Versicherungspflicht einer Tätigkeit als Geschäftsführerin einer GmbH in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem
Recht der Arbeitsförderung
Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit
Anforderungen an eine die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassende Sperrminorität
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens um die Sozialversicherungspflicht der Klägerin aufgrund
ihrer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin der zu 1. beigeladenen GmbH i.L. (im Folgenden: Beigeladene) in der Zeit
vom 16.10.2015 bis zum 31.12.2016.
Die Klägerin war in der Zeit vom 1.1.2015 bis zum 31.12.2016 Geschäftsführerin der beigeladenen GmbH, die derzeit liquidiert
wird, und hielt 25 vH der Gesellschaftsanteile. Gesellschafterbeschlüsse wurden mit einfacher Mehrheit gefasst (§ 7 Abs 4
Satz 1 des Gesellschaftsvertrags [GV] vom 5.6.2014). Durch am 23.10.2015 in das Handelsregister eingetragenen Beschluss der
Gesellschafterversammlung vom 16.10.2015 wurde für bestimmte, in § 7 Abs 4 Satz 4 GV aufgelistete Angelegenheiten eine Mehrheit
von 76 vH festgelegt. Dazu gehören ua Satzungsänderungen, die Abberufung und Bestellung von Geschäftsführern, Liquidatoren
und Prokuristen einschließlich der Entscheidung über die Vertretungsberechtigung sowie Abschluss, Beendigung und Änderung
der Anstellungsverträge mit diesen, Zustimmungen und Weisungen zu Geschäftsführungsmaßnahmen, Erlass, Änderung und Aufhebung
einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung sowie der Ausschluss von Gesellschaftern nebst deren Umsetzung. Der zum 1.1.2015
abgeschlossene Geschäftsführervertrag vom 31.12.2014 (GFV) regelt in § 2 eine Reihe von Geschäften, die von der Klägerin "nur
nach vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung" ausgeführt werden durften.
Auf den Statusfeststellungsantrag der Klägerin stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen
Kranken- (GKV), Renten- (GRV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund Beschäftigung
für die Zeit ab 1.1.2015 fest. Ab 1.1.2016 sei sie in der GKV und sPV versicherungsfrei (Bescheid vom 29.12.2015, Widerspruchsbescheid
vom 1.6.2016).
Das SG Hamburg hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit ab 16.10.2015 Beschäftigung sowie Versicherungspflicht in
der GRV, GKV, sPV und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt worden sei. Zudem hat es festgestellt, dass die Klägerin
ab diesem Zeitpunkt selbstständig tätig gewesen sei, und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 15.10.2018). Das LSG
Hamburg hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe seit der Satzungsänderung
eine qualifizierte Sperrminorität gehabt. Sie habe zwar nicht gestaltend auf das Unternehmen ohne Zustimmung des weiteren
Gesellschafters Einfluss nehmen können. Allerdings habe sie sich gegen Änderungen der Gesellschaft wirksam wehren und Weisungen
an sich als Geschäftsführerin verhindern können. Ohne ihre Zustimmung habe auch die Geschäftsordnung der Geschäftsführung
nicht geändert, sie nicht abberufen und ein weiterer Geschäftsführer nicht berufen sowie Zustimmungen zu Geschäftsführungsmaßnahmen
nicht erteilt werden können (Urteil vom 29.10.2019).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des §
7 Abs
1 SGB IV. Die Klägerin habe keine allumfassende Sperrminorität gehabt. Nach dem GFV habe die Klägerin in zahlreichen Angelegenheiten
einem Zustimmungserfordernis unterlegen. Eine notwendige Zustimmung habe sie kraft ihrer Sperrminorität nicht herbeiführen,
sondern allenfalls verhindern können. Eine vom Mehrheitsgesellschafter versagte Zustimmung komme einer Weisung an die Klägerin
gleich, das beabsichtigte Geschäft nicht auszuführen. Jedenfalls bis zur Eintragung der Satzungsänderung in das Handelsregister
sei mangels deren Wirksamkeit von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2019 sowie insoweit das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom
15. Oktober 2018 aufzuheben, als die Zeit ab 16. Oktober 2015 betroffen ist, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beklagte überspanne die Anforderungen an eine Sperrminorität. Sperrminorität
bedeute, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung blockieren zu können. Das sei bei ihr der Fall gewesen.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet (§
170 Abs
2 Satz 1
SGG).
Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und das SG der Klage für die Zeit ab 16.10.2015 stattgegeben. Die mangels verfahrensrechtlicher Hindernisse zulässige Klage (dazu 1.)
war insgesamt abzuweisen, denn auch hinsichtlich des noch streitigen Zeitraums ist der Bescheid vom 29.12.2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 1.6.2016 rechtmäßig und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat gemäß
§
7a SGB IV (idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009, BGBl I 3710) zutreffend die Versicherungspflicht der Klägerin in ihrer Tätigkeit
als Gesellschafterin-Geschäftsführerin der Beigeladenen in der GKV (§
5 Abs
1 Nr
1 SGB V) und sPV (§
20 Abs
1 Satz 1 und Satz 2 Nr
1 SGB XI idF des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung vom 24.4.2006, BGBl I 926), jeweils bis 31.12.2015, in der GRV
(§
1 Satz 1 Nr 1
SGB VI idF des Gesetzes vom 24.4.2006, aaO) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§
25 Abs
1 Satz 1
SGB III) festgestellt. Eine die Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht nach den vom Senat entwickelten
Maßstäben (dazu 2.) verlieh ihr weder ihre Beteiligung von 25 vH der Anteile an der klagenden GmbH noch die nur eingeschränkt
eingeräumte Sperrminorität (dazu 3.). Dem steht nicht das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit von 76 vH bei einer Abberufung
der Klägerin als Geschäftsführerin (dazu 4.) oder bei Weisungen zu Geschäftsführungsmaßnahmen (dazu 5.) entgegen. Ob bereits
das in § 2 GFV geregelte Zustimmungserfordernis zu einzelnen Geschäften eine "echte" Sperrminorität ausschließt, kann daher
dahingestellt bleiben (dazu 6.).
1. Die Auflösung (§ 60 GmbHG) der beigeladenen GmbH steht einer Entscheidung des Senats nicht entgegen. Als in Liquidation befindliche GmbH (§§ 66 ff GmbHG) ist die Beigeladene weiterhin rechtlich existent (vgl § 69 GmbHG; Altmeppen in Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl 2021, § 69 RdNr 1 f). Insofern kommt es nicht darauf an, ob nach vollständiger Abwicklung des Arbeitgebers eine Statusentscheidung noch
zulässig ist.
2. Beschäftigung ist gemäß §
7 Abs
1 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009, BGBl I 3710) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis
(Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation
des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass die Arbeitnehmerin von der Arbeitgeberin persönlich abhängig ist. Bei einer
Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn die Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei
einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit
kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess"
verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein
einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete
Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche
Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die hierzu für die Statusbeurteilung
vom Senat entwickelten Abgrenzungsmaßstäbe (vgl BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 14 f [Honorararzt]) gelten grundsätzlich auch für die Geschäftsführer einer GmbH (stRspr; vgl
zuletzt BSG Urteil vom 29.6.2021 - B 12 R 8/19 R - juris RdNr 12; BSG Urteil vom 23.2.2021 - B 12 R 18/18 R - juris RdNr 14; BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 §7 Nr 49 RdNr 16; BSG Urteil vom 12.5.2020 - B 12 KR 30/19 R - BSGE 130, 123 = SozR 4-2400 § 7 Nr 47, RdNr 15).
Ist eine GmbH-Geschäftsführerin zugleich als Gesellschafterin am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung
und das Ausmaß des sich daraus für sie ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft das wesentliche Merkmal bei der Abgrenzung
von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit (zu den ähnlichen Kriterien des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs
EuGH Urteil vom 11.11.2010 - C-232/09 - Slg 2010, I-11405 Danosa - juris; EuGH Urteil vom 9.7.2015 - C-229/14 - NJW 2015, 2481 Balkaya; EuGH Urteil vom 10.9.2015 - C-47/14 - ABl EU 2015, Nr C 363, 8 - juris RdNr 42, 47 (Holterman Ferho); BGH Urteil vom 26.3.2019 - II ZR 244/17 - BGHZ 221, 325 RdNr 25 ff, 32). Eine Gesellschafterin-Geschäftsführerin ist nicht per se kraft ihrer Kapitalbeteiligung selbstständig tätig,
sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigte angesehen zu werden, über ihre Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht
besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche
Rechtsmacht ist bei Gesellschaftern gegeben, die zumindest 50 vH der Anteile am Stammkapital halten. Eine Minderheitsgeschäftsführerin
wie die Klägerin ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Sie ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständige anzusehen, wenn
ihr nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende
Sperrminorität eingeräumt ist. Selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer müssen in der Lage sein, einen maßgeblichen
Einfluss auf alle Gesellschafterbeschlüsse auszuüben und dadurch die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend
mitbestimmen zu können. Ohne diese Mitbestimmungsmöglichkeit sind Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nicht im "eigenen"
Unternehmen tätig, sondern in weisungsgebundener (§ 37 GmbHG), funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als ihre Arbeitgeberin eingegliedert. Deshalb ist eine "unechte", nur auf
bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (stRspr; vgl zB
BSG Urteile vom 8.7.2020 - B 12 R 26/18 R - BSGE 130, 282 = SozR 4-2400 § 7 Nr 51, RdNr 13 und B 12 R 4/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 53 RdNr 14, jeweils mwN).
