Leistungserbringung in der vertragsärztlichen Versorgung durch Vertreter ohne Vertretungsgenehmigung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Honoraraufhebung und -neufestsetzung für das Quartal sowie einer sich
daraus ergebenden Honorarrückforderung wegen Leistungserbringung durch Vertreter ohne Vertretungsgenehmigung.
Der 2004 verstorbene Ehemann der Klägerin, Dr. A., nahm vom 01.02.1983 bis 18.12.2001 als praktischer Arzt an der vertragsärztlichen
Versorgung in A-Stadt teil. Die Staatsanwaltschaft A-Stadt erhob im Januar 2001 gegen Dr. A. Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung
und Betrug, worauf die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom 18.05.2001, bekannt gegeben am 28.05.2001, das sofortige
Ruhen der Approbation anordnete. In dem Bescheid wies die Regierung von Oberbayern auf § 6 Abs. 4 Bundesärzteordnung (BÄO) hin, wonach bei Erfüllung der Voraussetzungen die Möglichkeit bestehe, die Praxis durch einen anderen Arzt weiterzuführen.
Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 05.12.2001 (zugestellt 18.12.2001) wurde Dr. A. die Zulassung als Vertragsarzt
mit sofortiger Wirkung entzogen. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
In dem Zeitraum vom 05.02.2001 bis 19.12.2001 beschäftigte Dr. A. drei Vertreter wie folgt:
1.Dr. Q. 05.02.2001 bis 28.02.2001 und 24.05.2001 bis 08.06.2001
2.Dr. M. 18.06.2001 bis 22.06.2001
3.Dr. L. 25.06.2001 bis 19.12.2001
Am 19. Dezember 2001 wurde die Praxis wegen des Entzuges der Zulassung geschlossen und ab 01.01.2002 an den Nachfolger Herrn
Dr. S. verkauft. Mit (rechtskräftigem) Urteil vom 03.01.2002 verurteilte das Amtsgericht A-Stadt Dr. A. unter anderem wegen
gefährlicher Körperverletzung und Betrug zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten auf Bewährung und sprach zudem
ein vierjähriges Berufsverbot als Arzt aus.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 06.11.2002 hob die Beklagte den Honorarbescheid vom 24.10.2001 für das Quartal auf
und setzte das Honorar auf 40.013,57 EUR neu fest. Sie verpflichtete den Kläger zur Rückzahlung des überzahlten Honorars für
die Leistungen ab dem 29.05.2001 in Höhe von 8104,36 EUR. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger jedenfalls
seit dem 29.05.2001 mangels Approbation kein Recht mehr zu Leistungserbringung als Vertragsarzt gehabt habe und für die vom
Vertreter erbrachten Leistungen keine Genehmigung nach § 32 Abs. 2 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) vorgelegen habe.
Hiergegen legte Dr. A. am 02.12.2002 durch seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein. Er sei der Auffassung gewesen,
der Hinweis der Regierung von Oberbayern auf § 6 Abs. 4 BÄO und somit auf die Möglichkeit, die Praxis auch nach dem Ruhen der Approbation durch einen anderen Arzt weiterführen zu lassen,
beinhalte bereits die erforderliche behördliche Zulassung zur Beschäftigung eines Vertreters und berechtige ihn auch, sich
vertragsärztlich vertreten zu lassen. Dass es hierfür einer vorherigen schriftlichen Genehmigung bedürfe, sei ihm nicht bewusst
gewesen, zumal die Beklagte von der Vertretertätigkeit durch diverse Telefonate der Vertreter sowie ihm selbst Kenntnis gehabt
habe. Zudem seien die Abrechnungen für die Quartale und 3/01 durch den Vertreter Dr. L.unterschrieben worden. Auch sei im
Rahmen des Praxisübergabeverfahrens die Vertretung offen thematisiert worden.
Mit Bescheid vom 03.02.2003 gestattete die Regierung von Oberbayern Herrn Dr. A. rückwirkend nach § 6 Abs. 4 BÄO die Weiterführung der Praxis in den oben genannten Zeiträumen durch die eingesetzten Vertreter Drs. Q., M. und L ... Zur
Begründung für die nachträgliche Zulassung verwies die Regierung von Oberbayern darauf, dass entscheidend aus ihrer Sicht
die materielle Rechtslage sei, wonach die Einsetzung und Beschäftigung der genannten Vertreter zulässig gewesen wäre.
