Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege bis 31.3.1995
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei versäumter Antragsfrist
Gründe:
I
Streitig ist vorrangig ein Anspruch der Klägerin auf Altersrente für langjährig Versicherte und dabei insbesondere, ob sie
die Wartezeit von 35 Jahren aufgrund zusätzlich anzuerkennender Berücksichtigungszeiten wegen nicht erwerbsmäßiger Pflege
erfüllt hat.
Die 1939 geborene Klägerin bezog für ihren 1972 geborenen, im Januar 2002 verstorbenen schwerbehinderten Sohn seit November
1979 Hilfe zur Pflege (Pflegegeld); die Sozialhilfeleistung wurde Ende der 1980er Jahre wegen Überschreitens der Einkommensgrenze
eingestellt. Anlässlich der Übersendung eines Versicherungsverlaufs bat die Klägerin nach einem von ihr vorgelegten Schreiben
vom 15.3.1989 die LVA Hannover (deren Rechtsnachfolge im Jahr 2005 die DRV Braunschweig-Hannover antrat - im Folgenden einheitlich
als Beklagte bezeichnet) um Auskunft, ob für ihren pflegebedürftigen Sohn weitere Beitragszeiten anerkannt werden könnten;
eine Antwort hat sie nach ihren Angaben nicht erhalten. Nach Inkrafttreten des
SGB XI übersandte ihr die beigeladene Pflegekasse am 6.3.1995 ein Antragsformular zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen samt
Beratungsblatt. Die Klägerin reichte den Antrag vom 25.3.1995 an die Beigeladene zurück und gab dabei an, ihren Sohn seit
1979 im Umfang von derzeit 17,5 Stunden pro Woche zu pflegen. Ihren am 5.7.1996 gestellten Antrag auf rückwirkende Anerkennung
ihrer Pflegetätigkeit ab 1.11.1979 als rentenversicherungspflichtige Beschäftigung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.2.1997
ab, weil die Klägerin weder den erforderlichen Antrag für eine - ohnehin erst ab 1.1.1992 in Frage kommende - Vormerkung von
Berücksichtigungszeiten wegen Pflege gestellt noch in dieser Zeit freiwillige Beiträge, die in Pflichtbeiträge umgewandelt
werden könnten, entrichtet habe. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Im März 2002 beantragte die Klägerin Altersrente für langjährig Versicherte. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da lediglich
31 Jahre und 11 Monate an rentenrechtlichen Zeiten auf die hierfür erforderliche Wartezeit von 35 Jahren anzurechnen seien
(Bescheid vom 28.3.2002, Widerspruchsbescheid vom 17.12.2002). Ab 1.7.2004 bewilligte sie Regelaltersrente auf der Grundlage
von 14,8049 persönlichen Entgeltpunkten iHv monatlich - einschließlich Zuschuss zur privaten Krankenversicherung - 414,51
Euro (Rentenbescheid vom 23.6.2004).
Die ursprünglich gegen die ablehnenden Bescheide vom 28.3. bzw 17.12.2002 gerichtete Klage nahm die Klägerin - nach Sachverhaltsaufklärung
auch zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen Beratungsmangels - in der mündlichen Verhandlung am 22.4.2004 zurück,
widerrief diese Erklärung aber mit Schreiben vom selben Tag. Das SG wies mit Urteil vom 25.8.2005 die Klage als in der Sache unbegründet ab, wobei es offenließ, ob eine Anfechtung der Klagerücknahme
überhaupt möglich sei. Ihre Berufung gegen diese Entscheidung nahm die Klägerin im März 2006 zurück.
Mit Schreiben vom 13.7.2006 beantragte die Klägerin eine Überprüfung der ablehnenden Rentenbescheide vom 28.3. bzw 17.12.2002
sowie des Bewilligungsbescheids über Regelaltersrente vom 23.6.2004, da das Erfordernis eines Antrags für die Anerkennung
von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege zu einer Ungleichbehandlung führe und daher verfassungswidrig sei. Die Beklagte lehnte
den Antrag ab (Bescheid vom 31.7.2006, Widerspruchsbescheid vom 6.10.2006).
Das SG hat die auf Gewährung einer Altersrente für langjährig Versicherte sowie einer höheren Regelaltersrente gerichtete Klage
abgewiesen (Urteil vom 16.12.2008). Es hat sich in seiner Entscheidung ausschließlich mit dem Anspruch auf Altersrente für
langjährig Versicherte auseinandergesetzt und ausgeführt, ein gewichtiges Indiz für die Verfassungsmäßigkeit der bis zum 31.3.1995
geltenden Regelung in §
57 Abs
2 SGB VI sei ihre quasi wortgleiche Wiederholung in §
249b SGB VI. In Bezug auf Art
14 GG sei fraglich, ob der Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts überhaupt eröffnet sei; jedenfalls aber sei das Grundrecht aufgrund
zulässiger Gemeinwohlerwägungen nicht verletzt. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sei eine Fristsetzung
zweckmäßig, da sowohl für den Versicherten als auch für den Versicherungsträger Gewissheit bestehen müsse, dass nach Ablauf
eines bestimmten Datums keine Anträge und ggf Neuberechnungen hinsichtlich Rentenanträgen oder bestehender Renten mehr erfolgen
könnten. Zudem lasse sich im Nachhinein in der Regel nur mit größten Schwierigkeiten oder gar nicht mehr aufklären, ob und
in welchem Umfang Pflege geleistet worden sei. Ebenso wenig sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt, da der Versicherte
es selbst in der Hand habe, durch sein Verhalten die Berücksichtigungszeiten zu erlangen. Aus denselben Gründen stehe auch
der Gleichheitsgrundsatz der Regelung nicht entgegen.
Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 14.7.2010). Im Berufungsurteil, das sich lediglich mit dem
Anspruch auf höhere Regelaltersrente befasst, ist im Wesentlichen ausgeführt, die zur Überprüfung gestellten Bescheide der
Beklagten seien rechtmäßig, da die Klägerin mit ihrem Antrag vom "5.6.1996" (gemäß Tatbestand zutreffend: 5.7.1996) die Antragsfrist
nach §
249b S 1
SGB VI - bis 30.6.1995 - versäumt habe. Eine Wiedereinsetzung nach § 27 Abs 1 SGB X scheitere daran, dass die Jahresfrist gemäß Abs 3 der Vorschrift abgelaufen sei. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
sei nicht gegeben, weil der Beklagten gegenüber der Klägerin keine Pflicht zur Spontanberatung oblegen habe; seit Inkrafttreten
der Vorschrift zu den Pflege-Berücksichtigungszeiten am 1.1.1992 habe diese weder Kontakt mit der Klägerin noch Kenntnis davon
gehabt, dass sie Pflegetätigkeiten ausführe. Eine klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeit zugunsten der Klägerin habe
sich der Beklagten auch angesichts der schon Jahre zurückliegenden Anfrage vom 15.3.1989 nicht aufdrängen müssen. Zudem fehle
es daran, dass eine Pflichtverletzung zumindest gleichwertig einen dem Sozialleistungsträger zurechenbaren sozialrechtlichen
Nachteil verursacht habe; insoweit hat das LSG auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin in erster Linie, das fristgebundene Antragserfordernis für die
Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 gemäß §
57 Abs
2 SGB VI aF bzw §
249b S 2
SGB VI sei mit Art
3 Abs
1 GG unvereinbar. Denn das Gesetz behandele die Gruppe der Pflegepersonen hinsichtlich der Anerkennung von Pflegezeiten als Berücksichtigungszeiten
anders als die Gruppe der Kinder erziehenden Versicherten, die für die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung
gemäß §
57 Abs
1 SGB VI aF keine Ausschlussfristen beachten müssten, diese vielmehr auch noch im Rahmen späterer Kontenklärungsverfahren erstmals
geltend machen könnten. Es bestünden keine hinreichend gewichtigen Sachgründe zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Das
Interesse der Rentenversicherungsträger an einer möglichst zeitnahen Feststellung der maßgeblichen Umstände genüge hierfür
nicht, weil nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast es ohnehin zu Lasten der Pflegeperson gehe, wenn später diese Umstände
nicht mehr nachweisbar seien. Die Ausschlussfrist erschwere daher die Anerkennung einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege
in unnötiger Weise. Auch der laut Gesetzesbegründung angestrebte Gleichklang mit den Voraussetzungen für eine freiwillige
Beitragszahlung von Pflegepersonen (§
177 SGB VI aF bzw § 279e
SGB VI - letztgenannte Norm zum 31.12.2011 aufgehoben) könne die Antragsfrist nicht rechtfertigen: Was im Beitragsrecht zur Vermeidung
der nachträglichen Veränderung einer bereits durchgeführten Versicherung sachgerecht sei, lasse sich auf die Anrechnung einer
Berücksichtigungszeit nicht übertragen, da diese keine Beitragszahlung voraussetze.
Eine Ungleichbehandlung ergebe sich aber auch im Vergleich zu anderen beitragsfreien Zeiten (Ersatzzeiten, Anrechnungszeiten,
Zurechnungszeiten), bei denen allesamt kein fristgebundenes Antragserfordernis normiert sei. Auch hierfür seien sachlich rechtfertigende
Gründe nicht ersichtlich. Vielmehr indiziere die singuläre Behandlung der Pflege-Berücksichtigungszeiten einen Systembruch
und damit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Da wegen des klaren Wortlauts keine verfassungskonforme Auslegung möglich
sei, bedürfe es einer Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung.
Ungeachtet dessen habe das LSG zu Unrecht einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint. Die Beklagte habe es pflichtwidrig
unterlassen, sie - die Klägerin - anlässlich ihres Auskunftsersuchens vom 15.3.1989 und weiterer Kontakte in den Jahren 1992,
1993 und 1994 über die Ausschlussfrist zu beraten. Wegen des "Meistbegünstigungsprinzips" hätte ihre Anfrage nach weiteren
"Beitragszeiten" für den pflegebedürftigen Sohn umfassend - auch mit einem Hinweis auf die Möglichkeit der Beantragung beitragsloser
Berücksichtigungszeiten - beantwortet werden müssen, zumal die zum 1.1.1992 erfolgte Einführung der Berücksichtigungszeiten
wegen Pflege damals bereits in Kraft getreten gewesen sei. Es sei der Sozialverwaltung zumutbar, eine aktuell bearbeitete
Akte auf noch unerledigte Anträge und Auskunftsersuchen zu überprüfen. Dass die Akte zwischenzeitlich "verlegt" gewesen sei,
dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen. Aufgrund des unterbliebenen Hinweises auf einen möglichen Antrag nach §
57 Abs
2 SGB VI aF sei ihr ein sozialrechtlicher Nachteil entstanden. Denn bei Kenntnis dieses Erfordernisses hätte sie einen solchen Antrag
in jedem Fall gestellt. Da nur dessen Fehlen zur Nichterfüllung der Wartezeit für eine Altersrente für langjährig Versicherte
geführt habe, sei sie im Wege des Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob sie rechtzeitig die Anerkennung der Zeit vom
1.1.1992 bis 31.3.1995 als Berücksichtigungszeit wegen Pflege beantragt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juli 2010, das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 16.
Dezember 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2006 aufzuheben
sowie die Beklagte zu verurteilen, den Ablehnungsbescheid vom 28. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Dezember
2002 zurückzunehmen und ab 1. Juli 2002 Altersrente für langjährig Versicherte zu gewähren,
hilfsweise, die genannten Urteile und Bescheide aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 23. Juni
2004 zurückzunehmen und höhere Regelaltersrente unter Anrechnung des Zeitraums vom 1. Januar 1992 bis zum 31. März 1995 als
Berücksichtigungszeit wegen Pflege zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, ein möglicher Sachgrund für die unterschiedliche
Behandlung hinsichtlich des Antragserfordernisses von Zeiten der Pflege und Zeiten der Kindererziehung könne darin liegen,
dass die Erziehung eines Kindes durch einen Elternteil im Regelfall unterstellt werden könne, während der Nachweis der Pflege
eines Angehörigen für lange zurückliegende Zeiträume schwierig sei. Im Übrigen sei vorrangig das Bestehen eines sozialrechtlichen
Herstellungsanspruchs zu prüfen. Sie - die Beklagte - habe jedoch keine Beratungspflichten verletzt. Sie könne auch nach Auswertung
bereits mikroverfilmter Aktenbestandteile nicht feststellen, dass das von der Klägerin angeführte Schreiben vom 15.3.1989
überhaupt bei ihr eingegangen sei. Der Rechtsmeinung, dass der Rentenversicherungsträger bei jedem neuen "Geschäftsvorfall"
den bisherigen Vorgang ohne konkreten Anlass vollständig darauf zu überprüfen habe, ob durch zwischenzeitlich eingetretene
Rechtsänderungen alte Aktenbestandteile eine neue Relevanz erhalten hätten, sei aus zeitlichen und arbeitstechnischen Gründen
nicht zu folgen.
Die Beigeladene verweist auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden vorinstanzlichen Entscheidungen, sieht aber von einer eigenen
Antragstellung ab.
