Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Elterngeld trotz Versäumung der Antragsfrist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) in der nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BEEG hier noch anwendbaren, bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung vom 15. Februar 2013 (BGBl. I 254), hilfsweise die Feststellung,
dass die Beklagte es rechtswidrig unterlassen habe, ihn auf einen möglichen Elterngeldanspruch hinzuweisen.
Der 1959 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in H ... Am xxxxx 2015 kam sein Sohn C. zur Welt. Der
Kläger erkannte am 20. Mai 2015 mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft an, und beide übernahmen die gemeinsame Sorge für
das Kind. Am 18. Juni 2015 stellte das Standesamt Hamburg eine Geburtsurkunde zur Beantragung von Elterngeld aus.
Erst am 6. Dezember 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate seines Sohnes.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22. Dezember 2016 ab. Nach § 7 Abs. 1 BEEG werde Elterngeld nur für die letzten drei Monate vor Beginn des Monats geleistet, in dem der erforderliche schriftliche Antrag
eingehe. Der Antrag des Klägers wirke zurück auf einen Zeitpunkt, in dem kein Elterngeld mehr zustehe.
Der Kläger legte Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass er als mit der Mutter nicht verheirateter Vater nicht gewusst
habe, dass er einen Anspruch auf Elterngeld geltend machen könne. Er sei hierauf erst anlässlich der Geburt seiner Tochter
(am xxxxx 2016) durch das Finanzamt hingewiesen worden. Dies könne ihm nicht zum Nachteil gereichen. Er habe erwartet, dass
er einen entsprechenden Hinweis vom Standesamt erhalte. Jedenfalls aber werde wohl die Information, dass er Vater geworden
sei, behördenintern weitergeleitet, sodass letztlich auch die Beklagte hätte rechtzeitig auf die Möglichkeit hinweisen können.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19. April 2018 zugestelltem Widerspruchsbescheid
vom 17. April 2018 zurück. Sie führte aus, dass die §§ 2 bis 22 BEEG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung Anwendung fänden, da der Sohn des Klägers am xxxxx 2015 und damit vor
dem 1. Juli 2015 geboren sei und verwies hierzu auf die Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 1 BEEG. Elterngeld könne daher längstens bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats bezogen werden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BEEG sei ein schriftlicher Antrag erforderlich, der bei der Elterngeldstelle am 6. Dezember 2016 eingegangen sei und damit zu
spät. Rückwirkend werde Elterngeld nur für die letzten drei Monate vor Beginn des Monats geleistet, in dem der Antrag eingegangen
sei. Dies folge aus § 7 Abs. 1 Satz 2 BEEG, und diese Ausschlussfrist gelte ohne Ausnahme. Dass der Kläger die Frist versäumt habe, habe er allein zu vertreten. Die
Elterngeldstelle werde nicht regelmäßig über jede Vaterschaft informiert. Es finde keine behördeninterne Verbreitung von Informationen
statt, da dies bereits aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zulässig sei. Es wäre Sache des Klägers gewesen, sich bei
der Elterngeldstelle zu erkundigen. Ebenso wenig könnten die nicht erfüllten Erwartungen des Klägers an das Standesamt Gegenstand
des Widerspruchsverfahrens sein.
Hiergegen hat der Kläger am 22. Mai 2018, dem Dienstag nach Pfingsten, Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und weiterhin geltend gemacht, dass er auf den Elterngeldanspruch hätte hingewiesen werden müssen. Offenbar
sei dieser in weiten Kreisen unbekannt; schließlich hätten ihn auch seine Steuer- und wirtschaftlichen Berater nicht auf diese
Möglichkeit hingewiesen. Seine nicht selbstverschuldete Unkenntnis dürfe nicht zum Erlöschen des Anspruchs führen. Die finanziellen
Auswirkungen träfen nicht nur ihn, sondern auch und vor allem die Kinder. Hilfsweise hat der Kläger die Feststellung einer
Hinweispflichtverletzung begehrt, um Schadensersatz im Wege der Amtshaftung geltend machen zu können.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat ergänzend zur Begründung im Widerspruchsbescheid darauf hingewiesen, dass sich
bereits aus der Urkunde des Standesamtes "zur Beantragung von Elterngeld" ein Hinweis auf diese Sozialleistung ergebe. Deshalb
sei auch der Feststellungsantrag unbegründet.
