Nachforderung von Beiträgen zu allen Zweigen der Sozialversicherung und einer Insolvenzgeldumlage
Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag
Ausschluss einer Weisungsabhängigkeit
Gründe:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die Beklagte für die Beigeladenen zu 3) - 5) für den Zeitraum vom 1.
Januar 2012 bis 31. Dezember 2015 Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung sowie die Insolvenzgeldumlage in einer
Gesamthöhe von 124.306,21 EUR nachgefordert hat.
Die klägerische GmbH betreibt im Ortsteil P von B S eine Kfz-Werkstatt, die mit Kraftfahrzeugersatzteilen handelt sowie Kraftfahrzeuge
vermietet. Die GmbH wurde am 22. Dezember 2008 gegründet und am 16. März 2009 in das Handelsregister eingetragen. Die Beigeladenen
zu 3) - 5) sind Gesellschafter und in der Gründungsurkunde jeweils zu Geschäftsführern mit Einzelvertretungsmacht bestellt.
Sie sind von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit. Die drei Gesellschafter-Geschäftsführer halten von dem Stammkapital i.H.v. 25.000 EUR Kapitalanteile in Höhe von
jeweils 8.333 EUR (Beigeladener zu 3) und 5) bzw. im Fall des Beigeladenen zu 4) in Höhe von 8.334 EUR. Gemäß dem Gesellschaftsvertrag
kamen in dem hier maßgeblichen Zeitraum die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen
Stimmen zustande, sofern nicht gesetzlich oder im Gesellschaftsvertrag eine höhere Mehrheit vorgeschrieben war. Je 1 EUR des
Stammkapitals gewährte eine Stimme, bei Stimmengleichheit (Pattsituation) galt der Beschluss als nicht angenommen (§ 7 Abs.
3 des Gesellschaftsvertrags). Die Gesellschafterversammlung war beschlussfähig, wenn mehr als 50 % des Stammkapitals vertreten
waren. Lag danach eine Beschlussfähigkeit nicht vor, war unverzüglich eine neue Gesellschafterversammlung mit der gleichen
Tagesordnung einzuberufen, diese war dann ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Stammkapitals beschlussfähig (§ 7 Abs.
7 Satz 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags). Gemäß § 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrags ergeben sich die Rechte und Pflichten
der Geschäftsführer aus dem Gesetz, dem Anstellungsvertrag und den von den Gesellschaftern gegebenen Weisungen. Gemäß Gesellschafterbeschluss
vom 18. Dezember 2009 sollte eine Abberufung eines Gesellschafters nach dem 31. Dezember 2009 nur aus wichtigem Grund zulässig
sein. Am 14. März 2011 fasste die Gesellschafterversammlung einen formlosen Beschluss, wonach die Gesellschafter vereinbarten,
dass sie alle Angelegenheiten und Entscheidung der Geschäftsführung nur einstimmig und im gegenseitigen Einvernehmen beschlössen.
Sei auch nur einer mit einer Entscheidung/Maßnahme nicht einverstanden, seien die übrigen Gesellschafter verpflichtet, gegen
den Beschluss zu stimmen. Der Beschluss könne nur bei Einstimmigkeit umgesetzt werden. Am 28. September 2017 änderten die
Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag und vereinbarten in § 7 desselben, dass Beschlüsse im Zusammenhang mit der Geschäftsführung
einstimmig zu fassen seien. Die Änderung wurde am 9. Oktober 2017 in das Handelsregister eingetragen.
Der Beigeladene zu 3) ist Betriebsleiter, der Beigeladene zu 4) ist Werkstattmeister und der Beigeladene zu 5) ist als Lackierer
in dem Unternehmen tätig. Die Klägerin schloss mit allen drei Geschäftsführern einen gleichlautenden Formular- "Arbeitsvertrag
für gewerbliche Arbeitnehmer" mit Wirkung vom 1. Januar 2009. Alle Drei wurden darin als Geschäftsführer angestellt, jeweils
noch mit dem Zusatz ihres Tätigkeitsbereiches (Lackierer, Betriebsleiter, Meister). Die Arbeitsverträge wurden unbefristet
geschlossen, vereinbart wurde jeweils ein Monatslohn i.H.v. 1.350 EUR, zahlbar am Monatsende. Als Arbeitszeit wurden 40 Stunden
wöchentlich vereinbart. Die "Arbeitnehmer" erhielten pro Kalenderjahr insgesamt 24 Arbeitstage Urlaub. Die Gesellschaft verpflichtete
sich, einen Arbeitgeberzuschuss zu den Krankenkassenkosten der Geschäftsführer gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen
(Ziff. 10. "Sonstiges" der Arbeitsverträge). Der Beigeladene zu 3) erhielt außerdem einen firmeneigenen PKW auch zur Privatnutzung
Die Klägerin verpflichtete sich mit Gesellschafterbeschluss vom 30. November 2011 in Ergänzung des Dienstvertrages, für die
Beigeladenen zu 3) bis 5) als Bezugsberechtigte eine Rentenversicherung bei der E Lebensversicherung AG mit einem Jahresbeitrag
von 4.440 EUR abzuschließen und während der Dauer des Dienstverhältnisses der Geschäftsführer die Versicherungsbeiträge zu
zahlen. Für die monatliche Vergütung der Geschäftsführer entrichtete die Klägerin Lohnsteuer.
Die Beigeladenen zu 3) - 5) nahmen zur Finanzierung der Betriebsstätte der Klägerin bei der V- und R im Jahr 2003 ein Darlehen
i.H.v. 125.000 EUR auf. Zur Sicherheit wurde eine erstrangige Grundschuld auf einem Grundstück eingetragen. Darüber hinaus
traten die drei beigeladenen Geschäftsführer ihre Rechte und Ansprüche aus Kapital-oder Risikolebensversicherungen in Höhe
von jeweils 100.000 EUR an die Bank ab.
Den Beigeladenen zu 4) hatte die Landesversicherungsanstalt Brandenburg auf seinen Antrag hin mit Bescheid vom 29. März 1999
ab dem 1. September 1997 von der Versicherungspflicht nach §
2 Nr. 8
SGB VI befreit, da er mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt habe. Die Befreiung von der Versicherungspflicht sei auf
die selbstständige Tätigkeit beschränkt.
Anlässlich einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2011 ergaben sich aus der stichprobenweise
durchgeführten Prüfung keine Feststellungen im Zusammenhang mit der Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages, insbesondere
keine Beitragsnachforderung (Prüfmitteilung der Beklagten vom 26. April 2012). Auch eine weitere Betriebsprüfung, durchgeführt
in der Zeit vom 6. September 2016 bis zum 28. Dezember 2016 für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2015,
führte zu keinen Feststellungen hinsichtlich des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Die Prüfmitteilung vom 29. Dezember 2016
enthielt allerdings den Hinweis, hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung der geschäftsführenden Gesellschafter
erhalte die Klägerin gesondert Nachricht. Nach Anhörung teilte die Beklagte mit Bescheid vom 14. September 2017 der Klägerin
mit, dass aufgrund der Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 die vorgenommene sozialversicherungsrechtliche
Beurteilung ergeben habe, dass die drei Geschäftsführer ihre Tätigkeit bei der Klägerin (seit dem 1. Januar 2009) im Rahmen
eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hätten. Es bestehe deshalb im Prüfzeitraum Versicherungspflicht in allen
Zweigen der Sozialversicherung. Die Nachforderung betrage insgesamt 124.306,21 EUR.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2018 zurück. Mit der am 1. Februar
2018 erhobenen Klage zum Sozialgericht Frankfurt/Oder hat die Beklagte ihr Begehren weiterverfolgt. Die GmbH sei aus einer
zuvor zwischen den Gesellschaftern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts hervorgegangen. Die Gründung und die abgeschlossenen
Arbeitsverträge seien auf Anraten des damaligen Steuerberaters und zur Minimierung von Haftungsrisiken 2009 erfolgt. Es herrsche
eine gelebte Gleichberechtigung zwischen den drei Gesellschafter-Geschäftsführern, die in dem Gesellschafterbeschluss vom
14. März 2011 zum Ausdruck komme. Im Ergebnis dieses Beschlusses könne jeder Gesellschafter-Geschäftsführer jegliche Entscheidung
und/oder Maßnahme mit Bezug auf die Geschäftsführung blockieren bzw. verhindern. Das gelte vor allem auch für nicht genehme
bzw. nachteilige Beschlüsse im Hinblick auf das jeweilige Dienstverhältnis. Das Einstimmigkeitserfordernis werde unter den
Dreien seit dem Jahre 1997 und damit seit über 20 Jahren immer gewahrt. Sie zahlten sich auf Anraten ihres damaligen Steuerberaters
monatlich einen Betrag von 1.600 EUR brutto aus, allerdings erfolge dies ausschließlich aus steuerlichen Gründen, um sich
nicht dem Vorwurf einer verdeckten Gewinnausschüttung auszusetzen. Das unternehmerische Risiko bestehe gleichwohl in Gestalt
des Lohnausfallrisikos. In Zeiten fehlender Liquidität der Gesellschaft sei auch vorübergehend auf die Lohnzahlung ganz verzichtet
worden.
Mit Urteil vom 23. Oktober 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beigeladenen zu 3) - 5) seien im Streitzeitraum
als Geschäftsführer bei der Klägerin abhängig beschäftigt und damit versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung
gewesen. Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliege, richte sich bei Geschäftsführern einer GmbH in erster Linie danach, ob
der jeweilige Geschäftsführer nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht
genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen könne, die sein Arbeitsverhältnis beträfen. Entscheidend sei hierfür
eine Beteiligung am Gesellschaftskapital. Selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer müssten deshalb über ein Mindestkapital
von 50 vom Hundert oder eine "echte", die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität verfügen. Außerhalb des
Gesellschaftsvertrags zustande gekommene, sich auf die Stimmverteilung auswirkende Abreden, seien demgegenüber für die sozialversicherungsrechtliche
Statusbeurteilung ohne Bedeutung. Gemessen daran seien die Beigeladenen zu 3) - 5) im streitgegenständlichen Zeitraum abhängig
beschäftigt gewesen. Sie verfügten seit Abschluss des Gesellschaftsvertrags lediglich jeweils über 33 vom Hundert der Gesellschaftsanteile,
während der Gesellschaftsvertrag für eine Beschlussfassung grundsätzlich die einfache Mehrheit vorsehe. Eine Sperrminorität
sei keinem der Gesellschafter eingeräumt worden. Aus der Übernahme von Bürgschaften für die Klägerin ergebe sich im Übrigen
keine unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten bestehende Vergleichbarkeit mit einem beherrschenden
Gesellschafter-Geschäftsführer (BSG, Urteil vom 19. September 2019 - B 12 R 25/18 R Rn. 16). Dies werde bestätigt durch die die Geschäftsführertätigkeit bestimmende Ausgestaltung in den Geschäftsführerverträgen.
Die im Wesentlichen gleichlautenden Formularverträge enthielten typische Regelungen eines Arbeitsvertrags. So hätten die Geschäftsführer
unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens u.a. einen Anspruch auf eine monatlich feste Vergütung, auf Zahlung
eines Zuschusses zu den Kosten der Krankenversicherung sowie einen Urlaubsanspruch. Daran ändere allein eine jeweils weitreichende
Entscheidungsbefugnis nichts. Dies gelte auch in Anbetracht des am 14. März 2011 gefassten Gesellschafterbeschlusses, der
das Prinzip der Einstimmigkeit aller Entscheidungen festlege. Die für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit notwendige
Rechtsmacht, die den Gesellschafter-Geschäftsführer in die Lage versetze, die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen oder
zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern zu können, müsse gesellschaftsrechtlich eingeräumt
sein. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (der Satzung) bestehende wirtschaftliche Verflechtungen, Stimmbindungsabreden oder
Veto-Rechte zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern oder der GmbH seien nicht zu berücksichtigen.
