Tatbestand
Der Kläger begehrt die Auszahlung von nachträglich aus Versorgungsbezügen einbehaltenen Beiträgen zur gesetzlichen Kranken-
und sozialen Pflegeversicherung.
Der am 00.00.1942 geborene Kläger war bis zum 31.12.1991 bei der vormaligen C GmbH versicherungspflichtig beschäftigt und
pflichtversichertes Mitglied der Beigeladenen zu 1) (bis zum 30.09.2015: BKK Vor Ort). Nachdem das aus der Beschäftigung erzielte
regelmäßige Arbeitsentgelt ab dem 01.01.1992 die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten hatte, bestand die Mitgliedschaft
des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) auf Grundlage einer freiwilligen Versicherung fort.
Am 28.02.1999 endete das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der C GmbH. Nach Auslaufen des Entgeltbezugs am 31.07.2000 bezog
der Kläger bis zum 18.03.2003 Leistungen nach dem
Dritten Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III). Für die Dauer des Bezugs von Leistungen nach dem
SGB III war der Kläger erneut Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 1).
Seit dem 19.03.2003 ist der Kläger in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert. Die Versicherungspflicht war
lediglich in dem Zeitraum vom 01.02.2009 bis zum 15.09.2009 wegen einer vorübergehenden hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit
des Klägers ausgeschlossen, während der eine freiwillige Mitgliedschaft bei den Beigeladenen zu 1) bestand.
Bei der Beklagten handelt es sich um eine überbetriebliche Pensionskasse, die nach Maßgabe ihrer Satzung, der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen sowie der Tarifbedingungen Renten- und Kapitalleistungen an ihre Mitglieder und deren Hinterbliebene
leistet. Sie zahlt dem Kläger seit dem 01.08.2000 eine Berufsunfähigkeitsrente, deren Höhe zunächst 768,50 DM (392,92 EUR)
brutto monatlich betrug.
Unter dem 13.10.2000 wies die Beklagte den Kläger schriftlich darauf hin, dass sie als Rentenzahlstelle verpflichtet sei,
von den betrieblichen Versorgungsbezügen Krankenversicherungsbeiträge einzubehalten, sobald die zuständige Krankenkasse einen
Einbehalt anordne. Eine Mitteilung über die Beitragspflicht und -höhe erhalte der Kläger durch seine Krankenkasse. Auf den
weiteren Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 13.10.2000 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
In der Folgezeit behielt die Beklagte zunächst Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von dem Versorgungsbezug des Klägers
ein und führte diese an die Beigeladene zu 1) ab.
Unter dem 28.11.2001 ließ Letztere dem Kläger eine schriftliche Erklärung mit auszugsweise folgendem Inhalt zukommen:
"( ...) das Arbeitsamt hat uns mittlerweile bestätigt, dass von Ihrem Arbeitslosengeld bereits Höchstbeiträge abgeführt wurden.
Somit sind von Ihnen keine Beiträge aus dem Versorgungsbezug zu zahlen. Wir haben die Babcock Pensionskasse angewiesen, Ihnen
bereits einbehaltene Beiträge wieder zu erstatten."
Auf den weiteren Inhalt der schriftlichen Erklärung der Beigeladenen zu 1) wird Bezug genommen.
Die Beklagte erstattete sodann die einbehaltenen Beiträge und kehrte die Versorgungsbezüge fortan ungekürzt an den Kläger
aus.
Im Jahr 2010 übertrug die Beklagte ihre Verwaltung an einen externen Dienstleister (N GmbH, G). Dieser stellte nach Prüfung
der laufenden Vorgänge fest, dass von den Versorgungsbezügen des Klägers auch nach Ende des Bezugs von Leistungen nach dem
SGB III keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgeführt wurden. Die Beklagte setzte sich daraufhin mit der Beigeladenen
zu 1) in Verbindung, die die Beklagte anwies, laufende Beiträge aus der betrieblichen Versorgungsleistung abzuführen und noch
nicht verjährte Beiträge für die Zeit ab dem 01.12.2005 einzubehalten (Mitteilungen vom 12.07.2010 und vom 09.08.2010).
Diese Mitteilungen übermittelte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 10.08.2010. Gleichzeitig ließ diese ihm eine Aufstellung
über die voraussichtliche Dauer der Nachverrechnung von Beiträgen zukommen.
