Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Altenpfleger
Entstehung der Sozialversicherungspflicht kraft Gesetzes
Tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse im Rahmen einer Tätigkeit
Tatbestand:
Im Streit ist der Sache nach die Versicherungspflicht des Klägers zu 2) im Rahmen seiner Tätigkeit als Altenpfleger für den
Kläger zu 1) ab dem 1. September 2013.
Der Kläger zu 1) betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Der 1961 geborene Kläger zu 2) ist examinierter Altenpfleger. Er
war in der Vergangenheit für verschiedene ambulante Pflegedienste tätig. Ab Mai 2011 war er zudem nach seinen (erst späteren)
Angaben bei einem Pflegedienst mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden auf der Grundlage eines Anstellungsvertrages
abhängig beschäftigt.
Am 2. September 2013 schlossen die Kläger einen "Dienstleistungsvertrag" mit
"Einsatzzeitraum vom 01.09.13 Jeweils nach Absprache/Auftrag - siehe Dienst- und Tourenplan Honorar 25 EUR/Stunde".
Vertragsbestandteil sollten die beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Klägers zu 1) sein. Auf diese wird ergänzend
verwiesen (VV Bl. 12 ff. sowie ausschnittsweise im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils).
Der Kläger zu 2) war auf der Grundlage dieses Vertrages für den Kläger zu 1) ab 1. September 2013 bis Mai 2016 in unterschiedlichem
zeitlichem Umfang tätig. Er rechnete die Vergütung jeweils monatlich ab, wobei er grundsätzlich den vereinbarten Stundensatz
von 25 EUR ansetzte, für Feiertage und Sonntage 31,25 EUR.
Neben seiner Tätigkeit für den Kläger zu 1) war der Kläger zu 2) im geringeren Umfang auch für andere Pflegedienste tätig.
Am 23. Februar 2016 stellte der Kläger zu 2) einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Im Antragsformular
beantwortete er die Frage 1.17 "Wird Ihr regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt aus der zu beurteilenden Tätigkeit und/oder weiteren
abhängigen Beschäftigungen die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze - JAG - (2016: 56.250 EUR) übersteigen?" mit "Nein".
Er beschrieb seine Tätigkeit als "freiberuflicher Altenpfleger" mit Honorarzahlung, die "nach Bedarf" erfolge. Er gestalte
seine Patientenbesuche und deren Abfolge zeitlich selbst, habe keine Dienstpläne, sondern werde bei Bedarf telefonisch beauftragt.
Beginn und Ende der Tätigkeit organisiere er selbst. Ihm stehe es frei, den Auftrag abzulehnen. Er benutze eigene Arbeitsmaterialien
wie Blutdruck- und Blutzuckermessgeräte, Handschuhe, Arbeitskleidung und Notfallverbandsmaterial. Er nutze sein eigenes Auto.
Alle Patienten wüssten, dass er ein externer Mitarbeiter sei. Der Kläger zu 1) kontrolliere seine Tätigkeit nicht. Vor Ort
beim Patienten befinde sich eine Pflegemappe, in welche er seine Tätigkeiten abzeichne. Regelmäßige Arbeitszeiten gebe es
nicht. An Dienstbesprechungen und Schulungsmaßnahmen nehme er nicht teil. Seine Fortbildungen müsse er selbst finanzieren.
Auch der Kläger zu 1) gab an, dass der Kläger zu 2) nur bei Bedarf für ihn tätig geworden sei. Die bei ihm abhängig beschäftigten
Pflegekräfte erhielten vorgeschriebene Tourenpläne mit vorgegebenen Zeiten und würden im Dienstplan zur Tätigkeit verpflichtet.
Der Lohn der festangestellten Pflegefachkräfte liege zwischen 13,50 EUR und 14,00 EUR brutto pro Stunde.
Nach vorangegangener Anhörung stellte die Beklagte gegenüber den Klägern mit Bescheid vom 12. August 2016 fest, dass die Tätigkeit
des Klägers zu 2) als Altenpfleger bei der Klägerin zu 1) seit dem 1. September 2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses
ausgeübt werde und dass in dem Beschäftigungsverhältnis Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Die Versicherungspflicht beginne am 1. September 2013. Zur Begründung führte
sie u. a. aus, Tatbestände, die die Versicherungspflicht ausschlössen oder Versicherungsfreiheit begründeten bzw. eine Befreiung
von der Versicherungspflicht ergäben sich aus den Unterlagen nicht. Die Versicherungspflicht beginne mit der Aufnahme der
Tätigkeit, weil der Statusfeststellungsantrag nicht innerhalb eines Monats nach dieser Aufnahme gestellt worden sei.
Die Widersprüche hiergegen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2016 zurück.
Hiergegen hat der Kläger zu 1) am 1. Dezember 2016 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben, der Kläger zu 2), dem der Widerspruchsbescheid am 2. Dezember 2016 übersandt worden war, am 5. Januar 2017. Das
SG hat die Verfahren verbunden.
Zur Klagebegründung haben die Kläger vorgetragen, eine abhängige Beschäftigung habe nicht vorgelegen, weil der Kläger zu 2)
nicht in die Arbeitsorganisation des Klägers zu 1) eingebunden gewesen und auch nicht weisungsgebunden gewesen sei. Er habe
eine deutlich höhere Vergütung als abhängig beschäftigte Pflegekräfte erhalten, die ihm eine ausreichende Eigenvorsorge ermöglicht
habe. Er habe ferner seine Tätigkeit eigenverantwortlich geplant und gestaltet und sei nach außen gegenüber den Patienten
als externe Pflegekraft aufgetreten. An Dienstbesprechungen oder Fortbildungen habe er nicht teilgenommen.
Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 12. Juni 2017 den Vorstand des Klägers zu 1) R und den Kläger zu 2) befragt. Auf die
Protokollniederschrift wird ergänzend verwiesen.
Das SG hat sodann mit Urteil vom selben Tag die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 12. August 2016 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 1. November 2016 sei jedenfalls hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen
Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung rechtmäßig und beschwere die Kläger nicht. Die Beklagte habe
zutreffend festgestellt, dass der Kläger zu 2) im Rahmen seiner Tätigkeit als Altenpfleger für den Kläger zu 1) im streitigen
Zeitraum vom 1. September 2013 bis Mai 2016 der Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigter unterlegen habe. Für die Zeit
danach habe sich der Bescheid nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch mit Beendigung der Tätigkeit auf andere Weise
erledigt, ohne dass es einer gesonderten Aufhebung bedürft habe. Zwar sei nach dem Dienstleistungsvertrag eine selbständige
Tätigkeit vereinbart. Dieser enthalte jedoch auch Regelungen, die uneindeutig seien bzw. für sich genommen für eine abhängige
Beschäftigung sprächen. So sei nach § 3 seiner AGB der Kläger zu 1), dem Kläger zu 2) während der vereinbarten Dienstzeiten
gegenüber weisungsbefugt gewesen, insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung der Dienstzeiten. Vorliegend sprächen die tatsächlichen
Verhältnisse jedoch weit übergehend für eine abhängige Beschäftigung und stünden insofern dem vertraglich dokumentierten Willen
der Kläger entgegen. Der angefochtene Bescheid sei allerdings möglicherweise rechtswidrig und das Urteil unzutreffend, soweit
die Beklagte das Bestehen der Versicherungspflicht des Klägers zu 2) auch in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung
festgestellt habe. Insoweit komme nämlich wegen der erst in der mündlichen Verhandlung bekannt gewordenen weiteren abhängigen
Beschäftigung des Klägers zu 2) bei einem anderen Pflegedienst eine Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Kranken- und
Pflegeversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach §
6 Abs.
1 Nr.
1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) i. V. m. §
20 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (
SGB XI) in Betracht.
Gegen diese am 21. Juni 2017 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers zu 1) vom 5. Juli 2017. Zur Berufungsbegründung
verweist der Kläger zu 1) auf die Ausführungen des SG zur möglichen Unrichtigkeit der eigenen Entscheidung. Der Kläger zu 1) habe den Kläger zu 2) zur Erteilung von Auskünften
aufgefordert. Ungeachtet dessen bestehe auch keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach
dem Recht der Arbeitsförderung. Dass die tatsächlichen Verhältnisse überwiegend für eine Abhängigkeit entgegen dem vertraglich
dokumentierten Willen der Parteien überwögen, sei unrichtig. Neben dem vom SG selbst angeführten Argument des hohen Stundensatzes spreche für eine Selbständigkeit, dass sich der Kläger grundsätzlich
frei habe entscheiden können, die Pflegeaufträge zu übernehmen. Ferne lasse sich auch der Umstand, dass er nicht an Dienstbesprechungen
und Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen und eigene Arbeitsmittel verwendet habe hierfür anführen. Dass der Kläger zu
2) in zeitlicher und örtlicher Hinsicht an die jeweils vereinbarten Einsatzzeiten und während der Einsätze zumindest weitgehend
an die von der Pflegedienstleitung zur Verfügung gestellten Einsatzpläne gebunden gewesen sei, sei nicht richtig. Tatsächlich
habe der Kläger zu 2) die Arbeitsaufträge entgegengenommen, fachlich geprüft und seine eigenen Einschätzungen zu den Einsatzzeiten
und auch zur Anzahl der Einsätze bei dem Patienten getroffen. Er habe sich insofern, wie er selbst bekundet habe, mit den
Patienten verständigt und diese zum Beispiel mehrfach aufgesucht, um zu prüfen, ob sie ihre Medikamente tatsächlich genommen
bzw. wie sie auf diese reagiert hätten. Zwischen der Pflege im stationären Bereich und im ambulanten gebe es bereits strukturelle
Unterschiede. Die im stationären Bereich vorhandene Eingliederung in die Betriebsabläufe, Schichtdienste sowie der Verwendung
von Arbeits- und Verbrauchsmittel der Einrichtung gebe es vorliegend gerade nicht.
Auf Veranlassung des Senats hat die Beigeladene zu 4), einen Versicherungsverlauf für den Kläger zu 2) ab 2013 eingereicht.
Der Kläger zu 1) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juni 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 12. August 2016 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 1. November 2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger zu 2) im Rahmen seiner Tätigkeit
für den Kläger zu 1) als Pflegefachkraft in der Zeit seit dem 1. September 2013 bis Mai 2016 nicht der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Der Kläger zu 2) hat im Erörterungstermin erklärt, in dem 2016 ausgefüllten Fragebogen habe er die Frage 1.17 nur auf die
hier zu beurteilende Tätigkeit bezogen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die mittlerweile ergangenen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. Juni 2019 zu Honorarpflegekräften in stationären Pflegeeinrichtungen. Eine vollständige Überprüfung der Versicherungspflicht
in der Kranken- und Pflegeversicherung könne sie aufgrund fehlender Unterlagen nicht vornehmen. Nach der Aktenlage verbleibe
es bei der festgestellten Versicherungspflicht.
Entscheidungsgründe:
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und
verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist §
7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV). Danach hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zu
entscheiden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Abs. 1 Nr.
1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch sowie § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch unterliegen Personen, die gegen Arbeits-entgelt
beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht
der Arbeitsförderung. Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht jeweils erforderliche Beschäftigung wird in §
7 Abs.
1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine
Beschäftigung sind nach §
7 Abs.
1 S. 2
SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine
Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit,
Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere
bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige
Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über
die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Die Zuordnung
einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus,
dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend
erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik
entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 3/17 R - Rdnr. 12 mit weit. Nachweisen). Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen
Vereinbarungen auszugehen, den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen
vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt
sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der
dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt,
der unter Umständen als Scheingeschäft im Sinne des §
117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, gegebenenfalls den Inhalt eines hierdurch verdeckten
Rechtsgeschäfts festzustellen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen
ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen
und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig
machen (BSG, a. a. O. Rdnr. 13 mit weiteren Nachweisen).