Diese könnten die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher
Wirkung verschieben. Unabhängig von ihrer Kündbarkeit genüge eine das Stimmverhalten regelnde Vereinbarung nicht dem Grundsatz
der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände. Im Interesse sowohl der Versicherten als auch
der Versicherungsträger sei die Frage der Versicherungspflicht wegen Selbstständigkeit oder abhängiger Beschäftigung schon
zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil es darauf nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten
der Sozialversicherungsträger und die Leistungsansprüche des jeweiligen Betroffenen ankomme. Das Prinzip der Einstimmigkeit
im Fall der Klägerin sei lediglich durch einen Gesellschafterbeschluss vereinbart und nicht in der Satzung verankert worden.
Daher sei die entsprechende Stimmbindungsabrede sozialversicherungsrechtlich unbeachtlich. Soweit die Klägerin vortrage, die
insoweit gefestigte Rechtsprechung des BSG lasse sich auf eine GmbH mit drei gleichberechtigten Gesellschaftern nicht übertragen, gehe sie fehl. Entscheidend sei nicht
die Zahl der an der Stimmbindungsabrede beteiligten Gesellschafter, sondern deren formwirksame Festschreibung im Gesellschaftsvertrag.
Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die vorangegangenen Betriebsprüfungen keine Beanstandungen ergeben
hätten. Diesen komme für die Vergangenheit schon deshalb keine Entlastungswirkung zu, weil sie nicht umfassend oder erschöpfend
hätten sein müssen und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränkten. Eine materielle Bindungswirkung aufgrund
der Betriebsprüfung könne sich nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und Beitragspflicht sowie Beitragshöhe im Rahmen der
Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt worden seien. Einer pauschal
gehaltenen Prüfmitteilung wie hier derjenigen vom 6. April 2012, nach welcher die durchgeführte Betriebsprüfung ohne Beanstandung
geblieben sei, komme nach dem objektiven Empfängerhorizont gerade kein Regelungsgehalt zu. Ob solche nicht konkreten Prüfmitteilungen
hinter den Anforderungen des § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV i.V.m. den entsprechenden Bestimmungen der Beitragsverfahrensordnung zurückblieben, sei für die Frage des Vertrauensschutzes
ohne Bedeutung (BSG, Urteil vom 19. September 2019 - B 12 R 25/18 R Rn.30 ff.). Fehler hinsichtlich der Berechnung der Beiträge und Umlagen seien nicht vorgetragen und auch für die Kammer
nicht erkennbar.
Die Klägerin hat gegen das ihren Bevollmächtigten am 29. November 2019 zugestellte Urteil am 20. Dezember 2019 Berufung eingelegt.
Der am 14. März 2011 gefasste Gesellschafterbeschluss stehe der Annahme einer abhängigen Beschäftigung entgegen. Die sich
aus ihm ergebende Sperrminorität hätte nicht gegen den Willen eines einzelnen Gesellschafter-Geschäftsführers beseitigt werden
können. Stimmbindungsvereinbarungen aller Gesellschafter in Form eines Beschlusses entsprächen hinsichtlich ihrer Rechtswirkungen
einer Regelung im Gesellschaftsvertrag und nicht ausschließlich einer schuldrechtlichen Vereinbarung. Jeder zustande gekommene
Beschluss, der gegen sie verstoße, könne angefochten und damit für unwirksam erklärt werden. Dies gelte auch für eine schuldrechtliche
Stimmbindungsvereinbarung. Außerdem wirke ein solcher Beschluss gesellschaftsintern. Er binde die Gesellschafter und die Gesellschaftsorgane
und er könne nicht durch einen Gesellschafter außerordentlich gekündigt werden. Ebenso wie eine Regelung im Gesellschaftervertrag
könne er also nicht ohne weiteres aufgehoben werden. Es liege ein Rechtsgeschäft sui generis mit einer der Satzungsregelung
äquivalenten Rechtswirkung vor. Die insoweit bestehende herrschende zivilrechtliche Rechtsprechung müsse im Sinne der Einheitlichkeit
der Rechtsordnung auch von der aktuellen sozialrechtlichen Rechtsprechung zugrunde gelegt werden. Dies habe zur Folge, dass
alle drei Gesellschafter-Geschäftsführer dauerhaft alle Beschlüsse, die insbesondere mit ihrer Geschäftsführertätigkeit in
Zusammenhang stünden, hätten verhindern können, indem sie diesen nicht zustimmten. Nicht entscheidend sei, ob diese Sperrminorität
öffentlich einsehbar sei und eine der Satzung vergleichbare Publizität aufweise.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Sozialgericht Frankfurt/Oder vom 23. Oktober 2019 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 14. September
2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2018 aufzuheben,
2. festzustellen, dass die Beigeladenen zu 3) - 5) nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten-und Arbeitslosenversicherung
unterliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das BSG habe in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ausgeführt, dass außerhalb der Satzung getroffene Stimmrechtsvereinbarungen
sozialversicherungsrechtlich unbeachtlich seien. Der Gesellschafterbeschluss vom 14. März 2011 könne jederzeit durch einen
neuen Gesellschafterbeschluss mit der satzungsmäßigen einfachen Mehrheit aufgehoben werden.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat mit Hinweisschreiben vom 26. März 2020 und vom 30. April 2020 den Beteiligten mitgeteilt, dass er beabsichtigt,
die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss als unbegründet zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten
verwiesen.
