Keine Kostenübernahme eines nicht zugelassenen Arzneimittels trotz Zulassung in anderem Mitgliedstaat
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Kostenerstattung für eine Arzneimittel-Therapie.
Der 1948 geborene Kläger, der bei der beklagten Ersatzkasse freiwillig versichert ist, musste sich wegen eines Harnblasen-Karzinoms
wiederholt operieren lassen. Im Mai 1998 beantragte er die Kostenübernahme für eine Therapie mit dem seit März 1997 in den
Niederlanden zugelassenen Arzneimittel Immucothel, das der Verringerung der Rezidivrate solcher Karzinome dient. Das arzneimittelrechtliche
Zulassungsverfahren für dieses Mittel ist in Deutschland bislang nicht zu Gunsten des Herstellers abgeschlossen; in Österreich
wurde es 2002 zugelassen. Auf den in Deutschland gestellten Zulassungsantrag hin wurde im Januar 1997 die Zulassung mangels
ausreichender Arzneimittelprüfung und belegter therapeutischer Wirksamkeit versagt; hiergegen ist ein (ruhender) Verwaltungsrechtsstreit
anhängig.
Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung lehnte die Beklagte die Kostenübernahme
wegen der in Deutschland fehlenden arzneimittelrechtlichen Zulassung ab (Bescheid vom 23. Juni 1998; Widerspruchsbescheid
vom 11. Januar 1999). Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger Kostenerstattung für die vom 15. Juli 1998 bis 29. Juli
1999 durchgeführte Behandlung mit Immucothel verlangt und die Aufwendungen dafür auf 12.573,06 DM (= 6.428,50 EUR) beziffert.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte eingeholt, derzufolge die Zulassung
des Mittels in Deutschland allein national beantragt wurde und nicht auf die Übertragung der niederländischen Zulassung gerichtet
war. Das Gericht hat die Klage mangels Verordnungsfähigkeit von Immucothel abgewiesen (Urteil vom 24. Februar 2000).
Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Voraussetzungen des §
13 Abs
2 und Abs
3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) verneint, weil Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der begehrten Versorgung fehlten. Weder die zuständige Bundesbehörde
noch Europäische Institutionen hätten Immucothel als Fertigarzneimittel zugelassen. Aus den Richtlinien des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (AMRL) folge kein Anspruch.
Auch wenn Immucothel ein verkehrsfähiges Arzneimittel sei, das individuell aus den Niederlanden importiert werden dürfe, erfordere
die Kostenübernahme durch eine Krankenkasse den Wirksamkeitsnachweis in einem speziellen Verfahren. Das deutsche Zulassungserfordernis
verletze nicht die europarechtliche Dienstleistungs- oder Warenverkehrsfreiheit, weil deren Einschränkung aus Gründen des
Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sei. Die nationale Qualitätsprüfung sei trotz der in den Niederlanden erfolgten Zulassung
und einer EU-weiten Harmonisierung der Zulassungsverfahren unverzichtbar. Der Hersteller von Immucothel habe zudem nicht die
Einleitung des seit 1995 bestehenden fakultativen Gemeinschaftsverfahrens zur Genehmigung und Überwachung von Arzneimitteln
beantragt. Ebenso wenig sei von der Möglichkeit Gebrauch gemacht worden, Unstimmigkeiten über die Arzneimittelzulassung zwischen
den Mitgliedstaaten verbindlich klären zu lassen (Urteil vom 28. Februar 2002).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von §
13, §
27 Abs
1, §
12 Abs
1 und §
31 Abs
1 SGB V sowie der Art 49 und 28 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG). Ihm stehe im Lichte der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) zum sog Off-Label-Use ein Erstattungsanspruch zu. Bei ihm sei nach wiederholter operativer Entfernung von Blasentumoren
eine Rezidivprophylaxe notwendig gewesen. Behandlungsalternativen mit anderen zugelassenen Arzneimitteln hätten nicht bestanden,
weil diese Mittel zu schweren Nebenwirkungen (allergische Reaktionen, Chemozystitis) geführt hätten. Es sei ihm unzumutbar,
erst zahlreiche andere Mittel mit der Gefahr einer ernsthaften Schädigung seiner Gesundheit auszuprobieren. Der Chefarzt einer
Urologischen Klinik habe ihm zu Immucothel geraten, das der behandelnde Urologe wegen eines drohenden Arzneimittelregresses
nicht vertragsärztlich verordnen wolle. Die Behandlung damit sei aussichtsreich, weil die allgemeine Datenlage eine Verminderung
der Rezidivrate und sehr geringe Nebenwirkungen ausweise. Fachliteratur bestätige die Wirksamkeit; auch in Italien stehe die
Zulassung unmittelbar bevor. Er (der Kläger) sei mit dem Mittel 5-6 Jahre rezidivfrei geblieben (letzte Operation Februar
2004). Die Leistungsablehnung widerspreche den Marktprinzipien der EG, die es erlaubten, die in einem Mitgliedstaat zugelassenen
Medikamente auch in anderen Mitgliedstaaten zu Lasten der Krankenversicherung zu verordnen. Den europäischen Grundfreiheiten
müsse im medizinischen Waren- und Dienstleistungsverkehr ebenfalls möglichst umfassend Rechnung getragen werden, wie der Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden habe. Der Hinweis des LSG auf das Betreiben des seit 1995 möglichen EU-weiten
