Mitgliedschaft in der obligatorischen Anschlussversicherung des § 188 Abs. 4 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung
Keine freiwillige Mitgliedschaft einer vormals familienversicherten Person bei weiterhin vorliegenden persönlichen Voraussetzungen
für eine Familienversicherung
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zum 1.8.2017 im Wege der obligatorischen Anschlussversicherung freiwilliges
Mitglied der beklagten Krankenkasse geworden ist.
Die Klägerin war seit 2.5.2017 über ihren Ehemann bei der Beklagten familienversichert. Dieser war zunächst versicherungspflichtig
beschäftigt und anschließend im Wege der obligatorischen Anschlussversicherung freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV). Seine Mitgliedschaft wurde rückwirkend zum 1.8.2017 wegen des nachträglich bekannt gewordenen Bezugs von Leistungen
nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) storniert (Bescheid vom 21.3.2018). Die ebenfalls Leistungen nach dem
AsylbLG beziehende Klägerin beantragte mit Schreiben vom 29.3.2018 ihre freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten für die Zeit
ab 1.8.2017. Gleichzeitig benannte sie als Familienangehörige ihren Ehemann und zwei Kinder. Die Beklagte lehnte sowohl den
freiwilligen Beitritt zur GKV als auch die obligatorische Anschlussversicherung ab (Bescheid vom 4.6.2018; Widerspruchsbescheid
vom 15.11.2018).
Das SG Trier hat die auf Durchführung der obligatorischen Anschlussversicherung gerichtete Klage abgewiesen. Eine Familienversicherung
teile das Schicksal der Mitgliedschaft des Versicherungspflichtigen. Da durch die Beendigung der Versicherung des Ehemanns
der Klägerin für diese zumindest mittelbar ein nachgehender Leistungsanspruch bestanden und sie über eine anderweitige Absicherung
verfügt habe, sei eine obligatorische Anschlussversicherung ausgeschlossen (Urteil vom 8.1.2020). Das LSG Rheinland-Pfalz
hat die Berufung der Klägerin unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Urteils des SG zurückgewiesen. Eine obligatorische Anschlussversicherung der Klägerin sei nach §
188 Abs
4 Satz 3
SGB V ausgeschlossen, weil sie im Rahmen des Bezugs von Leistungen nach dem
AsylbLG anderweitig im Krankheitsfall abgesichert sei (Urteil vom 1.10.2020).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von §
188 Abs
4 SGB V. Die Voraussetzungen nach §
188 Abs
4 Satz 1
SGB V seien erfüllt, weil ihre Familienversicherung geendet habe. Die Ausnahmeregelung in §
188 Abs
4 Satz 3
SGB V sei nicht einschlägig, weil sie ausdrücklich nur für Personen gelte, deren Versicherungspflicht geendet habe. Auf eine anderweitige
Absicherung im Krankheitsfall komme es daher nicht an.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Oktober 2020 und des Sozialgerichts Trier vom 8. Januar 2020 sowie
den Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2018 aufzuheben und
ihre freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten für die Zeit ab 1. August 2017 festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Der Beigeladene zu 1. teilt die Rechtsauffassung der Klägerin.
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht ihre Berufung gegen das die Klage abweisende
Urteil des SG zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 4.6.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2018 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die freiwillige Mitgliedschaft in der GKV kraft Beitritts ist mangels ausreichender
Vorversicherungszeit ausgeschlossen (dazu 1.). Eine freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin im Wege einer obligatorischen
Anschlussversicherung ab dem 1.8.2017 ist mangels Zugehörigkeit zum versicherungsberechtigten Personenkreis nicht zu Stande
gekommen (dazu 2.).
1. Die Klägerin konnte sich nicht gemäß §
9 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB V (idF des Fünften Gesetzes zur Änderung des
Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005, BGBl I 3676) freiwillig versichern. Danach können Personen, die als Mitglieder aus der
Versicherungspflicht ausgeschieden sind, der Versicherung beitreten, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden
mindestens vierundzwanzig Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren.
Diese Vorversicherungszeit ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) nicht erfüllt.
2. Eine freiwillige Mitgliedschaft der Klägerin kam auch nicht im Wege einer obligatorischen Anschlussversicherung zu Stande.
