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LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.06.2017 - 7 SO 1680/15
Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Besuch des Arbeitsbereichs einer Werkstatt für behinderte Menschen Anforderungen an die Feststellung einer wesentlichen geistigen bzw. seelischen Behinderung
1. Ob eine geistige bzw. seelische Behinderung wesentlich im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist, richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab. Insoweit ist ihre Wesentlichkeit wertend zu beurteilen, insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft.
2. Der Sozialhilfeträger hat - ggf. mit sachverständiger Hilfe - die erforderlichen Feststellungen, insbesondere hinsichtlich der Art und Schwere der Behinderung sowie der Beeinträchtigungen der Teilhabemöglichkeiten, sowie die gebotene Einzelfallentscheidung zu treffen. Der pauschale Verweis auf Geschehnisse in der Vergangenheit (z.B. Erreichen des Lernziels einer Schule für Lernbehinderte, Erwerb eines Führerscheins) genügt nicht, um die Wesentlichkeit einer Behinderung im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII zu verneinen.
1. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat angeschlossen hat, ist das Leistungserbringungsrecht im Sozialhilfebereich durch das so genannte sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis zwischen dem Träger der Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten und dem Leistungserbringer (bei stationären und teilstationären Leistungen der Einrichtungsträger, bei ambulanten Leistungen der Dienst [vgl. § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB XII]) geprägt.
2. Zwischen allen drei Beteiligten bestehen Rechtsbeziehungen, die sich wechselseitig beeinflussen; dabei sind die im Leistungsdreieck zusammengefassten Beziehungen unterschiedlicher Rechtsnatur.
3. Der Sozialhilfeträger tritt im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis als Gesamtschuldner in Höhe der bewilligten Leistungen an die Seite des Sozialhilfeempfängers; der Leistungserbringer bekommt auf diese Weise einen weiteren Schuldner hinzu.
4. Der Schuldbeitritt hat einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger und einen Anspruch des bedürftigen Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge.
Normenkette:
SGB XII § 53 Abs. 1 S. 1
,
SGB XII § 53 Abs. 3
,
SGB XII § 54 Abs. 1 S. 1
, ,
SGB IX § 2 Abs. 1 S. 1
,
Vorinstanzen: SG Reutlingen 25.03.2015 S 4 SO 2622/13
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. März 2015 wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen: Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. September 2013 verurteilt, die Kosten für den Besuch des Klägers im Arbeitsbereich der WfbM der Beigeladenen für die Zeit vom 15. März 2013 bis zum 31. Dezember 2015 in Höhe von insgesamt 46.492,87 € zu übernehmen und diesen Betrag an die Beigeladene zu zahlen.
Der Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Entscheidungstext anzeigen: