Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung durch chemisch-toxische Stoffe als Berufskrankheit
Haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität
Anforderungen an den Beweismaßstab
Prüfung der generellen Geeignetheit von Einwirkungen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch um die Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung durch chemisch-toxische Stoffe als
Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV).
Der 1957 geborene Kläger absolvierte vom 1. September 1980 bis 31. August 1982 eine Ausbildung zum Maler und Lackierer und
vom 1. Januar 1984 bis zum 1. September 1986 die Meisterschule. Er war in verschiedenen Tätigkeiten bei der Beklagten und
den Beigeladenen im Rahmen der Gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Eine formlose Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige
erfolgte über seinen Prozessbevollmächtigten am 18. September 2006 bei der Beklagten. Die Ermittlungen zu den Beschäftigungsverhältnissen
des Klägers ergaben folgenden Werdegang:
01.10.1979 bis 30.06.1980 Büroangestellter Fa. D. GmbH
01.09.1982 bis 31.12.1983 Maler und Lackierer (Fa. E., AX-Stadt)
01.01.1984 bis 31.07.1985 Maler und Lackierer (Fa. F. Bauelemente, H Stadt/Leiharbeit)
01.09.1986 bis 28.02.1988 Geschäftsstellenleiter technischer Gebäudeservice (Fa. G., Flughafen H-Stadt)
01.03.1988 bis 31.12.1989 Technischer Angestellter (Fa. J., J-Stadt)
01.02.1990 bis 16.03.1995 selbständiger Malermeister
27.12.1995 bis 31.03.2001 Bereichsleiter Bauabteilung (Z. A., D-Stadt)
01.04.2001 bis 28.02.2004 Niederlassungsleiter (Fa. K., später KX. GmbH & Co. KG, K Stadt)
01.03.2005 bis 30.06.2005 Außendienstmitarbeiter Fa. L. Systempasten GmbH.
Vom 22. September 2003 bis zum 2. Februar 2004 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und im Anschluss bis 28. Februar 2005
im Arbeitslosengeldbezug. Seit September 2006 bezieht er Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Beklagte holte zunächst eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) ein, der unter dem 1. Dezember 2006
ausgeführt hat, die vom Kläger verwendeten Produkte mit ihren Inhaltstoffen seien nicht Bestandteil der BK Nr. 4301. Die Beklagte
zog sodann ein für den Rentenversicherungsträger erstattetes internistisch-pneumologisch-allergologisches Gutachten des Dr.
M. vom 3. März 2004 und die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit in Limburg
vom 24. Mai 2006 bei und holte hierzu eine arbeitsmedizinische gutachterliche Stellungnahme des Dr. N. nach Aktenlage vom
30. Mai 2007 ein.
Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juni 2007 die Anerkennung der Atemwegserkrankung als Berufskrankheit der
Nr. 4301 oder 4302 mit der Begründung ab, der Kläger sei während seiner beruflichen Tätigkeit weder Einwirkungen von allergisierenden
noch von chemisch-irritativ wirkenden Stoffen ausgesetzt gewesen.
Auf den hiergegen am 22. Juni 2007 eingelegten Widerspruch führte die Beklagte weitere Ermittlungen zu den beruflichen Belastungen
des Klägers durch. Hierauf äußerten sich die Z.-A. GmbH unter dem 3. August 2007 und die Fa. KX. GmbH & Co. KG unter dem 22.
August 2007. Die Beklagte holte sodann Stellungnahmen der technischen Aufsichtsdienste anderer Unfallversicherungsträger zu
Tätigkeiten des Klägers in der jeweils dortigen Zuständigkeit ein.
Zu der Tätigkeit des Klägers bei der D. GmbH (1. Oktober 1979 bis 30. Juni 1980) führte der Präventionsdienst der Berufsgenossenschaft
der Feinmotorik und Elektrotechnik unter dem 22. November 2007 aus, dass dort ausschließlich Büroarbeiten ohne Einwirkung
von Gefahrstoffen ausgeführt worden seien. Der Präventionsdienst der Beklagten nahm unter dem 29. November 2007 Stellung zu
einer Exposition im Sinne der BK Nr. 4302: Hier sei von einer Exposition gegenüber Lösemitteln auszugehen. Ausgehend von 30
% Tätigkeit mit Lösemittelexposition und bezogen auf die vom Kläger angegebenen prozentualen Angaben von Maler- und Lackierarbeiten
ergebe sich eine maximale Lösemittelexposition von 15 bis 21 %. Eine Lösemittelexposition unterhalb des Grenzwertes habe bei
der Verarbeitung von Alkydharzlackfarben sowie Grundanstrichstoffen pigmentiert im Handanstrich bestanden. Eine Überschreitung
des Grenzwertes habe bei der Verarbeitung der Produkte im Spritzverfahren bestanden. Spritzarbeiten seien meist an großflächigen
Teilen wie Heizkörpern, Türen und Garagentoren ausgeführt worden. Diese Arbeiten hätten im Freien ausgeführt werden können,
bei Heizkörpern auch im Raum. Üblicherweise überschreite der Anteil der Spritzlackierarbeiten 5 % bezogen auf 100 % der durchschnittlichen
Arbeitszeit nicht; für den Kläger ergebe sich damit bei einer Lösemittelexposition von 21 % maximal ca. 1 % Spritzlackierarbeiten
mit Grenzwertüberschreitung. Inwieweit eine solche Exposition ausreichend sei, die bei dem Kläger bestehende Erkrankung zu
verursachen, sei aus medizinischer Sicht abzuklären.
Der beratende Arzt der Beklagten, T., führte unter dem 3. Dezember 2007 aus, nach dem Gutachten des Dr. M. vom 3. März 2004
könne bei dem Kläger keine Atemwegserkrankung nachgewiesen werden, die den Anforderungen einer BK Nr. 4301 oder Nr. 4302 entspreche.
Nach den erhobenen Befunden habe keine obstruktive Atemwegserkrankung vorgelegen, die zum Unterlassen irgendeiner Tätigkeit
hätte zwingen können. Daher sei es ausgeschlossen, dass bereits im Jahr 2001 die Beschäftigung wegen der Atemwegserkrankung
aufgegeben worden sei.
Der TAD der damaligen Gartenbau-Berufsgenossenschaft ermittelte im persönlichen Gespräch mit dem Kläger zu dessen Tätigkeit
bei der Fa. Z. A. und führte unter dem 3. Dezember 2012 aus, dass aufgrund der Arbeitsanamnese davon auszugehen sei, dass
keine gefährdenden Tätigkeiten im Sinne einer Erkrankung nach der BK Nr. 4301 ausgeübt worden seien. Konkrete Angaben zu den
verwendeten Arbeitsstoffen habe der Kläger nicht machen können. Aufgrund der unzureichenden Angaben könne nicht beurteilt
werden, inwieweit Gefährdungen nach BK Nr. 4302 vorgelegen hätten. Der Präventionsdienst der Beigeladenen zu 2) nahm unter
dem 11. Januar 2008 zu der Tätigkeit des Klägers in der Niederlassung der Fa. O. Einkauf OX. in K-Stadt Stellung und gelangte
zu dem Ergebnis, dass insgesamt nach aktuellem Stand für die Tätigkeit in diesem Unternehmen nicht von einer Gefährdung entsprechend
der BK Nrn. 4301 bzw. 4302 auszugehen sei.
Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2008 zurückgewiesen und ausgeführt, im Jahr 2004
habe bei dem Kläger keine obstruktive Atemwegserkrankung vorgelegen, die zum Unterlassen irgendeiner Tätigkeit hätte führen
können. Nach diesem Zeitpunkt seien von ihm keine Tätigkeiten ausgeübt worden, die als gefährdend im Sinne der Berufskrankheiten
nach Nr. 4301 oder 4302 zu werten seien.
Hiergegen hat der Kläger am 15. Februar 2008 beim Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) Klage erhoben.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 20. April 2009 die damalige Gartenbau-Berufsgenossenschaft (Beigeladene zu 1) und
mit Beschluss vom 7. Mai 2010 die Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (Beigeladene zu 2) beigeladen.
Auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das Sozialgericht ein pneumologisch-internistisches Sachverständigengutachten des Prof. Dr. P., Klinik Waldhof Elgershausen,
vom 29. Oktober 2008 eingeholt. Der Sachverständige hat bei dem Kläger die Diagnose einer durch chemisch-irritativ oder toxisch
wirkende Stoffe verursachten obstruktiven Atemwegserkrankung gestellt. Hierzu hat er ausgeführt, nach naturwissenschaftlicher
Erkenntnis werde bei fehlender Anamnese eines allergischen Asthmas, wahrscheinlich vorbestehender allergischer Disposition,
fehlenden konkurrierenden Faktoren (Nikotin), dem zeitlichen Krankheitsverlauf und den aktuellen Funktionsdaten diese Erkrankung
durch die chemisch-irritative bzw. toxische Einwirkung der Arbeitsstoffe wie Löse- und Verdünnungsmittel, wasserverdünnbare
Lacke, Farbstoffe, Expoxidharze und Isozyanate im Sinne einer wesentlichen Teilursache hervorgerufen. Die hierdurch verursachte
MdE sei nach Anamnese, klinischem Befund, Lungenfunktionsanalyse mit mittelschwerer Abweichung der Obstruktion bei forcierter
Exspiration und schwergradiger bronchialer Hyperreagibilität mit 40 v. H. anzusetzen. Diese MdE gelte ab dem 24. Mai 2006,
dem Datum der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit in Limburg, in der bescheinigt
werde, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maler und Lackierer nicht mehr verrichtet werden könne.