Den Antrag auf rückwirkende Genehmigung der Vertretertätigkeit nach § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV lehnte die Beklagte ab. Die hiergegen zum Sozialgericht München eingelegte Klage wurde am 11.05.2007 zurückgenommen (S 39 KA 878/04), nachdem das Gericht auf die ständige Rechtsprechung zu Vertretergenehmigungen als Statusentscheidungen, die nicht rückwirkend
erfolgen könnten, hingewiesen hatte.
Die Klägerin hielt als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes den Widerspruch gegen den hier streitgegenständlichen Honoraraufhebungs-
und Neufestsetzungsbescheid aufrecht und verwies zudem auf ihre schwierige finanzielle Lage. Zwischenzeitlich hätten sich
Rückforderungsanspüche u.a. auch der Krankenkassen auf eine Gesamtsumme von über 180.000 EUR summiert. Sie besäße keine eigenen
Einkünfte und keine nennenswerte Alterssicherung, sondern lediglich das schuldenfreie Eigenheim mit einem geschätzten Wert
von 290.000 EUR. Zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts sei sie auf die Vermietung des Obergeschosses ihres Hauses angewiesen.
Die Klägerin sei nicht in der Lage, die Rückzahlung vorzunehmen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2009 zurück. Die Honorarrückforderung sei rechtmäßig,
da durch das Ruhen der Approbation die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung durch Dr. A. nicht mehr habe erfüllt
werden können und er auch nicht mehr vertretungsfähig gewesen sei. Eine nachträgliche Genehmigung der Vertretertätigkeit nach
§ 32 Abs. 2 Ärzte-ZV sei bestandskräftig abgelehnt worden. Damit habe Herr Dr. A. über keine Vertretergenehmigung verfügt mit der Folge, dass
die Leistungen der verschiedenen tätig geworden Ärzte von der Vergütung durch die Beklagte ausgeschlossen seien. Die Klägerin
könne sich auch nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen, da ein Vertragsarzt generell bis zum Ablauf von 4 Jahren
nach Erlass des Honorarfestsetzungsbescheides mit einer Korrektur seiner Abrechnung rechnen müsse. Die Beklagte habe die Erbringung
der Leistungen auch nicht über längere Zeit geduldet. Die Honorarrückforderung betreffe das Quartal , das Ruhen der Approbation
sei spätestens am 29.05.2001 - während des laufenden Quartals - eingetreten.
In der hiergegen zum Sozialgericht München eingelegten Klage werden die bisher vorgetragenen Argumente wiederholt und vertieft.
Zweck des Genehmigungserfordernisses sei es, der zuständigen Behörde eine präventive Kontrolle zu ermöglichen. Diese sei vorliegend
jedoch auch ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung möglich gewesen, da die Beklagte zu jeder Zeit von der Vertretung
gewusst habe und jederzeit hätte einschreiten können. Die genannten Vertreter seien aus einer von der Beklagten vorgeschlagenen
Liste ausgewählt worden und ordnungsgemäß approbierte und vertragsärztlich zugelassene Ärzte. Man könne daher von einer konkludenten
Genehmigung der Vertretung reden. Zudem hätte die Beklagte Herrn Dr. A. auf seine Verpflichtung aus § 32 Ärzte-ZV - Einholung einer schriftlichen Genehmigung - hinweisen müssen. Die Beklagte treffe außerdem ein Mitverschulden, da sie durch
ihr Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Zudem sei Herr Dr. A. - wie sich aus dem Strafurteil ergebe - aufgrund
seiner schweren Erkrankung nur sehr eingeschränkt in der Lage gewesen, sich um seine beruflichen Belange zu kümmern und insoweit
auf die ordnungsgemäße Beratung und Mithilfe durch die Beklagte in besonderer Form angewiesen gewesen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25.04.2012, berichtigt durch Beschluss vom 30.01.2013, den Bescheid der Beklagten vom
06.11.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2009 im Hinblick auf den zu erstattenden Betrag teilweise aufgehoben
und bei Klageabweisung im Übrigen den Honorarerstattungsbetrag auf 2.518,30 EUR festgesetzt. Der streitgegenständliche Rückforderungsbescheid
sei wegen fehlender Vertretergenehmigung bei ruhender Approbation rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe entsprechend
den anzuwendenden Vorschriften gehandelt. Da der Vertragsarzt 2004 verstorben sei, sei im sozialgerichtlichen Verfahren nur
zu klären, ob und inwieweit die Erbin für die Verbindlichkeit ihres verstorbenen Ehemannes einzustehen habe. Das Gericht habe
bei seiner Entscheidung insbesondere den Umstand berücksichtigt, dass die Patienten ordnungsgemäß versorgt worden seien und
die Vertreter hätten entlohnt werden müssen. Zudem seien die Vertreter der Beklagten bekannt gewesen. Da an einen Vertreter
im Quartal 6000 DM gezahlt worden seien, sei der Rückforderungsbetrags um diese Summe zu reduzieren, vom restlichen Betrag
seien noch die tatsächlich entstandenen Praxiskosten abzuziehen. Jedes andere Ergebnis würde dem Gerechtigkeitsgedanken widersprechen.