Der Kläger erklärte sich mit dem Einbehalt von Beiträgen nicht einverstanden und hat am 30.05.2012 Klage zum Amtsgericht (AG)
P erhoben. Die Beklagte sei nicht berechtigt, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von seinen Versorgungsbezügen einzubehalten
und an die Beigeladene zu 1) abzuführen. Er habe von der Beigeladenen zu 1) keinen Beitragsbescheid erhalten. Die Erklärung
vom 28.11.2001, wonach wegen der Abführung von Höchstbeiträgen aus den Arbeitslosengeld keine weiteren Beiträge aus dem Versorgungsbezügen
zu leisten seien, sei nicht aufgehoben worden. Er hat zudem die Einrede der Verjährung erhoben und geltend gemacht, die bei
der Verrechnung von rückständigen Beiträgen mit laufenden Versorgungsbezügen maßgebliche Untergrenze von 50 % der Nettorente
sei nicht durchgängig beachtet worden. Schließlich sei zu beachten, dass die Beklagte die Beitragsabführung schuldhaft unterlassen
habe. Deren Verschulden stehe einem nachträglichen Einbehalt entgegen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.423,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
ab dem 27.02.2012 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sei von Gesetzes wegen zur Nacherhebung von Beiträgen verpflichtet, sobald und soweit die zuständige Krankenkasse dieses
fordere. Eine eigene Überprüfungsbefugnis stehe ihr nicht zu. Etwaige Einwendungen gegen die Beitragserhebung oder hinsichtlich
der Höhe der Beiträge seien gegen die Beigeladene zu 1) zu richten. Hierzu seien dem Kläger die dem Beitragseinbehalt zugrunde
liegenden Meldungen übermittelt worden. Dass in der Vergangenheit versehentlich keine Beiträge abgeführt worden seien, stehe
einer nachträglichen Beitragserhebung nicht entgegen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Sie sind der Rechtsauffassung der Beklagten beigetreten.
Mit Beschluss vom 12.02.2013 hat das AG den Rechtsstreit an das Sozialgericht (SG) Dortmund verwiesen.
Mit Urteil vom 27.06.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Ob der richtige Rechtsweg beschritten sei, habe das SG nicht zu prüfen, da der Beschluss des AG P vom 12.02.2013 hinsichtlich der Rechtswegbestimmung bindend sei (§
17b Abs.
2 Satz 3
Gerichtsverfassungsgesetz (
GVG)). Die zulässige Leistungsklage sei nicht begründet. Der Kläger könne von der Beklagten nicht beanspruchen, dass diese ihm
seine Betriebsrente ungekürzt, also ohne Abzüge von Sozialversicherungsbeiträgen, ausgekehrt. Rechtsgrundlage für den Leistungsanspruch
des Klägers sei der Versicherungsvertrag, der auf das Versorgungsversprechen seines früheren Arbeitgebers, ihn bei der Pensionskasse
anzumelden, zurückzuführen sei. Hiernach bestehe ein Rechtsanspruch auf die finanzierten Leistungen nach Maßgabe der in der
Satzung, dem Geschäftsplan und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorgesehenen Voraussetzungen. Dieser Anspruch werde
jedoch im Umfang öffentlich-rechtlicher Beitragspflichten eingeschränkt. Nach dieser Maßgabe habe die Beklagte zu Recht Beiträge
zur Kranken- und Pflegeversicherung (nachträglich) einbehalten. Bei der Betriebsrente des Klägers handele es sich um einen
beitragspflichtigen Versorgungsbezug, der bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in voller Höhe der Beitragspflicht in
der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 229 Abs. 1 Nr.
5 i.V.m. 237 Satz 1 Nr.
2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V)) und Pflegeversicherung (§
57 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (
SGB XI)) unterliege.
Für Versorgungsempfänger, die - wie der Kläger - in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert seien, seien Beiträge
im Wege des Zahlstellen-Meldeverfahrens zu leisten. Dabei habe der Versorgungsträger als Zahlstelle bei der erstmaligen Bewilligung
von Versorgungsbezügen die zuständige Krankenkasse des Versorgungsempfängers zu ermitteln und dieser Beginn, Höhe, Veränderungen
und Ende der Versorgungsbezüge im Wege automatisierter Datenübertragung mitzuteilen (§
202 Abs.
1 Satz 1 und Abs.
2 Satz 1
SGB V). Nach Eingang der Meldung habe die Krankenkasse der Zahlstelle und den Bezieher der Versorgungsbezüge unverzüglich über
die Beitragspflicht des Versorgungsempfängers, deren Umfang und den Beitragssatz zu informieren. Die Zahlstelle habe die Beiträge
aus dem Versorgungsbezug entsprechend dieser Meldung einzubehalten und an die zuständige Krankenkasse (Einzugsstelle) weiterzuleiten
(§
256 Abs.
1 Satz 1
SGB V). Dabei sei eine Aufrechnung bis zu einer Untergrenze von 50% der laufenden Versorgungsbezüge mit Beitragsrückständen zulässig.
