Beschwerde gegen die Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Regelbedarfs nach SGB II
Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II
Prüfung eines Anordnungsgrundes im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft (drohende Obdachlosigkeit/Räumungsklage)
Gründe
I.
Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf (SG), mit der dieses den Antragsgegner verpflichtet hat, den Antragstellern bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim SG anhängigen Klageverfahrens (S 18 AS 3956/13), längstens jedoch bis zum 13.06.2014 vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Am 28.05.2013 beantragten die Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Nach Kündigung der Wohnung wohnen die Antragsteller in der Wohnung des älteren Sohnes der Antragstellerin. Mit Bescheid
vom 03.07.2013 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab, weil die Antragsteller gemäß § 7 Abs. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen seien. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 05.09.2013 zurückgewiesen.
Hiergegen haben die Antragsteller Klage erhoben. Am 13.03.2014 haben die Antragsteller erneut vorläufigen Rechtsschutz beantragt,
nachdem in einem vorhergehenden Verfahren der 2. Senat des hiesigen Gerichts den Antragsgegner zu Leistungen nach dem SGB II an die Antragssteller bis zum 02.03.2014 verpflichtet hatte. Zur Begründung ihres Begehrens haben die Antragssteller vorgetragen,
sie lebten nicht mietfrei in der Wohnung des älteren Sohnes, so dass schon Mietrückstände entstanden seien.
Am 26.03.2014 nahm die Antragstellerin zu 1) eine geringfügige Beschäftigung auf.
Mit Bescheid vom 18.06.2014 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
(einschließlich Kosten der Unterkunft) für den Zeitraum vom 27.03.2014 bis zum 31.08.2014.
Mit Beschluss vom 07.07.2014 verpflichtete das SG den Antragsgegner, den Antragsstellern Leistungen nach dem SGB II ab dem 13.03.2014 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage, längstens bis zum 13.06.2014 zu gewähren.
Gegen den am 21.07.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, die
Antragsteller seien nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II bis zur Aufnahme der Beschäftigung ausgeschlossen, so dass ein Anordnungsanspruch nicht bestehe. Zudem ergebe sich aus dem
Beschluss nicht, in welcher Höhe Leistungen zu gewähren seien. Für eine Verpflichtung zur Zahlung von Kosten der Unterkunft
fehle es aber am Anordnungsgrund. Zudem berücksichtige der Beschluss den Bescheid vom 18.06.2014 nicht.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer beantragt schriftsätzlich,
den Beschluss vom 07.07.014 aufzuheben.
Die Antragssteller und Beschwerdegegner beantragen schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des
Antrags- und Beschwerdeverfahrens sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, und teilweise begründet. Der Beschluss des SG vom 07.07.2014 ist rechtswidrig, soweit der Antragsgegner verpflichtet wird, Leistungen über den 26.03.2014 hinaus zu gewähren.
Überdies ist die Beschwerde begründet, weil das SG zu Unrecht den Antragsgegner zur Übernahme der Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 13.03. bis 26.03.2014 verpflichtet.
Im Übrigen ist die Beschwerde des Antragsgegners unbegründet.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist nicht nach §
172 Abs.
3 Nr.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ausgeschlossen ist, da die in Streit stehenden Leistungen den Berufungsschwellenwert von 750,00 EURO deutlich übersteigen.