Zulassungsverfahrens gehe fehl, da das langwierige und teure Verfahren den Hersteller von Immucothel finanziell überfordere.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 2002 und des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. Februar 2000
sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 1999 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für seine in der Zeit vom 15. Juli 1998 bis 29. Juli 1999 erfolgte Behandlung
mit Immucothel in Höhe von 12.573,06 DM = 6.428,50 EUR zu erstatten,
hilfsweise,
die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung über die Vereinbarkeit der einschlägigen Bestimmungen
des
SGB V und des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) mit dem Recht der Europäischen Union (EU) vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das LSG-Urteil unter dem Blickwinkel des deutschen und europäischen Rechts für zutreffend und die BSG-Rechtsprechung
zum Off-Label-Use nicht für einschlägig.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat zutreffend entschieden, dass er von der beklagten Ersatzkasse keine Kostenerstattung für die in der streitigen
Zeit ärztlich durchgeführte, selbstbeschaffte Therapie mit dem aus den Niederlanden importierten Arzneimittel Immucothel beanspruchen
kann.
Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten für die vom 15. Juli 1998 bis 29. Juli 1999 selbstbeschaffte Behandlung können
sowohl §
13 Abs
2 SGB V (in der Fassung des 2. GKV-NOG vom 23. Juni 1997, BGBl I 1520 bzw - vom 1. Januar 1999 an - des GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes
vom 19. Dezember 1998, BGBl I 3853) als auch §
13 Abs
3 Alt 2
SGB V (in der Fassung des GSG vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266) sein. Nach §
13 Abs
2 Satz 1
SGB V können freiwillig versicherte Mitglieder einer Krankenkasse an Stelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen.
Darüber hinaus ist eine Krankenkasse nach §
13 Abs
3 Alt 2
SGB V zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn sie eine notwendige Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch
für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht allerdings
bei beiden denkbaren Anspruchsgrundlagen nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus,
dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder
Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 101 f, 104 mwN). Letztes ist mit Blick auf eine mit
Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland fehlende Arzneimittelzulassung von Immucothel zu verneinen.
Die Beklagte ist nach §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
3 iVm §
31 Abs
1 SGB V zur Versorgung des bei ihr versicherten Klägers mit den für eine Krankenbehandlung notwendigen Arzneimitteln verpflichtet;
Gleiches gilt gemäß §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB V für die dabei notwendige ärztliche Behandlung. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings
den sich aus §
2 Abs
1 und §
12 Abs
1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität
und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Es führt daher - wie bereits das
LSG ausgeführt hat - nicht schon zur Leistungspflicht der Beklagten, dass die Therapie mit dem streitigen Arzneimittel im
Fall des Klägers positiv gewirkt haben soll und sie bei ihm nach Ansicht seiner Ärzte herkömmlichen Chemotherapeutika vorzuziehen
sei (vgl schon BSGE 76, 194, 198 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 S 11). Zu Qualität und Wirkungsweise eines Arzneimittels muss es vielmehr zuverlässige, wissenschaftlich
nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden
Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Nach der Rechtsprechung des BSG fehlt es daher an der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit
speziell einer Arzneimitteltherapie, wenn das verwendete Mittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung
bedarf und diese Zulassung nicht erteilt worden ist (stRspr, vgl zB BSGE 72, 252, 256 f = SozR 3-2200 § 182 Nr 17; BSG SozR 3-2500 § 31 Nr 3 S 8 f mwN; BSGE 82, 233 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 5; SozR 3-2500 § 31 Nr 7 S 23 f; BSGE 89, 184, 185 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 29). Dies gilt auch, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine abschlägige Zulassungsentscheidung
bei Verabreichung des Präparats noch nicht bestandskräftig war; denn dann gebietet der Gesichtspunkt der Gewährleistung optimaler
Arzneimittelsicherheit gleichermaßen, dass Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit iS von § 1 AMG (vom 24. August 1976, idF der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1998, BGBl I 3586), dh die Einhaltung der Mindestsicherheits-
und Qualitätsstandards, in einem dafür vorgesehenen Verfahren nachgewiesen worden sind (BSG SozR 3-2500 § 31 Nr 3 S 9 f; vgl
auch BSGE 82, 233, 235 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 16 f).
Eine innerstaatlich wirksame Arzneimittelzulassung war für das beim Kläger angewandte Mittel Immucothel zum Zeitpunkt der
Behandlung 1998/99 gemäß § 73 Abs 1 iVm § 21 Abs 1 Satz 1 AMG erforderlich, aber nicht erteilt worden. Bei diesem Präparat handelt es sich nach Herstellerangaben um ein industriell gefertigtes,
zur Chemotherapie mit dem Ziel der Verringerung der Rezidivrate von oberflächlichen Harnblasen-Karzinomen nach operativer
Tumor-Entfernung vorgesehenes Präparat, das durch die Harnröhre in die Blase eingebracht wird (sog Instillationstherapie),
wo es dann zur Anregung der Immunabwehr führen soll. Es ist ein Fertigarzneimittel iS von § 4 Abs 1 AMG, für das die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 Satz 1 AMG gelten, die es jedoch nicht erfüllt. Weder hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als zuständige Bundesoberbehörde
dafür eine Arzneimittelzulassung erteilt (§ 21 Abs 1 Satz 1 Alt 1 AMG), noch haben iS von § 21 Abs 1 Satz 1 Alt 2, § 37 Abs 1 AMG die Kommission der EG oder der Rat der EU das In-Verkehr-Bringen des Mittels genehmigt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte hat die Zulassung in Deutschland vielmehr sogar aus zwingenden Gründen nach § 25 Abs 2 AMG versagt.
Die in den Niederlanden 1997 erteilte Arzneimittelzulassung für Immucothel entfaltet nicht zugleich auch entsprechende Rechtswirkungen
für Deutschland. Eine nationale gesetzliche Regelung, die im Sinne des Revisionsvorbringens die automatische Geltung einer
in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgesprochenen Arzneimittelzulassung auch in Deutschland anordnet, existiert nicht. Nach
§ 37 Abs 1 Satz 2 AMG gilt die von einem anderen Staat für ein Arzneimittel erteilte Zulassung vielmehr nur dann als solche iS von § 21 AMG, soweit dies durch eine Rechtsverordnung des zuständigen Bundesministeriums bestimmt ist. Eine solche Regelung ist hier nicht
ersichtlich.
Die Verordnungsfähigkeit des Medikamentes Immucothel zu Lasten der Beklagten ergibt sich ebenso wenig aus dem untergesetzlichen
nationalen Recht, insbesondere nicht aus den vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß §
92 Abs
1 Satz 2 Nr
6 SGB V beschlossenen AMRL. Diese Bestimmungen sind nicht geeignet, den Versicherten über das Gesetzesrecht des
SGB V hinausgehende originäre Leistungsansprüche einzuräumen, sondern enthalten nur nachrangige Konkretisierungen der gesetzlich
gewährleisteten ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung. Nach Abschnitt A. 3. AMRL hat der Versicherte
zwar "grundsätzlich Anspruch auf die Versorgung mit allen nach dem AMG verkehrsfähigen Arzneimitteln", dies aber nur, sofern sie nicht aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung
ausgeschlossen sind oder "nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot" nur eingeschränkt verordnet werden dürfen. Da der Senat - wie
dargestellt - das Zulassungserfordernis für im Rahmen der Krankenbehandlung begehrte Arzneimittel aus dem gesetzlichen und
somit höherrangigen Gebot der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hergeleitet hat, können diese Bestimmungen schon von daher
keine Leistungspflicht der Beklagten begründen. Unbeschadet dessen wird ein in einem anderen Staat zulässig in den Verkehr
gebrachtes Fertigarzneimittel (§ 4 Abs 1 AMG) aber auch nicht schon dadurch "verkehrsfähig", dass es § 73 Abs 3 Satz 1 AMG erlaubt, dieses Mittel im Einzelfall (in geringer Menge und auf besondere Bestellung über eine Apotheke) nach Deutschland
einzuführen; denn bei einer derartigen Beschaffung eines Fertigarzneimittels aus dem Ausland entfällt zwar die Strafbarkeit
des In-Verkehr-Bringens ohne Zulassung (vgl § 96 Nr 5 AMG), das generelle In-Verkehr-Bringen stellt aber gleichwohl eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 73 Abs 1, Abs 3 Satz 1 und 2, § 97 Abs 2 Nr 8 AMG). Da das deutsche Arzneimittelrecht in Bezug auf die generelle Arzneimittelfreigabe ausschließlich die deutsche oder die
EU-weite Arzneimittelprüfung für maßgeblich erklärt und im Übrigen Vorbehalte gegen die Sicherheit und Qualität von im Ausland
nach dortigen nationalen Vorschriften zugelassenen Präparaten zum Ausdruck bringt, ist die im Einzelfall mögliche rechtmäßige
Arzneimittelbeschaffung aus dem Ausland nicht geeignet, eine zulassungsähnliche Wirkung herbeizuführen; denn damit würde letztlich
das nationale arzneimittelrechtliche Zulassungserfordernis für den fast 90 % der Bevölkerung betreffenden Bereich der gesetzlichen
Krankenversicherung allgemein durch eine untergesetzliche Regelung außer Kraft gesetzt (zum Gesichtspunkt der unzulässigen
Umgehung der Zulassungspflicht durch individuelle Importe vgl bereits BT-Drucks 10/5112 S 24 zu Nr 38; Kloesel/Cyran, AMG, 3. Aufl, § 73 Anm 25a).
Einem Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Versorgung mit dem in Deutschland nicht zugelassenen Immucothel steht auch
das sekundäre, den Verkehr mit Arzneimitteln betreffende Europarecht entgegen. Schon Art 3 der Richtlinie (RL) 65/65 der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) vom 26. Januar 1965 (ABlEG P 22 S 369) bestimmte, dass ein Arzneimittel in einem Mitgliedstaat
erst dann in Verkehr gebracht werden darf, wenn die Zulassungsbehörde des jeweiligen Mitgliedstaats für das betreffende Mittel
eine Zulassung erteilt hat. Inzwischen ist Entsprechendes in Art 6 Abs 1 EGRL 2001/83 vom 6. November 2001 (ABlEG L 311 S
67) geregelt. Demgegenüber enthält das primäre oder sekundäre Gemeinschaftsrecht keine überstaatliche Regelung, nach der ein
Fertigarzneimittel, das bereits in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen worden ist, automatisch auch in anderen Mitgliedstaaten
in den Verkehr gebracht werden darf (so ausdrücklich Blasius in: Blasius/Cranz, Arzneimittel und Recht in Europa, 1998, S
72). Eine Harmonisierung der insoweit einschlägigen nationalen Zulassungsregelungen der Mitgliedstaaten hat in diesem Sinne
auf Europaebene nicht stattgefunden.
Zwar sind die nationalen Verfahren der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Herstellung und Vermarktung von Arzneimittelspezialitäten
durch verschiedene RL auf europäischer Ebene angeglichen worden (vgl EWGRL 65/65 vom 26. Januar 1965 - ABlEG aaO, EWGRL 75/319
vom 20. Mai 1975 - ABlEG L 147 S 13 sowie EWGRL 93/39 vom 14. Juni 1993 - ABlEG L 214 S 22, inzwischen zusammengefasst in
EGRL 2001/83 vom 6. November 2001 - ABlEG aaO). Diese Angleichung ist jedoch unvollständig geblieben (vgl EuGHE 1992, I-3317
RdNr 15-17 mwN- Kommission ./. Deutschland; Schroeder, EuZW 1994, 81 und 85), weil bei einer Regelung, nach der ein in einem Mitgliedstaat zugelassenes Arzneimittel zugleich in alle anderen
Mitgliedstaaten exportiert werden darf, zu befürchten gewesen wäre, dass sich die Zulassungsanforderungen dann auf dem Sicherheitsniveau
des großzügigsten Mitgliedstaats eingependelt hätten. Die europarechtlichen Bestimmungen im Arzneimittelsektor wollen stattdessen
zwar einerseits durch die Harmonisierung von einzelstaatlichen Zulassungen und die Vermeidung von Doppelbeurteilungen einen
funktionsfähigen Binnenmarkt bewirken; sie sind aber auch davon getragen, dass alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf
dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs und der Verwendung von Arzneimitteln "in erster Linie einen wirksamen Schutz der
öffentlichen Gesundheit gewährleisten müssen" (so EGRL 2001/83, Erwägungsgrund 2). Die Verfahren für die Erteilung EU-weiter
Arzneimittelzulassungen schlagen deshalb einen Mittelweg ein (vgl zB Lecheler in: Meurer, Rechtliche Veränderungen des Wettbewerbs
am europäischen Pharmamarkt, 2000, S 156 mwN). So ist seit 1. Januar 1995 in der Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
(EWGV) 2309/93 vom 22. Juli 1993 (ABlEG L 214 S 1) neben den auf einen Mitgliedstaat beschränkten nationalen Zulassungsverfahren
auch ein zentrales Gemeinschaftsverfahren sowie ein dezentrales Verfahren zur Genehmigung und Überwachung von Arzneimitteln
vorgesehen (vgl zum Ganzen zB: Lecheler, aaO, S 156 ff; Schroeder EuZW 1994, 80 f; Collatz, Die neuen europäischen Zulassungsverfahren für Arzneimittel, 1996, S 56 ff; Collatz, Handbuch der EU-Zulassung
- Zentralisiertes Verfahren und Verfahren der gegenseitigen Anerkennung für Human- und Tierarzneimittel, 1998, S 26 ff, 42
ff, 70 ff; Blasius, aaO, S 66 ff; Kwizda, Zulassungsverfahren für Humanarzneimittel in der Europäischen Union, 1998, S 53
ff, 121 ff; Mitteilung der Kommission über die gemeinschaftlichen Zulassungsverfahren für Arzneimittel, ABlEG 1998 C 229 S
4 ff).
Das danach mögliche EU-weite In-Verkehr-Bringen von Arzneimitteln erfordert das Durchlaufen besonderer Genehmigungsverfahren,
von denen hier kein Gebrauch gemacht wurde. Im zentralen Verfahren muss der Arzneimittelhersteller gemäß Art 4 Abs 1 EWGV 2309/93 bei der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) einen entsprechenden Antrag stellen, über
den dann unter Beteiligung des Ausschusses für Arzneispezialitäten (CPMP, vgl Art 5 EWGV 2309/93) entschieden wird. Für das dezentrale Verfahren, das die - auf freiwilliger Kooperation der nationalen Behörden basierende
- gegenseitige Anerkennung von Arzneimittelzulassungen ablöste, sieht Art 9 EWGRL 75/319 vor, dass dann, wenn der Hersteller
eine Erstzulassung durch die Behörde eines Mitgliedstaates erhalten hat, weitere Zulassungen nur noch im Wege der gegenseitigen
Anerkennung erteilt werden sollen. Zur Vermeidung einander widersprechender nationaler Zulassungsentscheidungen ist dazu in
Art 13 EWGRL 75/319 (inzwischen geregelt in Art 27 ff EGRL 2001/83) ein Schiedsverfahren mit einer bindenden Entscheidung
eingeführt worden (sog Arbitration). Nach Art 3 EWGRL 93/39 kann darüber hinaus bei Unstimmigkeiten unter den Mitgliedstaaten
über die Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit eines Arzneimittels auf Initiative eines Mitgliedstaats hin nach wissenschaftlicher
Beurteilung der betreffenden Fragen innerhalb der EMEA ebenfalls eine bindende Gemeinschaftsentscheidung ergehen.
Wie das LSG festgestellt hat, wurde von der Herstellerfirma für Immucothel weder ein zentraler Zulassungsantrag gestellt,
noch ist bei der dafür zuständigen deutschen Arzneimittelzulassungsbehörde der Weg des dezentralen europäischen Zulassungsverfahrens
beschritten worden. Damit fehlt es an einer in der gesamten EU wirksamen Entscheidung über die Arzneimittelzulassung für Immucothel,
weil jeweils nur beschränkte nationale Zulassungen beantragt wurden.
Dass die - hier nach alledem erforderliche, aber fehlende - deutsche bzw EU-weit geltende Zulassung eines Arzneimittels Mindestvoraussetzung
für eine im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung wirtschaftliche und qualitative Verordnungsweise (§
2 Abs
1, §
12 Abs
1, §
70 Abs
1 Satz 2
SGB V) ist, verletzt entgegen den Erwägungen des Klägers kein primäres Europarecht. Die dargestellten innerstaatlichen und europarechtlichen
Regelungen berühren zwar die innerhalb der EU geltenden Grundfreiheiten, sind aber unter dem Blickwinkel des Gesundheitsschutzes
gerechtfertigt.
Die zu Gunsten des Klägers gemäß Art 49 iVm Art 50 des Vertrages über die Gründung der EG (in der Fassung des Amsterdamer
Vertrages vom 2. Oktober 1997 - BGBl II 1998, 387 - ehemals Art 59 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft >EGVtr<) garantierte Dienstleistungsfreiheit ist hier
allerdings betroffen. Denn Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs sind nach den genannten Bestimmungen innerhalb
der EG für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der EG als demjenigen des Dienstleistungsempfängers
ansässig sind, nach Maßgabe näherer Regelungen verboten. Hierzu gehört auch die Freiheit eines EU-Bürgers, Dienstleistungen
in Anspruch nehmen zu dürfen (sog passive Dienstleistungsfreiheit, vgl zB Müller-Graff in Streinz, EUV/EGV, 2003, Art 49 EGV RdNr 5 mwN; EuGHE 1984, 377 - Luisi/Carbone; Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, 2003, S 509 mwN in Fn 103). Dieses
Freiheitsrecht ist im vorliegenden Fall sachlich einschlägig. Denn es geht um eine Inanspruchnahme von ärztlichen Dienstleistungen,
die untrennbar mit der Versorgung des Klägers mit einem in einem anderen Mitgliedstaat der EU zugelassenen Arzneimittel verbunden
sind. Ein grenzüberschreitender Bezug ist damit zu bejahen.