Das Ende der Familienversicherung löst die obligatorische Anschlussversicherung nur beim Wegfall der persönlichen Voraussetzungen
für eine Familienversicherung, nicht aber schon dann aus, wenn die Familienversicherung nur wegen der beendeten Mitgliedschaft
des Stammversicherten nicht mehr besteht (für eine generelle Nichtanwendbarkeit von §
188 Abs
4 Satz 1
SGB V im Fall des Endes der Mitgliedschaft des Stammversicherten Felix in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 4. Aufl 2020, §
188 SGB V RdNr 36 [Stand: 20.12.2021]; Gerlach in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
188 RdNr 22 [Stand 09/2020]: Ausnahme Tod des Stammversicherten).
Nach der mit Wirkung zum 1.8.2013 (durch Art 1 Nr 2b Buchst b, Art 6 des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei
Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.7.2013, BGBl I 2423) eingeführten Regelung des §
188 Abs
4 SGB V setzt sich für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, die Versicherung mit dem Tag nach dem
Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als freiwillige Mitgliedschaft
fort, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten
den Austritt (Satz 1). Der Austritt wird nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung
im Krankheitsfall nachweist (Satz 2). Satz 1 gilt aber nicht für Personen, deren Versicherungspflicht endet, wenn die übrigen
Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllt sind (Satz 3 Alt 1) oder ein Anspruch auf Leistungen nach §
19 Abs
2 SGB V besteht, sofern im Anschluss daran das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen
wird (Satz 3 Alt 2). Die Familienversicherung der Klägerin hat nicht im Sinn des Satzes 1 geendet. Diesem Ergebnis steht nicht
der Wortlaut des §
188 Abs
4 Satz 1
SGB V entgegen (dazu a). Es wird durch rechtssystematische Gründe (dazu b) sowie die mit der obligatorischen Anschlussversicherung
verbundene Zielsetzung des Gesetzgebers gestützt (dazu c), führt nicht zu einer Versicherungsschutzlücke (dazu d) und steht
auch mit der von der Klägerin in Bezug genommenen Auffassung des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen (SpVBdKK) in Einklang
(dazu e). Damit kommt es auf den Ausschlusstatbestand des Satzes 3 nicht an (dazu 3.).
a) Dass die obligatorische Anschlussversicherung nach beendeter Familienversicherung auch bei weggefallener Mitgliedschaft
des Stammversicherten zum Tragen kommt, ist durch den Gesetzeswortlaut zwar nicht offenkundig ausgeschlossen, aber auch nicht
zwingend anzunehmen. Die Formulierung in §
188 Abs
4 Satz 1
SGB V, dass die "Familienversicherung endet", anstelle der in anderen Vorschriften des
SGB V verwendeten Beschreibung von Personen, die "familienversichert sind" (§
5 Abs
1 Nr
2a SGB V in der Fassung [idF] des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, §
17 Abs
2 Nr
2 SGB V) oder "familienversichert wären" (zB §
257 Abs
2a Satz 1 Nr
2a SGB V idF des Gesetzes zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer Vorschriften vom 14.6.2007, BGBl I 1066), könnte jedoch
die Auslegung nahelegen, dass für eine obligatorische Anschlussversicherung grundsätzlich das Ende des nur bestimmten Familienangehörigen
aufgrund persönlicher Merkmale eingeräumten Rechtsinstituts der Familienversicherung verlangt wird. Indem der Gesetzgeber
ausnahmsweise nicht auf den Zustand des nicht-familienversichert-Seins, sondern die "Familienversicherung" an sich abstellt,
könnte ein Hinweis auf die Maßgeblichkeit des Wegfalls der eigenen Familienversicherungsberechtigung sein. Damit liegt eher
das Normverständnis nahe, dass eine Familienversicherung nicht im Sinn des §
188 Abs
4 Satz 1
SGB V endet, solange sie für Familienangehörige prinzipiell in Betracht kommt und nur wegen der fehlenden Stammversicherung ausgeschlossen
ist.
b) Unabhängig davon liefe jedenfalls die Annahme, eine obligatorische Anschlussversicherung komme auch dann zu Stande, wenn
eine Familienversicherung wegen Wegfalls der Stammversicherung nicht mehr besteht, der Rechtssystematik von Stamm- und Familienversicherung
zuwider.
