Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Anerkennung eines Impfschadens und auf Versorgung nach
dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgrund durchgeführter Impfungen hat.
Die Klägerin und Berufungsklägerin (Klägerin) ist 1982 geboren. Bei ihr bestehen eine Taubheit beidseits und ein nicht kompensierter
Labyrinthausfall beidseits. Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt.
Am 20.11.2007 beantragte die Klägerin gegenüber dem Beklagten und Berufungsbeklagten (Beklagter) unter Bezugnahme auf ihren
Impfausweis wegen Gehörlosigkeit die Gewährung von Versorgung nach dem IfSG. Die Klägerin trug vor, durch Quecksilber, welches den Impfstoffen beigefügt gewesen sei, vergiftet worden zu sein und dadurch
die fortbestehende Hörschädigung davon getragen zu haben. Dem Antrag waren eine Kopie des Impfausweises sowie Befundberichte
(insbesondere von H. Kinderspital - Kinderklinik der Universität A-Stadt - Pädiatrische Ambulanz) beigefügt. Laut Impfausweis
erhielt die Klägerin am 13.06.1983, 03.11.1983, 30.05.1985, 02.07.1985 und am 28.10.1997 Impfungen gegen Kinderlähmung (Poliomyelitis),
ferner am 13.06.1983, 03.11.1983 und 30.05.1985 Impfungen gegen Diphterie und Tetanus und am 17.02.1992 eine Impfung gegen
Tetanus. Eine Impfung gegen Masern wurde am 20.06.1986 durchgeführt. Am 15.06.2001, 19.07.2001 und 26.05.2006 erhielt die
Klägerin Impfungen gegen Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME-Impfung).
Der Beklagte lehnte nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme den Antrag auf Versorgung nach dem IfSG mit Bescheid vom 16.02.2009 ab. Zum einen könne ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den im Antrag angegebenen FSME-Impfungen
und der geltend gemachten Gesundheitsstörung "Gehörlosigkeit" nicht anerkannt werden. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen
sei die Gehörlosigkeit mit Wahrscheinlichkeit als Folge einer Schädigung nach Frühgeburtlichkeit aufzufassen und keinesfalls
in Zusammenhang zu bringen mit den FSME-Impfungen aus den Jahren 2001 und 2006. Zum anderen entbehre die geltend gemachte
"Quecksilbervergiftung" mit der Folge einer Hörschädigung jeglicher nachvollziehbarer Kausalität. Bei Kleinkindern falle der
Zeitpunkt der ersten Impfungen mit der Epoche zusammen, in der Eltern gewöhnlich eine Schwerhörigkeit oder Taubheit ihres
Kindes erstmals bemerken würden. Zwischen den angeführten Impfungen und dem Auftreten bzw. Bemerken der Gehörlosigkeit durch
die Eltern liege lediglich und allein ein zeitlicher Zusammenhang vor. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der geltend
gemachten Gesundheitsstörung "Gehörlosigkeit" und den Impfungen gegen Kinderlähmung (Polio-Schluckimpfungen), den Impfungen
gegen Wundstarrkrampf (Tetanus-Impfungen) und Diphterie sowie der Impfung vom 20.06.1986 gegen Masern lasse sich ebenfalls
nicht feststellen, weil es sich nach versorgungsärztlicher Einschätzung mit Wahrscheinlichkeit um eine Schädigung nach Frühgeburtlichkeit
handele.
Mit Schreiben vom 20.04.2009 beantragte die Klägerin durch ihren damaligen Bevollmächtigten die Überprüfung des Bescheides
vom 16.02.2009. Es sei insbesondere nicht nachvollziehbar, dass die Schädigung der Klägerin auf eine Frühgeburtlichkeit zurückzuführen
sei. Es hätten keine diesbezüglichen Untersuchungen stattgefunden. Bis zum Zeitpunkt der Impfungen habe die Klägerin auf Geräusche
reagiert. Es sei völlig unklar, welche medizinischen Feststellungen zur Entscheidungsfindung herangezogen worden seien.
Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag mit Bescheid
vom 26.10.2009 ab. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 16.02.2009 seien nicht erfüllt. Die von der Klägerin
vorgetragenen Gründe ließen nach versorgungsärztlicher Überprüfung einen ursächlichen Zusammenhang der Gehörlosigkeit mit
den Impfungen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit herstellen.
Im Rahmen des dagegen geführten Widerspruchsverfahrens trug der damalige Bevollmächtigte der Klägerin vor, dass der Bescheid
vom 26.10.2009 schon aus formellen Gründen rechtswidrig sei, denn er leide an einem Begründungsmangel. Vor allem aber verstoße
der Bescheid gegen den Grundsatz der Amtsermittlung. Dem Beklagten sei entgangen, dass die versorgungsärztliche Überprüfung
insbesondere deshalb oberflächlich und damit unzulänglich gewesen sei, weil entscheidungserhebliche Untersuchungsergebnisse
in den vorbehandelnden Kliniken aus der Kleinkindzeit der Klägerin übergangen worden bzw. nicht gewertet worden seien. Nur
wegen dieser Versäumnisse sei der Beklagte zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Ursachenzusammenhang nicht herzustellen sei.
Die angefochtene Entscheidung gründe somit auf einem unzutreffenden Sachverhalt. Der Bescheid vom 26.10.2009 sei auch materiell
rechtswidrig, weil die Feststellung des Beklagten, dass die Taubheit der Klägerin Folge einer frühkindlichen Taubheit sei,
jedenfalls deshalb nicht haltbar sei, weil der Beklagte eingeräumt habe, dass die Klägerin bis zum Zeitpunkt ihrer Impfungen
auf Geräusche reagiert und im Rahmen ihrer Sprachentwicklung kindlich bereits Doppellaute von sich gegeben habe. Letzteres
sei aber bei einem gehörlosen Kind unmöglich, denn das Lautieren sei Folge kindlichen Nachahmungsdranges. Ein solcher könne
bei einem gehörlosen Kind nicht ausgelöst werden. Es sei übergangen worden, dass es nach den vorliegenden Krankendaten nur
um die Folgen der Impfungen vom 13.06.1983 und 03.11.1983 gehe.
Im Weiteren zog der Beklagte auf Grund des Vorhaltes einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung weitere medizinischen Unterlagen
bei und beauftragte Prof. Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens auf HNO-ärztlichem Fachgebiet. Die Sachverständige gelangte
nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 03.05.2011 in ihrem Gutachten vom 20.06.2011 zu der Beurteilung, dass der Hörverlust
100% betrage. Nach den otoakustischen Emissionen handele es sich eher um einen Haarzellschaden und nicht um eine retrocochleäre
Hörstörung. Bei der Klägerin bestehe somit eine Taubheit beidseits ohne Hörreste rechts und mit wenig fraglichen, nicht verwertbaren
Hörresten links. Des Weiteren bestehe ein nicht kompensierter Labyrinthausfall beidseits. Ein kausaler Zusammenhang zwischen
der Taubheit mit Labyrinthausfall beidseits und den Impfungen sei nicht gegeben. Unter anderem habe die Mutter der Klägerin
bei der Untersuchung in der HNO-Universitätsklinik I. am 13.06.1984 angeben, dass die Klägerin seit einem Monat schlechter
höre. Es sei nicht nachweisbar, dass die Gehörlosigkeit zeitnah zu den Impfungen aufgetreten sei.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2011 zurück. Die angefochtene Entscheidung bzw. die nochmalige
Überprüfung im Widerspruchsverfahren habe weitere medizinische Unterlagen sowie das von der Klägerin vorgelegte Schreiben
von Hr. M. vom 11.08.2009, das Ergebnis der Untersuchung bei Prof. Dr. S. vom 03.05.2011 sowie versorgungsärztliche Stellungnahmen
dazu berücksichtigt. Danach habe ein ursächlicher Zusammenhang unverändert nicht nachgewiesen werden können, so dass der Antrag
auf Rücknahme des Bescheides vom 16.02.2009 zutreffenderweise abgelehnt worden sei.
Dagegen hat die Klägerin durch ihre damaligen Bevollmächtigten am 04.10.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben und hierzu persönlich vorgetragen. Der Beklagte behaupte sachlich falsch, dass der Schaden der Klägerin
Folge der Frühgeburtlichkeit sei. Nach der Impfung am 03.11.1983 (Diphterie, Polio und Tetanus) hätten ihre Eltern wegen des
an diesem Tag bemerkten "Niedergangs" des Gesundheitszustands der Klägerin besorgt die Kinderklinik aufgesucht. Dies sei in
den Unterlagen dokumentiert. Am 14.11.1983 sei das neurologische Untersuchungsergebnis vom 03.11.1983 an den Kinderarzt gegangen.
Durch das Schreiben von Dr. O. vom 11.09.1984 sei belegt, dass die Klägerin im November 1983 gehört habe, denn es sei notiert,
dass sie Doppelsilben gesprochen und den Kopf nach einer Geräuschquelle gewendet habe. Im Verlauf von zwei Monaten nach der
Impfung vom 03.11.1983 hätten die Eltern bemerkt, dass die Klägerin keine Doppelsilben mehr von sich gegeben habe. Die Bevollmächtigten
der Klägerin haben im Wesentlichen den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Die HNO-ärztliche Stellungnahme des
Beklagten habe unbeachtet gelassen, dass es nach den vorliegenden Krankenakten eigentlich vielmehr um die Folgen der Impfungen
am 13.06.1983 und 03.11.1983 (jeweils Tetanus, Diphterie und Kinderlähmung) gegangen sei. In der Stellungnahme werde auch
davon abgelenkt, dass die Klägerin zwar schon seit der Geburt am 22.09.1982 beträchtliche gesundheitliche Störungen, aber
vor ihrer ersten Impfung am 13.06.1983 jedenfalls noch keinen Hörschaden gehabt habe. Schon nach der ersten Impfung sei offenbar
gewesen, dass sich hierdurch eine Hörschädigung eingestellt habe. Über den nach den ersten beiden Impfungen vorhandenen Gehörzustand
gebe es nach Aktenlage klare Angaben. So habe Dr. O. von der entwicklungsneurologischen Ambulanz der H. Kinderklinik im Schreiben
vom 14.11.1983 nichts von einem Hörschaden festgestellt. Dort heiße es vielmehr "Hirnnervenfunktionen unauffällig". Ein weiteres
Schreiben von Dr. O. vom 11.09.1984 an die Sprachabteilung der HNO-Poliklinik belege, dass die Klägerin noch im November 1983
gehört haben müsse ("Bei unserer neurologischen Untersuchung im November 1983 ist notiert, dass Doppelsilben spricht und den
Kopf nach einer Geräuschquelle wendet."). Auch die Angaben der Krankengymnastin im Bericht von Juli 1984 belegten die Hörfähigkeit
der Klägerin im November 1983. Somit könne es als belegt gelten, dass bis zu den in Rede stehenden Impfungen eine Gehörlosigkeit
noch nicht vorhanden gewesen sei, denn die damaligen Behandler hätten sich mit eben dieser Frage bereits 1983 sorgsam befasst.
Erst wenige Wochen nach der Impfung habe sich die Fähigkeit zum Hören geändert und verschlechtert. Im Januar 1984 seien bei
der Entwicklungsdiagnostik keine ausreichenden Reaktionen auf Geräusche (mehr) vorhanden gewesen.
Das SG hat unter anderem die Schwerbehindertenakte der Klägerin beigezogen und am 21.08.2013 einen Termin zur Erörterung der Sach-
und Rechtslage und Beweisaufnahme durchgeführt, in dem es auch die Mutter der Klägerin (Zeugin) gehört hat. Diese hat angegeben,
dass ihr bei den Untersuchungen U1 etc. nichts Spezielles gesagt worden sei, die Entwicklung der Klägerin sei halt insgesamt
verzögert gewesen. Bezüglich des Zeitraums der ersten Lebensmonate bis zur ersten Impfung sei der Zeugin nichts aufgefallen
in Bezug auf schlechtes Hören. An die auf die Impfungen folgenden Tage habe die Zeugin keine genauere Erinnerung. Sie können
nur sagen, dass die Klägerin generell nach den Impfungen immer erhöhte Temperatur gehabt habe. Sie könne sich daran erinnern,
weil das Impfen immer schwierig gewesen sei. Es sei schwierig gewesen, die Termine einzuhalten, weil die Klägerin oft krank
gewesen sei und dann auch nach den Impfungen krank gewesen sei. 1983 sei sie mit der Klägerin in der H. Klinik wegen Krankengymnastik
gewesen. Die Zeugin hat angegeben, sich an einen Hörtest zu erinnern, den Dr. B. gemacht habe, als die Klägerin etwa 1/2 Jahr
alt gewesen sei. Sie habe einmal links und einmal rechts ein Geräusch gemacht - erinnerlich indem sie etwas gesagt habe -
und die Klägerin habe sich dort hingewandt. Sie habe dann gesagt, das passe. Im Sommer 1983 sei der Zeugin nichts Besonderes
aufgefallen, die Betreuerin in der Kinderkrippe habe immer wieder gesagt: "Ach da kommt ja die A., mein Ratscherl". Auch sei
der Zeugin keine besondere Lautstärke aufgefallen. Bezüglich der Impfung am 03.11.1983 hat die Zeugin angegeben, sich nicht
konkret an die Tage danach erinnern zu können. Sie gehe davon aus, dass die Klägerin wieder krank gewesen sei. Damit meine
sie, dass sie immer Fieber bekommen habe, das sei dann immer gleich bei 40 Grad gewesen. Die Klägerin habe oft, auch ohne
Impfung, plötzlich Fieber bekommen, und sie habe immer wieder Bronchitis gehabt, sei verschleimt gewesen und habe häufig erbrochen.
Bezüglich der Untersuchung am 03.11.1938 bei Dr. O. hat die Zeugin ausgesagt, sich daran nicht mehr konkret erinnern zu können.
Sie habe in Erinnerung, dass bei der Klägerin mit ca. 1,5 Jahren festgestellt worden sei, dass sie nichts höre. Die Hörprüfung
sei erinnerlich in Gang gekommen, als bei einer Frühförderstunde, als die Klägerin ca. 1,5 Jahre alt gewesen sei, ein Luftballon
geplatzt sei. Die Untersuchung habe erinnerlich im Klinikum I. stattgefunden, an eine Untersuchung im Februar 1984 könne sie
sich nicht konkret erinnern. Sie sei fast jeden freien Tag bei einem Arzt oder ähnlichem gewesen. Innerhalb der Familie seien
keine Hörstörungen bekannt, mit Ausnahme einer altersbedingten Hörstörung einer Tante. Auf Nachfrage hat die Zeugin mitgeteilt,
dass die Klägerin eine Mittelohrentzündung gehabt habe, wohl als sie schon im Kindergarten gewesen sei, das sei ab Herbst
1984 gewesen. Der Aufenthalt von 13.06.1984 bis 14.06.1984 im Klinikum I. habe damit nichts zu tun. Die Mittelohrentzündung
sei nicht in dem Zeitraum gewesen, in dem die Klägerin die Paukenröhrchen gehabt habe. Diese habe sie erinnerlich 6 Monate
gehabt. Sie könne nur sagen, dass die Mittelohrentzündung an einem Sonntag gewesen sei, an dem es kalt gewesen sei. Zu den
Gleichgewichtsstörungen der Klägerin hat die Zeugin angegeben, dass die Klägerin erst im Sommer 1984 habe (frei) laufen können.
Erinnerlich seien die Gleichgewichtsstörungen 1/2 Jahr zuvor festgestellt worden. Dies habe nicht im Zusammenhang mit der
Mittelohrentzündung gestanden. Die Zeugin sei sich nicht sicher, meine jedoch, dass die Klägerin noch nicht habe laufen können,
als sie die Mittelohrentzündung gehabt habe.
Die Klägerin hat sich mit weiteren Schriftsätzen persönlich gegenüber dem SG geäußert. Das gesundheitliche Risiko der Impfungen sei bekanntlich allein vom Impfmittelzusatz Thiomersal ausgegangen, das
auch damals üblicherweise eingesetzt worden sei. Unzutreffend sei die Feststellung, die Zeugin habe am 13.06.1984 in der HNO-Klinik
angegeben, dass die Klägerin seit einem Monat schlechter höre. Bereits zwei Monate nach der Impfung im November 1983, im Januar
1984, sei erstmals eine schwere Hörstörung diskutiert worden.
Sodann hat das SG am 30.10.2013 Prof. Dr. K. mit der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. In seinem Gutachten
vom 03.02.2014 gelangt der Sachverständige zu der Feststellung, dass zwar die Zeugin eine Schwangerschaftsdauer von 32 Wochen
angegeben habe, es sei jedoch von 38 Wochen (Norm 40 Wochen) auszugehen. Für 38 Wochen habe Untermaßigkeit vorgelegen (Gewicht
2.330 g, Länge 46 cm, Kopfumfang 32 cm). Für die Verlegung der Klägerin zur Kinderklinik hätten nicht eine "Unreife", sondern
hoch-pathologische Symptome im Vordergrund gestanden. Diese seien u.a. auffallende Petechien sowie erniedrigte und weiter
fallende Thrombozyten (bis 25.000; Norm über 200.000) gewesen. In der 4. Woche habe ein CT des Gehirns eine deutliche Erweiterung
des rechten Seitenventrikels und periventrikuläre Dichteminderungen ergeben. Insgesamt habe bei der Klägerin eine Früh- und
Mangelgeburt mit einer connatalen Infektion vorgelegen. Es sei eine connatale Virusinfektion mit bedrohlicher Thrombopenie
sowie (CT-Befund, Kopfumfang und Muskelhypertonie) Cerebralschaden festzustellen gewesen. Die Infektion sei damals nicht näher
benannt worden. Die anschließende Entwicklung der Klägerin zeige unter anderem eine erste Vorstellung in der Universitäts-Kinderklinik
im Dezember 1982 wegen motorischer Auffälligkeiten. Die verordnete Therapie sei erst ab Mitte 1983 regelmäßig wahrgenommen
worden. Auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen hätten sich zwischen Geburt und November 1983 zwar therapeutische Fortschritte
gezeigt, jedoch auch noch Anfang November 1983 eine erhebliche Entwicklungsretardierung. Für die Frage der Hörfähigkeit der
Klägerin Anfang November 1983 sei das Testat "Hörnervenfunktionen unauffällig" von Dr. O. entscheidend. Aus dem Impfpass ergebe
sich eindeutig, welche Impfungen vorgenommen worden seien. Am 13.06.1983 und 03.11.1983 sei jeweils gegen Diphterie und Tetanus
geimpft worden sowie eine Schluckimpfung Poliomyelitis erfolgt. Der Impfstoff der Diphterie-Tetanus-Impfung sei ein sog. Totimpfstoff,
er enthalte u.a. auch Aluminiumhydroxid und Thiomersal. Der Impfstoff der Poliomyelitis-Impfung sei ein sog. Lebendimpfstoff,
er enthalte weder Aluminiumhydroxid noch Thiomersal. Aus den Unterlagen ergebe sich, dass die im Rahmen der versuchten Durchführung
eines Audiogramms am 05.04.1984 vorliegende Audiogramm-Kurve hochpathologisch sei, sie aber noch im Bereich eines sog. Resthörvermögens
liege. Daher sei auch eine Resthörigkeit notiert. Laut Abschlussbericht der HNO-Klinik vom 13.06.1984 habe die Zeugin von
dem Gefühl berichtet, dass die Klägerin besonders seit ca. einem Monat schlecht höre. Die Untersuchung habe Ergüsse in beiden
Paukenhöhlen gezeigt (Adenotomie). Beidseitig seien Paukenröhrchen eingelegt worden. Bezogen auf die Beobachtungen der Zeugin
hält Prof. Dr. K. fest, dass es keine Angaben über irgendeine Symptomatik, die an postvakzinale Enzephalitis/Enzephalopathie
denken lasse, gebe. Sie sei auch nicht nötig bei einer isolierten Neuritis/Neuropathie. Aus den Unterlagen ergebe sich für
den Zeitraum zwischen Impfung am 03.11.1983 und Feststellung der Hörverlustes im Januar 1984 ein Intervall von rund 60 Tagen.
Es könne nicht angenommen werden, dass der Hörverlust bereits Ende 1983 aufgedeckt worden sei. Die Angaben der Zeugin bezüglich
einer Feststellung erst im Juni 1984 könnten das Bemerken einer weiteren Hörverschlechterung gewesen sein. Es sei ein Resthörvermögen
vorhanden gewesen, dessen Abnahme durch den prozessualen Verlauf des Leidens oder durch den gesicherten beidseitigen Paukenerguss
verursacht gewesen sein könnte. Im Weiteren ergebe sich aus den Akten ein gegenüber der Normerwartung vermindertes Hirnwachstum,
das 1984 den Status der Mikrocephalie erreicht gehabt habe.
Bezüglich der Ursachen für das Leiden der Klägerin führt der Sachverständige aus, dass schon vor der Impfung Früh- und Mangelgeburt
vorgelegen habe, ferner psychomotorische und sprachliche Entwicklungsretardierung sowie vermindertes Hirnwachstum und ein
pathologischer CT-Befund des Gehirns. Wenn vermehrt angegeben werde, hierfür sei eine Frühgeburt ursächlich, sei dies falsch.
Vielmehr sei das gesamte Muster inklusive der vorzeitigen Geburt und inklusive der hochpathologischen zusätzlichen Symptomatik
des Neugeborenen mit thrombopenischen Blutungen, Splenomegalie etc. als Einheit zu sehen. Eine Schädigung unter der Geburt
sei auszuschließen, ebenso eine Schädigung durch Infekte der Klägerin. Die Klägerin stütze ihr Begehren auch auf die Verwendung
von Hilfsstoffen in Form von Aluminium- und Quecksilberverbindungen, vorliegend speziell Thiomersal. Höhere Spiegel von Thiomersal
könnten tatsächlich neurotoxische Effekte verursachen. In den Impfstoffen der zwei Impfungen vom 13.06.1983 und 03.11.1983
sei jeweils pro Ampulle 0,025 mg (d.h. 25 Mikrogramm) Thiomersal verwendet worden. Die Klägerin habe bis 03.11.1983 damit
insgesamt 50 Mikrogramm Thiomersal erhalten. Quecksilber sei in Thiomersal nicht ganz zu 50% enthalten, daher habe die Klägerin
insgesamt 25 Mikrogramm Quecksilber erhalten. Dies liege bezüglich des pro Kilogramm geschätzten Körpergewichts weit unterhalb
der erlaubten, geschweige denn toxischen Grenze. Damit sei eine neurotoxische Verursachung des im Januar 1984 entdeckten Hörschadens
und der 1984 erstmals genannten Gleichgewichtsstörung durch die beiden 1983 verabreichten Impfungen auszuschließen. Ebenso
eine Progredienz durch die Impfungen 1985 und 1992, den einzigen nachfolgenden zwei Impfungen mit Thiomersal-Beigabe. In der
Wissenschaft und den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht
(AHP) werde über seltene Enzephalopathien nach Diphterie-Impfung sowie über Mono- und Polyneuritiden nach Tetanus-Schutzimpfung
berichtet. Die postvakzinale Inkubationszeit betrage bis zu 28 bzw. 21 Tage. Zur Poliomyelitis-Schluckimpfung würden keine
peripheren Neuritiden benannt, ferner seltene Meningoenzephalitis mit einer Spanne der postvakzinalen Inkubationszeit vom
3. bis 14. Tag nach Impfung. Grundsätzlich denkbar sei auch eine Mononeuritis des Nervus statoacusticus. Bezogen auf die Klägerin
habe keine enzephalitische Symptomatik im Anschluss an die Impfung am 03.11.1983 vorgelegen. Eine Neuritis/Neuropathie betreffe
den Nerv. Vorliegend handele es sich laut Ableitung der oto-akustischen Emissionen eher um einen Haarzellschaden und nicht
um eine retrocochleäre Hörstörung, d.h. das Hör-Endorgan in der Cochlea sei geschädigt, nicht aber der retrocochleäre Nerv.
Der Hörschaden sei bei der Klägerin erst im Januar 1984, 60 Tage nach der Impfung festgestellt worden, was weit außerhalb
der Inkubationszeit von 21 bzw. 28 Tage liege. Schließlich sei festzuhalten, dass ein Impfschaden ein einmaliges akutes Schädigungsereignis
sei. Es resultiere der anfängliche Schaden, an den sich dann im Laufe von Wochen oder Monaten volle oder teilweise Wiederherstellung
anschließe oder aber Persistenz des Schadens. Niemals schließe sich Progredienz an, d.h. weitere Verschlimmerung und Ausweitung
des Schadens. Bei der Klägerin liege jedoch eine Zunahme der Gleichgewichtsstörung sowie des Audiogramms, damit Progredienz,
vor.
Zusätzlich hat Prof. Dr. K. zur viralen Infektionskrankheit Cytomegalie ausgeführt. Die große Mehrzahl an Infektionen verlaufe
klinisch asymptomatisch. Bei einer Primärinfektion der Mutter während einer Schwangerschaft komme es in ca. 40% zu einer Virusinfektion
des ungeborenen Kindes. Somit sei die Cytomegalie die häufigste connatale Infektion. 10% dieser infizierten Neugeborenen zeigten
sofort oder/und später Symptome und Schäden. Das Virus überlebe im infizierten Organismus und könne zu erneuten virämischen
Schüben und damit potentiell zu erneuten Symptomen bzw. Schädigungen reaktiviert werden. Leitsymptome der connatalen Infektion
und Schädigung des Kindes seien Wachstumsretardierung (Dystrophie, Mangelgeburt), zum Teil zusätzlich Frühgeburt, Befall von
Leber, Milz (Splenomegalie), Nieren, Speicheldrüsen etc., Thrombopenie mit petechialen Blutungen, Mikrocephalie bis unter
die 3. Perzentile der Kopfumfangs-Verlaufskurve, Untergang von Hirnzellen mit Ventrikelerweiterung und periventrikulären Zelluntergängen,
Entwicklungsretardierung und lebenslange cerebrale Leistungsdefizite; auch die Augen könnten geschädigt sein. Die häufigste
Spätschädigung (im Rahmen einer Reaktivierung des Virus), und zwar bis zu 60% der connatalen Cytomegalie-Fälle, sei die Innenohrschwerhörigkeit,
meist beidseitig ausgeprägt bis zu fehlendem Wortverständnis und damit Sprachretardierung. Diese Schwerhörigkeit könne im
Laufe der Kindheit (im Gefolge weiterer Reaktivierungen des Virus) erheblich zunehmen, fallweise bis zur Taubheit. Auch das
dem Innenohr anatomisch eng benachbarte Gleichgewichtsorgan könne geschädigt werden. Die Symptome der Klägerin als Neugeborene
entsprächen lückenlos diesem Bild der connatalen Cytomegalie, ausdrücklich inklusive der im weiteren Verlauf auftretenden
Hörstörung und Gleichgewichtsstörung inklusive deren weiterer Verschlechterung. Mit ganz erheblicher Wahrscheinlichkeit sei
bei der Klägerin daher die Diagnose connatale Cytomegalie zu stellen mit typisch neonataler Symptomatik und mit typischer
später auftretender Schädigung von Gehör und Gleichgewicht.
Der Sachverständige ist zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin die Gesundheitsstörungen einer Hörstörung
und einer Gleichgewichtsstörung vorlägen, die grundsätzlich als Impfschaden im Gefolge der beiden Impfungen 1983 in Frage
kämen. Vorliegend lasse sich ein voll- oder teilursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Impfungen 1983 und den Gesundheitsstörungen
nicht mit der nötigen überwiegenden Wahrscheinlichkeit belegen. Die Voraussetzungen zur Anwendung der sog. Kann-Versorgung
seien nicht gegeben.
Die Klägerin hat persönlich zu dem Gutachten Stellung genommen. Das Gutachten von Prof. Dr. K. zeige in wichtigen Punkten
gravierende inhaltliche Sach- und logische Denkfehler auf. So sei die angenommene Inkubationszeit von 60 Tagen zweifelhaft,
denn bei Taubheit im frühen Kleinkindalter handele es sich mangels verbaler Kommunikationsfähigkeit um eine verdeckte Behinderung.
Die Klägerin habe im Zeitpunkt der zweiten Schluckimpfung am 03.11.1983 noch auf Geräusche reagiert und gesprochen; dies sei
durch die Aussage der Mutter und den Bericht von Dr. O. nachgewiesen. Weil es keine anderen Erkrankungen zu der Zeit nach
dem zweiten Impftermin am 03.11.1983 gegeben habe, die auf einen Verlust des Hörvermögens hindeuteten, könne nur die Impfung
als schadensauslösendes Ereignis festgestellt werden. Taubheit als Impfschaden sei wissenschaftlich publiziert worden.
Auf gerichtliche Anforderung hat Prof. Dr. K. am 12.06.2016 ergänzend Stellung genommen. Er hat wiederholt festgestellt, dass
eine impfbedingte Verursachung des Leidens der Klägerin nicht habe dargestellt werden können. Es fehle eine postvakzinale
enzephalitisch/enzephalopathische Symptomatik, was ausnahmsweise vorkommen könne. Gravierend sei jedoch, dass laut Akte akut
und zeitnah kein Versuch unternommen worden sei, durch bildgebende Darstellung (CT, MRT) eine frische, akute neurale Reaktion
bzw. Schädigung zu belegen und bzw. oder labortechnisch aus Blutserum plus Liquor ("Hirnwasser") eine aktuelle neurale Reaktion
mit einem der Impfstoffe nachzuweisen. Ferner gebe es für postvakzinale Inkubationszeit feste, wissenschaftlich fundierte
Spannen, an die sich ein Gutachter halten müsse. Entscheidend sei vorliegend jedoch, dass Impfschäden nicht progredient verliefen,
anders als die Erkrankung der Klägerin. Es sei ferner an der sehr wahrscheinlichen Diagnose der connatalen Cytomegalie festzuhalten.
Aus den Unterlagen ergebe sich, dass die Klägerin im Januar 1986 noch über ein Resthörvermögen verfügt habe, im Jahr 2011
jedoch sei Taubheit diagnostiziert worden. Weiter läge eine Schädigung der Haarzellen vor und nicht eine retrocochleäre Störung,
d.h. eine Schädigung des aus der Cochlea zum Hirn verlaufenden Nerven oder im Hirn liegender zugehörige Zellen.
Mit Gerichtsbescheid vom 04.10.2016 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 26.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2011 abgewiesen. Die am 13.06.1983
und 03.11.1983 verabreichten Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie sowie Schluckimpfung Polio seien laut Impfausweis nachgewiesen,
es handele sich hierbei um öffentlich empfohlene Impfungen. Ein Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem IfSG bestehe zur Überzeugung des Gerichts nicht. Vorliegend sei aus Sicht des Gerichts ein über die impfübliche Impfreaktion hinausgehender
Gesundheits(erst)schaden im Gefolge der Impfungen vom 13.06.1983 bzw. 03.11.1983 nicht nachgewiesen. Auch eine Kann-Versorgung
scheide aus, weil auch hierfür ein Gesundheits(erst)schaden nachgewiesen sein müsse. Das Gericht stütze sich auf das überzeugende
Gutachten des Prof. Dr. K ... An dessen Sachkunde bestehe kein Zweifel. Prof. Dr. K. habe für das Gericht überzeugend dargelegt,
dass ein Gesundheits(erst)schaden im Zusammenhang mit den Impfungen vom 13.06.1983 und 03.11.1983 nicht festgestellt werden
könne. Anzeichen für eine nach den Impfungen stattgehabte Enzephalopathie seien nicht vorhanden. Zwar habe die Zeugin ausgesagt,
dass die Klägerin erinnerlich nach den stattgehabten Impfungen mit Fieber reagiert habe. Daraus allein könne jedoch nicht
auf den Ablauf einer Enzephalopathie geschlossen werden. Eine ernsthafte Erkrankung jeweils in den Tagen nach den Impfungen
sei von der Zeugin jedenfalls nicht erinnert worden. Auch sei kein Entwicklungsknick im zeitlichen Zusammenhang mit den Impfungen
angegeben, sondern lediglich von ruhigerem Verhalten berichtet worden. Der Gutachter Prof. Dr. K. habe hier zwar auch auf
nicht mit Enzephalopathie einhergehende Neuritiden hingewiesen. Er sei hier aufgrund der ärztlichen Unterlagen und Berichte
davon ausgegangen, dass eine Hörstörung erstmals Anfang Januar 1984 festgestellt worden sei. Auch das Gericht folge dieser
Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. K., nachdem Dr. O. in ihrem Bericht über die Untersuchung am Impftag, dem 03.11.1983,
festgestellt hatte "Hirnnerven ohne Befund", und damit auch der Hörnerv aus ärztlicher Sicht mit umfasst sei. Prof. Dr. K.
habe dann überzeugend ausgeführt, dass bei dem damit festzuhaltenden zeitlichen Intervall von ca. 60 Tagen zwischen Impfung
und Feststellung der Hörstörung der für eine Neuritis im Zusammenhang mit Impfung zu fordernde Zeitabstand von höchstens 28
Tagen maßgeblich überschritten ist. Der Gutachter sei darauf eingegangen, dass möglicherweise eine Hörstörung schon vorher
vorgelegen habe und erst später im Januar 1984 bemerkt worden sei. Gewisse Unsicherheiten bei der Feststellung der Hörstörung
seien auch dem Gericht verständlich, nachdem eine solche Hörstörung im Kleinkindesalter des Öfteren zunächst übersehen oder
unterschätzt werde. Auch bei Zugrundelegung einer im näheren Zusammenhang mit der Impfung vom 03.11.1983 aufgetretenen Hörstörung
sehe das Gericht jedoch ebenfalls nicht einen auf eine Impfung zu beziehenden Gesundheits(erst)schaden gegeben. Prof. Dr.
K. nenne hier gewichtige Gegenargumente, wie zum einen die Feststellungen der Prof. Dr. S., die im Ergebnis nicht von einer
retrocochleären Hörstörung, also einer möglicherweise aufgrund Neuritis/Neuropathie vermittelten Hörstörung, ausgehe. Gegenargument
für das Gericht sei auch die von dem Gutachter Prof. Dr. K. nachvollziehbar geschilderte Progression der Hörstörung, die auch
nochmals in der ergänzenden Stellungnahme vom 12.06.2016 dargelegt worden sei. Der Gutachter habe hier unter Auswertung der
Audiogramme sowie der ärztlichen Befunde dargelegt, dass die Hörstörung ab 1984 weiter fortgeschritten sei und sodann zu einer
Ertaubung geführt habe. Er habe nachvollziehbar ausgeführt, dass dies nicht mit einem Impfschaden vereinbar sei. Denn bei
einer Impfschädigung werde ein einmal schädigender Umstand gesetzt, der dann im Bereich einer dadurch gegebenenfalls vermittelten
Hörstörung zu einem gewissen Gehörschaden führe. Der Gutachter habe zutreffend diese Feststellungen zunächst unabhängig von
der dokumentierten Infektionssituation unmittelbar nach der Geburt getroffen. Weiter habe der Gutachter ergänzend darauf hingewiesen,
dass die für die unmittelbaren ersten Lebenstage geschilderten Symptome im Zusammenhang mit damals stattgehabter Infektion
mit den Symptomen einer Cytomegalie übereinstimmen würden. Der Gutachter habe hierzu ausgeführt, dass eine hohe Rate an Spätschäden
bei dieser Erkrankung auf Innenohrschwerhörigkeit entfallen würde. Den Feststellungen von Prof. Dr. K. schließe sich das Gericht
wie ausgeführt an. Hinzuzufügen sei, dass der Gesundheits(erst)schaden im Vollbeweis, das heißt mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit, gegeben sein müsste, was hier zu verneinen sei. Der Gutachter sei auch auf mögliche Wirkungen von Thiomersal
(Quecksilber) eingegangen. Eine solche von der Klägerin angenommene Auswirkung sei auch nach Ansicht des Gerichts nicht wissenschaftlich
belegt.
Gegen den Gerichtsbescheid ist am 09.11.2016 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) eingelegt und eine Begründung
angekündigt, aber nicht vorgelegt worden. Mit richterlicher Verfügung vom 17.08.2018 hat die Berichterstatterin die Klägerin
auf die mangelnde Erfolgsaussicht der Berufung hingewiesen und Frist zur Stellungnahme bis 01.10.2018 gewährt. Eine Reaktion
hierauf ist nicht mehr erfolgt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04.10.2016 sowie den Bescheid vom 26.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 20.09.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 16.02.2009 zurückzunehmen und bei der Klägerin
die Gesundheitsstörungen Taubheit und Gleichgewichtsstörungen als Impfschaden anzuerkennen und ihr ab 01.01.2005 Versorgung
in Form einer Beschädigtenrente zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Akten des SG und des Beklagten, einschließlich der Akten über das Schwerbehindertenverfahren, verwiesen. Sämtliche Akten waren Gegenstand
der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden können. Diese wurde über den Termin zur mündlichen Verhandlung
informiert und dabei auch auf die Folgen ihres Ausbleibens hingewiesen, §§
110 Abs.
1 Satz 2,
153 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, §§
143,
144,
151 SGG, aber nicht begründet.
Streitgegenständlich ist ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung eines Impfschadens und auf Gewährung einer Beschädigtenrente
nach dem IfSG gegenüber dem Beklagten.
Verfahrensrechtlich ist der Anspruch im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegenständlich. Gegenstand des Verfahrens ist der ablehnende Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 26.10.2009 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2011 bezüglich des Bescheides vom 16.02.2009. Weil der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid
vom 20.09.2011 in die Sachprüfung eingetreten ist, ist die vollständige Überprüfung auch im gerichtlichen Verfahren eröffnet
(vgl. BayLSG, Urteil vom 27.03.2015, L 15 VK 12/13, juris Rn. 68 f.) Das Berufungsgericht hat daher zu prüfen, ob die geltend
gemachten Gesundheitsstörungen als Impfschaden anzuerkennen sind und einen Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenrente
nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG i.V.m. § 31 Bundesversorgungsgesetz (BVG) begründen. Aufgrund von § 44 Abs. 4 SGB X ist der Anspruch auf Leistungen ab dem 01.01.2005 begrenzt.
Die auf die Anerkennung eines Impfschadens und auf die Gewährung einer Versorgungsrente gerichtete Klage ist zulässig. Der
im Berufungsverfahren konkretisierend auszulegende Klageantrag (d.h. Gewährung einer Beschädigtenrente) ist als solcher auf
ein zulässiges Begehren gerichtet (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 3/12 R, juris Rn. 24, BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, juris Rn. 13).
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch jedoch nicht zu, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht vorliegen. Zum einen fehlt es mit dem SG schon am Nachweis einer Impfkomplikation, zum anderen aber auch an der Kausalität zwischen den Impfungen und der geltend
gemachten gesundheitlichen Schädigung.
Das klägerische Begehren beurteilt sich dabei nach dem IfSG, weil Leistungen ab 01.01.2005 im Raume stehen und damit ab einem Zeitpunkt, als das - das Bundes-Seuchengesetz ohne Übergangsvorschrift ablösende (vgl. Art. 5 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften v. 20.07.2000, BGBl. I, S. 1045) - IfSG (seit dem 01.01.2001) in Kraft war (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 20.07.2005, B 9a/9 VJ 2/04 R, juris Rn. 14; BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 10/10, juris Rn. 35).
Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen
Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde (1.), auf Grund des IfSG angeordnet wurde (2.), gesetzlich vorgeschrieben war (3.) oder auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen
Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist (4.), eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung
wegen eines Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen
der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit das IfSG nichts Abweichendes bestimmt.
Nach § 61 Satz 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil
über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung der
für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne
des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden, wobei die Zustimmung allgemein erteilt werden kann, § 61 Satz 2, 3 IfSG.
Der Impfschaden wird in § 2 Nr. 11 IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden
gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung, wobei ein Impfschaden auch vorliegt, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern
geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde.
Die Entstehung eines Anspruchs auf Anerkennung eines Impfschadens und auf Versorgung verlangt demnach die Erfüllung mehrerer
Voraussetzungen (vgl. nur BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 36). Es müssen eine unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfolgte Schutzimpfung, der Eintritt einer über eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, also
eine Impfkomplikation (Primärschaden im Sinne eines "Gesundheitserstschadens"), sowie eine - dauerhafte - gesundheitliche
Schädigung, also ein Impfschaden (Sekundärschaden), vorliegen. Die Schutzimpfung (1. Glied), die Impfkomplikation (2. Glied)
und der Impfschaden (3. Glied) bilden dabei vorliegend die einzelnen Elemente der sog. - dem Versorgungsrecht generell zugrundeliegenden
(vgl. etwa BSG, Urteil vom 25.03.2004, B 9 VS 1/02 R, juris; BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 3/13 R, juris) - dreigliedrigen Kausalkette.
Die Schutzimpfung und sowohl die als Impfkomplikation in Betracht kommende als auch die dauerhafte Gesundheitsstörung im Sinne
des Impfschadens müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, d.h. im sog. Vollbeweis, feststehen. Dagegen genügt
für die zwischen diesen Merkmalen erforderlichen Ursachenzusammenhänge der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit, vgl. § 61 Satz 1 IfSG (vgl. nur BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 38).
Der erkennende Senat hat früher vereinzelt auf das Erfordernis des Vollbeweises bezüglich des Primärschadens (der Impfkomplikation)
verzichtet (vgl. BayLSG, Urteil vom 28.07.2011, L 15 VJ 8/09, juris; BayLSG, Urteil vom 31.07.2012, L 15 VJ 9/09, juris Rn. 36 m.w.N. auch zu a.A.). Diesen einzelfallbezogenen Ansatz verfolgen beide für das Versorgungsrecht zuständigen
Senate des BayLSG (BayLSG, Urteil vom 18.05.2017, L 20 VJ 5/11, juris; BayLSG, Urteil vom 25.07.2017, L 20 VJ 1/17 juris; BayLSG, Urteil vom 11.07.2018, L 20 VJ 7/15, juris; BayLSG, Urteil vom 06.12.2018, L 20 VJ 3/17; BayLSG, Urteil vom 26.03.2019, L 15 VJ 9/16, juris; BayLSG, Urteil vom 14.05.2019, L 15 VJ 9/17, juris; BayLSG, Urteil vom 02.07.2019, L 15 VJ 8/17) inzwischen ausdrücklich nicht mehr. Andere Landessozialgerichte hatten sich dem soweit ersichtlich von vornherein nicht
angeschlossen (z.B. Hessisches LSG, Urteil vom 26.06.2014, L 1 VE 12/09, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,
Urteil vom 01.07.2016, L 13 VJ 19/15, juris). Auch das BSG hat - z.T. in Rechtsmittelverfahren gegen diese Entscheidungen - das Erfordernis eines Vollbeweises auch bezogen auf den
Primärschaden bekräftigt (BSG, Beschluss vom 29.01.2018, B 9 V 39/17 B, juris; BSG, Beschluss vom 18.06.2018, B 9 V 1/18 B).
Die Feststellung einer Impfkomplikation im Sinne einer impfbedingten Primärschädigung hat grundsätzlich in zwei Schritten
zu erfolgen: Zunächst muss ein nach der Impfung aufgetretenes Krankheitsgeschehen als erwiesen erachtet werden. Sodann ist
die Beurteilung erforderlich, dass diese Erscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die betreffende Impfung zurückzuführen sind
(BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris Rn. 38; BSG, Beschluss vom 29.01.2018, B 9 V 39/17 B, juris Rn. 7).
Das SG hat vorliegend zutreffend den Vollbeweis einer Impfkomplikation im Sinne des Primärschadens, also den Eintritt einer über
eine übliche Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, als nicht gegeben angesehen. Für den Beweisgrad des
Vollbeweises muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen
(vgl. nur BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 3/12 R, juris Rn. 34). Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende
Wahrscheinlichkeit ausreichen (vgl. BSG, Beschluss vom 29.01.2018, B 9 V 39/17 B, juris Rn. 7; BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 3/12 R, juris Rn. 34; BSG, Urteil vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R, juris). Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
128 Rn. 3b m.w.N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen
Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 3/12 R, juris Rn. 34 m.w.N.). Eine Tatsache ist damit nachgewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände
des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet
sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 3/12 R, juris Rn. 34 m.w.N.; Keller, a.a.O., § 128 Rn. 3b m.w.N.), wenn also eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gegeben
ist.
Vorliegend bestehen keinerlei Anhaltspunkte für eine Impfkomplikation. Eine solche wäre mit Prof. Dr. K. in einer postvakzinalen
Enzephalitis/Enzephalopathie oder auch denkbar einer Neuritis/Neuropathie zu sehen. Der Sachverständige hat hierzu jedoch
in seinem nachvollziehbaren, vollständigen und von großem Sachverständnis geprägtem Gutachten vom 03.02.2014 samt ergänzender
Stellungnahme vom 12.06.2016 auch für den Senat überzeugend dargestellt, dass derartige Impfkomplikationen bei der Klägerin
nicht feststellbar seien. Der Senat folgt diesbezüglich auch den Entscheidungsgründen im Urteil des SG, die er sich nach umfassender Prüfung zu eigen macht und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab,
§
153 Abs.
2 SGG.
Nachdem bereits ein Primärschaden nicht im Vollbeweis festzustellen ist, ist ein Anspruch der Klägerin nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht gegeben. Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache nach den allgemeinen Regeln
der Beweislast zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs auf ihr Vorliegen stützt. Beweiserleichterungen
auch in den Fällen besonders schwieriger Nachweiserbringungen sind abzulehnen, das Gesetz enthält bezüglich der Kausalitätsbeurteilung
nach § 61 IfSG bereits Erleichterungen (vgl. etwa BSG, Beschluss v. 04.06.2018, B 9 V 61/17 B, juris; s.a. hinsichtlich der Blindheit bei zerebralen Schäden BSG, Urteil vom 14.06.2018, B 9 BL 1/17 R, juris).
Selbst wenn man, wovon der Senat ausdrücklich nicht ausgeht, einen Primärschaden annehmen würde, wäre die Anerkennung eines
Impfschadens vorliegend dennoch nicht möglich. Denn die bei der Klägerin vorliegende Taubheit und Gleichgewichtsstörung sind
zur Überzeugung des Senats nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Impfungen vom 13.06.1982 und 03.11.1982 zurückzuführen. Auch
dies hat bereits das SG zutreffend unter Würdigung der vorliegenden Unterlagen und der Ermittlungsergebnisse festgestellt. Auch der erkennende Senat
folgt dem überzeugenden Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K. vom 03.02.2014 samt ergänzender Stellungnahme vom 12.06.2016.