II.
A. Der Senat konnte die Berufung gemäß §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet sowie eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
hält und die Beteiligten vorher angehört worden sind.
B. Die nach §
143 SGG zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 23. Oktober 2019 ist nicht zu beanstanden.
Der Bescheid der Beklagten vom 14. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 2018 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Beklagte hat darin zu Recht Beiträge zu allen Zweigen der Sozialversicherung
sowie Beiträge zur Insolvenzgeldumlage für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2015 nach § 28p Abs. 1 Satz 5
Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (
SGB IV) nachgefordert. Die Klägerin schuldet diese Beiträge als Arbeitgeberin der Beigeladenen zu 3) bis 5). Diese sind in ihrer
Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin Beschäftigte i.S. des §
7 SGB IV in der streitigen Zeit. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung
(§
153 Abs.
2 SGG). Das Sozialgericht hat sorgfältig und detailliert unter Berücksichtigung der durch die höchstrichterliche Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze ausgeführt, dass die Voraussetzungen des §
7 Abs.
1 SGB IV für jeden der Geschäftsführer gegeben sind und die Beitragspflicht entstanden ist. Dem hat die Begründung der Berufung nichts
im Ergebnis Überzeugendes entgegen gesetzt.
Es bleibt - auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens - zu ergänzen: Eine für die Selbständigkeit jedes der Geschäftsführer
notwendige gesellschaftsvertragliche Sperrminorität, die diese berechtigt, zumindest unliebsame Weisungen für ihre Geschäftsführertätigkeit
zu verhindern, wurde nicht durch den Gesellschafterbeschluss vom 14. März 2011 begründet. Nach der mittlerweile gefestigten
Rechtsprechung des BSG, auf welche das Sozialgericht zutreffend Bezug genommen hat, muss die Sperrminorität, damit sie sozialversicherungsrechtlich
geeignet ist, eine Weisungsabhängigkeit auszuschließen, im Gesellschaftsvertrag selbst verankert sein (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 13/17 R Rn. 21/22 - juris).
Der Gesellschafterbeschluss vom 14. März 2011 ist weder nach seiner Zielrichtung noch seiner Form nach ein solcher, der den
Gesellschaftsvertrag, die Satzung der Klägerin, ändern sollte oder konnte. Gemäß § 53 Abs. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) kann eine Änderung des Gesellschaftsvertrags nur durch einen notariell beurkundeten Beschluss der Gesellschafter erfolgen
und bedarf zu seiner Wirksamkeit der Eintragung in das Handelsregister (§ 54 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 GmbHG, zu den Einzelheiten der Beurkundung, vgl. Nordholtz/Hupka, DNotZ 2018, 404 ff.). Das war hier nicht der Fall und auch nicht gewollt. Der Gesellschafterbeschluss kann auch nicht einer gesellschaftsvertraglich
verankerten Sperrminorität gleichgestellt werden. Der Beschluss war ein schuldrechtlicher Stimmbindungsvertrag und begründete
eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts (§§
705 ff
BGB), weil mit der koordinierten Ausübung der Stimmrechte ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird (BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 13/14 R -, BSGE 120, 59-69, Rn. 31). Sind Stimmbindungsverträge auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, sind sie indessen gesellschaftsrechtlich jederzeit
ordentlich kündbar (§
723 Abs.
1 Satz 1
BGB, dazu BSG, aaO, Rn. 31).