II
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das LSG hat ihre Berufung gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen, denn der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 31.7.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
6.10.2006 ist rechtmäßig (§
170 Abs
1 S 1 iVm §
54 Abs
2 S 1
SGG). Die Klägerin kann von der Beklagten weder die Rücknahme des eine Altersrente für langjährig Versicherte versagenden Bescheids
vom 28.3.2002 und Gewährung entsprechender Leistungen ab 1.7.2002 beanspruchen noch (im Sinne des Hilfsantrags) die Zahlung
höherer Regelaltersrente ab 1.7.2004 unter Änderung des Bescheids über die Regelaltersrente vom 23.6.2004. Es ist nicht zu
beanstanden, dass die Beklagte es abgelehnt hat, den Zeitraum vom 1.1.1992 bis 31.3.1995, in dem die Klägerin ihren behinderten
Sohn pflegte, oder Teile davon als Berücksichtigungszeit wegen Pflege iS des §
249b SGB VI anzuerkennen.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der eine Rücknahme vorangegangener Entscheidungen ablehnende Bescheid der Beklagten
vom 31.7.2006 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.10.2006), und zwar sowohl hinsichtlich einer Korrektur des Altersrente
für langjährig Versicherte versagenden Bescheids vom 28.3.2002 als auch in Bezug auf eine Änderung des Regelaltersrente bewilligenden
Bescheids vom 31.7.2006. Die Klägerin hat von Anfang an stets eine Überprüfung beider Bescheide verlangt. Bei sachgemäßer
Auslegung (vgl §
123 SGG) war ihr Begehren von vornherein als - ihr Ziel weitestgehend verwirklichender - Hauptantrag auf Gewährung von Altersrente
für langjährig Versicherte unter Einbeziehung des Zeitraums 1.1.1992 bis 31.3.1995 (39 Monate) als Berücksichtigungszeit wegen
Pflege zu behandeln. Nur für den Fall von dessen Ablehnung sollte höhere Regelaltersrente unter Einbeziehung möglichst vieler
Monate einer Berücksichtigungszeit wegen Pflege eingefordert werden. Die Beklagte hat zumindest im Widerspruchsbescheid vom
6.10.2006 auch über dieses umfassende Begehren entschieden (vgl §
95 SGG). Wenn sich - wie hier - das SG nur mit dem Hauptantrag befasst und den Hilfsantrag übergangen hat, war das Berufungsgericht ohne vorheriges Urteilsergänzungsverfahren
(vgl §
140 SGG) verpflichtet, auch über den Hilfsantrag zu entscheiden (§
157 S 1
SGG - s hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
157 RdNr 2a). Auch wenn sich das LSG in seinem Urteil ausschließlich mit dem (Hilfs-)Antrag auf höhere Regelaltersrente auseinandergesetzt
hat, muss bei sachgerechter Zusammenschau davon ausgegangen werden, dass es den im Tatbestand seines Urteils wiedergegebenen
Hauptantrag nicht übergangen, sondern - zumindest konkludent - ebenfalls als nicht begründet beurteilt hat. Denn mit der Ablehnung
jeglicher Berücksichtigungszeiten wegen Pflege mussten notwendigerweise sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag der Klägerin
scheitern. Damit ist aber auch der Hauptantrag Gegenstand der Überprüfung im Revisionsverfahren (zur vereinzelt bejahten Möglichkeit
des "Heraufholens" vom LSG versehentlich übergangener Verfahrensgegenstände in die Revisionsinstanz vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 27).
2. Als Rechtsgrundlage für eine Aufhebung des Altersrente für langjährig Versicherte versagenden Bescheids vom 28.3.2002 oder
für eine Änderung des Bescheids über die Regelaltersrente vom 23.6.2004 kommt nur § 44 Abs 1 S 1 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die
Vergangenheit ua zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden
ist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Ihrer Anwendung steht auch in Bezug auf den Bescheid vom 28.3.2002 nicht entgegen, dass dessen Rechtmäßigkeit bereits Gegenstand
eines sozialgerichtlichen Verfahrens war, das rechtskräftig mit einer Abweisung der Klage als unbegründet endete (Urteil des
SG Lüneburg vom 25.8.2005 zum Az S 4 RJ 86/04 WA - zuvor S 4 RJ 8/03). Zwar ist dadurch der genannte Bescheid für die Beteiligten in der Sache bindend geworden (§
77 SGG). Eine Bindung besteht jedoch nur, "soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist". In diesem Sinne ist § 44 SGB X eine gesetzliche Bestimmung, die eine Durchbrechung der Bindungswirkung zulässt (vgl BSG SozR 2200 § 1268 Nr 29 S 91, 94). Sie vermittelt einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts unabhängig
davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 96, 227 = SozR 4-2600 § 315a Nr 3, RdNr 14; BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12 - jeweils mwN). Aus dem Urteil des 9. Senats vom 3.2.1988 (BSGE 63, 33, 35 = SozR 1300 § 44 Nr 33 S 89) ergibt sich nichts Gegenteiliges.
3. Die Beklagte hat mit der Ablehnung eines Anspruchs auf Altersrente für langjährig Versicherte im Bescheid vom 28.3.2002
iS des § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht nicht unrichtig - was hier allein in Betracht kommt -, sondern zutreffend angewandt.
a) Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Altersrente für langjährig Versicherte ist §
236 Abs
1 SGB VI (gemäß §
300 Abs
2 SGB VI hier noch anzuwenden in der ab 1.1.2000 geltenden Fassung des RRG 1999 vom 16.12.1997, BGBl I 2998; ab 1.1.2002 s auch Neubekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754). Vor dem 1.1.1948 geborene
Versicherte haben nach S 1 der Vorschrift frühestens Anspruch auf eine solche Rente, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet
und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Nach S 2 bis 4 (aaO) wird diese Altersgrenze für nach dem 31.12.1936 geborene
Versicherte nach Maßgabe der Anlage 21 zum
SGB VI angehoben, wobei eine vorzeitige Inanspruchnahme möglich ist (mit entsprechenden Abschlägen gemäß §
77 Abs
2 S 1 Nr
2 Buchst a
SGB VI). Anlage 21 zum
SGB VI enthält für Versicherte, die zwischen Januar 1939 und Dezember 1947 geboren sind, nach dem Gesamtzusammenhang der Regelung
- ebenso wie für im Dezember 1938 und im Januar 1948 Geborene - eine Anhebung der Altersgrenze auf 65 Jahre sowie die Möglichkeit
zur vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente ab dem 63. Lebensjahr.