Für den zweifachen ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder der Kausalkette nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG reicht es nach § 61 Satz 1 IfSG aus, wenn dieser jeweils mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die Beweisanforderung der Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für
den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität als auch den der haftungsausfüllenden Kausalität. Dies entspricht den Beweisanforderungen
auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen
Unfallversicherung. Eine potentielle, versorgungsrechtlich geschützte Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang,
wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht
zukommt (BSG, Urteil vom 22.09.1977, 10 RV 15/77, juris), also mehr für als gegen einen Kausalzusammenhang spricht (BSG, Urteil vom 19.08.1981, 9 RVi 5/80; BSG, Urteil vom 26.06.1985, 9a RVi 3/83, juris; BSG, Urteil vom 19.03.1986, 9a RVi 2/84; BSG, Urteil vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R, juris und BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris). Oft wird diese Wahrscheinlichkeit auch als hinreichende Wahrscheinlichkeit bezeichnet, wobei das Wort "hinreichend"
nur der Verdeutlichung dient (vgl. Keller, a.a.O., § 128 Rn. 3c). Nicht ausreichend ist dagegen eine bloße - abstrakte oder
konkrete - Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs (BSG, Urteil vom 26.11.1968, 9 RV 610/66, juris; BSG, Urteil vom 07.04.2011, B 9 VJ 1/10 R, juris).
Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie nach der höchstrichterlichen versorgungsrechtlichen Rechtsprechung
(BSG, Urteil vom 08.08.1974, 10 RV 209/73, juris) rechtlich nur dann nebeneinanderstehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt
des Erfolgs "annähernd gleichwertig" sind. Während die ständige unfallversicherungsrechtliche Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris; BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 8/06 R, juris) demgegenüber den Begriff der "annähernden Gleichwertigkeit" für nicht geeignet zur Abgrenzung hält, da er einen objektiven
Maßstab vermissen lasse und missverständlich sei, und eine versicherte Ursache dann als rechtlich wesentlich ansieht, wenn
nicht eine alternative unversicherte Ursache von überragender Bedeutung ist, hat der für das soziale Entschädigungsrecht zuständige
Senat des BSG (vgl. Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 6/13, juris) zur annähernden Gleichwertigkeit festgelegt, dass diese dann anzunehmen ist, wenn eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie
die übrigen Umstände zusammen. Die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinn als Ursache oder Mitursache zu gelten
haben und welche nicht, ist im jeweiligen Einzelfall aus der Auffassung des praktischen Lebens abzuleiten (BSG, Urteil vom 12.06.2001, B 9 V 5/00 R, juris). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands über die Möglichkeit
von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Gesundheitsschäden zu erfolgen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris).
Den dem Sachverständigen vorliegend zur Beurteilung vorgelegten medizinischen Unterlagen kann ein Zusammenhang zwischen den
stattgehabten Impfungen, einer unterstellten Primärschädigung und den manifestierten Gesundheitsstörungen der Klägerin nicht
entnommen werden. Der Senat folgt den Bewertungen von Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 03.02.2014 einschließlich ergänzender
Stellungnahme vom 12.06.2016. In dem von großer Fachkenntnis geprägten Gutachten einschließlich ergänzender Stellungnahme,
die beide umfassend das zugrundeliegende Material sowie den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ausgewertet haben
und zu nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Ergebnissen gelangen, führt Prof. Dr. K. aus, dass Gesundheitsstörungen in
Form einer Hörstörung und einer Gleichgewichtsstörung zwar grundsätzlich als Impfschaden in Frage kommen könnten. Unabhängig
von der vorliegend ausdrücklich nicht feststellbaren Primärschädigung gebe es bei der Klägerin jedoch deutliche Hinweise auf
das Vorliegen einer connatalen Cytomegalie. Dies ausdrücklich inklusive der im weiteren Verlauf auftretenden Hör- und Gleichgewichtsstörung
einschließlich deren Verschlechterung. Ferner spreche gerade der progrediente Verlauf gegen einen Impfschaden. Aufgrund des
progredienten Verlaufs ist auch zur Überzeugung des Senats, wie bereits des SG, die erforderliche Wahrscheinlichkeit im oben genannten Sinn nicht gegeben. Aufgrund der gesamten Feststellungen ist bei
der Klägerin ferner zur Überzeugung des Senats eine connatale Cytomegalie im Vollbeweis nachgewiesen. Diese stellt mit weit
überwiegender Wahrscheinlichkeit die maßgebliche Ursache für den Eintritt und den Verlauf der gegenständlichen Gesundheitsstörungen
der Klägerin dar.
Ein Anspruch der Klägerin kann ferner nicht auf die Vorgaben zur sog. "Kann-Versorgung" gestützt werden, § 61 Satz 2, 3 IfSG. Kann eine Aussage zu einem (hinreichend) wahrscheinlichen Zusammenhang nur deshalb nicht getroffen werden, weil über die
Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kommt die sogenannte Kann-Versorgung
gemäß § 61 Satz 2 IfSG in Betracht. Von Ungewissheit ist dann auszugehen, wenn es keine einheitlichen, sondern verschiedene ärztliche Lehrmeinungen
gibt, wobei nach der Rechtsprechung des BSG von der Beurteilung auf dem Boden der "Schulmedizin" (gemeint ist damit der allgemein anerkannte Stand der medizinischen
Wissenschaft) auszugehen ist (BSG, Urteil vom 27.08.1998, B 9 VJ 2/97 R, juris). Aber auch bei der Kann-Versorgung reicht allein die Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs oder die Nichtausschließbarkeit
des Ursachenzusammenhangs nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die (hinreichende)
Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs positiv vertritt; das BSG spricht hier auch von der "guten Möglichkeit" eines Zusammenhangs (BSG, Urteil vom 12.12.1995, 9 RV 17/94, juris; BSG, Urteil vom 17.07.2009, B 9/9a VS 5/06, juris). In einem solchen Fall liegt eine Schädigungsfolge dann vor, wenn bei Zugrundelegung
der wenigstens einen wissenschaftlichen Lehrmeinung nach deren Kriterien die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs
nachgewiesen ist. Existiert eine solche Meinung überhaupt nicht, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge
einer Ungewissheit; denn alle Meinungen stimmen dann darin überein, dass ein Zusammenhang nicht hergestellt werden kann (vgl.
nur BayLSG, Urteil vom 11.07.2018, L 20 VJ 7/15, juris Rn. 83 m.w.N.; BayLSG, Urteil vom 26.03.2019, L 15 VJ 9/16, juris Rn. 76 m.w.N.). Unter Heranziehung dieses Maßstabes kommt nach den vorstehenden Ausführungen ein Anspruch der Klägerin
auch im Wege der Kann-Versorgung nicht in Betracht. Dies ergibt sich auch daraus, dass ein Anspruch bereits am Vollbeweis
einer Primärschädigung scheitert.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, vgl. §
160 Abs.
2 SGG.