Die Beklagte hat hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme des Arbeitsmediziners T. vom 2. Dezember 2018 vorgelegt, der
zunächst auf Widersprüche zwischen den anamnestischen Angaben des Klägers in der Begutachtung durch Dr. M. im Jahr 2004 und
in der aktuellen Begutachtung durch Prof. Dr. P. hingewiesen hat, mit denen sich der Sachverständige Prof. Dr. P. nicht auseinandergesetzt
habe. Außerdem sei der von Prof. Dr. P. festgestellte Verschlimmerungsanteil nach Ende der Exposition eingetreten und werde
dadurch belegt, dass der Sachverständige den Beginn der MdE sowie den Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit erst auf Mai 2006 und
damit 5 Jahre nach Expositionsende lege.
Prof. Dr. P. hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 22. Dezember 2008 an seiner Einschätzung festgehalten.
In einem Termin zur mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2010 hat das Sozialgericht den Kläger persönlich zu seinen Tätigkeiten
bei der Firma Z. A. sowie bei der Einkaufsgenossenschaft K. befragt.
Die Beigeladene zu 2) hat sodann ihren Präventionsdienst mit einer weiteren Stellungnahme vom 24. Mai 2011 beauftragt, worin
weiterhin für die Tätigkeit des Klägers als Niederlassungsleiter in der Einkaufsgenossenschaft K. davon ausgegangen wird,
dass dort keine relevante Exposition gegenüber atemwegsreizenden Stoffen und somit auch keine Gefährdung entsprechend einer
BK Nr. 4302 vorgelegen habe.
Mit Urteil vom 9. Dezember 2011 hat das Sozialgericht die Beigeladene zu 2) verurteilt, bei dem Kläger eine Berufskrankheit
nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur
BKV anzuerkennen und ihm Rente nach einer MdE von 40 v. H. zu gewähren. Die Beigeladene zu 2) sei insoweit als Unfallversicherungsträger
zuständig, bei dem der Kläger zuletzt gefährdet tätig gewesen ist. Zur weiteren Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt,
die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien erfüllt. In den Tätigkeiten für die Beklagte, die Beigeladene zu 1) und die Beigeladene
zu 2) sei der Kläger chemisch-irritativ wirkenden bzw. toxischen Stoffen ausgesetzt, die geeignet seien, Atemwegserkrankungen
zu verursachen und zu unterhalten. Dies gehe aus der eindeutigen Stellungnahme des TAD der Beklagten vom 29. November 2007
hervor. Da der Kläger nach seinen eigenen widerspruchsfreien Angaben und den Feststellungen der beteiligten Unfallversicherungsträger
in seiner selbständigen Tätigkeit als Maler und Lackierer dieselben Arbeiten ausgeführt habe wie in seiner Tätigkeit für die
Firma Z. A., könne hier für die arbeitstechnischen Voraussetzungen nur dasselbe gelten. Die vom 3. Dezember 2007 datierenden
Feststellungen des TAD der Beigeladenen zu 1) seien nicht überzeugend und durch die Feststellungen des TAD der Beklagten widerlegt.
Die Haupttätigkeit des Klägers in seinem eigenen Unternehmen und für die Z. A. habe in der Renovierung von Wohnungen für Wohnungsbaugesellschaften
bestanden. Bei den Maler- und insbesondere bei den Lackiererarbeiten sei er hier entsprechenden Belastungen ausgesetzt gewesen.
Weder im Text der Berufskrankheit, so wie er in der
BKV dokumentiert sei, noch in dem entsprechenden, vom BMA herausgegebenen Merkblatt zu dieser Berufskrankheit seien Grenzwerte
der Belastung genannt. Vielmehr scheine aus dem Gesamtzusammenhang dieses Merkblattes eher hervorzugehen, dass - bei ansonsten
genauer Abgrenzung konkurrierender Ursachen - jede chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Belastung grundsätzlich geeignet
sei, obstruktive Atemwegserkrankungen zu verursachen oder zu unterhalten. Im Merkblatt sei insoweit unter Ziffer IV ausgeführt,
dass "neben Intensität und Dauer der Einwirkung chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Arbeitsstoffe eine epidemiologisch-statistische
Häufung von obstruktiven Atemwegserkrankungen unter vergleichbaren Kollektiven auf eine tätigkeitsbedingte Verursachung hinweisen
kann". Es werde somit nicht auf eine relevante Grenzbelastung, sondern lediglich auf vergleichbare Berufsgruppen abgestellt.
