Verbleib von mit einem Rentenantrag übersandten Geburtsurkunden
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über den Verbleib von Geburtsurkunden.
Der Kläger verlangte im Verwaltungsverfahren von der Beklagten die Rückgabe von Originalurkunden, die er zusammen mit seinem
Rentenantrag übersandt habe. Auf die Mitteilung der Beklagten, dass in den Akten keine Originale enthalten seien, hat der
Kläger vor dem SG Klage auf Herausgabe der Geburtsurkunden seiner Kinder erhoben und daneben beantragt festzustellen, dass die Beklagte die
Urkunden rechtswidrig vernichtet habe. Das SG hat die Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 27.8.2020). Im Berufungsverfahren hat der Kläger nur noch seinen Feststellungsantrag weiterverfolgt. Das LSG hat die Berufung mit der
Begründung zurückgewiesen, es fehle an dem für eine Feststellungsklage erforderlichen Feststellungsinteresse (Urteil vom 22.3.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Beschwerdebegründung legt keinen
Zulassungsgrund in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dar. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Der Kläger hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtssache hat nur dann iS
des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht (§
162 SGG) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch
das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre
(konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm
angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN; BSG Beschluss vom 21.10.2021 - B 5 RS 10/21 B - juris RdNr 5).
Der Kläger stellt als Frage von grundsätzlicher Bedeutung:
"Ist das Erheben einer Rechtswidrigkeitsfeststellungsklage bei ungefragter und unerlaubter Vernichtung von Personenstandsurkunden
zulässig im Rahmen des §
55 SGG?"
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger damit eine aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung,
zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert. Das erscheint zweifelhaft, weil sich aus der Frage weder erschließt, auf welchen der
verschiedenen Regelungsinhalte des §
55 Abs
1 bis
3 SGG sie sich bezieht, noch was unter "ungefragter und unerlaubter Vernichtung" zu verstehen ist.
Soweit die übrigen Ausführungen des Klägers erkennen lassen, dass es ihm um die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage
nach §
55 Abs
1 Nr
1 SGG geht, zeigt er jedenfalls einen bestehenden (abstrakten) Klärungsbedarf nicht hinreichend auf. Eine Rechtsfrage ist nicht
klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits
höchstrichterlich geklärt ist. In der Beschwerdebegründung muss deshalb unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgebracht werden, dass zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch
die schon vorliegenden Urteile und Beschlüsse die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet
worden ist (vgl ua Senatsbeschluss vom 6.4.2021 - B 5 RE 16/20 B - juris RdNr 6 mwN). Als geklärt ist eine Rechtsfrage dabei auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich
beantwortet hat, jedoch bereits Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der
Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; aus jüngerer Zeit BSG Beschluss vom 28.10.2020 - B 12 KR 65/20 B - juris RdNr 9 mwN).
Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage nach §
55 Abs
1 Nr
1 SGG existiert bereits eine umfangreiche Rechtsprechung. Auch das Berufungsgericht hat verschiedene Urteile zitiert (BSG Urteil vom 18.7.2019 - B 8 SO 2/18 R = SozR 4-3500 § 54 Nr 18; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 19/10 R - BSGE 109, 211 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19 und BSG Urteil vom 21.10.1958 - 6 RKa 22/55). Die Beschwerdebegründung befasst sich mit keiner dieser Entscheidungen und stellt deshalb schon nicht ansatzweise dar, ob
und inwieweit noch ein Klärungsbedarf besteht. Allein die Behauptung des Klägers, es finde sich keine Rechtsprechung zur Frage
des §
55 SGG iVm der Vernichtung von originalen Personenstandsurkunden, genügt den Anforderungen an eine hinreichende Begründung nach
§
160a Abs
2 Satz 3
SGG nicht.
Der Vortrag, es werde in Verwaltungsverfahren zum Tagesgeschäft, Urkunden einzuscannen und zu vernichten, dies gehöre sich
nicht und sei für die Versicherten entwürdigend, ist in dieser Form auch nicht geeignet, eine über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) zu begründen (zu deren Anforderungen im Einzelnen vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160 RdNr 7a ff).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.