Berührt ist durch die aufgezeigten Zulassungsregelungen gleichermaßen die europäische Warenverkehrsfreiheit. Nach Art 28 EG
(ehemals Art 30 EGVtr) sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen "sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung" zwischen den Mitgliedstaaten
verboten. Da Arzneimittel Waren iS von Art 28 EG sind (EuGHE 1984, 523 RdNr 15 ff - Duphar), können Beschränkungen im Zusammenhang mit deren Erwerb die Warenverkehrsfreiheit beeinträchtigen (vgl
EuGHE 1989, I-617 RdNr 14 f - Schumacher; EuGHE 1998, I-1831 RdNr 34-36 = SozR 3-6030 Art 30 Nr 1 - Decker). Diese Freiheit
gilt auch - was hier wegen des Sitzes des Herstellers in Deutschland und der in den Niederlanden bestehenden Verkehrsfähigkeit
des Arzneimittels nahe liegen könnte - beim Reimport von zunächst ins EU-Ausland verbrachten Waren (vgl zB EuGHE 1996, I-3179
RdNr 10 - Schmit). Auch wenn die Mitgliedstaaten bei der Festlegung ihrer Krankenversicherungssysteme souverän sind, müssen
sie dennoch bei der Ausgestaltung dieser Systeme das Gemeinschaftsrecht beachten (vgl zB EuGHE 1998 I-1831 RdNr 21-25 = SozR
aaO - Decker; EuGHE 1998 I-1931 RdNr 17-21 = SozR 3-6030 Art 59 Nr 5 - Kohll). Die im deutschen Krankenversicherungs- und
Arzneimittelrecht geregelten Anforderungen an eine wirtschaftliche und bestimmten qualitativen Anforderungen entsprechende
Verordnungsweise sind danach grundsätzlich geeignet, Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung davon abzuhalten, sich
mit einem aus einem anderen Mitgliedstaat importierten Arzneimittel therapieren zu lassen. Ohne dass der vorliegende Fall
Anlass bietet, insoweit Einzelheiten zu klären, gilt das Verbot der Diskriminierung im Zusammenhang mit der Ausübung europarechtlicher
Grundfreiheiten - wie inzwischen der EuGH entschieden hat - grundsätzlich auch, soweit es die Erbringung von Sach- und Dienstleistungen
in einem Sachleistungssystem anbelangt (vgl Urteile vom 12. Juli 2001 - C-157/99 - Smits/Peerbooms, EuGHE 2001, I-5473 RdNr 54 f = SozR 3-6030 Art 59 Nr 6 sowie vom 13. Mai 2003 - C-385/99 - Müller-Fauré/van Riet, EuGHE 2003, I-4509 RdNr 39 = SozR 4-6030 Art 59 Nr 1). Die innerstaatlichen Regelungen berühren
damit das europarechtlich verbürgte Recht des Klägers darauf, ein bestimmtes Arzneimittel als Ware grenzüberschreitend in
Anspruch nehmen zu dürfen wie ein im Inland verfügbares Arzneimittel. Den Begriff der "Maßnahme mit gleicher Wirkung" hat
der EuGH nämlich dahin definiert, dass es sich um eine Handelsregelung eines Mitgliedstaats handeln muss, "die geeignet ist,
den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar tatsächlich oder potenziell zu behindern" (sog Dassonville-Formel,
EuGHE 1974, 837 RdNr 5). Werden Waren - wie hier - einem Zulassungsverfahren unterworfen oder ist ihr In-Verkehr-Bringen von einer Genehmigung
abhängig, handelt es sich regelmäßig um eine Maßnahme mit gleicher Wirkung (vgl Schroeder in Streinz, aaO, Art 28 RdNr 58
mwN aus der EuGH-Rspr).
Der Eingriff in die aufgezeigten europarechtlichen Grundfreiheiten des Klägers ist indessen gerechtfertigt. Dies folgt - wie
schon das LSG ausgeführt hat - aus Art 30 EG (ehemals Art 34 EGVtr; vgl dazu allgemein Schroeder EuZW 1994, 78, 81) und Art 46 EG (ehemals Art 56 EGVtr). Danach steht Art 28 EG zB Einfuhrbeschränkungen nicht entgegen, die zum Schutze
der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind (Art 30 EG). Die Warenverkehrsfreiheit wird ferner nicht beeinträchtigt
durch die Anwendbarkeit von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen
der Gesundheit gerechtfertigt sind (Art 46 Abs 1 EG); der Rat erlässt insoweit Richtlinien für die Koordinierung der genannten
Verfahren. Diese Schranken des primären Europarechts weisen das dargestellte sekundäre Europarecht zum Verkehr mit Arzneimitteln
als vertragskonform aus und stehen dem Klageerfolg entgegen.