Hierbei sei es allgemein anerkannt, dass Maler und Lackierer zu diesen relevanten Berufsgruppen gehörten. Mit seiner tatsächlich
ausgeübten Tätigkeit als Selbständiger bzw. für die Z. A. habe der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt. Aber auch in seiner
zuletzt ausgeübten Tätigkeit bei der Einkaufsgenossenschaft K. sei er relevanten chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden
Arbeitsstoffen ausgesetzt gewesen. Auch hier habe der Kläger nach seinen eigenen glaubhaften Angaben neben der Verkaufstätigkeit
häufiger Farben und Lacke anmischen müssen. Soweit der TAD der Beigeladenen zu 2) in seiner Stellungnahme vom 24. Mai 2011
zu dem Ergebnis gekommen sei, dies sei für eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage zur
BKV unerheblich, sei diese Stellungnahme unsubstantiiert. Zum einen habe sich die Beigeladene nicht näher damit beschäftigt,
wie weit der Kläger bei seiner üblichen Verkaufs- und Beratungstätigkeit von der Mischmaschine entfernt eingesetzt gewesen
sei; sie gehe hier von einer Entfernung von 2 bis 10 m aus. Zum anderen verweise der TAD auf eine seines Erachtens nicht "relevante"
Exposition. Hierfür gebe es aber eben weder im Text der Berufskrankheit noch im herausgegebenen Merkblatt einen absoluten
Grenzwert. Allein mit der pauschalen Behauptung einer nicht relevanten Exposition könne jedoch nicht der Nachweis geführt
werden, dass die tatsächliche Exposition zu gering gewesen sei. Und auch die medizinischen Voraussetzungen unter Einbeziehung
des Kausalzusammenhangs zur toxischen Belastung seien erfüllt, was sich aus dem überzeugenden und widerspruchsfreien Gutachten
des auf diesem Fachgebiet äußerst erfahrenen Sachverständigen Prof. Dr. P. ergebe. Danach bestehe der Befund einer obstruktiven
Atemwegserkrankung im Sinne einer Berufskrankheit 4302. Zwar bestehe bei dem Kläger eine gewisse allergische Disposition,
die klinische Beschwerdesymptomatik habe sich aber erst im Verlauf der Berufstätigkeit als Maler und Lackierer entwickelt.
Weitere konkurrierende Ursachen, wie bei diesen Erkrankungen häufig ein Nikotinabusus, seien nicht festgestellt. Der Sachverständige
komme deshalb folgerichtig zu dem Schluss, dass die Arbeitsstoffe zumindest eine wesentliche Teilursache im Sinne der sozialrechtlichen
Kausalitätslehre für die Entstehung der bei dem Kläger nachgewiesenen obstruktiven Atemwegserkrankung darstellten. Auch die
vom Sachverständigen hierfür festgestellte MdE sei nach den im Gutachten dokumentierten Funktionseinbußen vollinhaltlich nachvollziehbar.
Gegen dieses ihr am 5. März 2012 zugestellte Urteil hat die Beigeladene zu 2) am 22. März 2012 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht
in Darmstadt eingelegt.
Die Beigeladene zu 2) trägt vor, es bestünden erhebliche Bedenken gegen die Einschätzung des Sozialgerichts, dass die Arbeiten,
die der Kläger von 1990 bis 1995 als selbständiger Maler- und Lackierermeister, der als Hauptauftraggeber einen Rohbauer hatte,
auszuführen hatte, mit den Aufgaben eines Bereichsleiters und Kolonnenführers im Bereich Sanierung und Renovierung von Wohnungen
vergleichbar sein sollen. In jedem Fall sei der Anteil von Maler- und Lackierertätigkeiten in dieser Zeit erheblich gesunken.
Dies hätten sowohl der Sachverständige Prof. Dr. P. als auch das Sozialgericht unberücksichtigt gelassen. Zu den beruflichen
Einwirkungen und Gefährdungen in der anschließenden Tätigkeit von Juli 2001 bis 2004 bzw. Februar 2005 sei zunächst festzustellen,
dass der Kläger vom 22. September 2003 bis zum 28. Februar 2005 im Bezug von Krankengeld bzw. Arbeitslosengeld gestanden habe
und damit nicht beruflich tätig gewesen sei. Für die vorhergehende Zeit sei aus arbeitstechnischer Sicht eine gefährdende
Einwirkung im Sinne der BK Nr. 4302 nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und jeden vernünftigen Zweifel ausschließend
nachgewiesen. Im Übrigen wäre sie wohl selbst bei Anerkennung einer BK Nr. 4302 nicht der zuständige Unfallversicherungsträger.