Die 1939 geborene Klägerin hatte am 1.7.2002 ihr 63. Lebensjahr vollendet und erfüllte somit die altersmäßige Voraussetzung
für eine (vorzeitige) Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte. Sie hatte jedoch, wie das SG festgestellt und worauf das LSG Bezug genommen hat, zu diesem Zeitpunkt ohne Berücksichtigung der streitbefangenen Berücksichtigungszeiten
wegen Pflege ihres Sohnes im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 lediglich 31 Jahre und 11 Monate an rentenrechtlichen Zeiten
(§
51 Abs
3 SGB VI) aufzuweisen, die auf die Wartezeit von 35 Jahren angerechnet werden können. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Altersrente
für langjährig Versicherte ab 1.7.2002 besteht somit nur, wenn bis dahin wenigstens weitere 37 Monate an rentenrechtlichen
Zeiten, zu denen gemäß §
54 Abs
1 Nr
3 SGB VI auch Berücksichtigungszeiten gehören, anzurechnen wären. Das ist jedoch nicht der Fall.
b) Eine Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 (= 39 Monate) kommt nicht
in Betracht.
Nach §
249b S 1
SGB VI (in der ab 1.4.1995 und bis heute unverändert geltenden Fassung des Pflege-Versicherungsgesetzes [PflegeVG] vom 26.5.1994, BGBl I 1014; zuvor weitgehend inhaltsgleich mWv 1.1.1992 §
57 Abs
2 SGB VI idF des RRG 1992 vom 18.12.1989, BGBl I 2261) sind Berücksichtigungszeiten "auf Antrag" auch Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines
Pflegebedürftigen in der Zeit vom 1.1.1992 bis zum 31.3.1995, solange die Pflegeperson (1.) wegen der Pflege berechtigt war,
Beiträge zu zahlen oder die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge zu beantragen, und (2.) nicht zu den
in §
56 Abs
4 SGB VI genannten Personen gehört, die von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen sind. Gemäß S 2 der Vorschrift
wird die Zeit der Pflegetätigkeit von der Aufnahme der Pflegetätigkeit an als Berücksichtigungszeit angerechnet, wenn der
Antrag bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach Aufnahme der Pflegetätigkeit gestellt wird.
aa) Hiernach ist - ungeachtet weiterer Voraussetzungen insbesondere hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Pflegetätigkeit
- die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege von einem Antrag der Pflegeperson (nicht: der zu pflegenden Person)
abhängig (zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung RdNr 41 ff), zu deren Gunsten die Zeit rentenrechtlich wirksam werden soll
(Dankelmann in juris-PK
SGB VI, 2. Aufl 2013, §
249b RdNr 44). Die zeitliche Wirkung des Antrags ergibt sich aus §
249b S 2
SGB VI. Um bei einem Beginn der Pflegetätigkeit vor 1992 - wie im vorliegenden Fall - den vollen denkbaren Zeitraum (1.1.1992 bis
31.3.1995) als Berücksichtigungszeit gutgeschrieben zu erhalten, hätte die Klägerin einen entsprechenden Antrag spätestens
am 31.3.1992 stellen müssen, da bei einer bereits länger als drei Monate - hier: seit November 1979 - aufgenommenen Pflegetätigkeit
die Berücksichtigungszeit erst ab dem Tag des Antragseingangs angerechnet werden kann (Fichte in Hauck/Noftz,
SGB VI, K §
249b RdNr 3, 18, Stand Juni 2012). Eine Antragstellung nach diesem Zeitpunkt hätte nur zu einer entsprechend kürzeren Berücksichtigungszeit
führen können; letztmöglicher Antragszeitpunkt (zur Anerkennung einer Berücksichtigungszeit für den Monat März 1995) war demnach
der 31.3.1995 (vgl Löschau in ders,
SGB VI, Stand August 2013, §
249b RdNr 17; Bergner ua, KomGRV, §
249b SGB VI Anm 3, Stand Oktober 2003; Försterling in Ruland/Försterling, Gemeinschaftskomm zum
SGB VI, §
249b RdNr 13, Stand Mai 2005). Das von den Vorinstanzen für maßgeblich gehaltene Datum 30.6.1995 ist hier nicht einschlägig. Vielmehr
markiert es lediglich den letzten denkbaren Antragszeitpunkt für den Fall, dass eine Pflegetätigkeit erst im März 1995 begann.
Sämtliche möglichen Antragszeitpunkte hat die Klägerin jedoch versäumt. Denn sie hat einen Antrag auf Anrechnung von Berücksichtigungszeiten
wegen Pflege erst am 5.7.1996 bei der Beklagten gestellt.
bb) Auch die Regelungen zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X) kommen der Klägerin nicht zugute. Dies gilt schon deshalb, weil bei Einreichung des Antrags auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten
wegen Pflege im Juli 1996 die Jahresfrist gemäß § 27 Abs 3 SGB X längst abgelaufen war.
cc) Ebenso wenig kann sie auf der Grundlage eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beanspruchen, so behandelt zu werden,
als ob sie den Antrag auf Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege bereits am 31.3.1992 - dem spätesten Zeitpunkt,
um die erforderlichen 37 Monate solcher Zeiten angerechnet zu erhalten - gestellt hätte.
In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass das richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch neben der gesetzlichen
Wiedereinsetzungsregelung in § 27 SGB X (soweit einschlägig) anwendbar ist. Der Herstellungsanspruch erfordert eine Pflichtverletzung eines Sozialleistungsträgers
und einen hierdurch beim Betroffenen hervorgerufenen rechtlichen Nachteil auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge
ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies nur durch eine an sich zulässige
Amtshandlung geschehen darf (BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 13 RdNr 26 mwN; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 12 AL 2/12 R - Juris RdNr 19, zur Veröffentlichung in SozR 4-4300 § 28a Nr 5 vorgesehen).
Die genannten Voraussetzungen liegen auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG, die von der Klägerin nicht
mit Verfahrensrügen angegriffen wurden und daher für den Senat bindend sind (§
163 SGG), nicht vor. Als Pflichtverletzung, die gegebenenfalls einen Herstellungsanspruch auslösen kann, kommt vorliegend nur eine
unzureichende Beratung der Klägerin durch die Beklagte über ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Erlangung von
Berücksichtigungszeiten wegen Pflege in Betracht (vgl §
14 SGB I).
(1) Die Klägerin macht insoweit geltend, sie habe die Beklagte mit Schreiben vom 15.3.1989 ua um Auskunft gebeten, ob für
ihren Sohn "weitere Beitragszeiten anerkannt werden könnten, da er seit 1979 schwerbehindert und pflegebedürftig ist", hierauf
aber keine Antwort erhalten. Bei ordnungsgemäßer Behandlung ihres Auskunftsersuchens wäre die Beklagte verpflichtet gewesen,
auch zu sonstigen anerkennungsfähigen Zeiten im Zusammenhang mit dem geschilderten Sachverhalt umfassend Auskunft zu geben
und dabei auf die Möglichkeiten der Beantragung beitragsloser Berücksichtigungszeiten wegen Pflege hinzuweisen. Das LSG-Urteil
enthält jedoch keine Feststellungen dazu, dass diese Anfrage die Beklagte überhaupt erreicht hat. Im Tatbestand (S 2 aaO)
ist lediglich der oben erwähnte Vortrag der Klägerin wiedergegeben; die Entscheidungsgründe (S 7 aaO) enthalten keine weitergehenden
Feststellungen zum Inhalt der Anfrage oder dazu, ob sie bei der Beklagten - was diese ausdrücklich in Frage stellt - eingegangen
ist. Dennoch bedarf es keiner Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung.