Hiergegen legte die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht ein. Vorliegend habe erst die nachträgliche Überprüfung
ergeben, dass es sich bei den im Zeitraum vom 29.05. bis 30.06.2001 durch Herrn Dr. A. abgerechneten Leistungen nicht um abrechnungsfähige
Leistungen gehandelt habe. Die Abrechnung von Leistungen, die von einem Vertreter ohne Genehmigung erbracht worden seien,
widerspräche dem Gebot der persönlichen Leistungserbringung (Hinweis auf Urteil des BSG vom 10.05.1995 - 6 RKa 30/94). Die abgeänderte Honorarfestsetzung im streitgegenständlichen Bescheid sei korrekt. Der Erstattungsanspruch sei auch nicht
teilweise erloschen, da bereicherungsrechtliche Grundsätze nicht anzuwenden seien. Die Klägerin trete als Alleinerbin ihres
Mannes in dessen Verbindlichkeiten ein. Auf ein Verschulden betreffend die Nichteinholung der Genehmigung komme es nicht an.
§ 32 Abs. 2 S. 2 1. HS Ärzte-ZV statuiere ausdrücklich die vorherige Genehmigung für die Beschäftigung eines Vertreters, die Schriftform ergebe sich inzident
aus dem Befristungserfordernis. Die Schriftform bei Genehmigungen sei auch aus Gründen der Rechtssicherheit anzunehmen. Ein
Verwaltungsakt, der der Schriftform bedürfe, könne nicht durch konkludentes Handeln ergehen.
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.04.2012 - S 21 KA 287/09 insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben worden ist und die Klage auch insoweit abzuweisen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das Urteil des SG für zutreffend und vertieft insoweit ihre bereits vorgetragenen Argumente. Sie verweist insbesondere auf den schlechten Gesundheitszustand
des Dr. A. im maßgeblichen Zeitraum, der ein grob fahrlässiges Nichteinholen der Genehmigung ausschließe. Dies sei auch im
Strafverfahren bestätigt worden. Es könne allenfalls von leichter Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Im Zusammenhang mit dem
Schutzzweck der Norm sei hier eine Rückforderung unverhältnismäßig.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beigeladene zu 1) verweist darauf, dass Statuserteilungen im Vertragsarztrecht nur ex nunc und nicht ex tunc wirkten.
Vertragsärztliche Leistungen hätten deshalb nur ab dem Zeitpunkt erbracht werden können, ab dem eine Vertretergenehmigung
nach § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV vorgelegen habe. Die Beachtung der Einhaltung dieser Vorschriften gehöre zum Sicherstellungsauftrag der Beklagten nach §
75 SGB V und diene den Interessen der GKV-Versicherten.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts. Auf
den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Rechtsgrundlage für die Honoraraufhebung und -neufestsetzung sind die §§ 45 Abs. 2 BMV-Ä bzw. 34 Abs. 4 EKV-Ä. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lässt sich daraus die Befugnis der KV herleiten, zur Sicherstellung
einer vertragsgemäßen Versorgung sowie zur Verwirklichung einer materiell zutreffenden Honorarverteilung eine rechtswidrige,
den Vertragsarzt begünstigende Honorarfestsetzung zu korrigieren. Im streitgegenständlichen Zeitraum ab dem 29.05.2001 bis
30.06.2001 handelte es sich bei den durch Herrn Dr. A. abgerechneten Leistungen um keine abrechnungsfähigen Leistungen. Denn
solche sind nach § 3 Abs. 1 S. 1 des im Quartal geltenden HVM nur solche Leistungen, die zur vertragsärztlichen Versorgung
gehören und auf der Grundlage der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen erbracht worden sind. Hiernach
hat der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis auszuüben (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV). Dieser Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung, wird nach Maßgabe des § 32 Abs. 1 Satz 2 bis 4 und Abs. 2 Ärzte-ZV durchbrochen. Ein Vertretungsfall nach § 32 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Ärzte-ZV (Krankheit, Urlaub, Teilnahme an einer ärztlichen Fortbildung oder Wehrübung, unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mit einer
Entbindung) liegt im Zeitraum ab dem 29.05.2001 nicht vor. Wegen des Ruhens der Approbation des Dr. A. ab dem 29.05.2001 handelt
es sich vielmehr um einen Vertretungsfall nach § 32 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV (Vertretung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung). Für die Tätigkeit eines Vertreters nach dieser Vorschrift
bedarf es aber einer vorherigen Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung (§