Ausgangspunkt der Prüfung sind demnach die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen.
Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der Kläger zu 1) und der Kläger zu 2) ausweislich des Dienstleistungsvertrages vom 2. September 2015 eine selbständige
Tätigkeit vereinbaren wollten. Es hat aber bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Vertrag auch Regelungen enthält,
die eher für abhängige Beschäftigung sprechen. So ist nach § 3 der AGB, die Vertragsbestandteil sind, der Kläger zu 1) dem
Kläger zu 2) gegenüber während der vereinbarten Dienstzeiten weisungsbefugt. Es besteht Weisungsbefugnis insbesondere im Hinblick
auf die Gestaltung der Dienstzeiten. Danach weist der Pflegedienst dem Kläger zu 2) auch die Patienten zu und orientiert sich
dabei an der Pflegebedürftigkeit der Patienten und an der Leistungsfähigkeit einer durchschnittlichen Pflegekraft. Nach §
4 der AGB sollte der Kläger zu 1) sämtliche Hilfsmittel, Werkzeuge und Materialien zur Verfügung stellen. Zutreffend geht
das SG davon aus, dass damit ein durchgehendes Vertragsverhältnis vereinbart wurde. Den Einzelaufträgen haben nicht zusätzlich einzelvertragliche
Regelungen zugrunde gelegt.
Entscheidend für den sozialversicherungsrechtlichen Status einer Tätigkeit ist aber, wie ausgeführt, nicht die Vereinbarung
zwischen den Beteiligten. Auch eine von den Beteiligten ausdrücklich gewollte Selbständigkeit muss vor den tatsächlichen Verhältnissen
bestehen können. Denn die Versicherungspflicht entsteht kraft Gesetzes und kann nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen
sein. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse,
welche gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - juris Rdnr. 17 und Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - juris Rdnr. 17). Von diesen Grundsätzen ist auch das SG ausgegangen und ist zu der zutreffenden Gesamtwürdigung gelangt, dass von abhängiger Beschäftigung auszugehen ist.
Für die Tätigkeit von Honorarpflegekräfte und in stationären Pflegeeinrichtungen gelten keine abweichenden Maßstäbe (vgl.
Urteil des BSG vom 7. Juni 2019 -B 12 R 8/18 R)-. Die Zulassung einer stationären Pflegeeinrichtung erfolgt durch Abschluss eines Versorgungsvertrages, der den Versorgungsauftrag
konkret bestimmt (§§
72,
73 SGB XI). Nach §
71 Abs.
2 Nr.
1 SGB XI muss bei stationären Pflegeheimen - wie nach §
71 Abs.
1 SGB XI bei ambulanten Pflegediensten - die Pflege unter ständiger Verantwortung einer Pflegefachkraft stehen. Dies bedeutet, dass
eine entsprechend qualifizierte Pflegefachkraft die Gesamtverantwortung für die pflegerische Versorgung tragen und auch wirksam
wahrnehmen können muss. Das ist der Fall, wenn die verantwortliche Pflegefachkraft die Pflegeleistungen für jeden betreuten
Pflegebedürftigen zumindest in den Grundzügen selbst festlegt, ihre Durchführung organisiert und ihre Umsetzung angemessen
kontrolliert. Notwendig ist eine Steuerung, Anleitung, Koordination und Kontrolle der Pflegeleistungen auf der Grundlage eines
in jedem Einzelfall gesondert zu erhebenden Bedarfs. Diese pflegerische Gesamtverantwortung muss von der Pflegefachkraft ständig
wahrgenommen werden. Das
SGB XI setzt einen hohen Organisationsgrad zur Qualitätssicherung voraus. Für eine nur ausnahmsweise in Betracht kommende selbstständige
Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne müssen daher gewichtige Indizien bestehen (BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 Rdnr. 26).