Denn selbst wenn die Tatsachenbehauptungen der Klägerin zu ihren Gunsten als wahr unterstellt werden, ergibt sich aus ihnen
kein Herstellungsanspruch. Zwar stünde dann ein Beratungsmangel iS von §
14 SGB I - in Gestalt der Nichterteilung einer erbetenen Beratung - fest. Dies hätte jedoch zum damaligen Zeitpunkt im Frühjahr 1989
nicht kausal zu einem sozialrechtlichen Nachteil bei der Klägerin führen können. Bei Durchführung der Beratung hätte die Beklagte
der Klägerin damals lediglich mitteilen können, dass nach geltender Rechtslage keine weiteren Beitragszeiten oder sonstige
rentenrechtlichen Zeiten wegen der Pflegebedürftigkeit ihres Sohnes anzuerkennen seien. Hieraus hätte sich für die Klägerin
kein Erfordernis einer späteren Antragstellung zur Erlangung von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege erschlossen, was zur
Folge hat, dass ohne die (behauptete) Pflichtverletzung kein für die Klägerin günstigerer Rechtszustand eingetreten wäre,
der mit Hilfe des Herstellungsanspruchs nunmehr verwirklicht werden könnte.
Die Beklagte war im März 1989 auch nicht dazu verpflichtet, auf eine möglicherweise künftig günstigere, mit dem Erfordernis
einer rechtzeitigen Antragstellung verbundene Rechtslage hinzuweisen, falls der am 7.3.1989 erstmals in das Gesetzgebungsverfahren
eingebrachte Entwurf des RRG 1992 (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vom 7.3.1989, BT-Drucks 11/4124) in Gestalt der dort in §
57 Abs
2 SGB VI neu aufgenommenen Regelung geltendes Recht würde. Denn der Anspruch auf Beratung nach §
14 SGB I umfasst nur die Beratung über die bestehenden "Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch", nicht aber auch über den Inhalt
von bloßen Gesetzentwürfen, die weder vom Parlament verabschiedet noch verkündet sind (s BSG SozR 4-1200 § 14 Nr 5 RdNr 9 - zum Fall einer neu eingeführten antragsabhängigen Leistung nach dem LBliGG Sachsen - sowie BSG SozR 3-3200 § 86a Nr 2 S 6 - zum Fall der 1987 neu eingeführten antragsabhängigen Arbeitslosenbeihilfe nach § 86a Abs 1 S 2 SVG iVm § 100 Abs 1 AFG für Soldaten auf Zeit).
Nichts anderes ergibt sich, wenn der Zeitraum nach Verkündung des RRG 1992 am 28.12.1989 (vgl BGBl I 1989 Nr 60 S 2261) in den Blick genommen wird. Dann wäre zwar die (unterstellte) Anfrage der
Klägerin immer noch unbeantwortet gewesen. Außerdem hätte die Beklagte auf eine zu diesem Zeitpunkt gestellte Anfrage der
Klägerin mitteilen müssen, dass nach der gesetzlichen Regelung ab 1992 Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege im Umfang von
regelmäßig mindestens 10 Stunden pro Woche auf einen entsprechenden - fristgebundenen - Antrag hin entweder als Pflichtbeitragszeiten
oder als Berücksichtigungszeiten (§
57 Abs
2 iVm §
177 SGB VI aF) angerechnet werden können (vgl BSG SozR 4-3800 §
1 Nr 9 RdNr 35; s hierzu auch Bergner ua, KomGRV, §
14 SGB I RdNr 5 S 8, Stand März 2007). Gleichwohl vermag - jedenfalls in einer Konstellation wie der hier vorliegenden - eine fehlende
Antwort der Beklagten auf das Schreiben der Klägerin vom 15.3.1989 einen Herstellungsanspruch nicht zu begründen.
Denn wenn ein Betroffener, der auf ein Auskunftsersuchen keine Antwort erhält, nach einer angemessenen Wartefrist die ihm
zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Aufklärung, ob seine Anfrage bei dem zur Beratung verpflichteten Leistungsträger
überhaupt angekommen ist oder welche Gründe für das Ausbleiben einer Antwort bestehen, nicht wahrnimmt, so kann er aus dem
Unterbleiben der Beratung keinen Herstellungsanspruch mehr herleiten. Ein Betroffener in solcher Lage hat Kenntnis von seinem
Informationsdefizit; ihm kann deshalb zugemutet werden, seine Anfrage in angemessener Frist zu wiederholen, zumal er sein
Beratungsbegehren gegenüber der Behörde nötigenfalls prozessual durchsetzen kann (BSG SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 24; s auch Schmidt-De Caluwe, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1992, S 514, der einen Herstellungsanspruch
nur bejaht, wenn die versäumte Frist "zwischenzeitlich" - also innerhalb der angemessenen Wartefrist - abgelaufen ist). Eine
Nachfrage wegen der bislang unterbliebenen Antwort liegt auch deshalb nahe, weil es hierfür die unterschiedlichsten Gründe
geben kann: Neben dem (pflichtwidrigen) Unterlassen einer rechtzeitigen Auskunft kann auch das Auskunftsersuchen oder die
Auskunft auf dem Postweg oder behördenintern verloren gegangen sein; denkbar ist ferner, dass die Anfrage von der Klägerin
versehentlich nicht abgeschickt oder die Antwort von ihr übersehen oder versehentlich vernichtet wurde.