Hinsichtlich des medizinischen Bildes sprächen Krankheitsbefund und -verlauf nachdrücklich gegen eine berufliche Ursache.
Mit der Problematik einer Hausstaubmilbenallergie ebenso wie mit den unterschiedlichen anamnestischen Angaben des Klägers
habe sich der Prof. Dr. P. nicht auseinandergesetzt. Insoweit habe der Sachverständige auch keine ausreichenden Untersuchungen
durchgeführt. Auch zur zeitlichen Korrelation des Erkrankungsbeginns ebenso wie der Verschlimmerung der Erkrankung mit den
beruflichen Einwirkungen bestehe noch dringender Klärungsbedarf. Gleiches gelte für die Frage des Unterlassungszwangs eventuell
gefährdender Tätigkeiten. Prof. Dr. P. habe seine diesbezügliche Beurteilung nicht begründet; eine Auseinandersetzung mit
möglichen präventiven Maßnahmen sei nicht ersichtlich. Das Sozialgericht habe zu den Gefährdungen zumindest ab 1996 selbst
Beurteilungen zur Dosis-Wirkungsbeziehung und letztlich auch zum Unterlassungszwang vorgenommen, ohne über ausreichende Sachkunde
zu verfügen und ohne eine sachkundige Entscheidungsgrundlage geschaffen zu haben.
Die Beigeladene zu 2) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. Dezember 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) stellen keine Anträge.
Im Berufungsverfahren hat die Beigeladene zu 2) eine Stellungnahme des Präventionsdienstes der Berufsgenossenschaft Rohstoffe
und chemische Industrie vom 8. November 2012 zu der Tätigkeit des Klägers vom 1. März 2005 bis zum 30. Juni 2005 als Außendienstmitarbeiter
vorgelegt. Danach ließen sich für diese Tätigkeit des Klägers keine Anhaltspunkte feststellen, die auf eine vorliegend relevante
Exposition hinwiesen.
Der Senat hat Arztbriefe des Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. Q. vom 24. April 1996 sowie des Internisten
und Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde R. vom 21. Januar 2008 zu den Akten genommen. Außerdem hat er die Schwerbehindertenakte
des Klägers beigezogen sowie die medizinischen Unterlagen der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Auf Anfrage des Senates hat der Kläger mitgeteilt, dass ihm Namen früherer Arbeitskollegen bei der Fa. Z. A. nicht mehr bekannt
seien. Eine diesbezügliche Anfrage bei der Fa. Z. A. ist erfolglos geblieben; die Gesellschaft wurde im Jahr 2008 aufgelöst.
Der Aufforderung des Senats, den behandelnden Hausarzt, alle behandelnden Fachärzte für Lungen- und Bronchialheilkunde sowie
die zuständige Krankenversicherung von der Schweigepflicht zu entbinden ist der Kläger auch nach erfolgter Begründung dieser
Aufforderung ausdrücklich nicht nachgekommen, da nach seiner Auffassung alle Arztunterlagen in den Akten vorlägen.
Unter dem 31. Oktober 2016 ist eine Begutachtung des Klägers von Amts wegen mit ambulanter Untersuchung durch Prof. Dr. C.,
Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, angeordnet worden. Nachdem
der Sachverständige einen Termin zur Untersuchung des Klägers für den 16. Februar 2017 mitgeteilt hat, legte der Kläger unter
dem 6. Februar 2017 eine Bescheinigung des Vitos Klinikums Weilmünster vom selben Tag vor, wonach er sich dort seit dem 2.
Februar 2017 bis auf weiteres in stationärer Behandlung befinde. Gleichzeitig hat der Kläger darauf hingewiesen, dass es aktuell
sehr fragwürdig sei, ob er sich einer solchen Untersuchung noch einmal werde stellen können. Sein Gesundheitszustand sei aktuell
äußerst bedenklich. Unter dem 9. März 2017 hat der Kläger auf Anfrage des Senates mitgeteilt, er sei zwar zwischenzeitlich
aus der stationären Behandlung entlassen, befinde sich aber in ständiger ambulanter Behandlung. Nunmehr sei eine seltene Autoimmunkrankheit
festgestellt worden, die noch weitestgehend unerforscht sei und ihn sehr stark einschränke. Er sei also körperlich nicht in
der Lage, sich einer gutachterlichen Untersuchung zu stellen. Der Senat hat den Entlassungsbericht der Vitos Klinik vom 6.
Februar 2017 angefordert. Dort ist eine Polymyalgia rheumatica diagnostiziert worden, bezüglich derer ein gutes und rasches
Ansprechen auf Corticoide berichtet wird.