Nach dieser Konzeption treffe die Zahlstelle die Pflicht zur Beitragsentrichtung und den Versicherten die Beitragslast im
Sinne des wirtschaftlichen Einstehens hierfür. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nachgekommen. Die Kammer könne offen
lassen, ob Einwendungen gegen die Beitragspflicht überhaupt im Verhältnis zur Zahlstelle geltend gemacht werden könnten oder
lediglich gegenüber der Krankenkasse als Einzugsstelle. Vorliegend seien keine durchgreifenden Einwendungen gegen die Beitragseinbehaltung
gegeben. Zunächst fehle es an keinem die Beitragspflicht und-Höhe gegenüber dem Kläger feststellenden Bescheid. Vielmehr seien
die Meldungen der Beklagten vom 12.07.2010 bzw. vom 09.08.2010 über die Beitragspflicht, deren Umfang und den Beitragssatz
(§
202 Abs.
1 Satz 4
SGB V) ausreichend. Diese seien dem Kläger im Dezember 2010 zugeleitet worden.
Ebenso wenig begründe die Mitteilung der Beigeladenen zu 1) vom 28.11.2001 einen schützenswerten Vertrauenstatbestand des
Klägers. Die Beigeladene zu 1) habe die damals verneinte Beitragspflicht an einen Bezug von Arbeitslosengeld und die bereits
geleisteten Höchstbeiträge geknüpft. Eine weitergehende Erklärung zur Beitragspflicht sei dem Schreiben nicht zu entnehmen.
Die Verjährungsfrist des §
25 Abs.
1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) habe die Beklagte beachtet. Schließlich sei weder ersichtlich, dass bei der Verrechnung von Beitragsrückständen mit laufenden
Betriebsrenten die gesetzliche Untergrenze von 50% unbeachtet geblieben sei (§
51 Abs.
2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I)), noch stehe ein etwaiges Verschulden der Beklagten bei der Beitragsentrichtung der gesetzlich angeordneten Nacherhebung
entgegen. Anhaltspunkte für eine Verwirkung (Rechtsgedanke des §
242 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB)) seien nicht ersichtlich. Auf den weiteren Inhalt der Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen das ihm am 04.07.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.07.2016 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen
eingelegt. Er nimmt Bezug auf seinen Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren und betont seine Ansicht, wonach vor nachträglicher
Abführung von Beiträgen der "Bescheid vom 28.11.2001" habe aufgehoben werden müssen. Ohne dessen Abänderung seien laufende
Beiträge nicht fällig geworden und - für die Vergangenheit - verjährt. Dass ein schutzwürdiges Vertrauen zu seinen Gunsten
nicht erwachsen sei, könne er nicht nachvollziehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.06.2016 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm 3.423,71 EUR nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.02.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge. Sie erachten das angefochtene Urteil für zutreffend und treten der Rechtsauffassung
der Beklagten bei.
Der Senat hat die Beteiligten schriftlich darauf hingewiesen, dass erwogen werde, die Berufung des Klägers im Verfahren nach
§
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zurückzuweisen. Einwände gegen die in Aussicht gestellte Entscheidungsform haben die Beteiligten nicht erhoben.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
2. Der Einbehalt der Beiträge ist auch weder verjährt (hierzu a)), noch verwirkt (hierzu b)).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. So behauptet der Kläger schon nicht, sich (finanziell) darauf eingerichtet zu haben,
keine Beiträge aus der Versorgungsleistung zahlen zu müssen. Hinzu kommt, dass der Kläger trotz des an ihn gerichteten Schreibens
der Beigeladenen zu 1) vom 28.11.2001 nicht darauf vertrauen konnte, keine Beiträge aus dem Versorgungsbezug mehr entrichten
zu müssen. Das Gegenteil drängt sich nach dem Inhalt der Erklärung auf. Dem Schreiben ist ohne weiteres zu entnehmen, dass
der Kläger als grundsätzlich versicherungspflichtige Person Beiträge aus den Versorgungsleistungen zu leisten hat. Dieses
galt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Schreibens nur für den Fall und solange nicht, als er Arbeitslosengeld bezog
und bereits Höchstbeiträge geleistet hat. Dass diese Voraussetzungen mit dem Wegfall des Leistungsanspruchs und dem Bezug
einer Altersrente ab dem 19.03.2003 nicht mehr vorlagen, musste sich dem Kläger aufdrängen.