Für die Beschwerde des Antragsgegners liegt auch ein Rechtsschutzbedürfnis vor. Der Antragsgegner kann nur durch die Beschwerde
die Rechtskraft gemäß §
141 SGG des Beschlusses des SG durchbrechen, welcher den in zeitlicher Hinsicht überschneidenden Bescheid vom 18.06.2014 unbeachtet ließ und ultra petita
mehr entschied als noch streitgegenständlich war. Da der Antragsgegner die Zahlungen tatsächlich erbringt, bedarf es keiner
Verpflichtung aus dem Titel des erstinstanzlichen Beschlusses mehr, gleichwohl könnte aber ohne Beseitigung der Rechtskraftwirkung
durch das vorliegende Rechtsmittel eine Vollstreckung drohen, Am Rechtsschutzbedürfnis fehlt es im Allgemeinen nur dann, wenn
das Rechtsmittel für den Rechtsmittelführer offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann. Die
Nutzlosigkeit muss also eindeutig sein (vgl. BSG, Urteil vom 24. August 2008 - B 9/9 a SB 8/06 R - mwN. in: SozR 4-3250 § 69 Nr. 8). Aufgrund der Erforderlichkeit die Rechtskraftwirkung
zu beseitigen, ist nicht ersichtlich, dass eine Beschwerde des Leistungsträgers gegen die ihn zur Leistung verpflichtenden
einstweiligen Anordnung offensichtlich keinerlei Vorteile bringen kann. Zudem hat sich der Regelungsgehalt der vom SG erlassenen einstweiligen Anordnung nur teilweise erschöpft, denn streitbefangen ist zudem noch der Zeitraum vom 13.03. bis
26.03.2014, für den in jedem Fall ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
Gemäß §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des §
86b Abs.
1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine
Regelungsanordnung nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie
die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch)
und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art
19 Abs.
4 Grundgesetz (
GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen
entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen,
wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten
Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Unter Beachtung dieser Voraussetzungen hätte keine Verpflichtung des Antragsgegners mehr für die Zeit ab dem 27.03.2014 ausgesprochen
werden dürfen, weil bereits mit Bescheid vom 18.06.2014 den Antragsstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
nach dem SGB II vom 27.03.2014 bis zum 31.08.2014 unter Anrechnung des ab dem 26.03.2014 erzielten Erwerbseinkommens bewilligt worden waren.
Mit diesem Bescheid hat der Antragsgegner bereits die Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt. Ein Anordnungsanspruch liegt ab diesem
Zeitpunkt nicht mehr vor.
Die Beschwerde ist ferner begründet, soweit das SG den Antragsgegner zur vorläufigen Leistungsgewährung bezüglich der Kosten der Unterkunft durch den nicht näher differenzierenden
Tenor verpflichtet hat Zwar haben die Antragssteller einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Regelbedarfes für den
Zeitraum vom 13.03.2014 bis zum 26.03.2014. Bezüglich der Kosten der Unterkunft fehlt allerdings wiederum ein Anordnungsgrund,
weil insoweit nach der Rechtsprechung aller Senate des Landessozialgerichts ein Anordnungsgrund erst dann anzunehmen ist,
wenn Obdachlosigkeit droht bzw. eine Räumungsklage anhängig ist (beispielhaft, Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 20. März 2012 - L 12 AS 352/12 B ER -, juris). Hierfür fehlen nach dem Vortrag der Antragssteller Anhaltspunkte. Zwar haben sie erklärt, dass auch in der
jetzigen Unterkunft, der Wohnung des älteren Sohnes, Mietrückstände aufgetreten sind, eine Räumungsklage ist jedoch nicht
vorgetragen oder ersichtlich. Damit ist es den Antragsstellern möglich, bis zum Hauptsacheverfahren zu warten, und eine besondere
Eilbedürftigkeit ist nicht gegeben.
Im Übrigen ist die Beschwerde des Antragsgegners unbegründet. Das SG hat den Antragstellern zu Recht für den Zeitraum vom 13.03.2014, dem Tag der Antragstellung bis zum 26.03.2014 unter Berücksichtigung
einer Auslegung des Tenors, wie er sich aus den vorgenannten Gründen der Beschwerdeentscheidung ergibt, verpflichtet, Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren. Für diesen Zeitraum sind ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben.
Diesbezüglich wird auf die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen (§
143 Abs.
2 S.3
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Der Senat erachtet es als angemessen, dass der Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu einem Viertel
trägt, weil seine Beschwerde nur im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 13.03.2014 bis zum 26.03.2014
erfolgreich war, andererseits aber nur mit der Beschwerde der Rechtsschein zur Verpflichtung über den 26.03.2014 beseitigt
werden konnte.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).