Das Erfordernis der Zulassung eines neuen Arzneimittels nach dem AMG sowie die Prüfung seiner Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit in Deutschland dienen unmittelbar dem Gesundheitsschutz im Sinne
der Gewährleistung eines bestimmten Niveaus der medizinischen Versorgung. Mit demselben Ziel sieht auch das Europarecht -
wie dargestellt - ein derartiges besonderes Zulassungserfordernis vor. Der Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist
insoweit nicht ausgenommen. Vielmehr lässt Art 1 Satz 2 EWGV 2309/93 die Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten ua in Bezug auf die Einbeziehung von Arzneimitteln in die nationalen
Krankenversicherungssysteme auf Grund von gesundheitlichen Bedingungen ausdrücklich unberührt. Die nationalen Gesundheitssysteme
dürfen deshalb zB sogar ein besonderes Qualitätsniveau für Medikamente vorschreiben, etwa in Form von Negativ- oder Positivlisten
(EuGHE 1984, 523 RdNr 17 - Duphar; Plute, DOK 1994, 505, 506; Bieback in: Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 3. Aufl 2002, Art
22 RdNr 40). Dies steht in Einklang mit dem Umstand, dass sich das Recht auf freie Inanspruchnahme grenzüberschreitender Krankenversicherungsleistungen
nach der Rechtsprechung des EuGH regelmäßig nur auf den im Inland geltenden Leistungsumfang bezieht (vgl EuGHE 2003, I-4509
RdNr 106 = SozR 4-6030 Art 59 Nr 1 - Müller-Fauré/van Riet). Grundsätzlich müsste es deshalb einem Versicherten ebenso versagt
bleiben, sich auf Kosten der deutschen Krankenversicherung durch einen im EU-Ausland ansässigen Arzt mit einem Arzneimittel
versorgen zu lassen, für das die Krankenkasse im Inland nicht einzustehen hätte.
Da zur Zeit der Einreichung des Zulassungsantrags in Deutschland gemeinschaftsrechtlich die Möglichkeit der Erlangung einer
EU-weiten Zulassung von Immucothel bestand, die eröffneten verfahrensrechtlichen Wege aber gleichwohl nicht beschritten wurden,
ergeben sich unter dem Blickwinkel der Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit der
nationalen, auf Deutschland bezogenen Regelungen mit den europarechtlichen Grundfreiheiten. Die fehlende Zulassung mit Wirkung
für Deutschland beruht insoweit nicht auf europarechtswidrigen Regelungen, sondern auf der freien unternehmerischen Entscheidung
des Herstellers, die möglichen Vorteile des einheitlichen europäischen Wirtschaftsraumes gerade nicht für sich zu nutzen.
Dass das EU-weite Zulassungsverfahren für den Hersteller zunächst zu einer besonderen Kostenbelastung führen und auch mit
Risiken behaftet sein kann (zB wegen der Möglichkeit einer EU-weiten gänzlichen Nichtzulassung des Mittels im Rahmen der Endentscheidung
bei divergierenden Entscheidungen in einzelnen Mitgliedstaaten), ist angesichts der mit dem Verfahren andererseits für Hersteller
und Patienten auch verbundenen praktischen und wirtschaftlichen Vorteile hinzunehmen. Das Postulat des Klägers, der deutsche
Markt dürfe für die in anderen EU-Mitgliedstaaten zugelassenen Arzneimittel nicht "abgeschottet" werden, lässt außer Acht,
dass die Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit schon nach dem primären Europarecht nicht schrankenlos gewährleistet ist.
Die auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts geschaffenen detailreich ausgestalteten Verfahren über eine EU-weite Arzneimittelzulassung
wären aber überflüssig, wenn ohnehin eine generelle Pflicht zur Übernahme einzelner nationaler Zulassungsentscheidungen innerhalb
der gesamten EU ohne Rücksicht auf in anderen Staaten geäußerte Bedenken gegen die Sicherheit und Qualität eines Mittels bestünde.