Hierauf hat der Kläger erwidert, dass auch "versteckte Hinweise auf irgendwelchen Urkunden" kaum ausreichend sein dürften,
um der behördlichen Hinweispflicht zu genügen.
Das SG hat die Klage nach diesbezüglicher Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 14. Januar 2019 als unbegründet abgewiesen,
dabei zunächst auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass dem
Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zu gewähren gewesen sei, weil er nicht ohne Verschulden gehindert gewesen sei, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei
könne dahinstehen, ob es sich bei dem Antragserfordernis nach § 7 BEEG um eine "gesetzliche Frist" im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB X handle. Denn nach dem Publizitätsgrundsatz gölten jedem Bürger gesetzliche Bestimmungen nach ihrer Verkündung im Gesetz-
und Verordnungsblatt als bekannt gegeben (Hinweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. Juli 2004 - B 7 SF 1/03 R, SozR 4-1200 § 14 Nr. 5; BSG, Urteil vom 16. März 2016 - B 9 V 6/15 R, SozR 4-3100 § 60 Nr. 7). Darüber hinaus bestünden im Sozialrecht für den Bürger vielfältige Möglichkeiten, sich über seine
sozialen Rechte zu informieren wie z.B. nach den §§
13 bis
15 des
Ersten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB I). Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht, denn von dem Kläger werde nichts Unzumutbares verlangt, sich über seine
Rechte und Ansprüche zu erkundigen. Unter Anwendung äußerster Sorgfalt wäre es dem Kläger daher zumutbar gewesen, jedenfalls
vorsorglich bei dem die Geburtsurkunde zur Beantragung von Elterngeld ausstellenden Standesamt nachzufragen, was es damit
genau auf sich habe, oder sich an eine Beratungsstelle zu wenden. Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der Beklagten, wie eine
falsche oder irreführende Auskunft oder ein anderes rechts- oder treuwidriges Verhalten der Beklagten, welches ausnahmsweise
den Grundsatz der formellen Publizität aufheben könne (Hinweis auf BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 - B 7 SF 1/03 R, a.a.O.), seien nicht ersichtlich. Ergänzend werde ausgeführt, dass dem Kläger auch kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
zustehe, kraft dessen der Kläger so gestellt werde, als habe er den Antrag rechtzeitig gestellt. Der von der Rechtsprechung
des BSG ergänzend zu den vorhandenen Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch
greife ein, wenn ein Leistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis obliegenden Haupt- oder
Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt
habe und diese Rechtsfolgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden könnten (Hinweis auf st.Rspr.,
u.a. BSG, Urteil vom 26. April 2005 - B 5 RJ 6/04 R, SozR 4-2600 § 4 Nr. 2; BSG, Urteil vom 16. März 2016 - B 9 V 6/15 R, a.a.O.). Demgemäß sei ein Herstellungsanspruch bejaht worden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt seien: (1) Vorliegen
einer Pflichtverletzung, die sich der Sozialleistungsträger im Verhältnis zum Berechtigten zurechnen lassen müsse, (2) Eintritt
eines rechtlichen Schadens beim Berechtigten, (3) Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt
und (4) Möglichkeit der Herstellung des Zustands, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre (Hinweis auf st.Rspr., u.a.
