Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
Nach §
73a SGG iVm §
114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier
nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§
73 Abs
4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von
PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 ZPO).
Nach §
160 Abs
2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Solche Zulassungsgründe sind nach summarischer Prüfung des Streitstoffs auf der Grundlage des Inhalts der Gerichtsakten
sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht erkennbar.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Das LSG hat die Klage des Klägers,
die auf die Wiederaufnahme des jedenfalls durch eine Erledigungserklärung der besonderen Vertreterin des Klägers erledigten
Berufungsverfahrens L 1 AL 68/16 gerichtet war, als unzulässig angesehen, weil eine Wiederaufnahme nach §
179 Abs
1 SGG iVm §
578 Abs
1 ZPO ein rechtskräftiges Endurteil voraussetze, an dem es hier fehle. Insofern wirft der Rechtsstreit keine Frage von grundsätzlicher
Bedeutung auf, denn es ist in der Rechtsprechung des BSG bereits geklärt, dass nur gerichtliche Endentscheidungen - Urteile, Gerichtsbescheide oder urteilsersetzende Beschlüsse -
tauglicher Gegenstand einer Wiederaufnahmeklage sein können (vgl BSG vom 9.7.1968 - 10 RV 135/66 - SozR Nr 1 zu §
578 ZPO = juris RdNr 14; BSG vom 28.11.2002 - B 7 AL 26/02 R - juris RdNr 21).
Das LSG hat zudem den sinngemäßen Antrag auf Fortführung des Berufungsverfahrens L 1 AL 68/16 abgelehnt, weil dieses (gerichtskostenfreie) Verfahren jedenfalls durch eine einseitige Erledigungserklärung der besonderen
Vertreterin des Klägers wirksam beendet worden sei. Auch dies wirft keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil es
um die Würdigung von Prozesserklärungen im Einzelfall geht; die Maßgaben für die Auslegung von Prozesserklärungen sind in
der Rechtsprechung des BSG bereits geklärt (vgl etwa BSG vom 17.9.2020 - B 4 AS 13/20 R - SozR 4-1500 § 88 Nr 3 RdNr 23 mwN).
Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
Nach Aktenlage ist schließlich nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene
Entscheidung des LSG beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG). Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das LSG den Anwendungsbereich von §
179 SGG iVm §
578 Abs
1 ZPO nicht als eröffnet angesehen hat, weil kein Endurteil ergangen war (vgl nochmals BSG vom 9.7.1968 - 10 RV 135/66 - SozR Nr 1 zu §
578 ZPO = juris RdNr 14; BSG vom 28.11.2020 - B 7 AL 26/02 R - juris RdNr 21). Zu Recht ist das LSG auch davon ausgegangen, dass die Wirksamkeit der Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung
vom 27.8.2020 nicht davon abhängt, dass sie nicht vorgelesen und genehmigt worden ist. Die Regelungen des §
122 SGG iVm §
160 Abs
3 Nr
1 und Nr
8, §
162 Abs
1 ZPO dienen Beweiszwecken, ihre Einhaltung ist aber jedenfalls bei Rücknahme- und Erledigungserklärungen nicht Wirksamkeitsvoraussetzung
(vgl BSG vom 12.3.1981 - 11 RA 52/80 - SozR 1500 § 102 Nr 4 = juris RdNr 20 f; Bünnigmann in Anders/Gehle,
ZPO, 80. Aufl 2022, §
162 RdNr 11 mwN; Fritsche in Münchener Kommentar zur
ZPO, 6. Aufl 2020, §
159 RdNr 4, §
162 RdNr 4 mwN). Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass das LSG von einer wirksamen Vertretung des Klägers durch eine besondere Vertreterin
nach §
72 SGG (Bestellung durch Beschluss des LSG vom 25.5.2020) ausgegangen ist, da sie zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung wirksam bestellt war. Dass der Kläger der Erklärung seiner
besonderen Vertreterin noch in der mündlichen Verhandlung widersprach, ist vom LSG zu Recht als unbeachtlich angesehen worden.
Der besondere Vertreter hat die gleichen Befugnisse wie ein gesetzlicher Vertreter (Roller in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 2017, §
72 RdNr 36), so dass seine Handlungen dem Kläger erst Recht wie Handlungen eines gewillkürten Vertreters gemäß §
73 Abs
6 Satz 7
SGG iVm §
85 Abs
1 Satz 1
ZPO zuzurechnen sind. Die Regelung des §
85 Abs
1 Satz 2
ZPO betrifft nur Geständnisse und andere tatsächliche Erklärungen und ist für die hier vorliegende Prozesserklärung daher schon
deswegen nicht anwendbar (vgl Becker in Anders/Gehle,
ZPO, 88. Aufl 2022, §
85 RdNr 6; Pitz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 2017, §
73 RdNr 37; Weth in Musielak/Voit,
ZPO, 18. Aufl 2021, §
85 RdNr 5 mwN), so dass es hier nicht darauf ankommt, ob auch dem Beteiligten, für den ein besonderer Vertreter bestellt ist, die Möglichkeit
des §
85 Abs
1 Satz 2
ZPO zusteht.
Dass das LSG im Verfahren über die Wiederaufnahmeklage bzw über den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens ohne Hinzuziehung
der besonderen Vertreterin entschieden hat, begründet ebenfalls keinen Verfahrensmangel. Dabei kann dahinstehen, ob es verfahrensfehlerfrei
war, dass das LSG zwar in Anwesenheit des Klägers mündlich verhandelt hat, aber diesmal kein besonderer Vertreter des Klägers
in der mündlichen Verhandlung zugegen war. Selbst wenn feststünde, dass der Kläger zum Zeitpunkt dieser mündlichen Verhandlung
prozessunfähig war, muss der Rechtsstreit ausnahmsweise dann nicht mit einem besonderen Vertreter fortgeführt werden, wenn
unter Anlegung eines strengen Maßstabes das Rechtsmittel eines Prozessunfähigen offensichtlich haltlos ist (BSG vom 11.9.2020 - B 8 SO 5/19 B - juris RdNr 9 mwN; BSG vom 11.9.2020 - B 8 SO 22/19 B - juris RdNr 9 mwN). Dies ist hier aber aus den oben dargelegten Gründen der Fall.