Auf eine erneute Anfrage des Senats zur Wahrnehmung einer gutachterlichen Untersuchung hat der Kläger unter dem 29. März 2017
mitgeteilt, physisch und psychisch nicht in der Lage zu sein, sich einer gutachterlichen Untersuchung zu unterziehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen, wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der beigezogenen Schwerbehindertenakte des Klägers
Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Gründe
Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige (§§
143 Abs.
1,
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) Berufung der Beigeladenen, mit der sie sich gegen die Verurteilung zur Feststellung der obstruktiven Atemwegserkrankung
des Klägers als BK nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur
BKV und zur Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von 40 v. H. wendet, ist begründet. Das
Urteil des Sozialgerichts vom 9. Dezember 2011 war aufzuheben. Es ist nicht zur Überzeugung des Senates erwiesen, dass eine
Belastung des Klägers durch die Einwirkung chemisch-irritativ oder toxisch wirkender Stoffe im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten
wesentlich (mit)ursächlich für die Entstehung oder Verschlimmerung der obstruktiven Atemwegserkrankung des Klägers geworden
ist.
Nach §
9 Abs.
1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten
bezeichnet und die der Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleidet.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach
den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen
durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Zu den Berufskrankheiten zählen "durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe" (Nr. 4302) "verursachte obstruktive
Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung
oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung
einer obstruktiven Atemwegserkrankung hiernach als Berufskrankheit ist, dass der schädigende Stoff (Listenstoff) generell
geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zudem muss die vorliegende Erkrankung
im konkret-individuellen Einzelfall durch entsprechende Einwirkungen des Listenstoffes wesentlich verursacht bzw. verschlimmert
worden sein und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein. Dabei müssen
die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und
Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für
den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit
- nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 11/12 R -, juris m.w.N.). Die Prüfung der generellen Geeignetheit hat der Prüfung der Kausalität im jeweiligen Einzelfall vorauszugehen
(vgl. HLSG, Urteil vom 19. April 2004 - L 3 U 27/01 - in Juris).
Vorliegend geht der Senat vom Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung bei dem Kläger aus und es wird zu dessen Gunsten
auch unterstellt, dass er im Rahmen der von ihm ausgeübten Tätigkeiten relevanten Einwirkungen chemisch-irritativ oder toxisch
wirkender Stoffe - konkret von Lösemitteln - ausgesetzt war, die generell geeignet waren, eine obstruktive Atemwegserkrankung
zu verursachen oder zu verschlimmern. Dabei kann im Ergebnis aber offenbleiben, ob entsprechende Einwirkungen auch im Rahmen
der im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 2) liegenden Tätigkeit des Klägers bestanden bzw. im Rahmen welcher ausgeübten
Tätigkeiten relevante Einwirkungen auftraten. Denn der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen diesen Einwirkungen und der
obstruktiven Atemwegserkrankung des Klägers ist vorliegend nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.
Der entsprechende Nachweis kann durch das Gutachten des Prof. Dr. P. vom 29. Oktober 2008 und dessen ergänzende Stellungnahme
vom 22. Dezember 2008 nicht geführt werden. Der einzige objektivierbare Umstand, auf den sich der Sachverständige zur Begründung
des Vorliegens einer BK Nr. 4302 bei dem Kläger letztlich stützen kann, ist der zeitliche Faktor, dass sich eine klinische
Beschwerdesymptomatik bei dem Kläger erst im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit als Maler und Lackierer entwickelt hat. Hieraus
alleine lässt sich aber eine Verursachung der Erkrankung des Klägers durch diese Tätigkeit als wesentliche (Teil-)Ursache
nicht begründen. Der Sachverständige legt seiner Beurteilung zwar weitere Aspekte zugrunde, diese lassen sich jedoch vorliegend
nach der Aktenlage nicht bestätigen. Im Übrigen unterlässt der Sachverständige sodann die Auseinandersetzung mit Umständen,
die gegen eine berufliche Verursachung der Atemwegserkrankung des Klägers sprechen. Hierzu im Einzelnen:
Im Rahmen der Anamneseerhebung durch Prof. Dr. P. hat der Kläger angegeben, er habe im Rahmen der Tätigkeit als Maler und
Lackierer insbesondere bei Arbeiten in abgeschlossenen Räumen Hustensymptomatik und Luftnot verspürt; einmal seien diese Beschwerden
so schlimm gewesen, dass er kurz bewusstlos gewesen sei. Seit Beendigung der beruflichen Tätigkeit sei es mit Luft deutlich
besser geworden. Dies näher zu hinterfragen, hat der Sachverständige jedoch unterlassen, obwohl sich aus den aktenkundigen
Befundunterlagen der behandelnden Ärzte des Klägers insbesondere aus der Zeit der Berufsausübung vergleichbare Angaben nicht
entnehmen lassen. Gegenüber dem erstuntersuchenden Lungenfacharzt Dr. Q. hat der Kläger im Jahr 1996 zwar angegeben, es komme
zu einer Zunahme der Beschwerden in geschlossenen Räumen; einen Zusammenhang mit der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit
hat er dort aber nicht angegeben. Gegenstand dieser Untersuchung war dann auch ausschließlich eine Allergiediagnostik mit
dem Ergebnis einer Baumpollen- und Hausstaubmilbenallergie bei geringer Sensibilisierung gegen Gräser- und Getreidepollen.