Im
SGB V finden sich im Zusammenhang mit dem Ende einer Versicherung lediglich Vorschriften über das Ende einer Mitgliedschaft als
Versicherungspflichtiger (§
190 SGB V) oder das Ende einer freiwilligen Mitgliedschaft (§
191 SGB V). Eine gesonderte Regelung für das Ende einer Familienversicherung existiert nicht. Hierfür besteht auch - jedenfalls im
Regelfall - aufgrund des Wesens der Familienversicherung keine Notwendigkeit. Die durch das Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) in Abkehr von der früheren Familienhilfe geschaffene Familienversicherung lässt die Angehörigen
des Mitglieds Versicherte mit eigenen Leistungsansprüchen werden. Sie sind insoweit den Versicherten gleichgestellt, die der
GKV als Mitglieder angehören. Die Dauer ihrer Familienversicherung deckt sich mit der Zeit, für die eine Mitgliedschaft ihres
Angehörigen besteht (BT-Drucks 11/2237 S 161 zu § 10; BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 1 KR 6/99 R - SozR 3-2500 §
10 Nr 16 S 65 f = juris RdNr 11). Die Familienversicherung nach §
10 SGB V ist trotz ihrer Ausgestaltung als eigene Versicherung des Familienangehörigen zur Versicherung des Stammversicherten streng
akzessorisch und hängt in ihrem Beginn und ihrem Ende von dieser ab (BSG Urteil vom 29.6.1993 - 12 RK 48/91 - BSGE 72, 292, 294 = SozR 3-2500 § 10 Nr 2 S 4 = juris RdNr 15; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 KR 16/02 R - BSGE 91, 190 = SozR 4-2500 § 10 Nr 3, RdNr 5). Lediglich im Fall des Todes des Stammversicherten erhalten die nach § 10 versicherten Angehörigen
Leistungen längstens für einen Monat nach dem Tode des Mitglieds (§
19 Abs
3 SGB V). Teilt damit die Familienversicherung aufgrund ihrer strengen Akzessorietät das Schicksal der Mitgliedschaft des Stammversicherten,
führt dies im Fall seiner obligatorischen Anschlussversicherung nach §
188 Abs
4 Satz 1
SGB V zu einer Fortsetzung der Familienversicherung. Denn die obligatorische Anschlussversicherung des Stammversicherten begründet
die freiwillige Mitgliedschaft in der GKV, die wiederum - unter den Voraussetzungen des §
10 SGB V - zu einer (weiteren) Familienversicherung der Angehörigen berechtigt.
Aufgrund der danach im Regelfall bestehenden Weiterversicherung von Familienangehörigen im Fall einer obligatorischen Anschlussversicherung
des Stammversicherten nach §
188 Abs
4 Satz 1
SGB V kann die in dieser Regelung gewählte Formulierung "Familienversicherung endet" nur die Fälle erfassen, in denen das Institut
der Familienversicherung an sich nicht mehr in Betracht kommt, mithin die persönlichen Voraussetzungen für eine Familienversicherung
nach §
10 SGB V nicht mehr erfüllt sind. Denkbar sind insoweit ein Wegfall der Angehörigeneigenschaft, zB durch rechtskräftige Ehescheidung,
den Tod des Stammversicherten oder das Überschreiten der Altersgrenzen nach §
10 Abs
2 SGB V. Wäre mit dem Ende der Familienversicherung in §
188 Abs
4 Satz 1
SGB V auch die Fallgruppe des Wegfalls der Stammversicherung gemeint, fielen entgegen der rechtssystematisch angelegten Akzessorietät
die Stammversicherung des Mitglieds in der GKV und die davon im Grundsatz ableitbare Familienversicherung auseinander.
