Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen
Verfahren; Kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe nach dem Tod der antragstellenden Partei
1. Gegen die Bewilligung der PKH findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem
Vermögen zu zahlende Beiträge festgesetzt worden sind.
2. PKH soll der Partei, die die Prozesskosten aus eigenen Mitteln nicht bestreiten kann, die Prozessführung ermöglichen; dieser
mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Zweck kann nach dem Tod der bedürftigen Partei nicht mehr erreicht werden.
3. Das hat zur Folge, dass für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach deren Tod kein Raum mehr ist.
4. Es ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Rechtsanwalt, der die PKH begehrende Partei vertritt, einen Vergütungsanspruch
gegen die Staatskasse zu verschaffen.
5. Deshalb erledigt sich mit dem Tod eines Antragstellers das bisherige Bewilligungsverfahren; denn maßgebend für die Bewilligung
ist stets, ob ein Antragsteller der Hilfe - noch - aktuell bedarf.
Gründe
I.
In dem am Sozialgericht Augsburg (SG) anhängig gewesenen Rechtsstreit der am 07.11.2014 verstorbenen Klägerin und hiesigen Beschwerdegegnerin ist zwischen den
Parteien die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne von §§
2 Abs.
2,
69 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX) sowie das Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung im Sinne von §
146 Abs.
1 SGB IX streitig gewesen. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) hat mit Bescheid vom 13.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 06.08.2014 festgestellt, dass unverändert ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 befundangemessen sei. Das Merkzeichen
"G" stehe nicht zu. Der Bevollmächtigte der Beschwerdegegnerin hat mit Klage vom 22.08.2014 auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
(PKH) beantragt und aussagekräftige Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdegegnerin
beigefügt. Diese Unterlagen sind nicht zur PKH-Beiakte genommen worden, sondern in der Hauptakte verblieben. Der Bevollmächtigte
der Beschwerdegegnerin hat nach wegen hoher Arbeitsbelastung bewilligter Fristverlängerung die Klage mit Schriftsatz vom 17.11.2014
begründet. Nachfolgend hat das SG mit Beschluss vom 21.11.2014 PKH ohne Ratenzahlung bewilligt und den Bevollmächtigten beigeordnet. Sowohl dem Bevollmächtigten
der Beschwerdegegnerin als auch dem SG ist bei Fertigung der Klagebegründung vom 17.11.2014 bzw. bei Erlass des Beschlusses vom 21.11.2014 nicht bekannt gewesen,
dass die Beschwerdegegnerin kurz zuvor am 07.11.2014 verstorben ist. Der Beschwerdeführer (Vertreter der Staatskasse) hat
gegen den PKH-Bewilligungsbeschluss vom 21.11.2014 am 11.12.2014 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, die Erklärung über
die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 22.08.2014 sei nicht ausreichend ausgefüllt. Es seien keinerlei Angaben
zu Einkommen, Vermögen und etwaig abzusetzenden Belastungen gemacht worden. Zu berücksichtigende Belege (Kontoauszüge, Mietvertrag
etc.) seien nicht vorgelegt worden. Die Erklärung könne daher nicht als zuverlässige Grundlage für den PKH-Bewilligungsbeschluss
dienen. Der Bevollmächtigte der verstorbenen Beschwerdegegnerin hat mit Schriftsatz vom 19.01.2015 hervorgehoben, dass entsprechende
Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht getätigt worden seien, weil alle erforderlichen Berechnungsunterlagen
dem Bescheid des Landratsamtes Oberallgäu/Sozialamt zu entnehmen gewesen seien. Nach Beiziehung der erstinstanzlichen Unterlagen
wird beiden Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Beschwerdeführer hebt mit Schriftsatz vom 27.02.2015 hervor,
hier hätte die für eine Verstorbene zu Unrecht bewilligte Prozesskostenhilfe einzig den Zweck, dem beigeordneten Rechtsanwalt
eine Vergütung zu verschaffen. Nach dem Tod der Klägerin hätte PKH nicht mehr bewilligt werden dürfen. Der Bevollmächtigte
der verstorbenen Beschwerdegegnerin erwidert mit Schreiben vom 06.03.2015, in dem vorliegenden Verfahren sei PKH bereits mit
Klageerhebung am 22.08.2014 beantragt und durch das SG mit Beschluss vom 21.11.2014 auch bewilligt worden. Verstorben sei die Klägerin am 07.11.2014, also nach Beantragung der
Prozesskostenhilfe, was mit Klageerhebung erfolgt sei. Die vom Bezirksrevisor zitierte Rechtsprechung sei daher nicht unmittelbar
übertragbar.