Auch gegenüber dem Internisten und Kardiologen Dr. S., bei dem sich der Kläger im Herbst 2002 zweimal vorgestellt hat, hat
er nicht über eine Zunahme der Atemwegsbeschwerden im Zusammenhang mit beruflich bedingten Belastungen geklagt. In dem dortigen
Bericht vom 21. Oktober 2002 wird diesbezüglich vielmehr ausgeführt, es stehe eine zunehmende Dyspnoe im Vordergrund des Beschwerdebildes,
wobei ursächlich wohl eine allergisch bedingte asthmoide Bronchitis in Frage komme, die seit mehreren Jahren bestünde. Hierbei
stelle sich besonders im Herbst eine zunehmende Dyspnoe ein, weshalb möglicherweise von einer bisherigen Infektallergie ausgegangen
werden müsse. Im Rahmen der im Auftrag des Rentenversicherungsträgers durchgeführten internistisch-pneumologisch-allergologischen
Fachbegutachtung durch Dr. M. am 1. März 2004 hat der Kläger angegeben, es bestehe eine abendliche und nächtliche Dyspnoe
mit morgendlichem produktivem Husten, außerdem tagsüber eine Belastungsluftnot nach ca. 1 Stockwerk; Infekte führten regelmäßig
zu Atemnot. Diese Beschwerden hätten sich 1997 nach einem Erkältungsinfekt eingestellt, weshalb er damals erst- und einmalig
bei einem Lungenfacharzt gewesen sei. Auch hier machte der Kläger keinerlei Angaben über Beschwerden am Arbeitsplatz. Der
Sachverständige Prof. Dr. P. unterlässt jegliche Auseinandersetzung mit dieser Vorgeschichte und legt seiner Beurteilung ausschließlich
die im Rahmen seiner Begutachtung durch den Kläger erfolgten Angaben zugrunde, die im Widerspruch zu den Berichten der behandelnden
Ärzte stehen.
Auch die von Prof. Dr. P. unterstellte Beschwerdebesserung nach Aufgabe der belastenden Tätigkeit als Hinweis auf eine berufliche
Verursachung lässt sich aus den Berichten der behandelnden Ärzte nicht entnehmen. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt,
eine lungenfachärztliche Vorstellung in 2008 ergebe die Diagnose eines Mischbildes aus chronischer Bronchitis und Asthma bronchiale
mit zunehmender Verschlechterung in den letzten Jahren, jedoch Besserung nach Beendigung der Berufstätigkeit als Maler und
Lackierer. Dieses Zitat ist jedoch so nicht korrekt: Vielmehr heißt es in dem maßgeblichen Brief des Internisten R. vom 21.
Januar 2008 in der Anamnese u.a.: "Der Patient stellt sich vor mit einem gemischtförmigen Asthma bronchiale: bekannte Atopie
Hausstaubmilbe. In der Vorgeschichte als Maler und Lackierer zunehmende Verschlechterung in den letzten Jahren. Aktuell: Dyspnoe,
Auswurf, Reizhusten insbesondere zum Morgen." In der Beurteilung heißt es sodann: "Es findet sich derzeit ein Mischbild chron.
Bronchitis - Asthma bronchiale. Ausgehend von der Berufsanamnese sehe ich einen doch deutlichen Zusammenhang mit der Verschlechterung
der pulmonalen Situation: Der symbicort 320 TH reicht alleinig nicht aus - ich ergänze mit Spiriva 1-0-0." Aus diesem Bericht
geht damit keinesfalls die von Prof. Dr. P. angegebene Verbesserung der Beschwerdesymptomatik nach Aufgabe der Berufstätigkeit
hervor, sondern vielmehr eine weitere Verschlechterung. Gegenüber den durch den Sachverständigen Dr. M. am 1. März 2004, also
bereits nach Aufgabe der belastenden Tätigkeit, erhobenen Befunden mit einer nur leichtgradigen, völlig reversiblen zentralen
obstruktiven Ventilationsstörung, einer leichtgradigen, fast völlig reversiblen peripheren Atemwegsobstruktion und ohne Störung
des pulmonalen Gasaustauschs beschreibt der Internist R. in seinem Bricht vom Januar 2008 eine deutliche Verschlimmerung mit
der Notwendigkeit einer zusätzlichen Medikation.