Darüber hinaus ist die obligatorische Anschlussversicherung nicht im Zweiten Kapitel des
SGB V über den versicherten Personenkreis, sondern im Sechsten Kapitel über die Mitgliedschaft in der GKV geregelt. Durch sie wird
kein eigener Versicherungspflichttatbestand geschaffen, sondern lediglich die Fortsetzung einer zuvor aufgrund Versicherungspflicht
oder Familienversicherung bestehenden Versicherung als freiwillige Versicherung angeordnet. Dass eine Fortsetzung als freiwillige
Versicherung selbst bei Durchbrechung der strengen Akzessorietät maßgebend sein soll, ist weder dem versicherungs- und mitgliedschaftsrechtlichen
Regelungskonzept des
SGB V noch der diesem Konzept zugrunde liegenden gesetzgeberischen Zielsetzung zu entnehmen. Hätte der Gesetzgeber im Rahmen der
obligatorischen Anschlussversicherung vom Grundsatz der strengen Akzessorietät abweichen wollen, würde dies in §
188 Abs
4 SGB V oder jedenfalls in den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift (dazu c) zum Ausdruck kommen. Wegen der Akzessorietät bedarf
es expliziter Regelungen, wenn die Familienversicherung auch ohne zugrunde liegende Stammversicherung fortbestehen oder trotz
zugleich beendeter Familienversicherung ein Leistungsanspruch bestehen soll. Letzteres ist in §
19 Abs
3 SGB V nur für den Fall des Todes des Mitglieds für einen Zeitraum von längstens einem Monat vorgesehen.
Zudem bestätigt die Ausnahmevorschrift des §
188 Abs
4 Satz 3 Alt 1
SGB V den Vorrang einer Berechtigung zur Familienversicherung gegenüber der obligatorischen Anschlussversicherung. Denn danach
kommt eine obligatorische Anschlussversicherung nicht zu Stande, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Familienversicherung
erfüllt sind. Zwar betrifft dies bei strenger Beachtung des Gesetzeswortlauts nur Personen, deren Versicherungspflicht geendet
hat. Allerdings folgt hieraus ein systematischer Nachrang der obligatorischen Anschlussversicherung gegenüber der Berechtigung
zur Familienversicherung. Während grundsätzlich eine freiwillige Versicherung gegenüber einer Familienversicherung vorrangig
ist (§
10 Abs
1 Satz 1 Nr
2 SGB V, hier idF des Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer
Gesetze vom 21.12.2015, BGBl I 2408), normiert die Ausnahmeregelung des §
188 Abs
4 Satz 3 Alt 1
SGB V im Rahmen der obligatorischen Anschlussversicherung ausdrücklich ein umgekehrtes Vorrangverhältnis.
c) Auch Sinn und Zweck der obligatorischen Anschlussversicherung stützt deren Ausschluss für den Fall, dass die familienversicherte
Person nur wegen Wegfalls einer Stammversicherung nicht länger familienversichert ist.
Nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt
gesetzlich krankenversichert waren oder - von bestimmten Personen abgesehen - bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert
waren. Durch die obligatorische Anschlussversicherung soll das Auflaufen von Beitragsschulden im Fall dieser Auffangversicherungspflicht
vermieden werden (BT-Drucks 17/13947 S 27 zu Nr 2b zu Buchst b). Ist eine Person nicht mehr familienversichert, tritt eine
derartige Konstellation regelmäßig aber nur dann ein, wenn dem Grunde nach eine weitere Familienversicherung ausgeschlossen
ist. Ist die grundlegende Berechtigung zur Familienversicherung hingegen nicht entfallen, setzt diese sich regelmäßig fort,
wenn der Stammversicherte (wieder) versichert ist. Sie hängt wegen der aufgezeigten Akzessorietät von der weiteren Versicherung
des ehemals Stammversicherten ab.
Anders als beim Wegfall der Mitgliedschaft des Stammversicherten wird der ehemals Familienversicherte durch den Wegfall der
Familienversicherungsmöglichkeit aufgrund in seiner Person liegender Umstände versicherungsrechtlich gleichsam auf eigene
Füße gestellt. Er unterliegt nun selbst ("autark") der allgemeinen Krankenversicherungspflicht. Erst hierdurch besteht die
Möglichkeit des Eintritts einer Auffangpflichtversicherung nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V verbunden mit der Gefahr des Auflaufens von Beitragsrückständen, falls deren Feststellung und Durchsetzung mangels Mitwirkung
des Betroffenen erschwert ist. Genau dies soll aber nach dem Willen des Gesetzgebers durch das Institut der obligatorischen
Anschlussversicherung nach §
188 Abs
4 SGB V verhindert werden (BT-Drucks 17/13947 S 27 zu Nr
2b zu Buchst b).