BSG, Urteil vom 26. April 2005 - B 5 RJ 6/04 R, a.a.O.; BSG, Urteil vom 26. Januar 2000 - B 13 RJ 37/98 R, SozR 3-5910 § 91a Nr. 7; BSG, Urteil vom 15. August 2000 - B 9 VG 1/99 R, SozR 3-3100 § 60 Nr. 3 ; BSG, Urteil vom 1. April 2004 - B 7 AL 52/03 R, BSGE 92, 267). Vorliegend fehle es bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten. Ein Fehlverhalten - etwa die Verletzung einer Beratungspflicht
nach §
14 SGB I - könne nicht festgestellt werden. Die Beklagte sei gemäß §
12 i.V.m. §
25 SGB I Sozialleistungsträger im Sinne der Sozialgesetzbücher und daher zwar nach §
14 SGB I verpflichtet, jeden über seine Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Elterngeld zu beraten. In der Rechtsprechung
sei zudem anerkannt, dass ein Leistungsträger gehalten sei, im Rahmen einer sogenannten Spontanberatung bei Vorliegen eines
konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig
aufdrängten und von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden. Die Beklagte habe jedoch nach ihren Angaben
erstmals mit der Antragstellung vom 6. Dezember 2016 von der Geburt des Sohnes des Klägers erfahren. Selbst wenn ihr die Kenntnis
des Standesamtes über die Geburt des Kindes zuzurechnen gewesen wäre, vermöge allein dieser Umstand keine Beratungspflicht
der Beklagten auszulösen. Denn nicht in jedem Fall sei die Inanspruchnahme von Elterngeld gewünscht oder zweckmäßig. Es gebe
vielfältige Beweggründe, weshalb von einem solchen Antrag Abstand genommen werde. Die finanzielle und berufliche Situation
des Klägers, die nach den Angaben des Klägers die Inanspruchnahme von Elterngeld als offensichtlich zweckmäßig hätte erscheinen
lassen können, sei der Beklagten hingegen nicht bekannt gewesen und habe daher schon keine entsprechende Beratungspflicht
auslösen können. Eine Pflichtverletzung folge auch nicht aus §
15 SGB I, weil die Vorschrift lediglich eine Auskunftspflicht begründe und damit eine konkrete Frage erfordere, über die Auskunft
erteilt werden könne. Aus §
13 SGB I ergebe sich ebenfalls keine Hinweispflichtverletzung. Zwar sollten die Leistungsträger danach im Rahmen ihrer Zuständigkeit
die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten aufklären. §
13 SGB I gewähre indes kein subjektives Recht des Einzelnen auf Aufklärung. Die Pflicht zur Aufklärung bestehe lediglich gegenüber
der Allgemeinheit, nicht gegenüber dem Betroffenen. Aus einer unterbliebenen oder ungenügenden Aufklärung folge daher grundsätzlich
kein Herstellungsanspruch (BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 - B 7 SF 1/03 R, a.a.O.). Mit der Annahme einer Hinweispflichtverletzung verlange der Kläger letztlich, dass die Beklagte jeden Bürger gesondert
und im Einzelnen darauf hinweise, dass die Möglichkeit bestehe, Elterngeld zu beantragen. Eine solche Pflicht bestehe gerade
nicht, sondern nur bei einem konkreten Anlass. Vielmehr gölten nach dem Publizitätsgrundsatz jedem Bürger gesetzliche Bestimmungen
nach ihrer Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt als bekanntgegeben und damit auch gegenüber dem Kläger. Die hilfsweise
erhobene Feststellungsklage sei zulässig, aber unbegründet. Aus den vorgenannten Gründen könne keine Verletzung einer der
Beklagten gegenüber dem Kläger obliegenden Pflicht festgestellt werden.
Gegen diesen, seinem Prozessbevollmächtigten am 23. Januar 2019 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am Montag,
dem 25. Februar 2019, eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren unter vertiefender Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen
Vortrag weiter verfolgt. Da er sich gar nicht habe vorstellen können, als nicht verheirateter Vater und erst recht als selbstständiger
Unternehmer einen Anspruch auf Elterngeld zu haben, sei es ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen, sich irgendwelche diesbezüglichen
Gedanken zu machen und sich zu informieren. Selbst wenn er auf diesen Gedanken hätte kommen müssen, wie das SG wohl unterstelle, könne von dem Inhaber eines kleinen Handwerkbetriebes kaum erwartet werden, dass er dicke Gesetzbücher
wälze, um dann mit - nicht vorhandenem - juristischen Sachverstand die für den vermeintlichen Anspruch maßgebliche Norm zu
finden, zu lesen und am Ende auch noch zu verstehen. Vor diesem Hintergrund hätte er einen Hinweis des Standesamtes anlässlich
der Anmeldung der Geburt erwartet, zum Beispiel hätte ohne großen Aufwand mit der Geburtsurkunde auch ein Hinweisblatt ausgehändigt
werden können.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Januar 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2016
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2018 aufzuheben und die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, ihm
Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat seines Sohnes C. zu gewähren, hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte
es rechtswidrig unterlassen habe, ihn auf einen möglichen Anspruch auf Elterngeld hinzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihre bisherigen Ausführungen sowie auf den mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheid des SG.
Der Senat hat über die Berufung am 29. Mai 2019 mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Sitzungsniederschrift
sowie den weiteren Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.