Nicht vertieft zu werden braucht in diesem Zusammenhang, ob die Beschränkung des Herstellungsanspruchs aus dem generellen
Vorrang des Primärrechtsschutzes im Verhältnis zwischen Bürger und Staat herzuleiten ist, der es dem Bürger versagt, eine
rechtswidrige staatliche Beeinträchtigung freiwillig hinzunehmen und stattdessen hierfür Schadensersatz zu verlangen (vgl
BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr 1, RdNr 17 mwN), ob die Begrenzung des Herstellungsanspruchs aus Nebenpflichten und Obliegenheiten
folgt, die sich auch für den Leistungsberechtigten aus dem Sozialrechtsverhältnis ergeben (so BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 75/12 R - RdNr 24 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 16 Nr 13 vorgesehen), oder ob es in diesen Fällen bereits
an der Kausalität der behördlichen Pflichtverletzung iS einer wesentlichen - zumindest gleichwertigen - Bedingung für die
Beeinträchtigung eines sozialen Rechts fehlt (so BSGE 91, 1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1 - Leitsatz 2 und RdNr 62). Im Ergebnis besteht jedenfalls Übereinstimmung, dass unter den genannten
Voraussetzungen kein Herstellungsanspruch wegen unterlassener Beratung besteht.
Eine solche Konstellation liegt hier vor, sofern das tatsächliche Vorbringen der Klägerin als wahr unterstellt wird. Diese
hat mit ihrer Revision selbst nicht vorgetragen, dass sie ihre (behauptete) Anfrage vom 15.3.1989, die von der Beklagten unbeantwortet
geblieben sei, zu irgendeinem späteren Zeitpunkt erneuert oder Informationen zu den Gründen der unterbliebenen Antwort eingeholt
habe; auch das LSG hat solches nicht festgestellt. Damit scheidet ein Herstellungsanspruch als Folge einer unterlassenen Beantwortung
des Schreibens der Klägerin vom 15.3.1989 durch die Beklagte aus. Wie zu entscheiden wäre, wenn die Antragsfrist gerade in
dem Zeitraum abgelaufen wäre, während dessen die Klägerin mit einer Antwort durch die Beklagte auch ohne Nachfrage hat rechnen
dürfen, kann dahinstehen; zum hier maßgeblichen Zeitpunkt Ende März 1992 war dies jedenfalls nicht mehr der Fall.
(2) Weiterhin leitet die Klägerin eine Pflicht der Beklagten zur Beratung über das Antragserfordernis hinsichtlich der Anrechnung
von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege ab 1.1.1992 daraus ab, dass nach Verkündung des RRG 1992 erneut Kontakte in rentenrechtlichen Angelegenheiten stattgefunden hätten, nämlich im Zusammenhang mit einem Antrag
vom 2.11.1992 auf Beitragsnachzahlung bei Heiratserstattung und weiteren Vorgängen in den Jahren 1993 und 1994; jedenfalls
zu diesen Zeitpunkten hätte die Beklagte sie über die bereits konkret eingetretene Änderung der Rechtslage beraten müssen.
Eine Würdigung dieses Sachverhalts durch das Revisionsgericht ist jedoch ausgeschlossen. Denn es handelt sich insoweit um
völlig neues tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann (vgl BSGE 9, 266, 271; Lüdtke in ders,
SGG, 4. Aufl 2012, §
163 RdNr 3). Im angefochtenen Urteil des LSG finden sich keinerlei Feststellungen zu solchen Kontakten. Dort ist - anders als
hinsichtlich der Geltendmachung eines Herstellungsanspruchs aufgrund des Schreibens vom 15.3.1989 - nicht einmal ein entsprechendes
Vorbringen der Klägerin in erster oder zweiter Instanz zur Untermauerung ihres Anspruchs erwähnt (vgl §
136 Abs
2 S 2
SGG). Wiederaufnahmegründe in Bezug auf diese tatsächlichen Umstände sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Im Übrigen könnte ein Herstellungsanspruch aufgrund eines Beratungsfehlers der Beklagten anlässlich des ersten vorgetragenen
Kontakts im November 1992 allenfalls dazu führen, dass die Klägerin so zu stellen wäre, als ob sie einen Antrag auf Anerkennung
von Berücksichtigungszeiten wegen Pflege im November 1992 gestellt hätte. Das würde jedoch nicht genügen, um die bei ihr für
eine Altersrente für langjährig Versicherte zusätzlich erforderlichen rentenrechtlichen Zeiten im Umfang von mindestens 37
Monaten zu erlangen (s oben 3. a).
4. Die Beklagte hat auch im Bescheid über die Regelaltersrente vom 23.6.2004 iS des § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht nicht unrichtig, sondern zutreffend angewandt, indem sie bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (§§
70 ff
SGB VI) für den Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 keine Berücksichtigungszeiten wegen Pflege (§
249b SGB VI) einbezog. Auch insoweit fehlt für eine Anrechnung solcher Berücksichtigungszeiten der erforderliche rechtzeitige Antrag;
auf die obigen Ausführungen (unter 3. b) wird Bezug genommen.
5. Das Antragserfordernis in §
57 Abs
2 SGB VI (in der ab 1.1.1992 bis 31.3.1995 geltenden Fassung des RRG 1992) bzw nunmehr in §
249b SGB VI (in der ab 1.4.1995 geltenden Fassung des PflegeVG) verletzt kein Verfassungsrecht; es ist insbesondere mit Art
3 Abs
1 GG vereinbar.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Er verlangt vom Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich
Ungleiches ungleich zu regeln. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen
im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher
Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr, vgl BVerfGE 132,
372 RdNr 45 mwN).
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche
Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen über einen stufenlosen, am
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstab bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen
können (BVerfGE 132, 179 RdNr 30; BVerfGE 132, 372 RdNr 45 mwN). Differenzierungen bedürfen dabei stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und
dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Mithin muss eine Differenzierung nicht nur an ein der Art nach sachlich
gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium anknüpfen, sondern es ist auch ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen
Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung erforderlich, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt
von hinreichendem Gewicht erweist (BVerfGE 132, 372 RdNr 45 mwN).
Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen
sich dabei nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen
(BVerfGE 131, 239, 256 mwN). Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit, um den es hier geht, kommt dem Gesetzgeber bei der Abgrenzung der
begünstigten Personenkreise grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 130, 240, 254 mwN). Ihm sind jedoch umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten
auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (BVerfGE 122, 39, 52; 130, 131, 142). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist auch anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale
anknüpft (BVerfGE 129, 49, 69); sie ist darüber hinaus umso strenger, je mehr sich die zur Unterscheidung führenden personenbezogenen Merkmale den
in Art
3 Abs
3 GG genannten Merkmalen annähern und je größer die Gefahr ist, dass die Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit
führt (BVerfGE 131, 239, 256). Bei verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung insbesondere auch davon ab, inwieweit die Betroffenen
in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (BVerfGE
127, 263, 280 = SozR 4-1300 § 116 Nr 2 RdNr 45 mwN). Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers geht besonders weit, wenn er Lebenssachverhalte
verschieden behandelt und die Betroffenen sich durch eigenes Verhalten auf die unterschiedliche Regelung einstellen können;
die Grenze bildet dann allein das Willkürverbot (BVerfGE 97, 271, 291 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1 S 11).
b) Nach diesen Grundsätzen ist Prüfungsmaßstab hier allein das Willkürverbot. Das Unterscheidungsmerkmal "Antragserfordernis",
das die Klägerin beanstandet, ist nicht personenbezogen, sondern knüpft an den Lebenssachverhalt der Verrichtung nicht erwerbsmäßiger
Pflege in einem bestimmten zeitlichen Umfang durch jede beliebige Person an; es weist auch keinerlei Nähe zu einem der in
Art
3 Abs
3 GG genannten Merkmale - Alter, Geschlecht, Abstammung usw - auf. Die unterschiedliche Behandlung - Erlangung rentenrechtlicher
Zeiten ohne eigenen Beitrag, aber einmal mit und sonst ohne vorherigen Antrag - wirkt sich auch nicht in irgendeiner Weise
auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten aus. Es handelt sich vielmehr um eine Regelung, die lediglich verschiedene
Lebenssachverhalte (Pflege in Abgrenzung zu Kindererziehung oder sonstigen Tatbeständen, die eine beitragslose rentenrechtliche
Zeit begründen) in Bezug auf die verfahrensrechtliche Verwirklichung ihrer Berücksichtigung beim Erwerb von Rentenrechten
in unterschiedlicher Weise ausgestaltet (zum Willkürverbot als Beurteilungsmaßstab für verfahrensrechtliche Ausgestaltungen
s BVerfGE 42, 64, 73 f; zur Anlegung eines "zurückgenommenen Prüfungsmaßstabs" bei der Beurteilung des Selbsttitulierungsrechts einiger öffentlich-rechtlicher
Kreditanstalten vgl BVerfGE 132, 372 RdNr 46). Die davon Betroffenen konnten sich zudem durch eigenes Verhalten, nämlich durch eine formlose Antragstellung (§
9 SGB X - vgl Löschau in ders,
SGB VI, Stand August 2013, §
249b SGB VI RdNr 18; Fichte in Hauck/Noftz,
SGB VI, K §
249b RdNr 15, Stand Juni 2012) und damit ohne besonderen Aufwand auf die unterschiedliche Regelung einstellen.
c) Die Gewährung beitragsfreier Berücksichtigungszeiten wegen Pflege als zur Begründung oder Erhöhung von Rentenleistungen
beitragendes Element für den Zeitraum 1.1.1992 bis 31.3.1995 nur nach vorheriger fristgebundener Antragstellung (und damit
unter verfahrensrechtlich strengeren Voraussetzungen als bei zahlreichen anderen rentenrechtlich bedeutsamen Zeiten) ist durch
sachliche Gründe gerechtfertigt.
Das RRG 1992 hat erstmals geregelt, dass nicht erwerbsmäßige häusliche Pflegetätigkeit als rentenrechtlich bedeutsame Zeit berücksichtigt
werden kann. Die Begründung des Gesetzentwurfs führt dazu aus, die neue Leistung stehe im Zusammenhang mit dem Ziel, die Versicherungsbedingungen
für ehrenamtliche Pflegepersonen zu verbessern; deshalb sollte die Vergünstigung an die gleichen Voraussetzungen gebunden
werden, die auch für die in §
177 SGB VI (bis 31.3.1995; anschließend § 279e
SGB VI, der bis 31.12.2011 galt) neu geschaffene Möglichkeit einer Umwandlung freiwilliger Beiträge von Pflegepersonen in Pflichtbeiträge
vorgesehen waren (BT-Drucks 11/4124 S 142 unter 2. sowie S 167 - zu § 57 Abs 2). Diese beitragsrechtliche Regelung sollte
jedoch nur "auf Antrag und bei entsprechendem Nachweis" eröffnet werden (BT-Drucks 11/4124 S 143 unter 3.), denn den Rentenversicherungsträgern
sei eine Überprüfung des Vorliegens der Pflegebedürftigkeit und der tatsächlichen Pflegeleistung - gemäß §
177 Abs
1 Nr
2 SGB VI aF regelmäßig wöchentlich mindestens 10 Stunden - selbst nicht möglich (BT-Drucks 11/4124 S 186 - zu §
172, der als §
177 SGB VI Gesetz wurde). Deshalb wurde in §
177 Abs
4 S 2
SGB VI aF ergänzend bestimmt, dass die Versicherten den Umfang der Pflegebedürftigkeit durch eine Bescheinigung des Medizinischen
Dienstes (§
275 SGB V) und den Umfang der Pflegetätigkeit durch die Bescheinigung einer von den Landesregierungen zu bestimmenden Stelle selbst
nachzuweisen hatten.
Das gesetzgeberische Ziel einer Verknüpfung der neuen beitragsfreien Vergünstigung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflege
(mit zumeist rentenrechtlich nur geringen Auswirkungen) mit der gleichzeitig neu geschaffenen Möglichkeit einer verbesserten
Beitragszahlung durch die Pflegepersonen auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist nicht zu beanstanden und keinesfalls willkürlich.
Die insoweit unterschiedliche Behandlung der Berücksichtigungszeiten wegen Pflege gegenüber den - ebenfalls durch das RRG 1992 eingeführten - Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§
57 Abs
1 SGB VI aF, nunmehr §
57 SGB VI) erklärt sich dadurch, dass hinsichtlich des letztgenannten Sachverhalts eine gesonderte Beitrags(umwandlungs)regelung nicht
besteht. In Bezug auf Pflegepersonen im Bereich nicht erwerbsmäßiger häuslicher Pflege, die bereits vor Einführung der Pflegeversicherung
unter bestimmten Umständen für ihren Einsatz aus der Geldleistung nach §
57 SGB V aF honoriert werden konnten (s die Übersicht in BT-Drucks 12/5262 S 68 ff, insbesondere die Hinweise auf §
55 und §
57 SGB V in der vom 1.1.1989 bis 31.3.1995 geltenden Fassung), lag es nahe, ihnen auch eine eigene Beitragsleistung zur rentenrechtlichen
Absicherung zu eröffnen und diese Form der eigenverantwortlichen Vorsorge durch parallele verfahrensrechtliche Regelungen
zu befördern. Die Antragsgebundenheit der beitragslosen Berücksichtigungszeit wegen Pflege ermöglichte es den Rentenversicherungsträgern,
die Pflegepersonen zeitnah über deren (begrenzte) rentenrechtlichen Wirkungen sowie über die zusätzlich bestehenden beitragsrechtlichen
Möglichkeiten für eine verbesserte soziale Absicherung aufzuklären. Im Hinblick darauf trifft der Einwand der Klägerin nicht
zu, dass der vom Gesetzgeber hergestellte Sachzusammenhang zwischen den Berücksichtigungszeiten wegen Pflege (§
57 Abs
2 SGB VI aF) und den Beitragsregelungen wegen Pflege (§
177 SGB VI aF) einen Regelungsgleichklang in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht rechtfertigen könne, weil die ergänzende Beitragszahlung
keine notwendige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Berücksichtigungszeit sei (in diesem Sinne auch Fichte in Hauck/Noftz,
SGB VI, K §
249b RdNr 16, Stand Juni 2012).