98 Abs.
2 Nr.
13 SGB V, § 32 Abs. 2 S. 4 Ärzte-ZV). Eine rückwirkende Genehmigung ist bereits nach dem Wortlaut ausgeschlossen. Die Beklagte war auch nicht gehalten, wegen
der rückwirkend erteilten Genehmigung nach § 6 Abs. 4 BÄO vom 03.02.2003 ihrerseits eine rückwirkende Vertretergenehmigung nach § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV auszusprechen. In ständiger Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass die Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nicht rückwirkend zuerkannt werden
kann (vgl. BSG, Urteil v. 28.03.2007 - B 6 KA 30/06 R - juris Rn. 11 ff., BSG, Beschluss vom 03.02.2010, B 6 KA 20/09 B mwN). Das gilt sowohl für die Zulassung von Vertragsärzten als auch für die Ermächtigung von Krankenhausärzten wie für die
Genehmigung zur Anstellung von Ärzten. Auch weitere - nicht auf der Ebene des Status angesiedelte - Genehmigungen, die zB
an persönliche Qualifikationen anknüpfen und damit einhergehend zur Erbringung bestimmter Leistungen berechtigen, können nicht
rückwirkend erteilt werden (vgl BSG SozR 3-1500 § 97 Nr 3 S 5 f).
Die Genehmigung nach § 32 Ärzte-ZV ist durch den Vertragsarzt zu beantragen. Dabei hat der Vertragsarzt die Person des Vertreters namentlich zu benennen, da
es sich um eine personengebundene Genehmigung handelt (Bäune, Komm. zur Ärzte-ZV, § 32 Rdnr. 29 unter Verweis auf LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.08.1997, L 5 KA 41/96). Die Genehmigung ist zudem nach § 32 Abs. 2 S. 3 Ärzte-ZV zu befristen. Werden Leistungen durch einen nicht genehmigten Vertreter erbracht, steht dem Vertragsarzt insoweit kein Vergütungsanspruch
gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zu (BSG, Urteil vom 10.05.1995, 6 RKa 30/94). Verschuldensgesichtspunkte spielen hierbei keine Rolle.
Eine solche Genehmigung kann mangels Bestimmtheit dementsprechend auch nicht konkludent erteilt werden, denn sie würde vorliegend
dem Befristungserfordernis des § 32 Abs. 2 S. 5 Ärzte-ZV nicht genügen und insbesondere nicht deutlich machen, auf welche Person des Vertreters sie sich für welchen Zeitraum bezieht.
Sofern die Klägerin geltend macht, eine konkludente Genehmigung sei darin zu sehen, dass die Beklagte die Abrechnungen von
Herrn Dr. A., unterschrieben durch Dr. L., nicht beanstandet hat, würde dies wiederum eine unzulässige rückwirkende Genehmigung
bedeuten. Der Zweck und die Zielrichtung eines Genehmigungserfordernisses im Verwaltungsrecht bestehen aber darin, der zuständigen
Behörde eine präventive Kontrolle zu ermöglichen. Sinn des präventiven Erlaubnisvorbehalts ist es gerade, der Behörde vor
Durchführung potentiell unerwünschter oder gefährlicher Tätigkeiten die Möglichkeit zur Prüfung und erforderlichenfalls zum
Eingreifen zu geben.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte Dr. A. generell oder aufgrund dessen Gesundheitszustandes
über das Erfordernis der vorherigen Erteilung einer Vertretergenehmigung hätte aufklären müssen. Die vom Bundessozialgericht
zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entwickelte Betreuungspflicht, deren Verletzung die Voraussetzung für einen sozialrechtlichen
Herstellungsanspruch ist, gilt nur in so genannten Sozialrechtsverhältnissen, das heißt im Sozialleistungsrecht (vergleiche
BSG a.a.O.; Reinhardt in: Krahmer/Trenk-Hinterberger,
Sozialgesetzbuch I, 3. Aufl. 2014, §
14 Rn. 19; Schlegel in: juris PK-
SGB V §
1 Rn. 90), nicht jedoch im Vertragsarztrecht. Eine "allgemeine" Betreuungspflicht jenseits des Leistungsrechtes ist weder richterrechtlich
anerkannt noch gesetzlich vorgesehen. Insbesondere findet § 25 VwVfG im SGB X keine Entsprechung, weil spezielle Auskunfts- und Beratungspflichten in den §§
13 bis
15 SGB I geregelt sind. §§
13 bis
15 SGB I sind jedoch im Vertragsarztrecht nicht anwendbar, da die Beklagte, die Kassenärztliche Vereinigung, kein Leistungsträger
im Sinne von §
12 SGB I ist (BayLSG, Urteil vom 20.11.2013, Az.: L 12 KA 66/12). Vertragsärzte sind nicht in gleicher Weise schutzbedürftig wie ein Großteil der Sozialleistungsempfänger. Von einem Vertragsarzt
muss daher erwartet werden, dass er sich selbst rechtzeitig um die Vertretung seiner vertragsärztlichen Praxis bemüht und
sich eigenverantwortlich um die Einhaltung der hierfür erforderlichen gesetzlichen Bestimmungen kümmert.
