ausrichten. Nach § 2 des
Vertrages erfolgte die Aufgabenstellung durch die Beigeladene zu 1., Ort und Zeitpunkt der Tätigkeit waren mit deren Verantwortlichen
abzustimmen. Längere zeitliche Verhinderungen waren frühzeitig, krankheitsbedingte unverzüglich mitzuteilen. Die Klägerin
verpflichtete sich, vereinbarte Termine in vollem Umfang durchzuführen. Tatsächlich bestand ihre Haupttätigkeit für die Beigeladenen
zu 1. in der Durchführung der Gruppenkursen zur primären Prävention entsprechend §
20 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch (
SGB V), die die Beigeladene zu 1. - nicht die Klägerin - in ihrem Gesundheits- und Wellnesscenter anbietet. Dass es sich um die
hauptsächliche Tätigkeit der Klägerin handelte, ergibt sich aus den vorgelegten Honorarabrechnungen für den streitigen Zeitraum.
Bezüglich der Gruppenkurse hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 2. November 2010 eingeräumt, von den Vorgaben
der Beigeladenen zu 1. abhängig gewesen zu sein. Sie konnte deren Zeit, Dauer, Ort und Art nicht selbst bestimmen und hatte
sich vertraglich verpflichtet, vereinbarte Termine wahrzunehmen. Die Gruppenkurse finden in den Räumen der Beigeladenen zu
1. zu den von dieser festgelegten Zeiten statt. Insoweit war die Klägerin auch wie eine Beschäftigte in deren Betrieb eingegliedert.
Sie hatte innerhalb der vorgegebenen betrieblichen Ordnung mit Hilfe sächlicher oder sonstiger Mittel den von der Beigeladenen
zu 1. als Unternehmerin bestimmten arbeitstechnischen Zweck zu verfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 10. August 2000 - Az.: B 12 KR 21/98 R, nach juris). Dies geschah dadurch, dass sie die Gruppenkurse in deren Betriebsräumen durchführte und dabei deren Betriebsmittel
nutzte. Dass ihr bezüglich der konkreten Gestaltung der Gruppenkurse (wohl) keine Einzelanweisungen erteilt wurden, spricht
nicht gegen eine abhängige Beschäftigung, weil die Beigeladene zu 1. erwarten konnte, dass die Klägerin als ausgebildete Physiotherapeutin
fachlich in der Lage war, die Gruppenkurse zu gestalten. Die Möglichkeit, bei Verhinderung eine Vertretung zu bestellen, hatte
sie ihr nicht eingeräumt. Durch den Honorarvertrag vom 2. Februar 2008 begründete sie mit der Beigeladenen zu 1. ein Dauerrechtsverhältnis
mit den bereits genannten Pflichten.
Auch trug die Klägerin kein Unternehmerrisiko. Maßgebend hierfür ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch
mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss
ist. Die Klägerin setzt als Dienstleisterin im krankenpflegerischen Bereich im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und nicht ihr
Kapital ein. Sie wurde entsprechend ihrer geleisteten Arbeit vergütet und zwar ohne Abzüge für etwaige Schlechtleistung. Ein
Verlustrisiko ist nicht ersichtlich. Aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung der einzelnen Tätigkeiten zeitweise
die eigene Arbeitskraft gegebenenfalls nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko (vgl. BSG, Urteile vom 30. Oktober 2013 - Az.: B 12 KR 17/11 R und vom 4. Juni 1998 - Az.: B 12 KR 5/97 R, nach juris). Schließlich war der Klägerin auch keine echte unternehmerische Chance eröffnet, weil sie einen höheren Verdienst
nur durch einen zeitlich ausgeweiteten Einsatz ihrer Arbeitskraft erzielen konnte. Damit unterschied sie sich nicht von den
Möglichkeiten einer abhängig Beschäftigten, durch Erhöhung der täglichen Arbeitszeit oder durch Überstunden das Entgelt zu
erhöhen.
Schließlich unterlag die Klägerin nach § 5 des Vertrages auch einem für Arbeitnehmer typischen - wenn auch eingeschränktem - Wettbewerbsverbot (vgl. BSG, Urteil vom 10. August 2000 - Az.: B 12 KR 21/98 R m.w.N., nach juris). Sie war nicht berechtigt, außerhalb ihrer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1. für andere Gesundheits-
und Rehabilitationszentren tätig zu sein, welche im Präventions- und Rehabilitationsbereich arbeiten.
Insoweit überwiegen die Gesichtspunkte für eine abhängige Beschäftigung. Dass die Klägerin im Einzelfall nach eigenem Vortrag
Patienten abgelehnt hatte, tritt dagegen zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Der Senat hat insoweit berücksichtigt, dass das Obsiegen der Klägerin hinsichtlich des streitigen Gesamtzeitraums nur geringfügig
war.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.