3. Über solche, einer Selbstständigen im eigenen Unternehmen vergleichbare Einfluss- und Mitbestimmungsmöglichkeiten verfügte
die Klägerin in der klagenden Gesellschaft nicht. Sie war mit einer Kapitalbeteiligung von nur 25 vH keine Mehrheitsgesellschafterin
und verfügte nach dem GV weder in seiner Fassung vom 5.6.2014 (dazu a) noch in seiner geänderten Fassung durch Beschluss vom
16.10.2015 (dazu b) über eine umfassende, dh die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität.
a) Bis zur Wirksamkeit des den GV ändernden Gesellschafterbeschlusses vom 16.10.2015 war der Klägerin eine Sperrminorität
gesellschaftsrechtlich schon nicht eingeräumt. Denn bis zu diesem Zeitpunkt wurden Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst
(§ 7 Abs 4 Satz 1 GV). Die am 16.10.2015 beschlossene Änderung des GV ist gemäß § 54 Abs 3 GmbHG erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister wirksam geworden. Erst mit dieser Eintragung war der Klägerin gesellschaftsrechtlich
überhaupt eine Sperrminorität eingeräumt worden.
b) Aber auch die wirksame Änderung des GV hat nicht zu einer die abhängige Beschäftigung ausschließenden Rechtsmacht geführt.
Die Tätigkeit einer Geschäftsführerin ist nur dann unternehmerisch, wenn sie auf alle wesentlichen Grundlagenentscheidungen
Einfluss nehmen kann. Gesellschafter-Geschäftsführer müssen daher Gewinnchancen und Unternehmensrisiken mitbestimmen und damit
auf die gesamte Unternehmenstätigkeit einwirken können. Dazu gehört insbesondere die dem Unternehmenszweck Rechnung tragende
Bilanz-, Finanz-, Wirtschafts- sowie Personalpolitik (vgl BSG Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Daher reicht es für die erforderliche Rechtsmacht nicht aus, wenn eine
Sperrminorität nur für bestimmte, im Einzelnen im Gesellschaftsvertrag aufgeführte Angelegenheiten besteht, auch wenn diese
(fast) die gesamte Unternehmenstätigkeit ausmachen sollten. Dem bei der Statuszuordnung zu beachtenden Grundsatz der Vorhersehbarkeit
sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände (stRspr; vgl zB BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49 RdNr 24) ist nur Rechnung getragen, wenn klar erkennbar ist, dass der Gesellschafterin-Geschäftsführerin
bei allen Beschlüssen der Gesellschafterversammlung eine Sperrminorität eingeräumt ist. Daran fehlt es hier. Der durch Beschluss
vom 16.10.2015 geänderte GV räumte ihr zwar eine gegenüber dem GV vom 5.6.2014 erweiterte Rechtsmacht ein, erlaubte ihr aber
nur in bestimmten Fällen eine maßgebliche Einflussnahme auf Gesellschafterbeschlüsse. In der Gesellschafterversammlung der
beigeladenen GmbH bedurften nunmehr nur Beschlüsse in bestimmten, in § 7 Abs 4 Satz 4 GV gesondert aufgezählten Angelegenheiten
einer Mehrheit von 76 vH. Ansonsten konnten Beschlüsse weiterhin grundsätzlich mit einfacher Mehrheit ohne Vetorecht der Klägerin
gefasst werden.