Dies gilt nach Auffassung des hiesigen Senats auch für Pflegetätigkeiten bei ambulanten Pflegediensten. Auch hier ist aufgrund
der regulatorischen Vorgaben im Regelfall die Eingliederung aller eingesetzten Pflegekräfte in die Organisations- und Weisungsstruktur
der Pflegedienstes gegeben (vgl. ebenso: LSG Hamburg, Urteil vom 24. September 2019 - L 3 R 14/18 - juris-Rdnr. 54 - 57). Das SG hat insoweit bereits zutreffend ausgeführt, dass der Kläger zu 2) in die betriebliche Organisation des Klägers zu 1) eingegliedert
war. Er war funktionsgerecht dienend in eine fremde Arbeitsorganisation integriert. Er pflegte ausschließlich Patienten, deren
Pflege ihm vom Kläger zu 1) angetragen worden waren. Dies erfolgte über eine entsprechende Liste, die er sich jeweils zu Beginn
der vereinbarten Dienstzeit bei dem Kläger zu 1) abholte. Der Erstkontakt der Patienten erfolgte ausschließlich über die Pflegedienstleitung
des Klägers zu 1). Auch nach außen hin gegenüber den Patienten und Kostenträgern trat alleine der Kläger zu 1) als Leistungserbringer
auf. Die gesamte Organisation, Koordinierung, Überwachung und Abrechnung der Pflegeleistungen einschließlich der Einsatzplanung
erfolgte auch für den Kläger zu 2) durch die Pflegedienstleitung des Klägers zu 1). Der Vertreter des Klägers zu 1) hat in
der mündlichen Verhandlung vor dem SG ausgeführt, dass sämtliche Pflegeleistungen - also auch die des Klägers zu 2) - durch die jeweils verantwortliche Pflegefachkraft
überwacht worden sei. Darüber hinaus war bzw. sind bei ihm externe Wundmanager tätig, die zusätzlich die Wunden inspizieren
und Wundbehandlungspläne aufstellen, die von allen Pflegekräften, also auch vom Kläger zu 2), zu beachten waren.
Für eine selbständige Tätigkeit sprechen als Indizien, dass der Kläger zu 2) nicht an Dienstbesprechungen und Fortbildungsveranstaltungen
teilnehmen musste oder teilnahm, grundsätzlich frei entscheiden konnte, ob er Pflegedienste übernehmen wolle und in gewissem
Umfang auch eigene Arbeitsmittel auf eigene Kosten einsetzte (Pkw, Blutdruckmessgerät, Blutzuckermessgerät, Teststreifen,
Verbandsmaterial, Erste-Hilfe-Set und Dienstkleidung). Einem unternehmerischen Risiko war der Kläger zu 2) allenfalls im geringen
Umfang ausgesetzt, soweit er eigene Arbeitsmittel eingesetzt hat, sich selbst fortgebildet hat und eine eigene Berufshaftpflichtversicherung
abgeschlossen hatte. Diese geringer gewichtigen Indizien sind nicht geeignet die regelhaft gegebene Eingliederung des Klägers
zu 2) in den Betrieb der Klägerin zu 1) zu entkräften.
Die Kläger können sich abschließend auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG berufen, dass ein deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
liegendes und Eigenvorsorge zulassendes vereinbartes Honorar ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ist.
Dieser Umstand ist nämlich nur einer von je nach Einzelfall vielen in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Indizien (vgl.
BSG, Urteil vom 7. Juni 2019 - B 12 R 6/18 R - Rdnr. 34; Beschluss vom 27. November 2018 - B 12 R 41/18 B -, Rdnr. 5 mit Bezugnahme auf Urteil vom 31. März 2017 - B 12 R 7/15 R - BSGE 123, 50 Rdnr. 50).
Der Kläger zu 2) war in der streitgegenständlichen Zeit versicherungspflichtig nach §
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung. Versicherungsfreiheit nach §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB V bestand nicht:
Nach §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB V sind Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach
den Absätzen 6 oder 7 übersteigt. Ist §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB V erfüllt, endet die Versicherungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten
wird, §
6 Abs.
4 Satz 1
SGB V. Dies gilt allerdings nicht, wenn das Entgelt die von Beginn des nächsten Kalenderjahres an geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze
nicht übersteigt (Satz 2).