Auch auf Vertrauensschutz kann sich die Klägerin bzw. Herr Dr. A. nicht berufen. Dafür reicht nicht aus, dass die Beklagte
ihm zunächst Honorarbescheide ohne Honorarkürzungen erteilte und entsprechende Honorarzahlungen gewährte. Die quartalsweise
Honorarfeststellung und -auszahlung durch die KÄV erfolgt im Interesse einer zeitnahen Vergütung der kassenärztlichen Leistungen
zunächst ohne abschließende Klärung der Anspruchsberechtigung allein aufgrund der Angaben des abrechnenden Arztes. Eine genauere
Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung bleibt einer späteren
Überprüfung vorbehalten. Die an die Kassenärzte geleisteten Zahlungen haben zunächst nur vorläufigen Charakter; unrichtige
Honorarbescheide können innerhalb der für die Einleitung und Durchführung von Prüfverfahren vorgesehenen Fristen korrigiert
werden. Der Kassenarzt muss bis zum Ablauf dieser Fristen mit der Möglichkeit einer nachträglichen Prüfung und Richtigstellung
rechnen und kann auf den Bestand des vorab erteilten Honorarbescheides nicht vertrauen (vgl. insoweit für den zahnärztlichen
Bereich Urteil des BSG vom 10.05.1995, 6 RKa 30/94). Für die Begründung von Vertrauensschutz wäre vielmehr eine dem Dr. A. günstige Abhilfe hinsichtlich einer zuvor verfügten
Honorarneufestsetzung erforderlich, die vorliegend jedoch nicht erfolgte (vgl. zur sachlich-rechnerischen. Richtigstellung
BSGE 89, 90, 98 ff = SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S 11 ff).
Ein mangels Vertretergenehmigung dem Grunde nach nicht bestehender Honoraranspruch entsteht auch nicht dadurch, dass der Vertragsarzt
bzw. die Klägerin als seine Erbin eigene Aufwendungen in Form von Praxiskosten und Vertreterhonoraren erbracht hat. Für die
ohne Rechtsgrund geleisteten Honorarzahlungen der Beklagten besteht grundsätzlich ein Rückforderungsanspruch. Der Anspruch
der Beklagten auf Erstattung eines Betrages von 8104,36 EUR ist auch nicht teilweise erloschen. Bereicherungsrechtliche Grundsätze
sind im Vertragsarztrecht bei Bezahlung vorschriftswidrig erbrachter und deshalb nicht vergütungsfähiger Leistungen nicht
anwendbar (BSG, Urteil vom 10.05.1995, 6 RKa 30/94, juris Rn. 16). Denn dadurch würde die Zweckbestimmung öffentlich-rechtlicher Vorschriften unterlaufen. Ein "Gegenrechnen"
- wie vom SG vorgenommen - mit den Praxiskosten des Dr. A. und den Kosten für die Vertreter ist daher nicht zulässig. Auch spielt der
Gesundheitszustand von Dr. A. im streitgegenständlichen Zeitraum keine Rolle, da die Honorarrückforderung verschuldensunabhängig
ist.
Die Klägerin haftet als Alleinerbin von Dr. A. nach §
1967 Abs.
1 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten. Hierunter fallen auch öffentlich-rechtlich Erstattungsansprüche. Die Klägerin tritt als
Alleinerbin voll in die Stellung ihres Rechtsvorgängers in verfahrensrechtlicher materieller Hinsicht ein.
Die Berufung hat daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 HS 3
SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§
154 ff
VwGO. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie unterlegen ist (§
154 Abs
1 VwGO).
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).