Die oben wiedergegebene Begründung zum RRG 1992 zeigt zudem auf, dass der Gesetzgeber die besonderen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen (Antrag, Vorlage bestimmter
Nachweise) für die Gewährung von Vergünstigungen für nicht erwerbsmäßige häusliche Pflege geschaffen hat, weil er eine Überprüfung
der materiellen Voraussetzungen - insbesondere des Umfangs der tatsächlich erbrachten Pflegetätigkeit - durch den Rentenversicherungsträger
selbst für nicht durchführbar hielt. Auch das ist frei von Willkür. Dass dabei die von Anfang an vollumfängliche (rückwirkende)
Anrechnung einer Pflegezeit von der Beachtung einer - mit drei Monaten relativ kurz bemessenen - Antragsfrist abhängig gemacht
wurde, beruht auf dem Sachgrund, dass die Feststellung des Umfangs einer nicht erwerbsmäßig im häuslichen Bereich ausgeübten
Pflegetätigkeit in länger zurückliegenden Zeiträumen nicht zuletzt wegen jederzeit möglicher gesundheitlich bedingter Änderungen
des Pflegebedarfs besonders schwierig ist (vgl Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Teil II - Bd
3, §
249b SGB VI RdNr 10, Stand Februar 1996). Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, eine solche Regelung sei nicht erforderlich,
weil die Folgen einer eventuellen Beweislosigkeit nach den Regeln der objektiven Beweislast ohnehin von der Pflegeperson zu
tragen seien. Der Gesetzgeber handelt nicht sachwidrig, wenn er die Inanspruchnahme materieller Vergünstigungen an die Beachtung
zumutbarer verfahrensrechtlicher Vorkehrungen knüpft und damit das Ziel verfolgt, den Umfang künftiger Streitigkeiten von
vornherein zu begrenzen. Die Grundsätze der Beweislast kämen dagegen erst zur Anwendung, wenn alle bestehenden Möglichkeiten
der Sachaufklärung von Amts wegen in gegebenenfalls für die Solidargemeinschaft der Rentenversicherten kostenaufwändigen,
für die Pflegeperson aber kostenfreien Verfahren (vgl § 64 Abs 1 SGB X, §§
183,
184,
193 Abs
4 SGG) ausgeschöpft wären.
Der weitere Einwand, es handele sich bei dem fristgebundenen Antragserfordernis für die Anrechnung von Berücksichtigungszeiten
wegen Pflege um eine systemwidrige singuläre Ausnahmeregelung, da alle anderen beitragsfreien Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung
ohne diese Einschränkung berücksichtigt werden könnten, trifft nicht zu. Auch die Inanspruchnahme von Kindererziehungszeiten
ist in bestimmten Konstellationen gleichfalls von einem fristgebundenen Antrag abhängig. Im Falle gemeinsamer Erziehung können
sie einem Elternteil durch übereinstimmende Erklärung rückwirkend nur für bis zu zwei Kalendermonate vor deren Abgabe zugeordnet
werden (§
56 Abs
2 S 5 und 6
SGB VI), wobei die Abgabe der Erklärung nach den Regeln über die Antragstellung erfolgt (§
56 Abs
2 S 7
SGB VI). Zudem sind auch bestimmte Pflichtbeitragszeiten an einen rechtzeitigen Antrag geknüpft (Antragspflichtversicherung nicht
nur vorübergehend selbstständig Tätiger gemäß §
4 Abs
2 iVm Abs
4 S 1 Nr
1 SGB VI: frühestens ab Antragstellung; Antragspflichtversicherung nicht oder ohne Krankengeldanspruch in der GKV Versicherter gemäß
§
4 Abs
3 S 1 Nr
2 iVm Abs
4 S 1 Nr
2 SGB VI: Rückwirkung auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit nur bei Antragstellung innerhalb von drei Monaten). Im Übrigen stellt
eine Systemwidrigkeit für sich allein keinen Gleichheitsverstoß dar, da der Gesetzgeber bei Vorliegen plausibler Gründe ohne
Verletzung des Art
3 Abs
1 GG von sonst verfolgten Regelungsprinzipien abweichen kann (BVerfGE 81, 156, 207 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1 S 19; s hierzu auch Heun in Dreier,
GG, Bd 1, 3. Aufl 2013, Art
3 RdNr 37; Axer, SGb 2013, 669, 675).
Die zwar bei den meisten rentenrechtlichen Zeiten nicht übliche, als solche aber auch nicht singuläre Verknüpfung der zum
1.1.1992 neu eingeführten Berücksichtigungszeiten wegen Pflege mit einem fristgebundenen Antragserfordernis entbehrt schließlich
auch nicht deshalb einer sachlichen Rechtfertigung, weil - wie die Klägerin vorträgt - die Versicherten mit einer solchen
Regelung nicht rechnen konnten. Der damit angesprochene, im Rechtsstaatsprinzip (Art
20 Abs
3 GG) verankerte Verfassungsgrundsatz des Vertrauensschutzes (s hierzu BVerfG vom 5.3.2013 - 1 BvR 2457/08 - Juris RdNr 32, 41) ist nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber - wie hier - einen Lebensbereich erstmalig einer Regelung zuführt.
Dann kann sich schutzwürdiges Vertrauen auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen noch nicht gebildet haben. Vielmehr ist
es dem Bürger zuzumuten, sich über die konkreten Bedingungen, unter denen das Gesetz einen neuartigen Vorteil gewährt, kundig
zu machen und dabei die Informationsangebote der zur Aufklärung der Bevölkerung über ihre sozialen Rechte verpflichteten Leistungsträger
(vgl §
13 SGB I) zu nutzen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 und 4
SGG. Der Beigeladenen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten, zumal sie keinen Sachantrag gestellt hat (vgl Senatsurteil
vom 14.11.2002 - B 13 RJ 19/01 R - Juris RdNr 44 [insoweit in BSGE 90, 127 = SozR 3-5795 § 10d Nr 1 nicht abgedruckt]; s auch BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).