Eine Vorlage der Rechtssache an den EuGH zur Klärung der dargestellten europarechtlichen Problematik scheidet entgegen dem
Hilfsantrag des Klägers aus. Das Revisionsverfahren musste nicht nach Art 234 Abs 3 EG zur Einholung einer Vorabentscheidung
ausgesetzt werden. Zwar ist der Senat als nationales Gericht im Rahmen einer letztinstanzlichen Entscheidung verpflichtet,
den EuGH anzurufen, wenn er sich entscheidungserheblich auf EU-Recht stützt, an dessen Auslegung Zweifel bestehen (vgl zB
Hakenberg DRiZ 2000, 345, 346 und MedR 2001, 507, 510; Loytved SGb 2001, 1, 5 f, zuletzt BVerfG Beschluss vom 19. November 2003 - 2 BvR 1476/01 = FamRZ 2004, 524). Die Vorlagepflicht entfällt jedoch, wenn die Auslegung entscheidungserheblicher Normen durch Rechtsprechung des EuGH geklärt
oder die streitbefangene Rechtsanwendung offensichtlich zutreffend ist (vgl EuGHE 1982, 3415, 3430 - Srl CILFIT/Lanificio di Gavardo SpA; BSG SozR 3-4100 § 4 Nr 3 mwN; SozR 3-6050 Art 71 Nr 8 S 48). So verhält es sich
hier. Wie der Senat oben unter Hinweis auf Bestimmungen des Europarechts und die bereits dazu ergangene Rechtsprechung des
EuGH dargelegt hat, kann es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass auch das Europarecht hier nicht geeignet ist, den
Klageerfolg herbeizuführen. Auch bei den in den Vorinstanzen mit der Sache befasst gewesenen Spruchkörpern sind weder Bedenken
gegen die Richtigkeit der europarechtskonformen Auslegung der einschlägigen Rechtsgrundlagen aufgetreten, noch hat der Kläger
seine Rechtsauffassung durch entsprechende Hinweise auf einschlägige europarechtliche Judikatur oder Stimmen im Schrifttum
untermauern können.
Schließlich kann die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des Senats zur zulassungsüberschreitenden Anwendung von Arzneimitteln
(sog Off-Label-Use, vgl Urteil vom 19. März 2002 - B 1 KR 37/00 R - BSGE 89, 184 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) kein ihm günstiges Ergebnis herbeiführen. Dabei kann dahinstehen, ob die für den Off-Label-Use
entwickelten Grundsätze hier schon deshalb unanwendbar sind, weil für die Therapie der Krankheit des Klägers ein anderes zugelassenes
Arzneimittel nicht zur Verfügung gestanden hätte, was mangels entsprechender Feststellungen des LSG nicht geklärt ist. Jedenfalls
ist ein im Ausland zugelassenes Arzneimittel krankenversicherungsrechtlich nicht so zu behandeln wie ein im Inland bereits
zulässigerweise im Handel befindliches Medikament, das außerhalb seines arzneimittelrechtlich festgelegten Zulassungsrahmens
verordnet und verwendet werden soll. Die Anwendung eines (bisher) gar nicht zugelassenen Arzneimittels zu Lasten der Krankenversicherung
ist nach der Rechtsprechung des Senats ausgeschlossen, weil der Einsatz des Präparats auf einem strafbaren Verhalten (vgl
§§ 95, 96 AMG) aufbaut und aus verbotswidrigem Handeln grundsätzlich keine Leistungspflicht der Krankenkasse erwachsen kann; die Behandlung
wegen des Fehlens jedweder Qualitätskontrolle ist zudem mit einem unkalkulierbaren Risiko für etwaige Gesundheitsschäden behaftet,
das der Versichertengemeinschaft nicht aufgebürdet werden darf (BSGE 82, 233, 236 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17 f). Obwohl Immucothel mit Rücksicht auf die Zulassung in anderen EU-Staaten und mit Rücksicht
auf § 73 Abs 3 Satz 1 AMG nicht einem Arzneimittel gleichsteht, das über keinerlei Zulassung verfügt, greift dieser Ausschlussgrund im Ergebnis auch
hier. Wie bereits dargestellt, wird das generelle In-Verkehr-Bringen eines lediglich im Ausland zugelassenen Medikaments von
der Rechtsordnung als Ordnungswidrigkeit missbilligt; überdies liegt in den aus Gründen des Gesundheitsschutzes europarechtlich
angeordneten weitgehenden Warenverkehrsbeschränkungen auf dem Arzneimittelsektor eine grundsätzliche Bestätigung der nationalen
Vorbehalte gegen alle in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Qualitätskontrollen. Deshalb besteht bei einem Off-Label-Use
eine davon abweichende Ausgangslage. Denn ein dafür in Betracht kommendes Mittel ist schon ordnungsgemäß im Inland auf seine
pharmakologisch-toxikologischen Eigenschaften zunächst im Tierversuch und sodann klinisch am Menschen mit Erfolg geprüft worden.
Auch wenn sich die klinische Prüfung nur auf die im Zulassungsantrag genannten Anwendungsgebiete bezogen hat, ist damit doch
zumindest bereits die Basis für eine ausreichende Arzneimittelsicherheit geschaffen und damit den Grundanliegen des AMG und des Krankenversicherungsrechts Rechnung getragen worden (BSGE 89, 184, 190 = SozR aaO S 34 f). Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus den Erwägungen, die zur ausnahmsweise zulässigen Verordnung
von Präparaten außerhalb ihres in Deutschland festgelegten Indikationsgebiets geführt haben, nichts für einen Anspruch auf
Versorgung mit Arzneimitteln, die in einem ausländischen Staat mit lediglich nationaler Wirkung zugelassen worden sind.