Selbst wenn eine
BGB-Innengesellschaft bis zu ihrer Kündigung alle Gesellschafter zur einstimmigen Stimmabgabe verpflichtet, führt dies sozialversicherungsrechtlich
nicht dazu, die Gesellschafter-Geschäftsführer bereits deshalb als nicht weisungsgebunden zu betrachten. Ob Gestaltungen der
Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Statusentscheidung bedeutsam sind, und - falls
ja - mit welchem Indizcharakter und welcher Gewichtung im Rahmen der insoweit zu treffenden Abwägung aller Umstände, beurteilt
sich ohne strikte "Parallelwertung" allein im vorliegend thematisch einschlägigen - sozialversicherungsrechtlichen - Kontext
des §
7 Abs.
1 SGB IV (BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14, Rn. 31). Eine unterschiedliche Bewertung von Stimmrechtsvereinbarungen im
Gesellschaftsrecht einerseits und im Sozialversicherungsrecht andererseits ist insoweit durch die verschiedenen Sachstrukturen
der jeweiligen Rechtsbereiche gerechtfertigt (BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 13/14 R -, BSGE 120, 59-69, Rn. 25). Gemessen daran hätte der überstimmte Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zwar unter Berufung auf den
Beschluss vom 14. März 2011 sein Veto-Recht verteidigen können, indem er einen ihn überstimmenden Gesellschafterbeschluss
hätte anfechten können (so BGH, Urteil vom 20. Januar 1983 - II ZR 243/81 -, Rn. 11, juris für den Fall einer schuldrechtlichen Stimmbindungsabrede zwischen allen Gesellschaftern). Allerdings hätten
die anderen Gesellschafter dem zuvorkommen können, indem sie ihrerseits anlassbezogen durch Kündigung die
BGB-Innengesellschaft aus wichtigem Grund zum Erlöschen hätten bringen können. Der BGH hat mit der Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen,
die allein gegen solche Stimmbindungsabreden verstoßen, die zwischen allen Gesellschaftern getroffen wurden, diese Abreden
gerade nicht in den Rang von gesellschaftsvertraglichen Regelungen mit allen daran geknüpften Rechtsfolgen erhoben. Er hat
lediglich bestimmt, dass in diesem Fall der Streit um die "richtige" Stimmabgabe und die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen
die schuldrechtliche Bindung mit der Gesellschaft selbst als deren Angelegenheit auszutragen ist und sich nicht auf Streitigkeiten
zwischen den Gesellschaftern beschränkt (BGH, Urteil vom 25. September 1986 - II ZR 272/85 -, Rn. 8, juris). Das spezielle sozialversicherungsrechtliche Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher
Tatbestände, wonach die Frage der Versicherungspflicht bei Beginn der Tätigkeit, jedenfalls aber zukunftsbezogen zu jeder
Zeit zu beantworten ist, schließt es aus, an solche Regelungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags anzuknüpfen. Die Anforderungen
an die Aufhebung gesellschaftsvertraglicher Regelungen sind ungleich höher als die für einfache Kündigungsrechte aus wichtigem
Grund. Außerdem sind nur gesellschaftsvertragliche Minderheitenrechte durch ihre Eintragungspflicht im Handelsregister verlässlich
erkennbar und damit auch für die Sozialversicherung einfach nachvollziehbar. Dass das Gesellschaftsrecht demgegenüber an anderen
praktischen Bedürfnissen ausgerichtet sein kann, steht dem nicht entgegen (dazu BSG Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14, Rn. 31).
Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht der (ehemaligen) Landesversicherungsanstalt Brandenburg für den Beigeladenen
zu 4) ab dem 1. September 1997 erfasste die Beschäftigung als Geschäftsführer nicht, weil sie sich auf eine selbständige Tätigkeit
beschränkte.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§
160 Abs.
2 SGG). Auch im Fall, den das BSG am 11. November 2015 entschieden hat (B 12 KR 13/14 R) hatten die beiden Gesellschafter der GmbH einen Stimmbindungsvertrag ("Einheitliche Stimmabgabe") geschlossen.