II.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdefrist des §
73a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Verbindung mit §
127 Abs.
3 Zivilprozessordnung (
ZPO) eingehalten. Gegen die Bewilligung der PKH findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten
noch aus dem Vermögen zu zahlende Beiträge festgesetzt worden sind (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19.03.2003
- L 18 B 205/02 SB PKH -; [...], SGb 2003, 522). Der Beschwerdeführer hat auch Anlass gehabt, mit Schriftsatz vom 11.12.2014 Beschwerde gegen den PKH-Bewilligungsbeschluss
des SG vom 21.11.2014 zu erheben. Denn die Prozesskostenhilfebeiakte des SG ist dürftig gewesen. Der Beschwerdeführer, dem der Tod der Beschwerdegegnerin am 07.11.2014 zu diesem Zeitpunkt ebenfalls
unbekannt gewesen ist, hat nicht erkennen können, dass aussagekräftige Unterlagen zu den persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen in der Hauptakte des SG verblieben sind. Die Beschwerde des Beschwerdeführers erweist sich daher nicht aus den von ihm vorgetragenen Gründen als
begründet, sondern aus den nachstehenden: Gemäß §
73a SGG i.V.m. §
114 Satz 1
ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur
zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Auch wenn weder dem Bevollmächtigten der zwischenzeitlich
verstorbenen Beschwerdegegnerin bei Fertigung der Klagebegründung vom 17.11.2014 noch dem SG bei Erlass des PKH-Bewilligungsbeschlusses vom 21.11.2014 das Ableben der Beschwerdegegnerin am 07.11.2014 bekannt gewesen
ist, kommt eine Bewilligung von PKH nicht mehr in Betracht. PKH soll der Partei, die die Prozesskosten aus eigenen Mitteln
nicht bestreiten kann, die Prozessführung ermöglichen. Dieser mit der gesetzlichen Regelung verfolgte Zweck kann nach dem
Tod der bedürftigen Partei nicht mehr erreicht werden. Das hat zur Folge, dass für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
nach deren Tod kein Raum mehr ist. Es ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Rechtsanwalt, der die PKH begehrende Partei
vertritt, einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom
30.03.2004 - 12 CE 03.2604 -; [...] mit umfassenden Hinweisen auf die entsprechende zivilgerichtliche, verwaltungsgerichtliche
und finanzgerichtliche Rechtsprechung). Deshalb erledigt sich mit dem Tod eines Antragstellers das bisherige Bewilligungsverfahren.
Denn maßgebend für die Beiwilligung ist stets, ob ein Antragsteller der Hilfe - noch - aktuell bedarf (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
a.a.O. mit Hinweis auf Peter Schmidt in Eyermann,
VwGO, 11. Auflage, Rdnr. 41 zu §
166). Über die Beschwerde konnte trotz des Ablebens der Klägerin und hiesigen Beschwerdegegnerin entschieden werden. Die Verstorbene
war anwaltlich vertreten. Die ihrem Bevollmächtigten erteilte Vollmacht besteht gemäß §
73 Abs.
2 Satz 1
SGG in Verbindung mit §
86 ZPO über den Tod hinaus fort. Nach §
202 SGG in Verbindung mit §
246 Abs.
1 Satz 1
ZPO ist das Verfahren infolge der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten nicht schon kraft Gesetzes (vgl. §
239 ZPO) unterbrochen. Der Bevollmächtigte hat auch nicht nach §
246 Abs.
1 Satz 1 Halbsatz 2
ZPO die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Nach alledem ist der Beschwerde des Beschwerdeführers vom 11.12.2014 stattzugeben
und der Beschluss des SG vom 21.11.2014 aufzuheben gewesen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
73a SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist nicht anfechtbar (§§
177,
183 SGG).