Im Übrigen führt Prof. Dr. P. im Hinblick auf die aktenkundigen Vorbefunde lediglich aus, dass die vorliegenden positiven
Hauttestungen gegenüber verschiedenen Umweltallergenen eine "gewisse Disposition wahrscheinlich" machten, wofür auch der Befund
der unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität spreche, er unterlässt dann aber jegliche weiterführenden Untersuchungen
zu der Frage einer durch die behandelnden Ärzte genannten infektbedingten Verursachung der asthmatischen Erkrankung ebenso
wie zu der im Raum stehenden allergischen Verursachung. Gerade die positiven Testungen auf Hausstaubmilben in Kombination
mit einem als überwiegend abendlich und nächtlich beschriebenen Beschwerdebild mit morgendlichem Reizhusten legen dies aber
nahe.
Darüber hinaus ist Tatbestandsmerkmal der BK Nr. 4302, dass die Atemwegserkrankung zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen
hat, die für das Entstehen, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Auch
insoweit kann vorliegend die zwischen den Beteiligten streitige Frage der tatsächlichen relevanten Belastungen im Rahmen der
beruflichen Tätigkeiten des Klägers ab 1995 dahinstehen bzw. zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er auch nach 1995
noch belastet tätig war: Eine Aufgabe der belasteter Tätigkeiten ist jedenfalls ab September 2003 festzustellen. Bis zu diesem
Zeitpunkt hatte sich der Kläger lediglich einmalig im Jahre 1996 lungenfachärztlich untersuchen lasse; im Rahmen einer kardiologischen
Untersuchung im Jahr 2002 gab der Kläger eine zunehmende Dyspnoe an, wobei "wohl eine allergisch bedingte asthmoide Bronchitis
in Frage" komme und - da sich eine zunehmende Dyspnoe besonders im Herbst einstelle - möglicherweise "von einer bisherigen
Infektallergie ausgegangen werden" müsse. Im Belastungs-EKG war der Kläger altersgemäß belastbar. Das im Auftrag der gesetzlichen
Rentenversicherung erstattete Gutachten des Dr. M. von März 2004 zeigte nur geringe Befunde; eine Reha-Maßnahme wurde auf
lungenfachärztlichem Gebiet nicht für erforderlich gehalten. Der Bezug von Erwerbsminderungsrente ab dem Jahr 2006 resultiert
ausweislich der in der Schwerbehindertenakte vorhandenen ausführlichen Berichte und Gutachten und insbesondere der durch den
Rentenversicherungsträger überlassenen medizinischen Unterlagen auf einer gravierenden psychischen Erkrankung; die Lungenerkrankung
hatte hierauf keinen Einfluss. Dies übersieht im Übrigen auch der Sachverständige Prof. Dr. P., wenn er den Zeitpunkt des
Vorliegens eines Unterlassungszwangs auf gutachterliche Feststellungen zur Berentung des Klägers vom 25. April 2006 datiert.
Vor dem Hintergrund der Befundlage zum Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit kann vorliegend ein Unterlassungszwang
gerade nicht festgestellt werden. Während seiner gesamten beruflichen Tätigkeit sah sich der Kläger lediglich ein einziges
Mal, nämlich im Jahr 1996, veranlasst, einen Lungenfacharzt aufzusuchen. Weder aus dem dortigen Bericht noch aus den Berichten
anderer Ärzte während der während der Berufsausübung des Klägers bis September 2003 ergibt sich irgendein Hinweis darauf,
dass ein wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und einer bei ihm festgestellten
Lungenerkrankung bestehen könnte und es zu einer negativen Beeinflussung der Erkrankung durch die Tätigkeit gekommen ist.
Den anamnestischen Angaben des Klägers zu seinen Beschwerden ist bis zu diesem Zeitpunkt keine Relevanz von Einflüssen am
Arbeitsplatz zu entnehmen.
Weitere Ermittlungen zum Gesundheitszustand des Klägers in der Vergangenheit waren dem Senat nicht möglich und sind auch letztlich
entbehrlich, nachdem der Kläger selbst erklärt hat, es seien bereits alle relevanten medizinischen Unterlagen aktenkundig.
Nachdem der Kläger auch nach eigenem Bekunden nicht mehr in der Lage ist, sich einer erneuten Begutachtung zu unterziehen,
waren dem Senat auch insoweit weitere Ermittlungsmöglichkeiten verschlossen.
Nach alledem war das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf §
160 Abs.
2 SGG.