Während der ehemals Familienversicherte, der nicht mehr die Voraussetzungen des §
10 SGB V erfüllt, darauf angewiesen ist, einen eigenen Versicherungstatbestand zu begründen, besteht bei einer durch den Wegfall der
Stammversicherung bedingten Beendigung der Familienversicherung im Regelfall die Möglichkeit einer weiteren Familienversicherung
im Rahmen einer obligatorischen Anschlussversicherung des Stammversicherten. Die obligatorische Anschlussversicherung soll
jedoch nur für diejenigen Personen gelten, die grundsätzlich ein Beitrittsrecht zur freiwilligen Versicherung haben würden,
wobei auf das Erfordernis von Vorversicherungszeiten verzichtet wird (BT-Drucks 17/13947 S 27 zu Nr 2b zu Buchst b). Der Gesetzgeber
sah damit nur für diejenigen ein Bedürfnis für die obligatorische Anschlussversicherung, die - mit Ausnahme der Vorversicherungszeiten
- grundsätzlich zu dem zum Beitritt zur freiwilligen Versicherung berechtigten Personenkreis zählen. Einen Willen, ehemals
familienversicherte Personen vorbehaltlos in die freiwillige (Anschluss-)Versicherung zu überführen, kann den Gesetzesmaterialien
hingegen nicht entnommen werden. Bestätigt wird dies schließlich auch durch den Ausnahmetatbestand des §
188 Abs
4 Satz 3 Alt 1
SGB V. Diese bewusste Umkehrung des Vorrangs einer freiwilligen Versicherung vor einer Familienversicherung (dazu bereits oben
b) kann nur den Schluss zulassen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der obligatorischen Anschlussversicherung keine
umfassende freiwillige Versicherung im Wege der obligatorischen Anschlussversicherung für Personen vorsehen wollte, die die
persönlichen Voraussetzungen für eine Familienversicherung (nach wie vor) erfüllen.
d) Auch Personen, die wegen ihrer Familienversicherungsberechtigung nicht von der obligatorischen Anschlussversicherung nach
§
188 Abs
4 SGB V erfasst werden, sind gegen das Krankheitsrisiko abgesichert. Ihr Krankenversicherungsschutz richtet sich nach den allgemeinen
Vorschriften, insbesondere nach §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V. Vorliegend kam eine Auffangpflichtversicherung der Klägerin nur deshalb nicht zu Stande, weil sie durch den Bezug von Leistungen
nach dem
AsylbLG gegen das Risiko der Krankheit anderweitig abgesichert ist (§
5 Abs
8a Satz 1 und 2
SGB V).
e) Die von der Revision angeführte Auffassung des SpVBdKK (Grundsätzliche Hinweise Obligatorische Anschlussversicherung nach
§
188 Abs
4 SGB V vom 14.12.2018, im Folgenden: Hinweise) deckt sich mit dem hier gefundenen Ergebnis. Darin wird ausgeführt, dass sich die
Anschlussversicherung - abgesehen von den Sachverhalten im Sinne des §
190 Abs
1 SGB V (Stichwort: "Tod des Mitglieds") - lediglich auf den Stammversicherten erstrecken soll, wenn die Familienversicherung der
Angehörigen nur wegen der Beendigung der Mitgliedschaft des Stammversicherten endet. Die bisherige Familienversicherung der
Angehörigen bleibe unberührt. Dies gelte allerdings nicht, wenn der Familienangehörige ohne obligatorische Anschlussversicherung
keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall habe; in diesem Fall werde der Angehörige von der obligatorischen Anschlussversicherung
erfasst (Hinweise S 10). Auch die in Beispiel 3 (Hinweise S 17) beschriebene Falllösung korrespondiert mit dem vorliegenden
Ergebnis: Im Fall einer rechtskräftigen Ehescheidung entfallen die persönlichen Voraussetzungen für eine Familienversicherung
nach §
10 SGB V, weshalb eine obligatorische Anschlussversicherung des betroffenen, zuvor familienversicherten Ehepartners eintritt.
3. Da schon die Voraussetzungen einer obligatorischen Anschlussversicherung nach §
188 Abs
4 Satz 1
SGB V nicht erfüllt sind, kann offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ausnahmevorschrift des §
188 Abs
4 Satz 3 Alt 2
SGB V gegebenenfalls analog in Fällen zur Anwendung kommen kann, in denen die Betroffenen nicht länger familienversichert sind
(ablehnend SG Berlin Urteil vom 15.11.2019 - S 223 KR 919/17 - juris; Felix in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 4. Aufl 2020, §
188 SGB V Fn 38 [Stand: 20.12.2021]).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.