4. Das in § 7 Abs 4 Satz 4 GV geregelte Mehrheitserfordernis von 76 vH bei der Abberufung von Geschäftsführern ändert die
sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht. Die Möglichkeit, die eigene Abberufung zu verhindern, ist in der Regel eine
notwendige, jedoch keine hinreichende Voraussetzung für das Vorliegen einer beachtlichen Sperrminorität (vgl BSG Urteil vom 29.6.2016 - B 12 R 5/14 R - juris RdNr 39). Ungeachtet dessen besteht eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund (vgl BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49 RdNr 26), über dessen Vorliegen der Geschäftsführer in eigener Sache nicht mit abstimmen darf (vgl
BSG Urteil vom 8.7.2020 - B 12 R 26/18 R - BSGE 130, 282 = SozR 4-2400 § 7 Nr 51, RdNr 22 mwN; OLG Düsseldorf Beschluss vom 9.6.1999 - 16 W 17/99 - juris). Die "Gefahr" der außerordentlichen Abberufung betrifft zwar alle Geschäftsführer, da es sich bei § 38 Abs 2 GmbHG um zwingendes, nicht disponibles Recht handelt. Der auf wichtige Gründe beschränkte Widerruf der Geschäftsführerbestellung
ist daher allein nicht geeignet, die sich aus einer Kapitalbeteiligung oder umfassenden Sperrminorität ergebende Rechtsmacht
in Frage zu stellen (vgl BSG Urteil vom 23.2.2021 - B 12 R 18/18 R - juris RdNr 23). Die nur außerordentliche Kündbarkeit vermag aber bei einem aufgrund der Mehrheitsverhältnisse weisungsgebundenen
Geschäftsführer die erforderliche Rechtsmacht andersherum auch nicht erst zu begründen (BSG Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
5. Es ist auch unerheblich, dass der Klägerin nach § 7 Abs 4 Satz 4 GV wegen des Mehrheitserfordernisses von 76 vH bei Weisungen
an die Geschäftsführung eine Sperrminorität eingeräumt war. Geschäftsführer einer GmbH unterliegen nach § 37 Abs 1, § 46 Nr 5 und 6 GmbHG grundsätzlich zu jeder Geschäftsführungsangelegenheit der nur durch entsprechende Satzungsregelungen einschränkbaren (§ 45 Abs 1 GmbHG) Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung der GmbH. Eine solche Einschränkung aufgrund eines Weisungen blockierenden
Vetorechts des Geschäftsführers entspricht allein noch nicht einer "echten", alle Gegenstände umfassenden Sperrminorität,
die zur Annahme einer die abhängige Beschäftigung ausschließenden Rechtsmacht ausreicht.
Zwar ist in der Senatsrechtsprechung darauf hingewiesen worden, dass ein selbstständiger Gesellschafter-Geschäftsführer "zumindest"
ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können müsse (vgl zB BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 R 5/16 R - juris RdNr 16 f). Mit dieser Formulierung ist die erforderliche Rechtsmacht aber nicht auf die ablehnende Haltung der
Minderheitsgesellschafterin-Geschäftsführerin nur gegenüber Weisungsbeschlüssen der Gesellschafterversammlung reduziert worden.
Allein die Rechtsmacht, in der Gesellschafterversammlung Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen (oder diesen zu verhindern),
reicht noch nicht, um die Geschicke des Unternehmens in allen Bereichen mitzubestimmen. Selbstständigkeit erfordert eine sich
schon formal auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstreckende Sperrminorität (vgl hierzu 3. b; BSG Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
6. Da schon aus den genannten Gründen der Klägerin keine ausreichende Rechtsmacht eingeräumt war, kann dahinstehen, ob sie
auch deshalb nicht über eine "echte" umfassende Sperrminorität verfügte, weil sie zusätzlich nach § 2 GFV der vorherigen Zustimmung
der Gesellschafterversammlung zu einem umfassenden Katalog von Geschäftsführungsmaßnahmen bedurfte. Diese Zustimmung konnte
ebenso nur mit einer Mehrheit von 76 vH der Stimmen herbeigeführt werden, über die die Klägerin nicht verfügte. Es kann insoweit
offenbleiben, ob ein solcher Zustimmungsvorbehalt wie eine Weisung wirkt, bestimmte Tätigkeiten zu unterlassen (vgl aber BSG Urteil vom 8.7.2020 - B 12 R 26/18 R - BSGE 130, 282 = SozR 4-2400 § 7 Nr 51, RdNr 26; kritisch hierzu Freudenberg, B+P 2021, 198, 205 ff). Ob unter solchen Umständen selbst
eine umfassende Sperrminorität zur Annahme von Selbstständigkeit noch ausreichen würde oder ob für eine "echte" umfassende
Sperrminorität zusätzlich zu fordern ist, dass dem Geschäftsführer gerade dadurch auch umfassende Handlungsmöglichkeiten vermittelt
werden, braucht der Senat hier ebenfalls nicht zu entscheiden.
7. Zutreffend hat die Beklagte die Versicherungspflicht in der GKV und sPV nur vom 1.1. bis zum 31.12.2015 festgestellt. Diese
Versicherungspflicht endete mit Ablauf des ersten Jahres, in dem die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wurde (§
6 Abs
4 Satz 1 und Abs
6 SGB V idF des GKV-Finanzierungsgesetzes vom 22.12.2010, BGBl I 2309; §
20 Abs
1 Satz 1
SGB XI). Das war nach der Änderung des GFV ab 1.1.2015 zum 31.12.2015.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.