Die hier allein einschlägige Jahresarbeitsentgeltgrenze aus §
6 Abs.
6 SGB V betrug im Jahr 2012 50.850 EUR, 2013 52.200 EUR, 2014 53.550 EUR, 2015 54,900 EUR sowie im Jahr 2016 56.250 EUR.
Wie sich aus den vom Senat angeforderten Unterlagen ergibt, erzielte der Kläger zu 2) zunächst nicht bereits aus den als Beschäftigungen
angemeldeten Tätigkeiten Einnahmen über diesen jeweiligen Beträgen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger zwar aus verschiedenen
abhängigen Beschäftigungsverhältnissen im Jahr 2012 ausweislich des Versicherungsnachweises der Beigeladenen zu 4) 37.290
EUR versicherungspflichtige Einnahmen gehabt, im Jahr 2013 35.967 EUR, im Jahr 2014 37.850 EUR sowie im Jahr 2015 37.774 EUR.
Zusammen mit den Einnahmen aus der Beschäftigung beim Kläger zu 1) wären rein rechnerisch jedenfalls in den Jahren 2014 und
2015 die Jahresentgeltgrenzen von 53.550 EUR (2014) bzw. 54.900 EUR (2015) überschritten. Von der vom Gesetz geforderten regelmäßigen
Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze kann hier aber nicht ausgegangen werden, auch wenn die Einnahmen des Klägers
zu 2) aus seiner Beschäftigung bei der Klägerin zu 1) zusätzlich berücksichtigt werden: Bei einer Schätzung des Jahresarbeitsentgelts
bei schwankenden Bezügen kann nur dann auf Versicherungsfreiheit im Sinne des §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB V erkannt werden, wenn trotz der zu erwartenden Einkommensschwankungen mit Sicherheit zu erwarten ist, dass die Jahresarbeitsentgeltgrenze
überschritten wird. Die Schätzung bleibt, unabhängig davon, zu welchem versicherungsrechtlichen Ergebnis sie geführt hat,
für die Vergangenheit auch dann maßgebend, wenn sie sich nachträglich infolge nicht voraussehbarer Umstände im Einzelfall
als nicht zutreffend erweist (vgl. Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB, 01/20, §
6 SGB V Rdnr. 35 a). Dies setzt voraus, dass im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung bei Beschäftigungsbeginn davon auszugehen
ist, dass der Beschäftigte einen Anspruch auf die Einnahmen hat und sie ihm mit hinreichender Sicherheit zufließen werden
(LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Januar 2016 - L 5 KR 2070/15 juris Rdnr. 32f mit Bezugnahme auf juris PK-SGB V/Felix § 6 Rdnr. 17). Der Kläger zu 2) hatte während der gesamten Zeit des
Einsatzes für den Kläger zu 1) keinen Anspruch auf ein Arbeitsentgelt in einer bestimmten Höhe. Er sollte immer nur bei Bedarf
auf Abruf tätig sein. Dies galt nicht nur zu Beginn der Beauftragungen, sondern während des gesamten Zeitraumes. Der Kläger
hatte nie ein Recht auf weitere Aufträge. Von der erforderlichen Regelmäßigkeit im Sinne des §
6 Abs.
1 Nr.
1 SGB V kann deshalb nicht ausgegangen werden. Dass im Nachhinein ersichtlich ist, dass er rein faktisch regelmäßig beauftragt wurde,
ist sowohl rechtlich unbeachtlich als auch aufgrund der maßgeblichen ex ante-Sichtweise. Dass retrospektiv betrachtet - wie
hier - eine Überschreitung festgestellt werden kann, ist danach unmaßgeblich.
Erweist sich der streitgegenständliche Bescheid danach als rechtmäßig, scheidet die begehrte Feststellung der fehlenden Versicherungspflicht
per se aus.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.